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II». 127 Lette »1 « . . -o—. .. - ch -ums Die Mo-e für unsere Kleinen Dl« vorliegende Ausgabe umfahr Sette« vrranlwortttc» Mr den redakttonellen Dctl; llhcfredak- <eur L. «oldftein; für An,eigen: O»wald Müller, beide in Leipzig. — Berliner Dienst: Ehefredakleur »r. (krich lkvertb, Berlin, Dünhos» J«VO—3«6L. Dresd ner Dienst: -elnrtL Zertoulrn, Dresden, alabelSberger- Pratze SS. srernsvrecher 34 783. — Druck und Verlaa: L«tp». verla«*»ruck«rrt, «. m. d H., Leipzig. IodannXg. 8. Unverlangt« Beitrag« ohne Rückporto werden nicht »urüch- gesandt. Al« wir «tust mtt der Puppe spielten, war e« unser größte« Vergnügen, die kleinen Hüte und Kleider »u verfertigen, die bestimmt waren, unser Puppenkind zu verschönern. Heute haben viele Mama«, verhindert durch ihre gesellschaftlich« Stellung oder durch Arbeit, nicht mehr die gelt, da« Nötige für ihre lebendigen Püppchen zu schneidern. Hingegen andere, vom Schicksal Be günstigte, finden darin immer noch ihre Lieb- lingsbeschäftigung. Und um unseren Leserinnen gefällig zu sein, erwähnen wir ihnen einige rei zende Frühjahrsmodelle, die zugleich den Vor- teil haben, nicht zu teuer zu kommen. Bor allem ein kleine« Phantasie-Schneiderkleid, bestehend au» Kleid und kleinem Cape. Beide sind aus dunkelblauem Serge, aeputzt mit weißer Silber- borte, die mtt blau gestickt ist. Für den Sommer könnte man die Farben und Töne im ganzen Heller machen. Ein anderes Kleid in cremefarbe nem, granuliertem Pongee, geputzt mit coratl- farbigem Organdt, ein Galalithgürtel von der selben Farbe, bezeichnet die Taille. — Ein drittes Kleid aus gestreiftem Epongestoff, besetzt mit dickem, glattem, weißem Linnen. Die Hütchen der Kleinen — sollen ganz einfach sein — ebenso wie die Kleidchen, garniert mit Band, aber hauptsächlich mit Blumen, welche Jugend und Frühling symbolisieren. Unser« Bilder von links nach rechts: 1. Kleid aus blauem Tast, besetzt mit Bärtchen und gezogenen Püffchen. — 2. Kleid au» weißem Crepe, blau, grün und gelb gestickt, Schalkragen aus grünem Crepe, gelb gefüttert — 3. Kleid au» gelbem Organdin«, mit ein wenig üuullerem Gelb brodiert, schwarzer Borte und schwarzer Stickerei an der Taille. — 4. Kleid aus gelber Leinwand, besetzt mit weißen Dreiecken, schwarz gestickt. — k. Kleid au» einfarbiger blauer Leinwand, geputzt mit weißer Borte und blaugeblumter weißer Leinwand. — 8. Kleid aus weißem Taft, gestickt mit grünen Blumen, Bolant «w grünem Taft, weiß«, Bändchen. — 7. Kleid aus blau« Crepe und weißem, mit blau gesticktem Crepe. — 8. Kleid aus weißem Crepe, geputzt mit Säumchen, grüner Einfassung, unten am Kleid eine groß« Mohnblume gestickt. , Oer Witwer «I No««« »an MrixtsI < Rach» ruck v«rd»t»n.) L« war so grenzenlos gleichgültig, wie der einmal festzustellen, daß die Untversi- tät zum Schaden der Studenten und Lehrer überfüllt sei, und daß sich die Ausländer auf Kosten der Landsleute schon wie der übermäßig breit machten, daß die Messelschen Museumsbauten leider bloß Notbauten werden würden, und daß Professor Schrotesund einen Ruf noch Heidelberg ausgeschlagen habe. Halb neun! Frau Körnchen war innerlich em pört. So nachlässig durste selbst Magdalena nicht sein. Einige Gäste hatten schon gestaut, wann der erste Kunstgenuß zu erwarten sek. Es war schlechthin eine Blamage, wenn Magdalena nicht kam. Sie war angekündigt worden, man hatte sie in gewisser Spannung erwartet, und nun hielt sie nicht Wort. Schließlich machte der Geheimrat den so naheliegenden Vorschlag, im Hotel Adlon telephonisch anzustagen, ob Frau v. Truschwende auf ihrem Zimmer sei. Und rich tig, sie war im Hotel. Ganz vergessen! In einem Antiquariat hätte sie eine Handschrift ent deckt, die ganze Art lasse auf Bach schließen, sie sei begeistert und so gefesselt, daß sie alles ver gessen habe. Nicht mal zu Mittag habe sie gespeist. Aber sie käme, in spätesten» einer Viertelstunde sei sie da. Frau Körnchen atmete auf. Man lachte. Ja, diese Künstlernaturen! Immerhin sollte Hilpert schon ein paar Lieder singen. Und gerade al« er das letzte sehnsüchtige: „Ich komme" aus des Totengräbers Heimweh von Schubert gesungen hatte, öffnete da» Mädchen die Ttir und Magdalena Truschwende trat ein. In einem sehr kostbaren Kleiv stand sie da, die schlohweißen Haare genial au» der hohen Stirn gekämmt, ihre blauen Augen schienen mit einem Blick die ganze Gesellschaft zu umfassen, und dann be grüßte sie zunächst temperamentvoll ihren alten darauf. denn jetzt wird e» erst gemütlich. Schade, daß der Schweizer so früh weg mußte, der hat auch etwas, was nicht alltäglich ist." Bon Hannelore war sie begeistert und pries Frau Körnchen das Glück, eine solche Pflegetochter im Hause zu haben. Das fand Frau Körnchen zwar überflüssig und aus er ziehlichen Gründen falsch, aber sie sagte nichts. Nur der Geheimrat stimmte ihr freudig zu. Ella, die ihren Schwager nicht allein lassen wollte, zwang sich, in den harmlos fröhlichen Ton ein zustimmen, den die kleine Gesellschaft anschlug. Es quälte sie maßlos, als Stromberg ein paar- mal herzlich lachte, nein, er durste noch nicht so selbstvergessen lustig sein. Magdalena Truschwende aber riß alle mit fort. Äe erzählte Schwänke aus ihrem Erden- wallen, wie sie es nannte, und offenbarte in der Art, wie sie Widersacher und Neider mit humor voller dtachsicht behandelte, ein tiefes Verständ nis für die Schwächen und Sünden andrer Menschen. „Man muß nicht zimperlich sein," sagte sie, „und Verlegenheiten mit Schicksals- schlügen verwechseln. Wenn es mir schlecht ging, habe ich mich immer damit getröstet, daß da» ein Versehen in der himmlischen Buchfüh rung sei, da» sich spätestens bei der Abrechnung am nächsten Ersten Herausstellen müsse. Ich nahm das dem lieben Gott auch niemals übel. Er ist ein Künstler, und Künstler können schlecht Orb- nung halten. Das weiß ich doch von mir am besten." Ws man puseinanderging, trug jeder eine Einladung von Frau v. Truschwende für die Sonnnerwochen in der Tasche. Der Geheimrat sollte mit seiner Frau auf ihr Weingut im Nbeingau kommen, „Otto, der Keller schreit förm lich Nach einer Weinzunge," sagte sie mit viel- versprechendem Augenzwinkern. „Und Sie, Herr Professor Stromberg, könnten mir keinen grö ßeren Gefallen tun, als wenn Sie Ihre Ferien auf Ternbach verbrächten. Da sind allerlei alte Bilder und Stiche, die Sie vielleicht interessie- ren, und in einem gräßlich ungemütlichen Saal, der den alten Rittern für ihre gewiß recht hef tigen Feste gedient hat, blättert der Kalk ab und darunter zeigen sich Spuren von Wandmale- reien, die noch keines Kunsthistorikers Auge er blickt hat. Wenn Sie nicht kommen, Herr Pro fessor, lasse ich frisch tünchen. Denn Ordnung muß sein, nicht wahr, Maria?" - Appel» sollten in die Nähe der See, weil die Luft dort zehre, man würde schlank, ob man wolle oder nicht. Und feine Modelle aäbe es da für «inen Maler. Aber die Hannelore, die müsse mit ihr reisen, wenn sie Lust habe, „das wäre für mich ein Glück, wie ich es mir nicht größer ausnmien könnte," sagte sie warm. Bloß bei Ella Stumpf zögerte Magdalena verlegen, schließ lich sagte sie verbindlich: „Hätten Sie Lust, ein paar Wochen > itten im Avald zu wohnen? Ich habe eia entzückendes Försterhaus Im Harz, und die Förstersleute sind besonders nett." „Sie find wirklich sehr, sehr liebenswürdig, Freund Körnchen. Hannelore hatte sich oufge- reckt, ja der Onkel hatte recht, di« Frau gefiel ihr. Frau Körnchen aber starrt« entsetzt auf Magda lenas Füße, die in roten Lederpantoffeln steckten. So rasH sie konnte, machte sie Magdalena darauf, aufmerksam. Die sah an sich herunter und lacht« unbekümmert und herzlich: „Das muß ja furcht bar komisch aussehen l Nächstens vergesse ich noch meinen Kopf mitzubringen." Mit gewin- nender Ungezwungenheit wandte sie sich an die Gäste. „Ich bist« sehr um Entschuldigung, aber vielleicht machen wir au» der Not eine Tugeuo und reden uns «in, ich hätte die Galoschen des Glücks an." E» wurde rin ausnehmend hübscher Albend, trotz der Lederpantoffeln. Ein Studiengenosse Hilperts sang zur Laute ein paar alte Lieder au» des Knaben Wunderhorn. Eine junge Lellt- sttn spielte Lrtea» A-Moll-Sonate, von einem angehenden Edwin Fischer künstlerisch begleitet. Ein schauspielerischer Anfänger, dem e» noch nicht gelungen war sich durchzusetzen, rpeil er zu den spröden und innerlich Begabten gkhört«, trug Goethes gespensterdunrle Ballade vom untreuen Knaben vor und erzählt« da» kindergläubige Märchen von den Sterntalern, dann setzte sich Magdalena an den Flügel. Ein paar Augen- blicke saß sie mit gesenktem Kopf da, ihre Augen nahmen einen seltsam sinnenden Ausdruck au; inan fühlte: daß sie sich unwillkürlich in eine andre Welt begab, daß es in ihr zu musizieren begann, noch bevor sie die Tasten berührt Hatto. Und nun spielt« sie... Es war das Stück, das sie am Vormittag entdeckt hatte und von dem sie ver mutete, daß e» von Bach sei, eine strenge, fast herbe Komposition, di« sich allmählich »u einer aufblühenden Heiterkeit durchrang. Niemand, auch sie selber nicht, konnte beweisen, daß das für Bach sprechend« Gefühl unwiderleglich r?i Jeden,clls bandelte es sich um ein Gclegenneils- werkchen. Aber der alte Meister, der es geschaf fen, hatte mit geradezu ergreifender Liebe daran gearbeitet, als wenn sein ganzer Nachruhm von diesen paar Notenblättern abhäng«. Hannelore, die neben Appel saß, lastete ein- mal nach seiner Hand und preßte sie. Der nickte verständnisvoll. Selbst Geheimrat Körnchen, der sonst auf seine unmusikalische Natur pochte, als wenn sie eMe besondere und seltene Originali tät beweise, saß heute andächtig da. Hannelore dachte bei sich, daß er lediglich die Fingerfertigkeit bewundere und den Chirurgen bestaun«, der Frau Tuschwendes aedrochene Glieder so kunst- gerecht zusammengeflickt hatte. Alber sie irrte'sich, Erinnerungen hielten den alten Herrn in Dann. Sie wurden wunderbar lebendig, wie die ver blichenen Notenköpfe auf dem gebräunten Papier. Als sich die Mehrzahl der Gäste verabschiedete, blieb noch «in kleiner Kreis zusammen. E» war bezeichnend für Vtagdalena Truschwende, daß sie heimlich zu Stromberg und dem Ehepaar Appel gegangen war und sie -um Bleiben auf- f«rd«rte: „St« und Vie müssen noch hier bleiben, Frau v. Truschwende, aber wenn aus all reizendes Vorschlägen tatsächlich etwas wtrd^ dann möchte ich am liebsten meinen Schwager begleiten," entgegnete Ella, ohne zu ahnen, daß sie mtt die,em Geständnis die verschiedenen Ge müter in Aufruhr versetzte. „Fräulein Hannelore," sagte Stromberg, all» er sich verabschiedete, „wollen wir morgen nach meiner Vrrle.ung zusammen hetmgehrn?" „Gerne, lieber Freund," sie gab ihm mit ka» uMadlchaftliä-em Druck die Hand, „ich erwarte Ei- wie früher an unserem alten Platz." * * * Sich selber unbewußt wachte Ella eifersüchtig Der die Gefühle ihres Schwagers. Er sollte sich nicht abwenden von den Erinnerungen an Inge. Die Trübung, die sein Leben durch den Tod Inges erlitten, war natürlich und selbstverständ lich, und es gehörte sich, daß sie dauerhaft blieb. Man legte einen Schmerz nicht ab wie den Trauerflor, und es war unwürdig, sich von Außenstehenden zerstreuen zu lassen. Seit dem Hauskonzert war mit Stromberg eine Verände rung vorgeganHen. Das war offensichtlich. Er hatte eine geschickte Art abzulenkeu, wenn sie von Inge sprach. Er ging mit Reiseplänen um und meinte, es werde ihn: gut tun, einmal in andere Umgebung zu kommen. Er orakelte, was wohl an den Wandbildern auf dem österreichischen Schloß sein möge; wahrscheinlich wären es Fres ken, Neste mittelalterlicher Monumentalknnst, von der so betrübend wenig erhalten sei. Er räumte Inges Bücherschrank aus, da er ihn notwendig für den Zuwachs seiner Bibliothek brauchte, und ließ sich dabei durch keinen Hinweis auf Pflichten der Pietät stören. Er erzählte gelassen, daß ein Kollege zum zweitenmal geheiratet Habs. Das war alles sehr bedenklich. Ella war durchaus keine Intrigantin, aber sie hatte ihre junge Schwester über alles geliebt und diele Liebe über trug sie nun auf Inges Kinder. Nein, die durf ten keine Stiefmutter haben, nein, das mußte verhindert werden. Auch wirtschaftliche Erwä gungen sprachen da mit. Wer konnte wissen, wie eine zweite Frau den Schwager beeinflußte. Soll ten die Kinder schließlich aufs Pflichtteil geletzt werden, wenn Peter die unverantwortliche Tor heit beging und noch einmal heiratete? In die sen Zeiten, wo jeder stöhnte und keiner auskam. Was hatte denn Peter noch zu erwarten al» Gelehrter? Universitätsprofessor, Kunsthistoriker, vieles Luxusfach! (Fortsetzung folgt.)