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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305267
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230526
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230526
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-26
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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»«»-» » »»» cltik an derRuhr Aktion ^.ebntte in der französischen Sammer Pini», KV. Mai. (Lia. Tel.) Die Kammer ite gestern nachmittag die Debatte über Ruhr« i rdtte fort. Der Sozialist Auriol erklärte, >e Haltung der französischen Regierung sei unklar ..nd widrrsvruch»voll. ffrankreich habe Deutschland nirmal» aufgefordert, Pfander al» Garantie für die Reparationszahlunaen zur Verfügung zu stellen. Dir deutsche Regierung habe durch den früheren Staatssekretär Bergmann mündlich und schriftlich «inen Reparationsplan mit ernsten Garantien unter breiten wollen. PoincarS habe die Note Deutsch land» aber nicht prüfen wollen. (Zuruf: Poin» carss: .Kannten Sie di« Note? Ich habe Grund zu der Annahme, daß sie gar nicht existierte. Di» deutsche Regierung hat den Sozialisten ihres Lande» Einreden wollen, daß sie annehmbare Vorschläge ge- macht hätte/) Auriol: „Sie hätten Bergmann anhören sollen/ — Poincarö: .Die Verbündeten hätten ihn nur anhören können, wenn sie sich unter einander über einen Revarationsplan verständigt hätten, was nicht zu erzielen war/ Auriol bezeichnete das materielle Ergebnis der Ruhraktion als kläglich und wie» auf di« Verluste hin, di« der französischen Industrie durch die Ruhrbesetzung auferlegt worden seien. Da» einzige Resultat sei die Schaffung einer nationalen Einheitsfront in Deutschland gewesen (Unruhe recht» und in der Mitte). Poincar4 beginnt hierauf seine Verteidigungsrede mit der Bemerkung, daß er sich kurz fassen könne, da Duboi» die Gründe kür das Vorgehen Frankreichs dargelegryabe. Deutschland habe sich fortgesetzt seiner Verpflichtungen entzogen und durch Verzrcht auf eine Finanzresorm jede ausländische Anleihe un möglich gemacht. Es habe Zahlungsaufschub ver langt, ohne Pfänder und Sicherheiten anzubieten. Bei der Behinderung de» Wirkens der alliierten Kontrollkommissionen und bei der Zunahme der militärischen Geheimorganisationen habe man un schwer voraussehen können, was sich in drei Jahren ereignen würde. (Lebh. Beifall.) Rach diesem Hinweis auf die angeblichen Re- vanchrpläne Deutschlands betonte Poincar« di» partielle Mitwirkung Italien» (Beifall) und die Mitwirkung Belgiens (lebh. Beifall) im Ruhrgebiet. Er betonte weiter die freundschaftlichen Bemühungen Bonar Laws, für dessen Genesung er die besten Wünsch« formulierte, Lord Curzons (Beifall) und Baldwin» (Beifall). Er bestritt, daß di» Besetzung des Ruhrgebietes brutal durchgeführtwordensei und behauptete, alle Zwischenfälle seien nur durch die Berliner Weisungen für den passiven Widerstand verursacht worden. Poincarä fuhr fort, die im Ruhrgebiet erzielten Einnahmen würden auf die Ausgaben verrechnet, nur Ueberschüss« würden an die Reparationskasse abge führt. Sachleistungen würden zwischen Frankreich und Belgien geteilt. Ferner behauptete er, die von Frankreich und Belgien betriebenen Eisenbahnen im besetzten Deutschland beförderten täglich 30 000 Ein heimische, die den Anordnungen der Berliner Re gierung zuwiderhandelten. Der Bahnverkehr funk tioniere sehr gut, weil England in der Frage der Kötner Linien großes Entgegenkommen gezeigt habe. (Beifall.) Frankreich sei in der Lage, ruhig ab warten zu können, bi» Deutschland sich entschließe, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Falls Deutschland damit zu lange zaudern sollte, würde Frankreich vor neuen Zwangsmaßnahmen nicht zurückschrecken. Frankreich verlange von Deutschland nur, was es ! selbst 1871 loyal geleistet habe, um seine Derpflich- j tungen zu erfüllen (lebh. Beifall). Alle verbündeten j Regierungen hätten die letzten Vorschläge Deutschlands als lächerlich bezeichnet. Eine gemeinsame Antwort sei nur deshalb nicht erzielt worden, weil die» materiell unmöglich gewesen sei. Frankreich könne auf seinen Anteil an den Obliga tionen und 8 unmöglich verzichten und nur auf die Obligationen 6 könne verzichtet werden, aber auch nur in dem Umfange, in dem die alliierten Schulden gestrichen werden (lebh. Beifall). Poinearä bezeichnete al» zweiten Grund für das Richtzustandekommen einer gemeinsamen Antwort, daß Deutschland die Gesetzmäßigkeit der Ruhraktion -«stritten habe und die englische Antwort über diesen Punkt nicht das gleiche enthalten konnte, wie die französisch-belgische Antwort. Ferner hätten Frankreich und Belgien auf den Vor- wurf, Gewaltakte begangen zu haben, antworten müssen, und zwar hätte diese freche Verleumdung eine schonungslose Erwiderung notwendig gemacht. (Lebhafter Beifall.) Ferner seien Verhandlungen mit Deutschland für Frankreich un möglich, solange Anschläge gegen die französische« Soldaten «nd Eisenbahner im Ruhrgebiet verübt würde«. Die neuen Vorschläge Deutschland», di, jetzt angekündigt würden, könnten nur auf Annahme rechnen, wenn sie vernünftig seien. Der Wider st and Deutschlands gegen die Erfüllung seiner Verflichtungen drohe zu einer Katastrophe zu führen. Sollte diese eintreten, so werde Frankreich im Ruhrgebiet den Wieder aufschwung Deutschlands abwarten. Frankreichs einziges Ziel sei, Zahlungen zu er- langen. Man solle in Deutschland aufhören, Frankreich imperialistischer Pläne zu verdächtigen. «Stürmischer Beifall.) Frankreich sei der größte Freund de» Friedens, aber da» Wort Friede würde seinen Klang verlieren, wenn die Ehre frech vor einer gleichgültigen Welt verletzt werden könnte. (Stürmischer Beifall.) Die Kammer oeschloß nach einer kurzen Rede de» Sozialisten Lrba« gegen di, Ruhraktion, die Debatte morgen nachmittag fort- -«setzen. Schmuggel im Ruhrgebiet Esse», 2K. Mai. (Eig. Tel.) Dor dem Kriegs- ger -t in Witten an der Ruhr waren gestern etn« Rei''' französischer und deutscher Eisenbahner, sowie Int ber und Angestellte verschiedener Dortmunder Fk-. en al» Angeklagte erschienen. E» handelt sich bei der Anklage um Warenschmuagrl von Bier, Li kör. und Eisen auf dem Bahnhof Aplerbeck-Süd. Best.aft wurden der französisch« Eisenbahner Muensch »1t fünf Jahren Gefängnis und Ausstoßung au« dem Soldatenstand. Der französische Eisenbahner Zoß mit einem Jahr Defängni». — Von den deut sch«, Angeklagten war ein» Anzahl flüchtig und wurde tt, Abwesenheit zu hohen Defängni»strafen l uuck SLLäelsreltung verurteilt. Bon den anwesenden Eisenbahnern wur den verschieden« zu Gefängnisstrafen bi», zu zwei Jahren und einige zu kleineren Geld- und Gefäng nisstrafen verurteilt. Ein Angestellter der Ritter brauerei in Dortmund und der Inhaber einer anderen Dortmund« Firma wurden freigesprochen. Zwei Braumeister von der Ritterbrauerei erhielten je «in Jahr Gefängnis. Vie französische Schwere Industrie Zür gemeinsameRrbett mit Deutschland Berlin, 24. Mai. (Eig. Tel.) Unser Pariser Berichterstatter ist in der Lage, näheren Aufschluß zu geben über die vielbesprochene Stellung de» Lomit^» de» Aorge» zu den zwischen Deutschland und Frankreich schweben den Fragen, ferner über das Maß des Einflüsse» dieser Vereinigung der französischen Großindustrie auf die Politik der französischen Regierung. Der neu gewählte Vorstand de» Lomitö». zu dessen Präsi denten der lothringische Schwer industrielle de Wendel gewählt wurde, und der Austritt de» Chef» der Schneider-Treuzot-Werke beweisen den beherrschenden Einfluß der ost- und nordfranzöfischen Großindustrie im LomitL Wenn kein einzige» Pariser Blatt außer der kommunistischen Humanitö über die Dorstandswahlen berichtet hat, so erklärt sich da» aus dem allerdings merkwürdigen Mangel an Interesse de» Publikums für die Vor gänge innerhalb der französischen Großindustrie. In den letzten Monaten ist oa» EomitS des Forges öfter in den oppositionellen Organen der Rechten und äußeren Linken erwähnt worden, und zwar wurde ihm von link» vorgeworfen, die Ruhraktion veranlaßt zu haben, von recht» dagegen die Ruhrpolitik der Regierung bekämpft zu haben. Die Wahrheit liegt in ber Mitt«. Der Gedanke einer Aktion im Ruhrgebiet ist allerding« keineswegs in den Kreisen der Comitts grundsätzlich abgelehnt worden. Man hat indessen gewünscht, daß Frankreich vor dem Einmarsch einen letzten Versuch zur gütlichen Verständig««- «it Deutschland unternehme. Dieser Versuch sollt« die Vorlegung eine» klaren französischen Programms zur Grund lage haben. Entgegen verschiedentlichen Behauptungen von dem ausschlaggebenden Einfluß der französischen Schwerindustrie wird in den Kreisen des Komitees immer darüber geklagt, daß die Regierung sich sehr wenig um die Meinung der Großindustrie über di» Gestaltung der Beziehungen zu Deutschland küm- mere. In der Tat war seit Waldeck-Roffeau Mille rand der einzige Ministerpräsident, der die Bedeu tung der Industrie voll zu würdigen verstand und so ist es kein Zufall, daß Millerand auch jetzt noch im Elyfte seinen Einfluß zugunsten der Großindustrie geltend macht. Millerand und die Leiter de» Komitee» sind sich darüber einig, daß der Aufbau eine» neuen Frankreich nur bei Loslösung von dem alten rein politischen Parteisystem und größerer Beachtung der wirtschaftlichenNotwendigkettenmög- lich sei. Ihr Ziel ist die Einsetzung eine» Wirtschastsrate». Jedenfalls ist aber festzustellen, daß die Behaup tung von einem allmächtigen Einfluß de» Komitee» de» Fora«» ein« Legende ist. Al« sicher kann aber gelten, daß die Mitglieder des Komitee» über die Notwendigkeit dauernder Wirtschaftsverei«daronge« «it Dentschlanv sich einig sind. Erinnert sei an das Programm, da» ein hervorragender Vertreter der französischen Groß- industrie vor drei Tagen entwickelt hat und da» fol gendes formulierte: Unantastbarkeit der französischen Grenze, Garantien für Koks- und Kohlenlieferungen, gemeinsame Arbeit der deutschen und der französischen Großindustrie auf der Grundlage völliger Gleichheit, also 50:80 Prozent. E» besteht kein Grund zu der Annahme, daß diese» Programm nicht auch noch heute von dem Komitee aufrecht erhalten wvde. Allerdings ist das Komitee mit Rücksicht auf seine zahlreichen Gegner zur größten Vorsicht bei der Propagierung »ieses Programm» gezwungen. Cs kann indes al» icher gelten, daß eine wirtschaftliche Ber- tandiguna mit Deutschlanv, die zugleich eine Gewähr für die Sicherheit der französischen Ost grenze bedeutet, von der größten Mehrheit der Fran zosen freudig begrüßt würde. Deutschlands Schicksal Besprechung aufdeinSoriattstenkongretz Hamburg, 26. Mai. (Eig. Tel.) Der Inter nationale Sozialistenkongreß, der heute zu Ende gehen soll, steht jetzt mitten in der Ver handlung der für Deutschland wichtigsten Fragen: Berfailler Vertrag, Repara tionen und Ruhreinfall. Aus der Rede des französischen Deputierten Leon Blum, der gestern an letzter Stelle zu Worte kam, seien noch einige bedeutsame Partien wiedergegeben. Blum, der ein Schüler vyn Jean Iaurd» ist und nach Iaurd»' Tode auch dessen Mandat in der Kammer üübernommen hat, gilt im Augenblick unbestritten al» der Führer der französischen Sozialisten. Seinen weiteren Ausführungen, denen die Franzosen und Belgier wieder demonstrativ zustimmen, ist die bei fällig aufgenommene Mitteilung an den Kongreß zu entnehmen, daß nicht ein einziger Soldat in Frank- reich den Versailler Vertrag billigt. Der Vertrag von Versailles ist von Deutschland unterzeichnet worden, aber ist er freiwillig unterzeichnet worden? Nein! (Austim- mung.) Ist er unterzeichnet worden nach Friedens- verhandlunaen? Nein! (Erneut Zustimmung) ge preßt. (Sehr wahr.) Besonder» verletzend ist, daß man Deutschland ge-wüngen hat, die Allein- schuld am Kriege anzuerkennen (stürmischer Beifall). Man hat Oesterreich verboten, sich an Deutschland anzuschließen — eine klare Verlet zung de» Selbstbestimmungsrechte» der Völker. Der Vertrag enthält zwar keine An nexion der Rheinland«, aber «ine militärisch« Be setzung, dl» auf lange Dauer hinaus kaut- schukartig feftgelegt ist, so daß es von sehr wandelbaren Umständen abhängt, watm da» Rhein land einmal geräumt werden wird. (Sehr richtig) und dann findet man angeblich in einer kleinen Ecke de» Vertrage» die Bestimmung, auf die sich di« Groß mächte für die Besetzung von Ruhrort, Düsseldorf und jetzt der Ruhr berufen. Da» soll nach einer in einer kleinen Ecke de» Vertrage» schamhaft verbor genen Bestimmung erlaubt seins (Bewegung) Der Vertrag läßt wirtschaftlich» Tendenzen völlig außer acht und zieht unnatürlich« Grenzen. Von besondere« Interesse waren die Almfüh rungen Blum» über die Stimmung im französischen Volke. Er gab an, daß es in Frankreich einen Na tionalismus, einen nationalen Stolz gibt, der sich oft bi» zum Chauvinismus steigert, aber einen Im perialismus in dem Sinn«, fremde Landesteile zu an- nektieren, kenne die gewaltige erdrückende Masse des französischen Bolke» nicht (Sehr wahr!). Militärisch mag es vielleicht lächerlich erscheinen, daß Frankreich mit seinem gewaltigen Heer ein Gefühl der Un sicherheit gegenüber dem positiv entwaffneten Deutschland nicht los wird. Da aber der Schrek- ken des Napoleonismus weder durch Waterloo noch durch St. Helena, noch auch durch den Tod de» Kai sers gebrochen wbrden ist, sondern erst 76 Jahre später, als das kaiserliche Frankreich von Deutsch land besiegt wurde, so besteht auch für Frankreich da» Gefühl der Unsicherheit und Angst noch vor dem alten kaiserlichen deutschen Militarismus, in der es 60 Jahre gelevt hat. Der deutsche Parteivorsihende Wels antwortete auf Blum» Rede mit der Versicherung, daß man in Deutschland insbesondere in der deut schen Arbeiterschaft volle» Verständnis habe für die Stimmung de» französischen Volke». Aber die Fra n- zosen ihrerseit» sollen nun auch dafür sorgen, daß in der Welt Verständnis für die Sti««««g des dentsche« Volkes komme (lebh. Zustimmung bei den Deutschen). Die Deutschen haben das Gefühl, daß sie in der Welt recht ost nicht verstanden werden. Es wäre völlig falsch zu behaupten, daß sich in Deutsch land durch die Revolution gar nichts geän dert habe. Da» sei vollkommener Unsinn. Deutschland war ein reaktionärer Obrigkeit» st aat, heute aber ist es ein« demokratische Republik. Diese Republik hat seit ihrem Bestehen noch keinen frohen Tag ge habt. Sie muß jeden Tag nach außen und innen mit schweren Gefahren kämpfen. Die deutsche Reaktion hat zwei Ursachen, einmal kann sie mit der Erinnerung an frühere kommunistische Putscht arbeiten und findet damit bei den Besitzenden Anklang und Geld; andererseits verschafft die Be handlung der Deutschen Republik von außen der reaktioniiren Arbeit einen günstigen Boden. Ich denke nur daran, wie die deutsche Re publik vom Tage ihrer Entstehung an ...,andelt worden ist und wie sie noch heute behandelt wird (Zustimmung). Der Moskauer Kommunis mus und der Pariser Militarismus sind die Helfer der deutschen Reaktion (stürmische Zustimmung). Auch in Bayern wird der Baum der Reaktion nicht in den Himmel wachsen. Die Arbeiterschaft besinnt sich dort auf ihre Macht. Deutschlands innerpolitisches Schicksal aber ent scheidet sich an Ruhr und Rhein. Siegt der Milita rismus im Westen, so ist da» die Tragödie der Deut schen Republik (lebhafte Zustimmung). Für diese Republik kämpfen die deutschen Ar beiter gegen den französischen Milita- r i» m u s. RanzLer Limo und die völkischen - Es gibt Vorwürfe, auf die eine Regierung nicht schweigen darf, wenn sie sich nicht unmög- lich machen will. Zu diesen gehört zweifellos der, die Gegner der geltenden Verfassung im geheimen begünstigt zu haben, ein Vorwurf, den der deutschvöltische Abgeordnete v. Graefe im Reichstage gegen das Kabinett Cuno erhoben hat und den jetzt sein Parteigenosse Henning in der Mecklenburgischen Warte von neuem er hebt und zur Anklage des Treubruchs erweitert. Henning behauptet: „Die Reichsregievung wußte über die Or ganisation der Deutschvölkischen Freiheit»partei Bescheid und hat sie wohlwollend ge duldet. Im Vertrauen auf die Reichsreaierung haben die deutschen Männer, die zum Teil heute noch hinter Schloß und Riegel sitzen, geschwiegen und die Haft über sich ergehen laen, obgleich sie wußten, daß eine freimütige Aussage sie sofort au» der Haft befreien müßte. All diesen Männern und all den vaterländischen Organisationen, auf die ein« national« Regierimg sich stützen muß, hat die Roichsregierung die Treue gebrochen. Uiw Völkischen g«aenüber ab«r hat die Reichs- regierung doppeltes Spiel gespielt. Sie hat zu Beginn de» Kampfes uns gegenüber so getan, al» ob st« innerlich auf unserer Seite stünde/ Unter den Deutschvölkischen scheint es Leute zu geben, die zu Größenwahn neigen und die sich in der Rolle des Märtyrers gefallen. Möglich, daß die obigen Anschuldigungen aus solcher Ge- mütsverfassung heraus entstanden find. Aber dann ist erst recht nicht einzusehen, was die Reichsregierung abhalten sollte, ihren Angreifern öffentlich entgegenzutreten. Auf keinen Fall darf sie die Vorwürfe auf sich sitzen lassen. Meine politische Nachrichten Der Reich«tagsau»schuß für die Unter suchung der Aktton gegen die Markstützung wird seine Tätigkeit am 2V. Mai beginnen. Al» erste Auskunstsperson wird der Reichsbankpräsident ver nommen werden. Nach der Verfassung müssen diese Vernehmungen öffentlich sein. Die Zusammensetzung de» Ausschuss«» gibt eine Gewähr dafür, daß es ihm möglich sein wird, einen Einblick in die Verhältnisse zu gewinnen, die technisch schwer zu übersehen sind nn^ «--i denen vielleicht sehr gewiegte Interessenten A 'laben, über die tatsächlichen Vorgänge ein m?-^ ,st tiefe» Dunkel zu verbreiten. -N Auf die Frage der Firma Krupp an die Reichsregierung, den Geheimrat Wtedfeldt, den jetzigen deutschen Botschafter in Washington, das frühete Mitglied de» Direktorium» von Krupp, für die Leitung der Kruppwerke fretzugeben. hat die deutsch« Regierung geantwortet, sie könne diesem Er suchen mit Rücksicht auf die allgemein« politische Lage leider nicht stattgeben. Auf Grund der bayerischen Notverordnung wurde derVolktscheBeobachterauf fünf, der M i e »- bacher Anzeiger auf drei Tage verboten. Di« Gründe de» Verbote» sind Artikel, in denen Land tag und Reaieruna unter Drohungen heftig an gegriffen wurden. Di» Donnerstag - Rümmer ist be schlagnahmt worden. SorrvEd««!, üea 26. LLsl Sin thörichter Gelehrter Vie Iudenhetzer vor Kem Staats gerichtshof S. S. Leipzig, 25. Mai. Dr. -offmann-Kntschke wurde vom StaatsgerichtShof von der Anklage der öffentlichen Verbreitung der Bro« schüre „Deutschland de» Deut sche«- freigesprochen, dagegen wegen öffentlicher Verbreitung der Broschüre „Dolch st otz durch die Inden" und wegen gleichzeitigen Vergehens gegen da» Gesetz zum Schutz der Republik, das durch die Beschimpfung Rathenaus und der Reichsfarben als erwiesen betrachtet wird, zu v Monaten Gefängnis und lovvvo Mark Geldstrafe verurteilt. Vor dem ersten Senate des Staatsgerichtshofes zum Schutze der Republik in Leipzig fand Freitag ' unter Vorsitz des Reichsgerichtsrates Niedner die Verhandlung gegen den Privatgelehrken Dr. phil. Friedrich Adolf Ioh.' Artur Hoffmann- Kutschke au» Halle a. S. statt. Als Zeugen sind Polizeiasststent Dubiel in Lalle a. S. und Laris Mareard, Geschäftsführer der Lippcrtschen Buch handlung in Halle, geladen. Der Angeklagte ist am 24. Juni 1882 in Hardsdorf bei Sagan (Schl.) ge boren, studierte in Breslau und Berlin. Schon als Student war er Mitarbeiter verschiedener Blätter, arbeitete auch am Museum für Völkerkunde in Ber lin, wo er sich in dem Studium der Rassenvroblemr ausbildete. Er war seit jeher rechts orientiert, trat 1812 in die Dienste der Konservativen Partei, war dann beim Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund in Halle (November ISIS bis 1820). Angeklagt ist er wegen der öffentlichen Beschimp. sung de» damals noch lebenden Ministers Rathenau. Beschimpfung der republikanischen Regierung und der deutschen Reichsfarben. Das Schutzgesetz wurde verletzt durch die öffentliche Verbreitung der Bro- schüren „Deutschland den Deutschen* und „Der Dolch- stoß durch das Judentum*. Das erste Buch ist ISIS und 1S20 geschrieben, vom Verfasser selbst verlegt und in ungefähr 6000 Exemplaren verbreitet worden. Dr. Hoffmann fordert in seinen Schriften die Aus hebung der Gleichberechtigung der Juden und Ver anlassung zu ihrer Auswanderung. In diesem Zu sammenhänge wird in der Broschüre der damals lebende Minister Rathenau angegriffen. Der Ange- klagte nennt ihn einen Vertreter der internationalen Iudenschaft, der vollkommen in diesem Sinne arbei tet, er wünschte den Ausammenbrucy Deutschlands, ein Sieg wäre ein Unglück für ihn gewesen; „im Kriege nahm er sich der Rohstoffwirtschaft an, um die deutsche Wirtschaft zu ruinieren!* In einem Dialog zwischen dem Vorsitzenden und dem Angeklagten macht ersterer die Bemerkung, er kenne keinen Unterschied zwischen Deutschen und Juden. Dieser Satz ruft im Auditorium lebhafte Unruhs hervor, das die pathetische Redeweise des AnA-- klagten unterstützt. Dieser sieht in seinen Angriffen keine Beschimpfung des Ministers, und stellt — um seine Behauptung von dem Nichtdeutschtum Rathe nau» zu unterstützen — an den Vorsitzenden d'»g Frage, ob er Kurt Eisner für einen Deutschen hatte. Vorsitzender: „Auf diese Frage gebe ich keine Aus kunft!* (Stürmischer Protest im Zuschauerraum; der Vorsitzende droht mit Räumung de» Saales.) Sodann wird über den zweiten Punkt der An klage, die Beschimpfung der republikanischen Staats form, verhandelt. Der Anzeklagce beruft sich auf nationale Zeitungen und hat verschiedene Schriften mitgebracht, „um endlich einmal auch den Herren vom Staatsgerichtshof die Gefahr des hinter den Kulissen arbeitenden Judentums zu zeigen!* Staatsminister a. D. Heine und Rechtsanwalt Dr. Herschel machen den Angeklagten auf grobe logische Fehler aufmerk sam; eine befriedigende Antwort erfolgt nicht. — Was die Broschüre „Der Dolchstoß durch das Juden- tum* anbetrifft, die zum Teil nach Inkrafttreten des Schutzgesetzes fertiggestellt und, eoenso wie die erste Schrift, bei Versammlungen verteilt und verschenkt, und am 14. November 1V22 beschlagnahmt wurde, hat denselben Grundgedanken wie das Buch „Deutschland den Deutschen*. Loffmann - Kutschke zitiert Artikel aus dem „Hammer* von Fritsch u. a., wirft Rathenau Landesverrat vor und greift die republikanische Staatsform an. Da er auch von der „schwarz-rot- goldenen Verkettung der deutschen Reichsfeinde* spricht, wird ihm Verhöhnung der Reichsflagge znm Vorwurf gemacht. Einen wichtigen Punkt in der weiteren Verhand lung bildet die Aussage des Angeklagten, das Buch sei auch vom Buchhändler nur an Bekannte und nicht öffentlich verkauft worden. Der Ge schäftsführer der Lipvertschen Buchhandlung in Halle a. S., Marcard, der als Zeuge vernommen wird, sagt aus, daß er da» Buch nicht an öffentlich bekannte politische Gegner ausgefolgt hätte; Interessenten hät ten es aber wohl bekommen. Der Zeuge Polizei asststent Dubiel, der die Beschlagnahme durch führte, gibt an, das Buch habe auf einem Privat- tisch der Buchhandlung gelegen. Staatsanwalttchaftsrat Dr. Rückert setzt sich ausführlich mit den Büchern des Anaeklagten aus» einander. Er wirft ihm das Unwissenschaftliche seiner Schreibweise vor, da er sich mit einer Aneinander- reiyung von Zitaten antisemitischen Inhalt» begnüge; dann kommt er auf die Verhöhnungen der reoubli- konischen Staatsform, die Angriffe auf Minister Rathenau und Minister Dr. Koester, sowie auf die Verbindung der Reichsflagge mit der schwarzen, roten und goldenen Internationale zu svrechen. - Der Reichsanwalt beantragt eine Strafe von einem Jahr und sechs Monate» Ge- fänaniS. Die Verteidigung wirft dem Gerichtshof Mangel an Wohlwollen dem Angeklagten gegenüber vor. was sich in der Verhandlung und auch in der Ablehnung 0»r Sachverständigen aezeigt habe. Der Verteidiger, der sich dessen rühmt, daß er noch in der „alten Ordnung* ausgewachsen sei, führt als Kronzeugen für die Allgemeingülttgkeit der Bewertung der Juden als völkerzersetzende Ein heit Meyer« Handlexikon an und plädiert auf Freisprechung de» Angeklagten. Dieser äußert sich in seiyem Schlußwort noch einmal zu dem Vor wurf, daß er die Juden al» Kreuzottern und Gift blumen bezeichnet habe und droht, im Jahre 1S23 noch wissenschaftliche» Material, da» „in Katakom ben und Grüften* gefunden worden sei, zu ver öffentlichen. Der Staats«eoichtshof fällte danach da» oben genannte Urteil. Ein großer Teil der Arhörer begleitete die Ur teilsverkündung »it Pfui-Rufen und Scharren. Diese grob« Ungehörigkeit wurde leider vom Vorsitzenden niH «erügk
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