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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306085
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230608
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230608
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-08
-
Monat
1923-06
-
Jahr
1923
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HD» Bor- «h M r«« A«i0 m,d f et» Vterttt r »rtjchaft !» AteNWW ßeö« eltr» Frage j schrtstllch« aufch peatfchlanb» N »» ch». Garantie» »trr»»g falle». Zur e Gerhard« > «erPflich- Regierung ren» -ar lang dteser ^ver terhand- sieuen sich Z« Hinter« die Poin- rin franzö- »enden Ein« politisch und »den Der« oo jeder der ie Partei« sterIaspar, Leuni» — gehört, auf und wie treitfrogen Lufig von t die vom >e» Ginn » wieder« on gegen ereinigung ie Ein « stände» die iuwnnq Ich« S-h» sfio» über »blich da» ierwal« behaltene« alle» find ne« ernst« :n> Piel« rllen, da» , »och ehe fordern«, m fragen, der dieser n gekenn« littk »er« Ster ! Beginn ß Fuchs« alozza ie Glaä>- c ungiin« > Gericht ingen ab sen nur izeiprop« hen, daß von der dent de» vernom- n Fuchs inn über ein ver« e« habe logischen edentlich ar auch «d. Da» ung den h« Au»« cher und iß Tafel »n ihm »er sehr -ldmittel erklärte, »ei-, die > Pesta- uard.I. rt hab«, schwirr- hte »». tisen« iS «in« worden. krsllng, 8. /an! Lin verhängnisvollerTag 8 Tote, IVO verrounbete Leipzla, 7. Juni. Am Mittwoch nachmittag kam e» nach den Demonstrationszügen zu blutigen Zu sammenstößen mit der Polizei, wobei — wie wir bereit» gemeldet haben — ein Sipomann tödlich ver wundet wurde. Die Ereignisse spielten sich Haupt« sächlich am Grimmaischen Tor ab. Kurz nach dem Eintreffen des Zuge» drang eine größere Menschenmenge, die mit den Or ganisierten nichts gemein hatte, in die Grim- maische Straße. Die Ordner, die, sich an den Händen haltend, rings um den Augustusplatz standen, ver suchten den Vorstoß der Masse aufzuhalten. Ein Teil der Funktionäre arbeitete sich durch die Menge in der Grimmaischen Straße durch, um sie nach dem Augustusplatz zurückzudrängen. Ihre Aufgabe wurde ihne« durch jugendliche Erwerbslose erschwert, die den Durchgang nach der Grimmaischen Straße erzwingen wollten und eine drohende Haltung sowohl gegen die Ordner als auch gegen die Schutzpolizei ««nahmen. Oer erste Schuß Nach etwa einstündigem Hi« und Her versuchte die Menge einen Vorstoß in der Richtung Neu markt, wnrde aber von dem Polizetkordon zurSS- gedräugt. Hierbei fiel auf feiten der andrLngeuden Masse ein Schuft. Daraufhin machte die Polizei von ihren Gummiknüppeln Gebrauch. Ei« Mann wnrde verhaftet. Nunmehr wurde« die Beamte« von der wütenden Menge mit Steinen, Glas stücken, Mes ser« und Knüppeln angegriffen. Ei« Polize iwachtmeister wurde durch einen Rückenstich getütet. Rach diesem Borfall wurden die in der Ritter- strafte und auf dem Nikolaikirchhof stehenden Polizeimannschaften zur Ver stärkung herangezogen. Tie versuchten zuerst mit Gummiknüppeln die Menge zurückzudrängen. Schliesslich muftte ste aber, aufs ärgste bedrängt, von ihrer Schuftwaffe Gebrauch machen. An wilder Flucht flutete die Masse nach dem Augustusplatz zurück. Hierbei wurden zwei halbwüchsigen Arbeitslosen von den Funktionären ein Dolchmes - ser und ein Schraubenschlüssel abgen omme«. Eine auf dem Augustusplatz stehende Menge junger Leute, die die Ordnerkette mehrfach durchbrechen wollte, hielte die Menge hyrch Zurufe auf, und forderte ein er neutes Vorgehen gegen die Polizei. Sie behaupteten, daft die Polizei den Befehl habe nicht scharf zu schieften, und daft die Knallerei nur Schreckschüsse gewesen seien. Die erregte Menge lieft sich jedoch nicht halten und drängte auf den Augustusplatz. Etwa zwanzig Per sonen blieben verwundet auf dem Platze liegen. Nunmehr räumte« auch die organisierten Demonstranten fluchtartig den Platz. Die Polizei nahm am AuSgang der Grimmaischen Strafte Aufstellung. Während die Verwunde ten durch die Arbeitersamariter nach dem KasseehauS Frische und dem Haupt postamt getragen wurden, bildeten sich auf dem Augustusplatz wieder grSftere Gruppen, die durch eine Attacke beritte ner Schutzleute nach de« Seitenstraften l-ejprlger Tageblatt aoü Llanüelaaettung vertriebe« werde» muftten. A« wenige« Ange«blicke« war der grofte Platz ge räumt. Etwa 40 verw««dete wnrde« teils durch RettungSautomobile, teil- auf Tragbahren abgeholt. * Durch Anfrage konnten wir feftstellen, daft «ach dem Fenergefecht im Stadt zentrum 8 Lote und über 1VV Ver wundete gezählt wurde«. Die Zahl der verwundeten ist indes Häher, da eine ganze Anzahl von den Flüchtende« mit genommen wurde. Die meiste« der verwundeten fanden im Krankenhaus St. Aakob und in der Poliklinik ärztliche Hilfe. ES steht zu befürchten, daft die Zahl der Toten Häher als amtlich festgestellt worden ist, da «ach Berichten von Teilnehmern der Demonstratio« auch die Toten fortgeschleppt worden find. Unter de» Toten befindet sich noch ein Polizeibeamter. Vas SOO-Mark-Stück Auf der Reichsbank ist am Mittwoch mit der Aus- gäbe einer ersten Lieferung der auf 180 Millionen Stück bemessenen 500-Mark-Stücke begonnen worden. Die Münzen, die nicht ganz so groß wie die Der- fassungs-Gedenktag-Dreimarkstücke und etwas schwä cher als sie sind, werden in Rollen zu 100 Stück, ver- einzelt auch in Beuteln im Gesamtwert von 5 Mil« lionen Mark, ausgegeben und sehr gern angenommen. Zm Vergleich zu den früheren Reichsmiinzen kommt das Aluminium-500-Mark-Stück etwa dem silbernen 2-Mark-Stück gleich. Weitere Ausgaben dürften in Zwischenräumen von 2 bis 3 Tagen erfolgen, bis die SO Milliarden Nennwert voll sind. Auf Ausgabe der Fünfhunderttausendmarkscheine ist etwa Ende Juni zu rechnen. Reichsindex für Mai: 3816 Nach den Feststellungen des Statistischen Reichs amtes beträgt die R e i ch e i n d e x z i f f e r für die Lebenshaltungskosten (Ernährung, Heizung, Be leuchtung, Wohnung und Bekleidung) im Durch schnitt für Mai 3816 (1913/14 -- 1) gegenüber 2954 im April. Die Ziffer zeigt sonach im Vergleich zu der verhältnißmüßig ruhigen Entwicklung der Vormonate ein stärkeres Anziehen um 29,2 v. H. Die Indexziffer ohne die Beklcidungskosten ist um 27,4 v. H. auf 3521 gestiegen. Die Ernährungskosten haben sich gegen über April um 32,0 v. H. auf das 4620fache, die Dekleidungskosten um 36L v. H. auf das 5724- fache der Vorkriegszeit erhöht. Die neue Preis welle hat in mehr oder minder starkem Maße alle Be- richtsstädte erfaßt. Die vorstehenden Zahlen, die den Stand der Teuerung für den Durchschnitt des abgelaufenen Monats wiedergeben, sind unter dem Druck der weiteren Morkverschlechterung zur zeit wesentlich überholt. Wucherischer Blehhaudel. Dor dem Leipziger Wuchergericht hatte sich der Viehhändler Emil Schmidt aus Kaysa bei Torgau zu verantworten. Er brachte auf dem Leipziger Schlachthof zwei Schweine für 1267 200 -41 zum Verkauf, für die er 960 500 «it bezahlt hatte. Das Wuchergericht be rechnete den ungerechtfertigten Uebergewinn auf 76 916 -41. Das Geld wurde beschlagnahmt, Schmidt zu zwei Wochen Gefängni» und 300000 -11 Geldstrafe verurteilt. Eine feine Mühl«. Eine plötzliche Revision in einer Mühle in Jessen ergab, daß der Mühlen besitzer 40 Zentner gemahlenen Kalk und 6 Zentner feingemahlenen Sand bereitgestellt hatte, um Mehl« und Kleiefälschungen vorzunehmen. Mehrer« vollzogene Fälschungen konnten daraufhin festgestellt »»erden. Gefälschte Gemälde. Gegenwärtig beschäftigt sich ein au» den hervorragendsten amerikanischen Kunst kennern zusammengesetzte» Komitee mit der Prüfung einer Reihe von Erwerbungen de» New Yorker Metropolitanmuseum». Bisher wurde einwandfrei festgestellt, daß zwanzig gotische Holzschnitzereien, von denen acht au» Deutschland, zwei au» Frankreich und zehn <w» Oesterreich stammen, Fälschungen sind. Für diese Antiquitäten wurden insgesamt fünf Millionen Dollar bezahlt. Man beschäfttgt sich jetzt mit der Prüfung mehrerer in Frankreich erworbener Werke der französischen Impressionisten und zweier Gemälde aus der Zeit der italienischen Frühreuaisstmce. Wie reich Amerika on gefälschten Kunstwerken ist, geht daraus hervor, daß man ein ganze« Museum der Fälschungen damit stillen konnte. Vie Teuerung in Leipzig (Stattstisches Amt Leipzig.) Stichtag 6. Juni 1923: 424 229 Mark. Letzte Teuerungszahl (Stichtag 3V. Mai) 363 076 Mark. * Don Woche zu Woche, von Tag zu Tag wird der Lebensunterhalt teurer. Erst letzthin stellten wir fest, daß innerhalb von achten Tagen die statistisch bekanntgegebene Teuerungsziffer um rund 18 Prozent gestiegen ist. Die Teuerungs welle geht aber weiter. Vom 30. Mai bis 6. Juni hat die Durchschnittszahl eines Existenzmini mums um die Summe von etwa 61000 zu- genommen; das sind wiederum rund 17 Pro zent. Und die Gehälter? Siu Frauenklub für 70 Milliarden Mark. Mitte Juni wird in Anwesenheit des amerikanischen Bot schafters in London ein neuer amerikanischer Frauen klub eingcweiht werden, für dessen Ausstattung und Möblierung nicht weniger als 200 000 Pfund Ster ling ansacgeben worden sind. Da« macht bei dem gegenwärtigen Stand unserer Währung einen Betrag von etwa 70 Milliarden Papiermark au». Der für die Aufnahme der amerikanischen Damen bestimmte Klub ist in einem großen Palais des Londoner West- end untergebracht, das auf Kosten einer Anzahl reicher Amerikaner für Klubzwecke umgebaut wurde. Der amerikanische Damenklub zählt in London 500 dauernde Mitglieder, sieht aber während der Saison Hunderte von amerikanischen Damen, die sich besuchs weise in London aufhalten, als Gäste bei sich. Um diesen Damen, die auf ihrer Europatour sind, einen angenehmen und komfortablen Aufenthalt zu bieten, hat man die neuen Lokalitäten eingerichtet. Alle Zimmer und Korridore des Klubgebäudes sind reich mit herrlichen, kunstvoll geschnitzten Panelen au» Eichenholz bekleidet. Der Empfangssaal ist in goti- schem Stil ausgestattet, während der Speisesaal, der einen gewaltigen Kamin besitzt, im Stile Ludwigs XII. gehalten ist. Im Konzertsaal ist eine wundervolle Orgel eingebaut. Zwei Stockwerke des Gebäudes mit insgesamt 30 Zimmern sind für die durchreisenden Damen bestimmt, die hier ein behaglicheres und ele ganteres Heim finden als in den vornehmen Hotels von London. Die Fremdenzimmer find im Stil der italienischen Renaissance ausgestattet und mit allen Bequemlichkeiten modernen Komforts versehen. Der Londoner Klub der Amerikanerinnen wurde im Jahre 1889 von wenigen Damen begründet und ist seither von Jahr zu Jahr gewachsen. Gebäck mit Finger. Fürstin Hohenlohe, Tochter des früheren Lrnährungsministers Grafen Johann Hadik, fütterte in Gesellschaft ihrer Mutter im Buda pester Tiergarten ihre Lieblingstiere. Zuletzt reichte sie gebliebenes Gebäck zwischen zwei Fingern einem Zebra, das danach schnappte und mit dem Gebäck auch den halben Zeigefinger der Fürstin abbiß. Der ReichSvcrband zur Unterstasunq deutscher Vete ranen, E. B. (Berlin W 9. Potsdamer Straft« 126), hat neuerdtnqs einen PatrnschaftSvermittlungödtenst or ganisiert. Dis jetzt konnten gyd Veteranen auS dem 7l)er Krieg« mit einer Jahresleistung von ea. 35 Millionen untersetzt werden. Geld und Naturalien sind Gegen stand der Unterstützung. Di« Paten verkehren direkt oder durch Vermittlung des Verbandes mit ihrem Pflegling. Der verband wendet sich an alle Kreise, die in der Lage sind, sich eine« Hilfsbedürftigen anzunehmen, nähere Auskunft bei ihm etnzuholen. «r. 124 2 . -» vanknoten-vlebstahl In der Reichsdruckerei Mir SOO Millionen Mark SO 000«Mark«Scheine verfchwnaden. Ein geheimnisvoller Diebstahl wurde im Gebäude der Reichsdruckerei in der Oranienstraße in Berlin entdeckt. Bei der Zählung der Geldschein- Pakete stellte es sich heraus, daß ein Posten von neu gedruckten 50000 - Mark - Scheinen fehlte. Es handelt sich um ein Paket mit fünfzig Millionen Mark. Die Direktion der Reichsdruckerei ließ den Diebstahl sofort durch Plakatterung bekannt machen und setzte für die Ermittlung des Täters eine Million Mark Belohnung aus. Man steht in diesem Falle direkt vor einem Rätsel, wie der Diebstahl verübt werden konnte. Die Bank noten sind nämlich allem Anschein nach auf dem Transport nach den Speicherräumen verscywunben; gerade bei diesem Dienst ist die Bewachung außer- ordentlich sterng und wird nur durch alte, vertrauens' würdige Beamte ansgeübt. Die letzte Phase der Banknotenherstellung ist derart, daß ein Beamter die aus der Maschine kommenden Scheine kontrolliert und banderoliert. Sodann werden die Bündel wiederum durch besondere Beamte nach einem anderen Raume gebracht, in dem sie versiegelt werden. Darauf erfolgt unter größtmöglicher Siche rung der Transport in besondere Speicherräume, in denen die Banknoten bis zu ihrer Ausgabe auf bewahrt werden. Die entwendeten Scheine, die noch nicht numeriert waren, lassen sich mit Hilfe eines Gummistempel» ohne größere Schwierigkeit mit den erforderlichen Nummern versehen. Derartige Fälschungen find dann selbst von Fachleuten nur sehr schwer als solche zu erkennen. „Geschäftstüchtige" Mädchen In Offenbach a. M. haben sich in den letzten Wochen zwei Mädchen auf raffinierte Weise in den Besitz von vielen Millionen gesetzt. Die 18jährige Gertrude B., die in einem dortigen Bankhaus tätig war, eignete sich einige Ueberweisungsformulare an. Eine ihrer Freundinnen, die gleichalterige Therese St., füllte die Formulare aus, worauf die D. die ihr bekannte Unterschrift eines Kontoinhabers fälschte. Die beiden eröffneten dann bei einer anderen Bank ein Konto und überwiesen auf dieses insgesamt neun Millionen, die sie dann wieder abhoben. In einem weiteren Falle, bei dem 7 Millionen überwiesen werden sollten, wurde die Fälschung ent deckt, ehe die Ueberwoisung erfolgt war. Beide Mädchen wurden verhaftet. Don dem Gelde hatten sie sich Kleider, Hüte, Wäsche usw. gekauft, und konnten so lange Zeit als elegante Damen auftreten, ohne daß irgend jemand Verdacht schöpfte. Ein Teil des Geldes konnte wieder zur Stelle geschafft werden. Kindermord. Vor den Geschworenen von Lanfing (Michigan) stand eine Frau unter der Anklage, ihren zwölfjährigen Neffen vergiftet zu haben. Im Verlaufe der Verhandlungen wurde der Frau nachgewicsen, die Engelmacherei in großem Stile betrieben zu haben. Im Laufe der letzten Jahre sind nicht nur ihre eigenen Kinder nacheinander eines plötzlichen Todes gestorben, sondern auch noch eine Anzahl fremder, die ihr zur Obhut anvertraut waren. Man fand die Ueberreste im Garten ihre» Häuschens. Die Angeklagte behauptet, die Kinder seien an einer ansteckenden Krankheit gestorben, und sie habe diese wegen der Ansteckungsgefahr rasch beseitigen wollen. Bisher wurden zehn Kindeslcichen aufgefunden. Gefährlicher Svort. Nach einer Meldung aus Wien kamen auf der Donau durch Umschlagen eines Faltbootes drei Menschen ums Leben. Innerhalb kurzer Zeit ist dies der dritte Faltboot unglücksfall auf der Donau. Mein Schneider Bon Staplrnn SaseoeN Immer steht und stand er die letzten dreißig Jahre im Hintergrund seines Ladens, das Zentimetermaß um den Hals geschlungen, ein Begrüßungslächeln aus dem Gesicht. »Etwas in Kammgarn gefällig oder vielleicht in Homespuns?" fragte er. Wir schwanken stets nur zwischen diesen beiden Stoffen. Dreißig Jahre lang haben wir nichts an deres genommen. Nun ist es zu spät, unsere Wahl noch zu ändern. »Kammgarn", sagt mein Schneider, »vielleicht etwas in Dunkelblau?" Er bringt dies mit der gan zen Ueberzeugungskraft einer vollkommen neuen Idee hervor, so als ob der Gedanke an Dunkelblau seiner augenblicklichen Eingebung entsprungen sei. »Herr Ienningol" (das ist sein Gehilfe), „bitte, seien Sie so gut, die dunkelblauen Stoffe herunter zu nehmen." »Hier, das ist ein wundervoller StoffI" Er ruft es so aus, als ob ihn blindester Zufall und bestes Glück unter Millionen Stoffen über den einen habe stolpern lassen. Er hebt ein Knie, legt den Stoff darauf »urecht end bleibt auf einem Beine stehen. Lr weiß, daß rr in dieser Stellung unwiderstehlich ist. Stoff kann man nur richtig beurteilen, wenn man ihn in Falte« über da» gebeugte Knie eine» Schneider», der ein Bein in die Lust steckt, rieseln sieht. Mein Schneider kann so unbegrenzte Zett stehen, in Ekstase, auf einem Dein, in einer Art lokaler Lähmung. »Wird e» sich auch verarbeiten?" frag« ich. »Aber ganz vorzüglichl" antwortet er. Ich habe keinerlei Grund daran zu zweifeln. Ich weiß eigentlich nicht, warum sich ein Stoff nicht gut verarbeiten soll. Aber ich stelle diese Frage, denn ich weiß, dass er ste erwartet und nie gern hat. »Glauben Sie nicht, daß er etwa» auffallend ist?" Lr mag e», wenn man ihn da» fragt. »Aber nicht im geringsten. Im Gegenteil, er ist sehr ruhig. Wir empfehle« Kammgarn stet» al» außerordentlich ruhig." Ich habe nie einen unruhige, Arqng kn »eine« Heben gehabt. Aber -trotzdem, «Ut Dann nimmt er mir Maß, nur um die Brust, sonst nirgendwo. All die anderen Maße sind schon seit Jahren aufnotiert. Und das Drustmaß wird nur genommen, um mir eine Freude zu bereiten, ich weiß das genau. In Wirklichkeit wachse ich auch nicht mehr in der Brust. „Eine Kleinigkeit voller in der Brust", stellt mein Schneider erstaunt fest. Er dreht sich zu seinem Ge hilfen um. »Herr Iennings, eine Kleinigkeit voller in der Brust — bitte, einen halben Zentimeter mehr in der Brust." Es ist eine freundliche Vorspiegelung. Line Ver breiterung der Brust, schmeichelt selbst dem Beschei densten von uns. .Ja", fährt mein Schneider fort — er gebraucht ja ohne besonderen Sinn — »ja, wollen wir sagen, Dienstag in einer Woche?" — „Und schicken Eie, bitte", sage ich „die Rechnung" — Aber mein Schneider wehrt ab. Er legt keinen Wert darauf, mit mir über die Rechnung zu sprechen. Es würde uns beiden nur Schmerz bereiten. Die Rechnung ist eine Angelegenheit, über die wir ausschließlich schriftlich in einem vornehm ver schnörkelten Stil, der darauf bedacht ist, niemandem wehe zu tun, verkehren. An Stelle der Rechnung steht da» Gespräch über das Wetter. Gewöhnliche Leute beginnen mit diesem Thema. Schneider, finde ich, enden damit. Auch wird es erst angeschnitten, wenn der Anzug bestellt ist, niemal» vorher. Dann gehen wir zusammen in den Vorderlader», zum Ausgang. „Heute keinen Bedarf in Oberhemden?" fragt mein Schneider. »Nein, danke schön." Die» ist wiederum ein« bloße Formalität. In dreißig Jahren habe ich niemals ein Oberhemd bei ihm gekauft. „Keinerlei Bedarf in Krag'n oder seidener Unter- wösche?" Wiederum eine vergeblich« Frage. Kragen kaufe ich anderswo und seidene Unterwäsche habe ich nie- mal» getragen. So gehen wir in freundlichem Gespräch »ur Tür. Denn er e» unterlassen hätte noch Oberhemden und seidener Unterwäsche zu fragen, wär e» mir gewesen, « rv «in gewohnte» Pond gevtsse« wär«. An der Tür trennen wir uns. „Guten Abend," sagte er, „Dienstag in einer Woche — ja — guten Abend." So ist oder war unser ruhiger friedlicher Verkehr. Ich sage war, denn ich bin neulich zum letzten Male dagewesen. Als ich zu der bekannten Tür kam, um meinen gewohnten Sommeranzug zu bestellen, fand ich, daß es ihn nicht mehr gab. Leute waren im Laden, die Facher ausräumten, Stoffe aufeinander stapelten und eine Bestandaufnahme machten. Sie erzählten mir, daß er gestorben sei. Ls gab mir einen seltsamen Ruck. Ich hatte dies nie für möglich gehalten. Er schien unsterblich und hätte es sein sollen. Eie erzählten, geschäftliche Sorgen wären mit der Grund zu seinem Tode gewesen. Darauf wäre ich niemals gekommen. Es geschah alles so ruhig und gemessen, wie er sein Metermaß um den Hals schlang. Maße angab und den übers Knie gebreiteten Stoff am Hinterfenster feine» Ladens gegen die Sonne hielt. Kann ein Mensch daran sterben? Doch es wäre, sagten sie, schon viele Jahre lang mit ibm bergab gegangen. Seine Frau ließe er in schlechten Verhältnissen zurück. Ich hatte nie daran gedacht, daß er eine Frau haben könne. Aber es scheint so, daß er eins hatte, und auch eine Tochter, die ins Konservatorium ging, und trotzdem hat er niemals von ihr gesprochen, und er selbst war musikalisch und blies di« Flöte und war Kirchenältester — aber er bat e» mir gegenüber nie erwähnt. Tatsächlich, in dreißig Jahren haben wir nie von Religion gespro chen. L« wäre schwer gewesen, ihn mit diesen Ge danken in Verbindung zu bringen. Al» ich herau-ging, schien seine Stimme mich zu fragen: „Heute keinen Bedarf in Oberhemden?" Mir tat e» leid, niemal» welch« gekauft zu haben. Ich weiß, daß in dieser Geschichte eine tiefe Moral steckt, und will nicht versuchen, fie auseincmderzu- l-K-n Sie liegt »u klar auf der Hand. Mrdertra«. a. d. Englisch, v. «. y. Vchiffer-WtMam».) Wei»aart»er in Lauda». Felir Weingartner dessen 60. Geburtstag jetzt gefeiert wurde, ist seit IS Jahren zu» erstenmal wieder in London und wurde sehr war» b'gräßt. Die englischen Plätt« heben hervor, daß er der letzte große deutsche Diri gent aus der Schule ist, die von Liszt und Wagner rhren Ausgang nahm. Er wird besonders als Inter pret der klassischen deutschen Musik gefeiert. „Er ist unter allen großen Dirigenten die aristokratischste Erscheinung. Er hat keine von den Löwengesten Richters, nichts von dem melancholischen Zauber Nikischs, aber man fühlt trotzdem die bezwingende Suggestion, die von den wohl abgemessenen Bewe gungen seiner Hände ausgcht." Was ist ein Hungertuch? Oft wird der Ausdruck gebraucht »am Hungertuch nagen» und jetzt fast mehr noch al» während des Krieges haben viele Menschen kennengelernt, was es heißt, wenn das Schicksal das Hungertuch aufgehänqt hat. So oft die bekannte Redensart aber auch gebraucht wird, nur wenige Menschen wissen, was ein Hungertuch eigentlich ist, und was man sich darunter vorzu stellen hat. Es war im frühen Mittelalter, als der kirchliche Brauch aufkam, während der Fastenzeit den gewöhnlich reich mit goldenen und buntfarbigen Zieraten geschmückten Altar mit einem Tuch zu ver hüllen, »nn die ernste Stimmung der Gläubigen nicht durch den Anblick des prunkvollen Schmuckes zu zerstreuen. Dieses Tuch nun, das aus weißer, grauer oder violetter Leinwand hergestellt und mit großen schwarzen Kreuzen bemalt oder bestickt war, hieß das Hungertuch; denn es deutete, daß man der Fastenzeit gedenke, die jede reichliche Mahlzeit streng verbot. Li« Wörterbuch, da» i« Jahre 2024 fertig wird. Die französische Akademie der „Unsterblichen" hat bekanntlich die Aufgabe, das maßgebende Wörterbuch der französischen Sprache immer von neuem zu be arbeiten und nach dem gegenwärtigen Stande za verbessern. In der letzten Sitzung beschäftigt« man sich mit dem Buchstaben .I", und es kam dabei di« Fortsetzung der Arbeit »ur Svrache. An der neuen Ausgabe de» Wörterbuches, die fetzt bi» »um Buch staben I gediehen ist, arbeitet die Akademie leit 45 Jahren. Vorläufig ist erst ein Band vollendet, der die Buchstaben A bi» H umfaßt. Schreitet da» Werk mit der bisherigen „Schnelligkeit" vorwärts, so wird die Ausarbeitung der noch übrigen 18 Buchstabe«, die ein sehr viel reichere» Wortmaterial umfaßt al» der erst« Teil, nicht weniger als 10t Iah« in An- jpanch nehme«, , — r
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