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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230602
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Text schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-02
-
Monat
1923-06
-
Jahr
1923
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vsrlsn Lünsl:- I^is- i?Luroti 8. 6aü Ldtrwsn )mmsr- üs. kkriiiv^ Zisllo n. ivtisi?. kill- Hl IttaL» isrle, vom «e. OrelZ. V- Ilnk». c 8. n, r Schlaf- aefnäit. v Preis >es Lrip» m »«»»«!«» für die fVesiRMl* lStadt» u Post») Utts- De^UÜSV^EES: un'v^e^e?n°büd?/n-^Sla^^^ M M ausw. Inserent. M. 3tt0. S o n*'e^r 'p r^e u e? yamiltenmii^v^Prtv' ^ora.-ns ^^Ike'r Montagüüb^e W^UUM MM > W M M W M U MM Jette M.-°>s,0»elegc»hci,Sau,. lpriv. Namr-u. SleUcuaiisev, MM' P^'°, NN« ,uno'Ääwäl^Iien/ U M--U-U M U M D M M Zeile M. 85. Ftcllenac« MN, Zeile M. 7N. amil. Pekauittn, Toppe«. Z'wau Ichliebt SrMau"«au» SchrM ettuna. «elsattsne»«, W V mm-ZeileM.3Stt.».auSW.MERckl 72mmbr..mw.ZeileMZ5N.l.au5w Dru^"et . Lctp,ig, ^°d"""'fS-'Nc 8 lgernfprecher »7l^> IUM). M.lLo.AuSlandSan umvalutaauttchl. Bei Wiederd- Nachlas;. Platz - Wahme: auch nimmt ted-« Pottam. Bestcllungen an. mDatenvorsch unverb,ndl.Lrfüll..OuLcip;tg. Pos,schELe,p,.3O0 l. DaS Seiasigrr r«g«b»att -atbSlt awUiche ÄeraaatmachitteO«« Va» MaK» »«e «tadl L*iv»ia. »«S Voli^eiarittidinms «ei»»ig, des »M«S«arichtS Lei»,»«. somi« v-rr«»iede»-r anderer Behörden Ar 129 klnrslnummvf 3AO 8om»«dea6, ckea 2 /uv! 1922 ^6^N-/^U8FSde 117 Isdig Tat und Stil tz*! '., V Leipzig, 1. Juni Es ist eine merkwürdige Erscheinung, daß die primitivsten Fragen dann gestellt werden müssen, wenn die Verhältnisse am drängendsten werden. Dann kehren die Menschen immer mehr zu den Urbedürfnisscn zurück. Die höheren Bedürfnisse treten zurück. Dieser Mangel an Bildung darf aber nicht etwa als Urteil ausgesprochen wer den. Wir müssen uns damit begnügen, seine Ursachen zu erkennen. Der Staat muß diesen Rückschritt aufzuhalten suchen, der den Einzel menschen immer mehr auf die Stufe der indivi« duellen Nahrungssuche zurücksinken läßt, auf eine Stufe also, wo für höhere Triebe kein Wir« kungsfsld ist. Die Vorgänge in Dresden und in Bautzen als „kommunistische Unruhen" abtun, heißt die Augen verschließen vor den tieferen Zu- sammenhängen. Vielmehr möchte man sich schier wundern, daß die breite Masse der Verarmenden den immer unerreichbarer werdenden Dingen des täglichen Lebens so ruhig Valet sagt. Die sozialen Verhältnisse zielen von Tag zu Tag mehr darauf hin, daß eine außerordentlich In die Weite gehende Menge, die kaum das Existenz minimum hat, eine flack>c Pyramide darstellt: * breite Basis, niedrige Spitze. Ihr gegenüber steht die verhältnismäßig geringe Anzahl der Besitzenden, deren Besitz aber von Tag zu Tag wächst: schmale Basis, ins Unermeßliche steigende Spitze. Wie um uns das Verhängnisvolle dieser Entwicklung so recht zu zeigen, macht sich die faule Valuta des unter dem Protektorat des Völkerbundes stehenden Oesterreich auf und krabbelt so lange, bis sie glücklich über die den Händen der Regierung entglittene Mark hin aus ist. Soll der einzelne Deutsche sich nun selbst helfen? Das geht nicht, weil es zu nichts an derem als zur Anarchie führen müßte. Alle die Teuerungsunrnhen, die aus dem verzweifelten Gefühl der Notwendigkeit zur Selbsthilfe auf wallen, sind — staatsrechtlich gesehen — Anarchismen. Ihr Leben ist kurz, weil der Deutsche non Herzen ordnungliebend ist. Er verabscheut eine Neuordnung, wcyn sie un- ordentlich einhergeht; und er zieht die Unord nung vor, sofern sic nur in der adretten Form der Ordnung korrekt dastcht. Im Deutschen lebt der Wille zum Staat. Wo ist unser Staat? Was sagt er dazu? Was tut er? Er ist in Berlin. Er sagt, daß er „ein ehr barer Kaufmann" sei. Er tut nichts. Cs gibt im Reckst eine ausgezeichnete Formel, mit der der Gesetzgeber bekundet, daß ein Ding wohl mit den Augen der Wirklichkeit zu sehen ist, nicht aber mit denen des Gesetzes: solches Ding führt dann sein bescheidenes Dasein praeter Ic§em. außerhalb des Gesetzes. Wenn man genau hinsieht, wird man sich sagen müssen, daß die Reichsregierung sowohl unsere äußere als auch die innere Not sehen dürfte. Aber faßt sie sie nun eigentlich an? Am Pfingstsonnobend verbreitete die offiziöse Berliner Pressestelle, daß sämtliche Kabinettsmitglieder die Feiertage nicht etwa ausspannen würden, sondern auf Schicht blie ben, weil die Zeiten ernst seien. Aber vielleicht ist an manchen sehr hohen Stellen gar kein so großer Unterschied zwischen Schicht und Pfingsten. Die Oeffentlichkeit wenigstens hat inzwischen immer noch nichts vernommen, auch von der Pfingstarbcit noch nichts. Die 28elt weiß seitdem aus dem Angebot der Industrie nur, daß die besitzenden Klassen — man darf dieses Wort jetzt aussprechen, weil es ?ein Schlagwort mehr ist, sondern die Besitzer von Sachwerten denen gegenüberstellt, die vom Papiermark-Einkommen leben — nicht Landes verrat zu begehen gedenken. Aber das ist doch noch nichts Greifbares. Es ist ein verhängnisvoller Irrtum, wenn die Deutschen annehmen, das ganze Ausland sei ihnen gegenüber stocktaub. Vielleicht leben im Ausland recht bedeutende Leute, die — bet aller Einseitigkeit der Liebe zu ihrem Vaterland — doch genug von jenem ganz allgemeinen Huma- nltätsgefiihl besitzen, um auch dem Fremden, in diesem Falle also dem Deutschen, ihr Ohr zu leihen Aber wenn ich will, daß jemand mein Anliegen hören soll, muß ich mit reden anfangen und muß ine e w innendem Tone sprechen! Das ewige Schweigen der deutschen Regierung — bas ;oi gesagt aus banger Sorge! — kann auf das Ausland unmöglich einen guten Ein druck machen! Die Welt fängt an, uns für stumpfsinnig zu halten. Und es sind gerade die. feinen Geister, die am Stumpfsinn wie an einen» Stück Luft vorbeigehen. Worüber brütet man in Berlin? So ganz ohne Anhalt sind die Stimmen nicht gewc'en, die von auswärts zu uns dran gen Der amerikanische Staatssekretär Hughes hat in dringenden Worten das Weltschieos« zericht empfohlen, das die Reparationen fest setzen soll. Auch in England scheint hierfür nicht wenig Stimmung zu sein. Warum greift Herr Cuno nicht nach diesem Zipfel? Rechnei er vielleicht über neuen Zahlen hin und her, die er den Alliierten als „Alleräußerstes" vorsetzen will? Oh, über diese alleräußersten Kaufleute mit ihren ehrbaren Zahlen! Was haben Zahlen für einen Sinn, von denen sich — Hand aufs Herz! — ja doch niemand eine nur annähernde Vorstellung machen kann? Auf Verhan deln kommt es an! Keine Zahl darf den Weg zum Verhandlungstisch versperren. Herr Cuno, der aus der Geschäftswelt kommt, muß ja doch wissen, daß Zahlen erst in Besprechungen fest gesetzt werden. Vorher aber muß der Weg gebahnt werden. Sich an eine Zahl klammern, über deren bittere Unerschwinglichkeit man der Welt immer wieder dasselbe vorgreint, ist das Gegenteil von behüt- samer Behandlung der Gegenpartei und der — sehr wertvollen — öffentlichen Mei- n u n g. Wie Hütte Bismarck wohl die Momente herausgesucht. gruppiert, gesteigert, die Deutsch lands Lage der öffentlichen Meinung zu Ge- wüte führen! Wie hätte sein kristallklarer, charf geschliffener Stil die Welt zum Aufhorchen, zum Mitdcnken gezwungen! Die letzte deutsche Note hat Deutschland in der Meinung der Welt in peinlicher Armut nicht nur des Geldes, sondern auch des Geschmackes erscheinen lassen. Man verliert das Mitgefühl mit einem Schuldner, der sich stillos zeigt. „Es scheint beinahe, als ob der Friede von Europa von einem trockenen Prosa« Stil bedroht ist", klagt der gewiß nicht deutsch- feindl'che Englädner Keynes in der „Nation" über die deutsche Diplomatie. Und er setzt hin zu, daß diese Note dazu beigetragen hat, daß in Amerika die Gleichgültigkeit gegenüber den Din gen in Europa immer mehr zunimmt. Wenn doch auch England, so sagt er, diese Gleichgültig keit gegenüber dem Kontinent sich leisten könnte! So verdirbt der Mangel an Form uns das, was die öffentliche Meinung für uns übrig haben könnte. Auch das lange Schweigen in Berlin ist fast an sich ein Verstoß gegen die Form. Hoffen wir, daß das Produkt,' das ja endlich einmal zutage treten muß, nicht durch herbe Trockenheit in Gleichgültigkeit versetzt. Wir haben den Krieg verloren; deshalb müssen mir darauf ausgehcn, die Welt für uns zu gewinnen. LngHsche Warnungen London, 1. Juni. (Lig. Te l.) Der diplomatische Berichterstatter des Daily Telegraph polemisiert gegen die in London verbreitete Nachricht, die deutsche Regierung sei entschlossen, ihre neueste Note nur an England, Amerika und Italien zu schicken. Das Blatt weist darauf hin, daß dieses Verfahren den unversöhnlichen Kreisen in Frankreich und Belgien einen geradezu Verhängnis- vollen Borwand liefern würde, jede Erörterung über die neuen deutschen Vorschläge von vornherein aus formalen Gründen abzulehnen. Weiter wendet sich das Blatt gegen die hier gleich, falls in Umlauf gesetzte Behauptung, die deutsche Re gierung habe unter unkontrollierbarem Einfluß be schlossen, die ursprüngliche Endsumme ihres An gebots von 50 Milliarden, die anscheinend vor einiger Zeit die Zustimmung Englands gefunden hatte, nachträglich auf 30 Milliarden Goldmark zu verkürzen. Wenn man be haupte, so führt das Blatt aus, daß diese Verkürzung auf englischen Rat hin erfolgt sei, so müsse aus- drücklich festgestellt werden, daß diese englischen Kreise keinerlei Beziehungen zur Regierung unterhalten und daß ihrer Ansicht kein politisches Gewicht bei- zumessen sei. Mussolini und die neuen deutschen Vorschläge Rom, 1. Juni. (Eig. Tel.) Das Mittagsblatt El Popolo berichtet eingehend über einen Besuch, den der deutsche Botschafter gestern bei Mussolini abgestattet hat, wobei dem italienischen Minister präsidenten die Hauptlinien des peuen deut schen Vorschlages mitgeteilt worden seien. Diese Darstellung ist, wie wir an zuständiger Stelle erfahren, unrichtig. Die deutsche Botschaft ist ent sprechend den Berliner Weisungen natürlich in enger Fühlung mit der italienischen Regierung, aber es ist unzutreffend, daß dabei versucht werden würde, etwas wie ein vorheriges Einverständnis für die neuen deutschen Vorschläge zu erreichen. Rom hält sich ebenso neutral wie London und lehnt es ab, ohne Zustimmung der Verbündeten über den Rahmen der bekannten Note hinaus mit Deutschland in eine Dis kussion des Reparationsproblem» einzutreten. Da gegen scheint es richtig zu sein, daß Mussolini beab sichtigt, nach Ueberreichung der deutschen Note, und fall» dies« im wesentlichen die Erwartungen erfüllt, für eine interalliierte Konferenz ein zutreten, die versuchen soll, «ine gemeinsame Stellungnahme der Alliierten in der Revarations- frage zu erzielen. Die in verschiedene» ausländischen Zeitungen er schienenen Mitteilungen über den Inhalt der neuen deutschen Reparationsnote müssen al» leere Kom- btnationen angesprochen werden. Schon au» der Tatsache allein, daß die entscheidenden Beratungen über die Rote erst zu Anfang der kommenden Woche stattfinden werden, geht hervor, daß Form und In- holt der deutschen Antwort noch nicht feststehen. Die Ausschreitungen in Bautzen Angriff auf die Haupiwache — Tote und Verwundete Bautzen, 1. Juni. (Eig. Lei.) Die Annahme, vast Vie Unrnhcbcweaung im Abflauen begriffen sei, hat sich leider als trüglich crwicscn. Nachvem es bereits im Laufe des DonnerStagnachmittaaS zu Zusammenstössen zwischen Demonstranten und Polizei gekommen war, haben sich in der Nacht znm Freitag blutige Ltrasscn- kämpfe ereignet, bei denen bisher zwei Tot« und sechs Verletzte zu ver zeichnen sind. Neber die Vorgang« werden folgende Einzelheiten bekannt: Abends gegen 8 Uhr demonstrierten die Erwerbs losen in der Hinteren Reichenstraße und versuchten in ein dort gelegenes größeres Speisclokal einzu dringen und dieses zu demolieren. Die sofort herbei gerufene Polizei säuberte die Straßen und um- -iugelte die Demonstranten. Als diese eine drohende Haltung gegen die Polizei cinnahmen, ging letztere mit Gummiknüppeln gegen sie vor. Hierbei wurde ein Rädelsführer verhaftet. Die Demonstranten zogen nunmehr ab, und es schien, als sei die Demonstration beendet- Doch benutzten mehrere Demonstranten die Pause nur, um sich Waffen zu holen. Nachts gegen 11 Uhr erschienen sie wieder und zogen vor die am Hauptmarkte gelegene Polizeiwache, um den Ver hafteten zu befreien. Sie sandten eine Abordnung in die Wache, um mit der Polizei zu verhandeln. Der Angabe, der Verhaftete befinde sich bereits wieder in Freiheit, schenkte die Menge aber keinen Glauben. Skandalierend ging sie gegen die Wache vor und verlangte u. a., daß die Polizei kapituliere, daß sie ihre Waffen aueliefere und daß die am Tage zur Verstärkung der städtischen Polizei herbeigezogene Lnndgendarmcrie sofort abziehe. Der Tumult stei gerte sich immer mehr und artete schließlich in Tät lichkeiten aus. Das auf dem Markte vor der Wache postierte Polizeiaufgebot wurde mit Steinen be worfen und wüst beschimpft. Hierbei erlitt ein Polizist Verletzungen am Dein." Sämtliche Fenster der Wache, darunter die großen Spiegelscheiben des Erdgeschosses, wurden zertrümmert. Die Polizei sah fick' genötigt, den Platz zu säubern und ging mit Wasserschläuchen gegen die Menge vor, die daraufhin zwar plötzlich zurückslntete, aber sofort wieder gegen die Wache anstürmte. Nunmehr ging die Polizei mit Gummiknüppeln gegen die Angreifer vor. Wie- der strömte die Menge auf kurze Zeit auseinander, aber nur, um verstärkt wieder anzudrängen. Hierbei wurden aus derMengeSchüsseabgegeben; es soll auch aus dem Fenster eines Hauses am Markt geschossen worden sein. Die Schüsse waren auf die Polizisten und die Fenster des Polizeigebäudcs ge richtet. Nunmehr gab die Polizei Schreckschüsse ab. Diese wurden jedoch nur mit wüstem Johlen und Ver- höhnungen seitens der Demonstranten beantwortet. Immer mehr wurde die Polizei mit Steinen be- warfen, so daß ihr schließlich nichts anderes übrig blieb, als scharf zu schießen. Noch dem Ruse „Straße frei!" schoß sie in die Menge, die den Markt und die angrenzenden Straßen füllte. Die städtische Polizei eröffnete das Feuer aus Revolvern, die Land gendarmerie schoß gleichzeitig mit Karabinern. Es kam zu einem regelrechten Kampfe, bei dem aus der Menge zwei Personen getötet und sechs verletzt wurden. Die Toten sind eine Frau, die an der Seite ihrer Kinder getötet wurde, und ein Kaufmann. Wie so oft bei derartigen Vorgängen, bestand auch hier die Mehrzahl aus Neugierigen. Auch die beiden Tc«en waren keine Demonstranten, sondern Zu schauer, die ihre Leichtfertigkeit mit dem Leben bezahlen mußten. Die Verletzten wurden von den Sanitätern in die Woche ^bracht. Allmählich zer streuten sich die Demonstranten, und das Feuer ließ nach. Gegen 2 Uhr nachts war die Ruhe wieder hergestellt, jedoch blieb die Polizei bis zum Morgen in Bereitschaft. Für heute werden weitere Unruhen befürchtet. Die Polizei hat neue Der- ftärkung durch Schupo erhalten Hilfsmaßnahmen für die Erwerbslosen Dresde», 1. Juni. (Eig. Tel.) Zu weiteren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei ist es seit vorgestern nicht mehr gekommen. Auf der ganzen Linie ist man jetzt bestrebt, die Ver sprechungen wahrznmochen, die man zur Linderung der Not der Erwerbslosen in diesen Tagen gegeben hat. Ueber Einrichtung der Marktstandqerichre haben wir bereits gestern berichtet. Unterdessen er läßt die Regierung durch die Staatskanzlci eine Richtigstellung über die Hilfe der proletarischen Hundertschaften in diesen Tagen. Danach ist cs unrichtig, daß auch nur stellenweise eine Exekutiv gewalt in Dresden von der Polizei an die prole tarischen Hundertschaften abgetreten worden ist. Zn der letzten Stodtverovdnetenfi- tzung gab Oberbürgermeister Dlüher einen ausführlichen Bericht über di« letzten Vorgänge in Dresden. Er forderte dabei zum Schluffe auf, daß vor allem die Neugierigen dringend gebeten werden, von weiteren Ansammlungen sich frrnzuhaltrn. Ein Dringlichkeitsantrag, der dem Finanzausschuß der Stadt überwiesen wurde, fordert, daß zur Steuerung der Rot der Erwerbslose» sofortige Mlbeitsbeschatsimg durch die Imaugr^sinahme von Notstandsarbeiten unter Zahlung tariflicher Löhne durchgeführt werde. Ferner sollen Nahrungsmittel geliefert werden und Brennmaterial mindestens in einem Maße, das den Familicnbcdarf für zwei Wochen deckt. Außerdem soll ein Erlaß heraus- gegeben werden, wonach nicht gezahlte Beträge für Gas und Strom vorläufig nicht ringezogen werden, bis die Aus'ahlunq der erhöhten Unterstützung durch das Reich erfolgt ist. Auch der Landtag beschäftigte sich gestern in seinen Ausschüssen mit der Regierungsvorlage be treffend die Unruhen in Dresden. Der Ausschuß beschloß gegen die Stimmen der Kommunisten unter Hinweis auf die Beschlüsse des Landtages vom 14. Mm und die Zusage der Regierung Not- standsarbciten im größtmöglichen Maße vornehmen zu lassen. Die Forderung des somit erledigten kommunistischen Antrages, auf sofortige Auszah lung einer Wirtschastsbcihilse in Höhe von 100 000 Mark würde rund 11 Milliarden Mark erfordert haben. Bei Gelegenheit der Beratung des kommu nistischen Erwerbslosenantrages machte ferner der Regicrnngsvertrctcr die Mitteilung, daß die säch sische Regierung eine neue wcsentliöbe Erhöhung der Gewerbesteuer erwäge. Die Vorlage ist breits dem Gesamtministerium unterbreitet wor den und wird dort heute weiterberaten werden. In der neuen Vorlage wird auch der 8 41 des Säch sischen Gewerbcsteuergesetzes in Wegfall kommen, so daß für die Erhöhung der soziaen Abgaben durch die Gemeinden in der Lan.desgesktzg'bung kerne Hemmungen mehr vorhanden sein werden. Belgische Annäherung an England Meuderung der belgischen Reparationspoiitik Paris, 1. Juni. (Eig. Tel.) In hiesigen poli tischen Kreisen verlautet, Belgien habe feiner For derung eines beschleunigten Meinungsaustausches mit Frankreich über die Ausarbeitung eines gemein samen Reparationsprogrammes dadurch Nachdruck verliehen, daß es im Falle weiteren französischen Zauderns mit Zurückziehung seiner Trup- pen aus dem Ruhrgebiet gedroqt habe. Professor Jacques Bardoux macht im heutigen Heft der Opinion beachtenswerte Mitteilungen über die Stimmung und Auffassung der Belgier. Er hat am 26. Mai an dem Bankett des französisch-belgischen Annäherungskomitees teilgcnommen und versichert, die belgischen Parlamentarier, die zn dieser Ver anstaltung nach Paris gekommen waren, hätten bei ihren Unterhaltungen mit den Franzosen eine aus fallende Zurückhaltung beobachtet. Die offiziösen Behauptungen, daß die belgische Repara tionspolitik keinen Wandel erfahren habe, sind nach Bardoux unhaltbar. Er erklärt den auf belgischer Seite eingetretencn Stimmungsumschwung auf englische Einwirkung. Das Foreign osfice habe, so fährt Bardoux fort, die Kunst der Trennung ihm unerwünschter Gemein schaften stets meisterhaft geübt. Es sei auch jetzt wieder mit Erfolg bemüht, diese Methode in Brüssel und auch in Rom zur Vorbereitung der nächsten interalliierten Konferenz anzuwendcn. Am 5. Mai sei dem belgischen Botschafter in Berlin in einer dramatischen Unterhaltung im Foreign officc offiziell zu verstehen gegeben worden, daß Belgien zwischen der Freundschaft Englands und der Fortsetzung der französisch, belgischen Sonderaktion wählen müsse. Dieser Unterhaltung seien weitere Unterredungen gefolgt, in denen England bald mit heftiger Ent schiedenheit, bald mit freundlichem Zureden Belgien von Frankreich obzuziehen versuchte. Bardoux acht darauf aufmerksam, daß m England besonders die belgische Forderung einer Rcvi- sion des Verteilungsschlüssels von Spa begrüßt worden ist. - Er bemerkt dazu, Eng land würde sich besonders freuen, wenn die Fcst- londsvölker sich über die Verteilungsziffer herum stritten, weil diese Frage leidenschaftliche Zwistig- keiten verspreche und die Kosten einer etwaigen Revision von Frankreich getragen werden müßten. Er versichert weiter, die belgische Regierung sei mit d«n englischen Konservativen in der Auffassung nig, döß die politischen Ziele der Ruhr- aktion, nämlich die Brechung des deutschen Widerstandes gegen eine annehmbare Reparation» rcgelung, als erreicht gelten könnten und eine Fortdauer nur die Gefahr eines nntionalsst-schen und kommunistischen Putsches in Deutschland ver größere. Belgien fürchte besonders eine kommu- nistische Krise in Dentschland, weil es dann auf die deutschen Zahlungen, deren es unbedingt zur Sa nierung seiner Finanzen bedarf, nicht rechnen könne Am 14. September findet di« Jahresversammlung der interparlameatarilHen Union in Kopenhagen
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