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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305306
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230530
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230530
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-30
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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AUttvocd, 6e» 20. Lal rir. 126 8ett« 6 8ückcrsd»su Romantische Neudrucke 3« den letzten Jahren find un» wohl mancherlei Aufschlüße über Wesen und Wert der romantischen Dichtung graeben worden — zuletzt vor, Fritz Strich in seiner bedeutenden, unentbehrlichen Dar» stellung Deutsch« Klassik und Romantik* (Berlag Mayer L Jessen, München) — aber es blieben dem Kenner der Zeit noch viele Wünsche offen hinsichtlich der Publikation von romantischen Texten, di«, ver gessen fast, heute noch lebendig wären wie vor hun dert Jahren. Karl Geora von Maaßen, der sich mit seiner E. T. A. Hoffmann-Ausqabe und seiner Zeitschrift „Der grundgescheite Antiquarin«* schon längst al» einer der besten Kenner deutscher Roman tik dokumentiert hat, erwarb sich nunmehr da» Der» rienst, un« eine Reibe von Dichtungen wiederpe- chenkt zu haben, von denen man fast durchweg wün- men möchte, daß sie Gemeingut aller lesenden Deut» chen würden. Seine „Bücherei der neuen Serapionsbrüder*, die bei Georg Müller, München, in einfach-geschmackvoller Ausstattung zu erscheinen begonnen hat, umfaßt Werke, die — ab gesehen von Fouquee „Undine* — zu Unrecht bis her nur dem Literaturhistoriker bekannt waren. Dian such« in der heutigen Produktion nach so unter haltsamen Geschichten, wie sie un» etwa in den sonnig»humorvollen bürgerlichen Historien von Karl Weiss log, dem Hoffmann-Nachahmer ge geben wurden oder in den Erzählungen Con tessa», de« Serapionsbruder» vorliegen, dem Draußen mit Recht drei Bände seiner Sammlung einräumt. Gin besondere» Interesse beanspruchen fernerhin die Straußfedergeschichten, die Ludwig Tieck im Jahr« 1795 Mr den Berliner Auf- klarer und Verleger Friedrich Nicolai verfaßt«. Diese Erzählungen, frisch und gewandt mit vorzüg licher Menschen kenmftnis geschrieben, deuten wohl zum größeren Teil noch aus die Kunstrichtung des Auftraggeber« hin, jedoch dringt — hier versteckt, da übermütig — romantischer Formwille de» jun gen, reichbegabten Autors durch. Stellen die „Strauß- federgesryichten* den Beginn romantischer Erzäh lungskunst dar, so zwei Novellen von Karl Immer- mann deren Beschluß: vom Anfang bis zum Ende romantischer Einstellung weiß der Herausgeber Kostproben zu geben, die interessant für den Kenner und zugleich unterhaltsam Mr jedermann find. — Eine Publikation, die für die Verbreitung roman tischer Derskunst bedeutungsvoll ist, liegt uns Inder Ausgabe von Höderlins „Elegien* vor, die Friedrich Seebaß Mr den Verlag der Bremer Presse besorgte. Ex stellte zum ersten Male sämt liche Dichtungen Hölderlin« im heroischen und ele- gischen Versmaß zusammen und bietet damit einen wertvollen Einblick in das Werk jenes großen Ein samen, in dem sich romantische» Fühlen mit klassi schem Formwillen verband. Der Verlag, der über den engen Kreis der Bibliophilen hinauszuwachsen scheint, gab dem Werke ein vornehme« Gewand, da« es auch äußerlich zu einer Festgabe werden läßt. 0r. Mynoua: George Grosz. (Künstler der Gegen- wart. Dritter Band, mit 87 Netzätzungen. Rudolf Kaemmerer, Verlag, Dresden.) Dies« klassische Stu die über George Grosz, dessen Gestalt und Werk sie mit der Vertrautheit des Kameraden im Geiste auf- richtet, hält sich von Anbeginn im Zentrum jener Einstellung, au« der heraus allein da» „selige Ab- normitäten-Kabinett* diese» „Phänomens an Trauer* zu begreifen ist, und gibt darüber hinaus eine Aus einandersetzung vor allem mit der Frage: ob die künstlerische Haltung eines Grosz, dem sein Pinsel zur Knute und Geißel, zu Speer und Dolch gewor- den, ob solche Haltung nun etwa „barbarischer Miß brauch* der Kunst sei, die ja an sich schon unwill- kürllich ethisch- imperativisch, politisch ist. (Denn, sagt Mynona, die künstlerische Idee verhält sich gegen die Welt so kritisch richtend, wie die der Logik und Ethik. Und: Grosz' jungenhafte Schrankenlosigkeit, der das noch nicht genügt, scheint der Wut des Af- fekts, dem politischen und kulturellen Ressentiment zu «liegen und di« Grenzen der Kunst rovd-mäßig zu sprengen. Mynona, von jener ungewöhnlichen Sorte von Kritikern, die vor sich selbst nicht Halt machen und darum dieser Zeitläufte inbrünstige Pa» radoxie um so schärfer erfassen und zu umreißen wissen, vermag gerade in diesem Nicht-Künstler-Setn-Wollen bet Grosz den Erweis von Künstlerschaft zu erkennen. Um so leichter, al» dort die brutaleTendenz wiederum humoristisch im besten Sinne ausgewogen ist —; die große Möglichkeit, dem allzu bequemen und dürftigen „Witz* zu entgehen, den da» politische und kulturelle Nachweh in Karikaturen erzeugt. (Eben deshalb „mehr Licht, weniger Feuer! Besser moralische al» rhetorische Zerrbilder! Noch stoht bei Dro»z nicht klar Moral gegen satten Bauch, sondern der Hungrige gegen den Satten...*). Dieser „traurige* Grosz aber — und da» dünkt un» ein erfreuliche» und nö tiges Phänomen — vermag sich schon sichtlich an dem auf« Korn genommenen und getroffenen».. Unge ziefer zu entzücken: „Kunst ist und bleibt nun emmal die liebende Freud« am ästhetischen Phänomen al« solchem —, und auch Grosz' Verachtungen atmen, wider seinen politischen Willen, den unwillkürlich ästhetischen seiner liebevollen Bosheit...* Schöne Aufmachung und klarer Druck auf feinem Papier berühren recht angenehm, die geschickte und reiche Auswahl de» Bildermatertal» läßt, wenn überhaupt, ein paar Proben Gro»z'scher Buchillustration (zu Daudet» Tartarin, beispielsweise) vermissen. ssßOk» sslsekise-Dretden. Di« weltpolitische Kräfteverteilung nach den Pariser Friedensschlüsse«. Don Pros. Dr. Otto Hoetzsch^ Zentralverlag G. m. b. H., Berlin V 3S. Diese kleine Schrift ist nunmehr in zweiter neu bearbeiteter Auflage erschienen. Sie gibt eine Ueber- ficht und zugleich klare Darstellung der Rolle, die in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht den Staaten der Welt nach dem Ende de» Weltkrieges zugefallen »u sein scheint. Gleichzeitig atmet da» Büchlein frohe Zuversicht für die Zukunft unserer deutschen Heimat. Di« duvkl« Blume. Roman von John Gals wort h y. Rikola-Derlag, Men. Die Liebesleiden, schäft des Bildhauer» Mark Lennan, eine» ebenso ernst wie tief veranlagten jungen Manne», dem die Frauen in seinen Entwicklungsjahren mehr bedeuteten als jedem Durchschnittsmenschen seine« Alters, steht im Mittelpunkt diese» Romane». Mit bewunderungswerter Schärfe hat der bekannte Verfasser, der als eln her- vorragender Dramatiker und Romanschriftsteller des heutigen England» gilt, die Eharaktere gezeichnet. Packend und flüssig geschrieben, weiß der Roman bi» zum Schluß zu fesseln und läßt den Leser da» Buch mit dem Wunsch au» der Hand legen, wettere Schöpfungen de» englischen Verfasser» zu lesen. Han» Freyer, Theorie de« objektiven Geiste«. (Eine Einleitung in die Kulturphilosophie.) Leipzig-Berlin, B. G. Teubner, 120 S. Der gelehrte Titel läßt zu- nächst nicht erkennen, daß hier ein Buch vorliegt, an dem niemand vorüber gehen sollte, der tiefer Über unsre Gegenwart nachdenkt. In künstlerisch geprägter Sprache wird da» Urphänomen jeder Kultur ausge wiesen: Der Mensch schasst eine Welt von Zeichen, Gebilden, Geräten, Bildung»- und Sozialformen, wo- durch die leblose Malerei zum dauernden Ausdruck eines schöpferischen Seelentums wird. Verstehend nimmt er diese „geistgeladene Materie* wieder in sich zurück, mannigfache Bereicherungen, aber auch schwere Konflikte daraus ziehend. An einer Fülle von Bei-, spielen wird die Drundeinsicht veranschaulicht und vertieft. Der Wegweiser als Verkehrsmittel upd zu gleich als Ausdruck der Physiognomie, die ihn schuf, das Kunstwerk, welches sich selbstgenugfam von seinem Schöpfer löst, die Tradition, welche da» seelische Le ben nach der Vergangenheit hin vertieft, Revolution als notwendiges Phänomen jeder Zukunft — all dies und vieles andre kreist um den Zentralgedanken, daß Kultur „der schöpferische Weg des Lebens zu sich selbst ist*. — Kurz, das bei seiner Tiefe überraschend gut geschriebene Buch — selbst nur ein Ausblick und ein Versprechen, wie man liest — eröffnet dem Tiefer- denkenden die weitesten Perspektiven, ohne den Blick jemals durch tote Formeln zu versperren. vr. Afaenvr Seftlnznlt- Gommerfahrplan -es LT. Gültig ab 4. Juni ES Leipzig Bayrischer Bahnhof «Saschtvttz-Zlvenrau - Groitzsch— Meuselwitz Sämtlich Personenzage mit 2.-4. Klasse «b fahrt vormittags: nach Meuselwitz 522 S». Nach, mittags: nach Meuselwitz 12": Zwenkau 1»s M); Meuftlwitz 4«; Groitzsch 5» ck (W.); Meuselwitz «uftmft Vormittag«: von Groltzsck 6-' (W); Meuselwitz 7» 8«. Menselwitz 1»; Zwenkau 2«» 612; Groitzsch 8Ü; Meuselwitz ) 6>» (W.); Zwenkau Nachmittag»: von (W); Meuselwitz 3" 932; Groitzsch 12S(F.) Borna L.—Geithain—Chemnitz Abfahrt: vormittags: nach Chemnitz 424, 444 (W.), 8«, 11»s. Nachmittag«: nach Borna b. L. 1« (fährt Sonntags IN ab); Chemnitz 2--; Kterihsch 5"! Chemnltz 7«; Borna b. L. 1114. Ankunft: Vormittags von Borna b. L. 544 (S. u. F. von Kieritzsch); Chemnitz 8", 11». Nachmittags von Chemnitz 2-U; Borna b. L. 4-3; Chemnitz 611, 1121; Borna b. L. 1292. Leipzig Bayrischer Bahnhof Nach und von Gaschwitz Abfahrt: H vormittags: 423 (W), 4« (Mu. F.), 441 (W.), 532, M», 9«, ms. Nachmittags: 12«>, IM (W.), 12", 1-s (W ), IN (S. u. F.), 2N, IN M), 4ls (W.), 4N (W-), 4R, 4so (W.), b-4, 5N, H", 624 (W-), 72k (W.), 732, 72, 82, 912, 10«, 1112, UL Anknuft: vormittag«: 12» (S. u. F ), 543, 6» (W.), 6-- (W.), 6» (W.), 6-' (W.), 7->, 7-s (W-), 7» (W-), 7" (W.), 8", 8«, 9", 11». Nachmittags: 1-o, 1«, 2» (S- u. 2« (W.), 2», 3«, 4», 5»» (W.), 5" (W), 612, 611, 721, 812, 922, 912. 1101, IM M). Böhlen—Rötha—Espenhain Abfahrt: vormittag«: nach Rötha 422 (W.); Espenhain 522 (W): Rötha 8», 1H» (W.); nachm.: nach Espen hain 12«; Rötha 1»; Böhlen 1«; Rötha 4» (W.); Espenhain 5--, 744. Ankunft: vormittag»: von Rötha 6-s (W); Espeuhaiu 73» (W); Rötha 9"; nachmittag«: Rötha 1« (W.); Espenhain2i3 (nur an S. u. F.); Espenhain 2« M); Böhlen 2»r (nur an S. u. F.); Rötha 423 M); Böhlen 423 (nur an S- u. F.); Rötha 5" (W.): Espenhain 721, 912. Leipzig Hauptbahnhof Dresden Hauptbahnhof über Oschatz—Riesa Abfahrt: Vormittag»: nach Dresden — Breslau 1212; Dresden Hbf. 412; Dresden—BreSla« 6-o; Dresden Hbf. 8io, Z», iiso. Nachmittags: nach Dresden Hbf. 2«, Z4«; Wurzen 522; Dresden—BreSlau 622; Dres den Hbf. 844, 922. Anknnft: vormittags: von BreSlau—Dresden 522: Warzen (Montags von Oschatz) N-; Dresden Hbf. 827, 92s. Nachmittags: von BreSlau—Dresden 123L; Dresden Hbf. Iir, 407; Warren 4«; Dresden Hbf. 5«, 641, 842, 914; BreSlau-DreSde» 1014; Dresden Hbf. 1222. Wurzen Abfahrt: vormittag«: 12S«, 524, 7«, 10«. Nachmittag»: 13°, 2", 4«, 5--, 724, 1114. Ankunft: Vormittags: 341 (nur von BorSdorf), 62» (Mon tags von Oschatz), 7»i (nur W ), 7", 3»° (nur an "7^*102?*")' 10°°' Nachmittag: 1", Dresden über Grimma-Großbothen— Döbeln Abfahrt: Vormittag»: nach Dresden Hbf. 542; Grotzbothe» 6°7; Dresden Hbf. 62«; Grotzbotheu 7», 11». Nach mittag»: nach Großbothen 12>3; Dresden Hbf. 12«; Raunhof 1«°; Lunzenau 2°°; Grimma 43-; Dresden Hbf. 5'2; Raunhof 5"; Rochlitz 642; Grimma 823; Rossen 942; Grimma 1141. » Anknnft: Vormittag»: von Grimma 6»r M); Naunhof 7" (W.); Rossen 73»; Grotzdothea 8" (W); Dresden Hbf. 9N; Grohdolheo 9". Nachmittag»: von Grotz- bothe» 12«, M; Naunhof 8'»; Dresden Hbf. 8--; Großbothen 42s, 612; Lunzenau 644; Naunhof 714; Grimma 822; Dresden Hbf. 922; Grimma 1022; Rochlitz 1114. Bad Laufick—Chemnitz Hbf. mit Anschluß nach und von Annaberg, Ober- wiesealhal. Abfahrt: Vormittags nach Lhemnitz 4-0; Lleberlwolkwitz 6'ö (W.); Chemnitz 63°; Belgershain 732, 10", 1127. Nachmittag«: - Belgershain 12»°; Chemnitz 2"; Lieb«rlwolkwlh4l°(W.); Bad Lausick 5"; Chemnitz 714; Otterwisch 724; Chemnitz 924; Lieberlwolkwlh 1121. Ankunft: Vormittags von Liedertwolkwitz 122S; Chem nitz 1A; Liedertwolkwih 6" (W); Lleberlwolkwitz 73i (W/; Chemnitz 7-r; Belgershain 9"; Chemnitz 10°7. Nachmitt, von Belgershain 1«; Lhemnitz 2«; Lhemnitz 4«; Llederkun lkwitz 52«; Bad Laofick 611; Bad Laufick 742; Lhemnih M; Otterwisch 924; Lhemnitz 1044. Hof und Eger mit Anschluß von und nach Glauchau, Gera, Zwlckau, Aue, Nürnberg, München und Wien. Abfahrt: Vormittag«: nach Zwlckau 12«; München Regensburg 424; Mannheim 6« oeschl. Pers.-Zug 2.-4. Kl.; München 920 beschl. Pers.-Zug 2—4. Kl.; Hof 9"; München 11«-, D-Zug 1.-3. Kl., Nach- mittag«: Plauea i. B. 12«>; Hof 3"; Plauen i.B. 642, V; Altenburg 822; Wien 1144. Ankunft: Vormittag»: von Mannheim 1^° beschl Pers- Zug 2—4. Kl.; München 444 D-Zug 1.—8. Kl.; Wien 6» D-Zug 1.-3. Kl.; Reichenbach l. B. 7«, 10«. Nachmittags: Hof 1227- Altenburg 1°°; Plauen i. B. 3-»; München 5-- D-Zug 1.—3. Kl.; Hof 644; Plauen l. B. 8A beschl. Pers.-Zug 2.-4. Klasse; München 1022 beschl. Pers-Zug 2.-4 Kl; Gößnitz 1124. Gaschwitz—Kieritzsch Abfahrt: Vormittag»: nach Gaschwitz 1224,424,424; Kieritzsch 514 (W.); Gaschwitz 6'°, 6N 71-, Mo, 920, 9«, ijm; nachmittag»: 12», 12", 1»(W), 1-», 3"; Kieritzsch Ver Witwer 4j Roman von M»r«nleft tRachdruck verbot«».) Was Peter Stromberg vermißte, war die Zärtlichkeit seiner Frau. Und er dachte jo, daß doch jeder Mensch einen Winkel braucht, wo er sein Herz einem andern ganz un- gestört aurschütten kann, wohin ihm nichts folgt von dem, was draußen ärgerlich und dumm ist, wo man die große Welt ver- gißt, well einem die kleine viel wichtiger ist*. Vierzig Jahre war er alt oder jung, je nachdem wie man'» nehmen wollte. Er konnte noch vier- zig Jahre leben — entsetzlich weit dünkte ihm der Wog, den « noch abzuschreiten hatte. Die Sehnsucht nach Inge, diese unerfüllbare Sehn- sucht, lastete auf ihm. Jetzt bäumte sich sein« Natur noch aus gegen die Härte des Schicksal», aber er sah etwä» kommen, was ihm unerträglich erschien: den eintönigen Gram zukünftiger Jahre, Stumpf, zermürbt dahin leben, bloß weil man als anständiger Mensch die Pflicht hatte, den Kindern das Andenken an den Pater nicht zu einer Verlegenheit zu stempeln. Es mußte eben gehen» Arbeiten, um sich nicht ständig ausgeliefert zu sein. Freudlos ar- betten, das war tote» Schaffen, ob« e» half doch immerhin über eine Spanne Zeit wea. Strom- berg machte ein spöttisches Gesicht. Vielleicht gr- wöhnte man sich noch da» Trinken an. Jede» Hilfsmittel war recht, wenn es nur die Erinne rung an Inge verscheuchte. Aber alle Vorsätze halfen nicht, er haderte mit dem Schicksal. Hatte es ihn nur deshalb im Kriege verschont, um ihm nun seine ganze brutale Sinnlosigkeit zu zeigen? Da kam man heim und andächtige Dankbarkeit füllte da« Herz, daß man nach dem Entsetzlichen, was man gesehen und erlebt hatte, nun zu Friede und Ruhe kommen sollte, aber anstatt Ruhe gab e« neue Nackenschläge. Al» StromtinH in seine Wohnung kam, er schien sie ihm fremd und leer. Er vermißte Inges freudigen Willkomm. Wer achtete heute darauf, ob er eine Viertelstunde früher oder spä- ter heimkam? Wenn er nur pünktlich zu Tisch erschien, das war die Hauptsache. Seuftend -jkf- nete er die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Ge- quält sah er nach Inges Bild, das auf dem Schreibtisch stand. Lin frisches Blumenkränz- lein war darum geschlungen. Und je länger Stromberg auf das Bild starrte, um so quälen- der wurde sein Schmerz, da stellte er es zur Seite und griff zur Zeitung. Aber was er las, fesselte ihn nicht. Was gingen ihn die Katz- balgereien der neuen Regierung an? Aas die Schiebergeschäfte gewissenloser Spekulanten? » . Mit einem Ruck wurde die Tür geöffnet. E» war al» ob die zwei Mädelchen, die da herein kamen, seine Gedanken kräftig widerlegen wall- ten. Utta, Strombergs ältestes Töchterchen, zog Hede hinter sich her und sagte triumphierend: „Siehst du, da ist er.'* Dann stürzte sie auf den Pater lo« und umarmte ihn stürmisch. Beschau,t streichelte Stromberg Utta über die blonden Haare, in denen eine -roße schwarze Schleife saß. E» war unrecht, daß er sich so ungehemmt seiner Trauer Hingill», wahrhaftig die Kinder hatten ein Recht auf seine Liebe und auf >ine Freude. Eie sahen in ihren schwarzen Kleidern trostbedürfttg au». Er war gegen dies äußere Zeichen von Trauer gewesen, aber Ella, seine Schwägerin, erklärte, das sei selbstverständliche' Pflicht. Da hatte er sich gefügt und gedacht, eigentlich sei es belanglos, wie die Kinder ge- kleidet seien. Aber heute fiel ihm die schwarze FÄLe ungftgenehm auf. „Willst du un« ein Bilderbuch zeigen, Batt?* fragte Utta und sah ihn erwartungsvoll an. Und Hede, dke vierjährige, sperrte vor seliger Erwar- tung das Mäulchen auf. Bereitwillig griff Stromberg nach einem Kostllmbuch, setzte sich mit den Kindern auf den Diwan und sing an, aller lei lustige Bemerkungen zu den Bildern zu. machen. „Da» ist Tante Ella,*' erWirftl Hedl und deutete mit ihren -arten Fingerchen aus ein rundliches, wendisches Bauernmädchen. „Wo ist denn Tante Ella?* fragte Stromberg mit einem Blick auf die Uhr. Wichtig gab Utta Bescheid. „Im Verein für Mottenschutz.* Hellauf lachte Stromberg. „Stropp, du bist ein kleiner Witz- bold, Mottenschutz ist gut,* sagte er und wischte sich die Augen. Er lachte, und Stropp und Hühnchen lachten mit. Zu diesem vergnügten Lachtrio trat unbemerkt Ella, die ihrem Schwa- ger über neue wohltätige Pläne de» Mutter- schütze« Bericht erstatten wollte. Ueberrascht blickte sie auf die kleine Gruppe. Stropp tanzte auf einem Bein herum und sang im höchsten Diskant: „Mottenschutz, Mottenschutz.* Hühn- chen krähte rein aus Vergnügen mit, und Peter sah mit seinen hülen Augen, die ordentlich strahlbm, auf die beiden Kinder. Me lange hatte man nicht mehr gelacht in diesem Ummer. Befreiend klang es, gesund und urwüchsig. Ella strich sich über die Haare, die an den Schläfen stark ergraut waren. Herrgott, wenn Inge da» sehen und hören könnte. Es war wunderschön, daß der Schwager endlich ein- mal lachte, und Ella freute sich darüber, aber es schmerzte sie auch. Heute war es ein Vierteljahr, daß Inge gestorben war. Sie hatte ihn doch daran erinnert, hatte den Kranz um Inge» Bild gelegt. Ein rascher Blick nach dem Schreibt tisch zeigte ihr, daß Peter die Photographie weg- gestellt hatte. Verständnislos sah sie auf den leeren Platz. Wollte er der Lünnerung au» dem Wege gehen? Dann machte sie eine ihrer lebhaften Bewegungen und warf dabei eine Kopenhagener Base um, die neben ihr auf einem kleinen Tisch gestanden hatte. Klirrend schlug sie auf dem Parkettboden in Stücke. Erschreckt verstummten die Kinder. Stromberg sah auf und fragte verwundert: „Wie bist du denn hereinge kommen? Wir haben dich ja gar nicht kommen hören?* Gr bückte sich nach den Scherben. Die Dose hatte er In« «schenkt als st* etnLshr veHMktt -ächte Ella und^kgkch sich in übertriebenen Anklagen. Stromberg wollte sich aus seiner befreiten Stimmung nicht heraus- reißen lassen. So erzählte er rasch ablen.kend der Schwägerin die drollige Wortoerwechslung Uttas. Ella, die ihre kleinen Nichten zärtlich liebte, drückte Utta an sich und hob dann die zierliche feinaliedrige Hede auf. „Ach, Peter, du hast einen Schatz an den Kindern. Ich finde, Hühnchen wird Inge von Tag zu Tag ähnlicher.* Peters Gesicht wurde ernst, und ihm war, als habe sich ein Schatten auf sein Frohgefüh! ge- senkt. Ella, die die Veränderung sofort merkte, nickte dem Schwager aufmunternd zu, und ihre Stimme hatte etwas mütterliches, als sie sagte: „Laß' gut sein, Peter, du hast deine Erinne- rungen, du hast die Kinder, hast deine Arbeit, das alles kann dir Inge nicht ersetzen, das weiß ich, aber es ist am Ende noch genug, um mit dem Leben fertig zu werden.* Da wandte sich Stromberg ab, stellte mechanisch Inger Bild wieder auf den alten Platz und dachte: „Freilich, ich habe die Erinnerungen . . .* - Bei Tisch erzählte Ella, daß Professor Appel angerufen habe. „Er möchte mit dir nach Potsdam fahren.* Stromberg erwiderte ohne Zögern: „Has wird mir gut tun.* Verwundert blickte Ella ihn an. „Heute? Ich habe natur- lich in deinem Namen abgesagt, ich hatte ge- glaubt, du gingst mit mir an Inges Grab.* Einer Antwort wurde Stromberg enthoben, denn Stropp hatte sich verschluckt, und Ella war mit dem Kinde vollauf beschäftigt. Das war ihm lieb, denn dadurch gewann er Zeit. „ (Fortsetzung folgt.) Veranttvoriltch »lr d« rrd<Utto»«lle» Teil: Cvftred«k- irur De. GchmtdN f»r ivlnnNd ««wer. Seid« M retvfta. — »erUaer «defudakteor »r. «rU» »verid. Berlin, D0n»»s, sK8-5E. Dre»d- nrr Hetnrto» Zrrlaulen. Dresden. Gabel«derqer- strafte 24. fternsvreKer S47M. — Druck und Verla«: Lelpz. v«N<w»druaerr«, G. m v. Lewftg. IodanniS». S. Unverlan-« Beiträge ohne Rückporto werden nicht »urstch gesandt. DB vorlle-end« Busgak« «nfatzt LS Setten
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