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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305256
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230525
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230525
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-25
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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k)ypothekensperrgesetz und Wohnungsbau Don Architekt »unu «unluett Der Reichswirtschaftsrat hat das Hypothe- kensperraesetz abgelehnt. In der Begründung hierfür heißt es, daß die Hypothckenfrage aus dem Zusammenhänge der Auswirkungen der all gemeinen Geldentwertung nicht herausgegriffen werden könne, und daß man die Notlage der Hypothekengläubiger auf anderem Wege beheben Müsse. Alan hat also scheinbar die ganze Frage nur unter dem Gesichtspunkte der Schädigung der Hypothekengläubiger betrachtet. Der öffentlichen Meinung wird diese Stellungnahme des Reichs- Wirtschaftsrates ohne weiteres verständlich sein, hat sie sich doch ganz allmählich mit der Ent- eignung des Mittelstandes abgefunden, der mit- telbar oder unmittelbar wohl der größte Gläu biger aller Hypotheken ist. Das Ungeheuerliche dieser Enteignung und die große volkswirt schaftliche Gefahr dieser Erscheinung kommt dem öffentlichen Gewissen augenscheinlich nicht mehr zum Bewußtsein. Es ist geradezu aufreizend, zu sehen, mit welcher Gleichgültigkeit man über diese Zustände hinweg zur Tagesordnung über- geht, vielleicht vornehmlich deshalb, weil man glaubt, hier doch nicht helfen zu können. Trotz aller Schwierigkeiten auf diesem Ge biet mehren sich in letzter Zeit die Stimmen, die zu einer Lösung der Hypothekenfrage mahnen. Besonders beachtlich ist hierbei die Gründung des Aktionsausschusses, der aus hervorragenden Rcchtsgekehrten und Männern der juristischen Praxis zusammengesetzt ist. Dieser Ausschuß be müht sich, der öffentlichen Meinung klarzu machen, daß ein Unterschied besteht zwilchen den Rechtsansprüchen, die gegen einen in Ver- mögensverfall geratenen Schuld ner zu erheben sind und den Ansprüchen, die sich an einen in glänzender Vermö genslage befindlichen Schuldner richten. Reich, Länder und Gemeinden sinv in solvent gewordene Schuldner und jeder Gläubi ger hat sich mit dieser Tatsache innerlich wohl längst abgefunden, so hart es in manchen Fallen auch sein mag. Was in diesem Zusammenhang die Zeichnungen der Kriegsanleihe betrifft, so darf doch nicht vergessen werden, daß diese Zeich- nungen zwar erfolgt sind im Vertrauen auf die Kraft und Stärke des Vaterlandes, daß aber dabei die Möglichkeit eines nicht glücklichen Aus ganges doch wenigstens im Hintergrund stand. Hinsichtlich der Schulden des Reiches, der Län der und der Gemeinden liegen die Verhältnisse, auch gefühlsmäßig, klar. Dem Gefühl für An stand und gute Sitte muß es aber als Hohn er scheinen, wenn der starken Aufwertung der länd- lichen, industriellen und städtischen Grundstücke die Permögensenteignung der Gläubiger dieser Grundstücke gegenübcrstcht. Der erwähnte Fall, daß der Verkäufer eines Rittergutes von Sem Erlös von eineinhalb Milliarde Mark eine in Gold gegebene Hypothek von 375 000 Mark in Papiermark zurückzahlen konnte, genügt zur Be leuchtung dieser Mißstände. Was ist denn die Folge dieser Zustände? Große Teile des Volkes, die bisher durchaus be- sitzfreundlich waren, werden besitzfeindlich. Mei- tere große Teile des Volkes werden an dem Tage bcsitzfeindlich sein, an dem die Spekulation auf hört, durch die sic sich jetzt über Wasser halten. Es hieße doch die Lage verkennen, wenn man nicht zugcben wollte, daß die Enteignung des Mittelstandes und die damit verbundene Ver bitterung und Besitzfeindlichkeit der wesentliche Kern aller der mehr oder weniger umfangreichen Bewegungen ist, die in neuerer Zeit in staats- feindlichem Sinne auftreten. Die Aufklärung über die erwähnte Verschie denartigkeit der Rechtsansprüche muß erfolgen, damit der Boden geschaffen wird für eine prak- tische Lösung der Hypothekenfrage. Diese Ge danken zum Gemeingut aller zu machen, wird nicht leicht sein, es wird Zeit erfordern, aber das im Deutschen wurzelnde Rcchtsgcfühl wird sich schließlich als aufnahmefähig für diese Gedanken erweisen. Dann wird der Zeitpunkt gekommen sein, in dem die Hypothekenfrage aus dem Zu- sammenhang der Auswirkungen der allgemeinen Geldentwertung herausgenommen werden kann. Der erste Schritt muß alsdann das Hypotheken, spcrrgesetz sein. Bei der praktischen Durchfüh- rung werden sich Grenzfälle ergeben, die Schwie rigkeiten machen werden; die Auslösung speku lativer Kräfte wird vielleicht nicht zu vermeiden sein; besondere Ueberlegung wird es später er fordern, den Zeitpunkt festzusetzen, bis zu dem man eine Aufwertung eintretcn lassen könnte; auch Härten werden sich nicht umgehen lassen, aber alle Schwierigkeiten zusammengenommen werden den Erfolg wert sein. Die größte Wirkung sehe ich voraus für das Ausleben der Wohnungsbautätigkeit. — Ueber die Notwendigkeit der Wohnungsbe- schaffung weiteres zu sagen, erübrigt sich. Nur der Gedanke möge hier erwähnt werden, daß es für den Staat und für eine freundliche Einstel lung gegenüber der Gesellschaft von ausschlag, gebender Bedeutung ist, wenn jedem Staatsbür ger, der nur irgendwie dazu in der Lage ist, Gelegenheit gegeben wird, im kräftigen Alter ein Eigenheim zu erwerben und es im Laufe seiner Arbeitsfähigkeit in seinen schuldenfreien Besitz zu bringen. Mit der Aufwertung der Hypotheken wird man diesen den Eharakter des Sparstockes wie dergeben, und was die Wohnungsbauabgabe nie wird erreichen können, hier wird es geschaffen werden, große Geldmittel werden zusammenflie- ßen aus vielen kleinen Quellen. Der Spartrieb an sich ist keineswegs erloschen, nur kann er sich im kleinen augenblicklich nicht betätigen. Jeder drängt nach der Erfassung von Sachwerten; durch die Hypothekenregelung würde das Grund stück wieder zum Sachwert werden, der vielen kleinen Sparern zusammcngefaßt erreichbar sein würde. Dr. Zißeler Hal auf der letzter: Reichssiedlungswoche klar dargclegt, daß der Wohnungsbau in früheren Zeiten in der Haupt- fache nicht durch Unternehmerkapital finanziert worden ist, sondern durch Sparkapital, das durch Hypotheken dem Wohnungsbau als vormegge- nommener Realkredit zufloß. Die Schwierigkeit schien darin zu liegen, den Wohnungsbau wieder als Sachwert erscheinen zu lassen, der den An- reiz und die genügende Sicherheit für die Be- tätigung des Sparens bietet. Hier ist der Weg, und ich glaube, der einzige Weg, der zu diesem Ziele führt. Alle Maßnahmen, die zur Besse rung der Wohnungsfrage ergriffen werden, sei es in der Richtung des Mieterschutzes oder des Vermieterschutzes, sei es das Wohnungsbauab- gabegesetz, sei es, was es wolle; alle diese Dinge sind doch mehr oder weniger papierne Maßnah. men, die aus der Hilflosigkeit der Zeit entsprun- gen sind. Die Hypothek, gegeben auf den Bau als Sachwert, muß als der einzig befried!- gende Weg zurBaugeldbeschaffuna angesehen werden. Es ist einleuchtend, daß nach etwaigem Eintreten eines Hypothekensperrgesehes nicht auch sogleich die Hypothekenregelung in glatten Bahnen laufen wird. Viele Momente müssen hierzu in gedeihlicher Weise zusammen, wirken. U. a. wird die Stabilisierung der Mark unzweifelhaft eine wesentliche Rolle spielen, doch auch sie muß früher oder später kommen. Die vorbereitenden Schritte zur Hypothekenregelung müssen aber schon jetzt getan werden, und ich bin der Ansicht, daß sie sich viel leichter in der Jett der Schwankungen tun lassen, als später nach Eintritt fester Verhältnisse. Vie Hamburger Internationale gegründet Hamburg, 24. Mai. (Eig. Tel.) Der Kongreß der Internationalen hat am Mittwoch nachmittag seinen ersten wichtigen Beschluß gefaßt. Er hat in Form eine» neuen Organisationsstatuts gleichzeitig auch die neue Internationale gegrün det. Die einstimmige Annahme des Statuts er weckte stürmische Begeisterung. In dem Statut wird al» Grundsatz festgestellt, daß alle der neuen Inter- nationale angeschlossenen Parteien die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsweise und ihre Er- setzung durch den Sozialismus als Ziel und im Klassenkampf das Mittel der Emanzipation der Ar beiterklassen sehen. Alle angeschlossenen Parteien unterwerfen sich in allen internationalen Fragen/ dem Beschluß des Exekutivkomitee». Die Stimmenverteilung im Vollzug«- ausschuß der neuen Internationale wurde vorläufig wie folgt festgesetzt: England und Deutschland erhalten je 30 Stimmen, Frankreich IS, Belgien, Oesterreich und Italien j« IS, Rußland, Schweden und Dänemark je 12, Amerika und Polen je 10; von der Slowakei erhalten Tschechen S, Ungarn 8 und die Deutschen 7 Stimmen, Holland und die Schweiz je 7 Stimmen, Finnland 6, Norwegen, Rumänien und Georgien je 3, Armenien und Lettland je 2, Bulgarien, Jugoslawien, Türkei, Litauen, Luxemburg und Danzig je 1 Stimme. Ueber die Statuten der neuen Internationale, die den Namen Sozialistische Arbeiter- Internationale (S. A. Z.) trägt, referierte Adler (Wien). Die Beschlüsse der S. A. I. sollen in allen internationalen Fragen für alle Teile bindend sein. Ueber Verhandlungen mit den Kom- munisten wegen der Bildung einer Einheitsfront er klärte Adler, diese seien solange wenig aussichtsreich, als die Kommunisten innerhalb de« Proletariats die Diktatur einer kleinen Minderheit über die große Masse aufzurichten bestrebt seien. Die Statuten wurden unter lebhaftem Beifall ohne weitere Aussprache einstimmig angenommen. * Der Internationale Sozialistenkongreß, dessen ruhiger Verlauf durch die Hamburger Kommu nisten — die sich von auswärts zu diesem Zweck sogar Hilfe geholt hatten — eine Zeitlang ge- fährdet schien, wird auch weiterhin sich in Ordnung vollziehen. Die Kommunisten veranstalten täglich Demonstrationen und Versammlungen unter freiem Himmel, die regelmäßig mit Umzügen nach dem Ge- werkschaftshaus enden, in dem der Kongreß tagt. Hier schützt eine Mauer von sozialistisch-gewerschast- lich organisierten Arbeitern das Haus gegen fremde Eindringlinae. Um aber auch gegen Ueberraschungcn gesichert zu sein, sind alle Türen fest verschlossen, und erst auf Umwegen gelangt man in den Verhandlung», saal. Die Kommunisten, die die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen jetzt endlich eingesehen haben, erklären nunmchr, dem Kongreß keine weiteren Schwierig, leiten machen zu wollen. Rbschlutz -er „Deutschen Tager" Hamburg, 24. Mai. Zu einem kraftvollen Aus- klang der Arbeitrsttzungen gestaltete sich die Schul- gruppentagung des deutschen Verein» für da« Deutschtum im Auslande, die in dem großen Saal« des Eonventgarten» die Schuljugend aus allen deut- schen Gauen und viele Tausende von auslqnds- deutschen Schulvertretern vereinigte. Der Vorsitzende und Organisator der Iugendhilf«, Lyzeumsdirektor Treut (Bromberg), führte in seiner Begrüßung», onsprache au», die Pflege de» Dolkrgedanken« jenseits von Konfession und Partei sei da« Ziel der Be wegung, die auf die Erziehung der Jugend zur Dolksgesamtheit sowie auf die Aufbringung von Unterstlltzung«geldern gerichtet sei. 13)4 Millionen Mark seien im vergangenen Jahre und da» Dreifache davon in den ersten Monaten diese» Jahre» auf gebracht worden. In über 1000 Schulgruppen seien an 800000 Schüler und Schülerinnen zusammen- gefaßt. Rach zum Teil erschütternden Berichten auslandsdeutscher Lehrer und Lehrerinnen und nach dem Gelöbnis zu weiteren Kraftanstrengungen, da« der Leiter der Schulgruppenbewegung ablegte, fand der Deutsche Tag seinen Abschluß. Am Nachmittag zogen trotz strömenden Reaen« di« Teilnehmer de« Deutschen Tage» nach Friedrich«, ruh zum Grabe Bismarck«, wo Kränze niedergelegt wurden, 1 kommunistischepo'itr-Gochsen Der Führer d.» sächsischrn K.'!n:!.un:s:en Pc ul Böttcher hat in einer Broschüre über „die Bil dung der linkssozialdemokratischen Regierung in Sachsen" die Ansichten und Absichten seiner Partei mit geradezu brutaler Offenheit enthüllt. Man er fährt daraus, daß es den Kommunisten bei ihrer Unterstützung des Kabinetts Zeigner nicht darum zu tun ist — was viele Sozialdemokraten bisher glaubten —, eine „proletarische Einheitsfront" zu bilden, sondern vielmehr darum, die Srzialdemo- kratte zu spalten und aufzureiben. Bött c«r schreibt unter anderem: „Was bisher noch kein Offener ief, keine Neunerkommiflion, kein Berliner Abkommen und keine Haager Konferenz zustande brachten, das ist in Sachsen zum erstenmal gelungen: die Ausrol lung der inneren Front der DSPD. Diese Tat- fache wurde zum Ausgangspunkt aller weiteren Erfolge der KPD. Don inneren Fraktionskämpfen zerrissen, ohne einheitliche und starke Führung, bot der „Koloß" BSPD. einen traurigen Anblick jäm- merlicher Hilflosigkeit." „Die Kommunistische Partei gab sich keinen Illusionen hin. Sie wußte, daß das Ziel nur zu erreichen war bet genügendem Massendruck, Zu standekommen des Betriebsrätekongresses, Spal-, tung der DSPD. und Ueberwinduna der reformistischen Strömungen innerhalb des ÄDGB. Die Spaltung der DSPD. wird in diesen Kämpfen unvermeidlich. Schon die Bildung der linkssozialdemokratischen Regierung hat die Parteidisziplin bi» zum äußersten angespannt." Gegen die Berliner Opposition in der Kommu- nistischen Partei, der die sächsische Taktik verkehrter- scheint, wendet sich Böttcher mit folgender Bemerkung „Im Gegensatz zur Berliner Opposition, die mit der Unterstützung der sozialdemokratischen Regie- rung den Kampf um die Arbeiterregierung in Sachsen als „abgebrochen" ansieht, führt die säch sische Partei diesen Kampfjetzt aufeiner höheren Stufe, mit größeren Mitteln und unter erfolgreicheren Voraussetzungen weiter." Triumphierend verkündet Böttcher den Sieg der KPD. über die DSPD. in Sachsen: „Die KPD. hat der Sozialdemokratie in Sachsen die Richtung des Kampfes aufgezwun- gen. Nickt mit leerem Geschrei, sondern durch eine wohlüberlegte, auf Realitäten gebaute und all» Möglichkeiten ausschöpfende aktive Politik. Die linken sozialdemokratischen Führer können ihre Existenz nur um den Preis er- halten, daß sie in der vorgezeichneten Richtung marschieren." Wie lange wird die sächsische Sozialdemokratie arr- gesicht» dieser Offenherzigkeiten die Fiktion der prole tarischen Einheitsfront, auf der das Kabinett Zeigner aufgebaut ist, noch aufrecht erhalten können? > r — Vas Zechenbach-UrteU und dar Ritter-Telegramm Da» furchtbare Fehlurteil de« Münchener „Volks- gerichts" gegen Fechenbach und Genossen darf nicht in Vergessenheit geraten, bis e» revidiert ist. Um die öffentliche Aufmerksamkeit wach zu halten, hat der Republikanische Richtcrbund den Kammergerichtsrat Freymuth beauftragt, das Urteil nachzuprüfen. Da» Ergebnis dieser Arbeit wird in den nächsten Tagen im Verlag der Neuen Gesellschaft, Berlin IV IS, unter dem Titel „Da« Fechenbach-Urteil" erscheinen. Neben den juristischen Feststellungen Freymuth» — der am Schluß erklärt, ein solches Urteil sei nur vor dem bayrischen Dolksgericht möglich gewesen, niemals wäre es von dem Reichsgericht gefällt worden, vor das die Sache von Rechts wegen gehörte — ist an der Schrift allgemein politisch interessant, daß hier das ost erwähnte „Ritter-Telegramm" zum ersten Male im Wortlaut abgedruckt wird. Dieses Telegramm de« bayrischen Gesandten beim Vatikan Freih. Ritter von Grünfeld, wegen dessen Uebergabe an einen Schweizer Journalisten Fechenbach zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, lautet: „Der Papst billigt ein scharfes Vorgehen Oesterreichs gegen Serbien. Der Kardinalstaat», fekretär hofft, daß diese« Mal Oesterreich stand- halten wird. Er fragt sich, wann es denn sollte Krieg führen können, wenn es nicht einmal ent- schlossen wäre, mit den Waffen eine ausländische Bewegung zurückzuweisen, die die Ermordung de» Erzherzogs herbeigefllhrt hat und die in Rücksicht aus die gegenwärtige Lage Oesterreich» dessen Fort bestand gefährdet. In seinen Erklärungen enthüllt sich die Furcht der römischen Kurte vor dem Pan- flawismus. Gezeichnet Ritter." E« steht fest, daß Eisner dieses Telegramm vom Juli 1914 in verschiedenen Volksversammlungen verlesen hatte, bevor Fechenbach es dem Schweizer mitteilte. Trotzdem hat das Dolksgericht angenommen, daß die Geheimhaltung des Telegramm» einer anderen Regierung gegenüber für da» Wohl de» Deutschen Reiche« noch im Jahre 1919 erforderlich war, und die Veröffentlichung al« Landesverrat erklärt. Dr. Fried- rich Thimme, den das Dolksgericht als einzigen Sachverständigen vernommen hatte und dessen Aus- sage gegen den Angeklagten ins Gewicht fiel, er klärt jetzt im Vorwort zu Freymuth» Schrift: „Nunmehr muß auch der letzte Zweifel schwin- den, daß die au» der Veröffentlichung des Ritter- Telegramms abgeleitete Verurteilung Fechenbach« wegen vollendeten Landesverrat» «in schwere« und unerträgliche» Fehlurteil dar- stellt, da» irgendwie, und sei es auch nur auf dem Wege der Begnadigung Fechenbach«, wieder gut- zumachen ist." In der Broschüre ist nur von Fechenbach die Rede. Die anderen beiden Verurteilten, der Journalist Lembke und der ehemalige österreichische Advokat Garga», sind zwar weniger bekannt als Fechen- bach, aber ihre Verurteilung ist nicht minder un- gerecht al« die seinige. Bei einer Revtvsion de» Fechenbach-Urteil» sollte man auch sie nicht vergessen. IS- Deutsche aur Pommerellen aurgewiesen Warschau, 24. Mai. (Eig. Tel.) Die polnische Regierung hatte, wie bereit» gemeldet, kürzlich be schlossen, al» Vergeltung für die au» Preußen au«, oewiesenen 78 polnischen Staatsangehörigen im Mat ebenso viele deutsche Staatsangehörige au» i Pommerellen auszuiveisen. Der polnisax Thorn--» - Wostvod« wacht h-rute bekannt, das, er „aus An- ordnitug des Ministerpräsidenten Sikorski zw.i Deutsche für einen Polen, also 1-i"> Staatsbürger, aus Polen ausgewiesen habe. Ls ist anzunchmen, daß General Sikorski durch diese weitere Verschärfung unmittelbar vor dem Seyn- bcschluß über sein Kabinett die Nationalisten zr einer milderen Entscheidung beweg« wollte. Im übrigen hat Sikorski die Kabinettskrise dadurch zu beseitigen versucht, daß er den Sejm- Präsidenten gebetn hat, auf die Tagesordnung der nächsten Sejmsitzung ein provisorisches Budget zu setzen und darüber abstimmen zu lassen. Nach dem Ausfall dieser Abstimmung werde er sein weiteres Verhalten richten. In Sejmkreisen wird das Er suchen Sikorskis dahin gedeutet, daß er nunmehr seine beabsichtigte Offensive gegen den Sejm und die nengeschaffene Koalition aufgegeben hat. Vie Reform der öfter« reichischen Bundesbahnen Von unserem Wiener Mitarbeiter Sr. Wien, im Mai. Der große Reformplan der österreichischen Regie- rung bezüglich der Bundesbahnen ist soeben dem Nationalrat unterbreitet worden. Bundeskanzler Seipel hatte in einer Salzburger Rede den Reform- plan als einen „kühnen Plan" bezeichnet. In der Tat, er hat nicht zuviel gesagt. Der Staat überträgt nämlich seine gesamten Eisenbahnen einschließlich der österreichischen Trajektanstalt und Dampfschiffahrt auf dem Bodensee, samt allen Nebenbetrieben, auf einen selbständigen Wirtschaftskörper, der unter der Firma „Oesterreichische Bundesbahnen" eine juri- stische Person bilden und als Kaufmann beim Wiener Handelsgericht protokolliert werden soll. Die Unternehmung „Oesterreichische Bundesbahnen" hat das gesamte Vermögen der Bundesbahnen mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten treu- händig zu verwalten. Die Gebarung der „Oesterreichischen Bundesbahnen" ist bei Wahrung und Sicherung der allgemeinen Interessen nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen und so einzurichten, daß die Ausgaben in den Lin- nahmen ihre Deckung finden. Die „Oesterreichischen Bundesbahnen" erhalten als Grundkapital vom Staate den Betrag von 200 Milliarden, der aus den vorhandenen Kassenbeständen zu entnehmen ist. Bis auf weiteres wird das Defizit der Bundesbahnen vom Bunde gedeckt, der dem Unternehmen einen im Finanzgesetz des Bundes alljährlich festzusetzenden Bundeszuschuß zahlt. Organe der Unternehmung sind ein Vorstand und eine Derwaltungskommisston. Der Vorstand vertritt die Unternehmung gerichtlich und außergerichtlich. Die Bestimmungen des Handels gesetzbuches finden auf den Vorstand sinngemäß An- Wendung. Die Mitglieder des Vorstandes haften der Unternehmung für die Außer- achtlassung der Sorgfalt eines ordentlichen Kauf- manne». Gegen parlamentarische Beeinflussung des Vorstandes soll die Bestimmung schützen, daß als Vor stand nicht bestellt werden darf, wer Mitglied de» Nationalrates, Bundesrates oder eine» Landtages oder Mitglied der Bundesregierung oder einer Lan desregierung ist oder in den letzten sechs Monaten war. Die Ueberwachung der Geschäftsführung bei gleichzeitiger Wahrung allgemeiner Interessen liegt der Derwaltung»kommission ob. Sie be- steht aus 12 Mitgliedern, die von der Bundesregie, rung auf drei Jahre ernannt werden. Neun Stellen sind mit Fachleuten des Verkehrswesen», der Volks wirtschaft oder leitenden Persönlichkeiten des prak tischen Wirtschaftsleben» zu besetzen. Die übrigen drei Mitglieder sind aus den Leitungen der Organi- sationen des Personals zu bestellen. Mitglleder des Nationalrats, des Bundesrats oder eines Landtages, der Bundesregierung oder einer Landesregierung können nicht gleichzeitig Mitglieder der Verwaltung«, kommission sein. Der Präsident der Verwaltungs kommission wird aus deren Mitte von der Bundes- regierung ernannt, zwei Vizepräsidenten werden ge wählt. Die Vorstandsmitglieder werden vom Prcisi- denten der Derwaltungskommiffion durch Dienstver trag bestellt. Die Dienstverträge bedürft« der Be- stätigung der Bundesregierung. Die Mitglieder des Vorstandes können vom Präsidenten der Derwal- tungskommission mit Zustimmung der Bundesregie rung abberufen werden. Die Abberufung muß er- folgen, wenn die Bundesregierung es verlangt. Bezüglich der Bundesbahnangestellten, die mit ihrer Uebernahme durch das neue Unter- nehmen aufhören Staatsbeamte zu sein, bleiben die derzeitigen Vorschriften über das Dienstverhältnis vorläufig bis 30. Juni 1924 in Geltung. Bis dahin ist unter Mitwirkung der Personalvertretung «ine den Bedürfnissen der kaufmännischen Betriebeführung anzupaflende Neuregelung vorzunehmen. Das Be- amten-Abbaugesetz bleibt auch bezüglich der Bundes- bahnangestellten in Kraft, und die Bundesregierung wird ermächtigt, den auf die „Oesterreichischen Bundesbahnen" entfallenden Teil der gesetzlich fest gesetzten Gesamtzahl der Abzubauenden zu be- stimmen. Eine sehr wichtige Frage ist die Tarif frage. Die Unternehmung „Oesterreichische Bundesbahnen" hat die im Zeitpunkte des Inkrafttreten» der Neu- organisation bestehenden besonderen und allgemeinen Tarife zu übernehmen. Grundlegende Aende- rungen der allgemeinen Tarifbestimmungen, Aenderungen der Tarifgrundlagen für die Beförde rung von Personen, Reisegepäck und Expreßgut, Aenderung der volkswirtschaftlich bedeutsamen Aus- nahmetarife sind an die vorherige Genehmigung der Bundesregierung gebunden. Die Bundesbahnen unterliegen dem staatlichen Hoheit»- und Aufsichts recht. Ein von der Regierung zu erlassende« Statut wird die näheren Bestimmungen über die Einrichtung der Unternehmung „Oesterreichische Bundesbahnen" enthalten. Die sächsische gentrumspartei hält am 27. Mat in Zwickau einen Parteitag für West sachsen ab. <rr umfaßt die Bezirk« Ehemnitz, Leipzig, Plauen und Zwickau.
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