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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305202
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230520
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230520
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-20
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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Alters bemerkt hatte, und versuchte, dieses Lächeln mit der Wundervollen Würde schmerzlich-seliger Frauen, die die Leidenschaft kennen und die Ruhe der Entsagung, auf ihren Lippen zu tragen, ohne von diesen Dingen mehr zu wissen als allenfalls die Namen; und das Wunderbare war: daß Ruth dies tun konnte, ohne skurril zu erscheinen. Es war an einem goldklaren Morgen, und Ruth und ich saßen am Frühstückstisch, als meine Mutter zu uns trat und uns anbot, einen Ausflug zu machen. Ruth hatte Lust, auf dem Dampfer zu fahren. Wir kleideten uns flugs um, ließen etwas Mundvorrat bereiten und verabschiedeten uns. Wie ich Ihnen jetzt diese Dinge aus der Erinnerung erzähle, will es mich dünken, als ob meiner Mutter Hand mit der Berührung meiner Lippen ein wenig verweilte, als ob sich für einen Augenblick ihre Finger irgendwie zwischen meine Lippen gedrängt Hütten, nur für den Teil einer Sekunde. Aber das war bestimmt nicht so. Es will mir nur heute so scheinen, da ich weiß, wie dieser Tag ausging. Wir liefen über die blühenden Wiesen. Irgend- wr lagen wir rastend im Gras, und aus lauter Uebermut fiel es mir ein, Verse zu machen. So spielten wir den ganzen Tag: aßen in Pillnitz zu Mittag und besichtigten das Schloß, das wie ein schönes schlankes Windspiel am Ende der kerzen besteckten Kastanienallee lag. Ich entsinne mich noch, wie in den alten verstaubten Gemächern uns ein Bedürfnis nach den zahmen Zärtlichkeiten, die wir uns erlaubten, unwiderstehlich befiel. Möglich, daß die Schäferszenen nach Watteau, in grazile Gobelins verwoben, Schuld daran waren. Wir blieben dann und da ein wenig zurück. Träumten. Und lächelten. Im heißen Schloßgarten tranken wir Eiskaffee, und betraten schließlich den Dampfer, der uns stromab nach der Stadt turg. An den Ufern, wo Bürger spa» zierten und Hunde bellten, schlugen die weißen, aischtenden Wellen entlang. Herren saßen uns gegen über, die Zeitung lasen und sicheren Beruf hatten. Ruth erschien mir sehr schön. Wir sahen uns frech und zart in dir Augen. Die maliziösen Hände der schwelgenden Prinzessin hielten einen großen bunten Strauß, aus dem Vie Pfirsichblüten reizend auf ihre seidenen Strümpfe niederneselten. Die Stadt stand olau auf den Ufern des Flusse». Wir betraten den Kai, drr im Dämmer des Domes lag. Hinter dem Turm rollte der lustige Mond hervor. Ls war eine Stimmung wie heute. Ich erinnere mich: Ruth hielt eine Wicke zwischen den Lippen und küßte sie in lauter rosa Falten, und ich war sehr galant, liebe Freundinnen, so galant wie man eben zu einem Mädchen ist, dessen Hüften zart den kurzen Rock straffen. Müde und träumerisch kehrten wir heim. Selt samerweise fanden wir das Gittertor am Eingang zu unserem Garten offenstehend. Ich glaube, wir wur- den etwas.beunruhigt. Im Haufe trafen wir nie manden. Unser alter Diener schlief auf der Treppe. (Er pflegte stets dort einzuschlafen, wo man ihn ge- rade stehen oder liegen ließ.) Im ersten Stock kam uns die Haushälterin aufgeregt entgegen, weinte und fragte uns nach Mama. , Es war eine entsetzliche Nacht. Ruth, die meine Mutter sehr liebte und irgend etwas Furchtbares zu ahnen schien, weinte unaufhörlich. Ich selber war verwirrt und vermochte kaum, die Aermste zu trösten. Sie kehrte in dieser Nacht nicht zurück. Auch nicht am nächsten Tage. Ich habe sie nie wieder gesehen. Ein Jahr später schrieb sie mir aus Italien, und ihr Brief klang wie ein Kapitel aus einem schlechten Roman: die alte Lust, zu reisen, war über lie gekommen, die dunkle Kette der unerlebten Aben teuer habe sie wieder fortgerifsen, wie damals, als sie meinem Vater entflohen war. Sie lebe innig und hingcgcben den Bildern dieser Welt. Ungebunden und unbändig. Ihre wirren und wilden Zeilen endeten mit der Bitte, ihr zu vergeben, und der Per- sicherung, daß sic mich, ihr-n Sohn, trotz allem aufs Zärtlichste und mütterlich liebe. Ich lächelte über diesen Brief, wie man lächelt bei der Lektüre eines Romans, den ein talentloser Schriftsteller verfaßte und worin er die hergebrachten Mittel wahllos ver wendet. Gin zweiter Brief wurde mir ein Jahr darauf nack'gesandt nach Paris. Er kam aus Süd- amerika. Ich lächelte wieder. Doch dieses Mal weniger mokant und weniger über den naiven Brief, als über mich, den nun selbst dieser Drang, zu reisen ohne Ende, ergriffen hatte. Sie starb auf Java. Das Kreuz des Südens brennt über ihrem Grab. Da» ist die Geschichte, die ich Ihnen erzählen wollte, und Sie müssen gestehen, daß sie wohl anders endet, als Sie erwarteten. Doch da der Abend noch schön ist und die Zeit, die uns gegeben, so kurz, wollen wir kargen mit den Minuten, so lange Traurigkeit uns gefangen hält, und sie verschwenden an die schönen Launen, dir bunten Freuden und Selegkeiten. Ja, liebe Freun dinnen, trauern Sie nicht, wenn ich eines Tages nicht mehr hier bin, nicht in diesem Pavillon mehr unter Ihnen sitz« und so in einen kühlen Mondstrahl greife wie irtzt. Ich lebe dann im Stampfen der Turbinen, im Rollen drr Räder, im Wogen de» Mreres, in der fliehenden Landschaft, den fremden Städten und Frauen und Abenteuern. Das Pagantenblut treibt mich um den Erdball, über leuchtende Meere, auf ferne Inseln, in dunkle Gebirge, in Schächte und Urwälder. Erwägen Sie, daß überall ein Hier- und Da-Sein ist wie in dieser blauen Frühlingsnacht, und unser letztes unendliches Sein, liebe Freundin nen dieser schönen Stunden, liegt ewig hinter den funkelnden Sternen. Lla 1923. Der Verein Leipziger Iahrrsausstcllung (L. I. A.) veranstaltet im Herbst 1923 in den Räumen des Städtischen Museums, Augustusplatz, seine §9. Ausstellung, auf der führende deutsche ! Künstler mit Gemälden und Plastiken vertreten sein werden. Die Eröffnung findet nm ersten Tag der Herbstmesse, Sonntag, den 26. August, statt, um während der Meßwoche auch den Besuchern der Messe Gelegenheit zu geben, die neuere Entwicklung der bildenden Kunst zu verfolgen. Zur Teilnahme an dem Ehrenausschuß für die Ausstellung erklärten sich bereit die Herren sächs. Kultusminister Fleiß- ner, Kreishauptmann Lange, Oberbürgermeister Dr. Rothe, Stadtvervrdnetknvorstchcr Heinze und Meßamtsdirektor Dr. Köhler. Mathieu Molitor, der bekannte Leipziger Dild- > Hauer, begeht am 23. Mai seinen 50. Geburtstag. Aus Piccklissem in der Eifel stammend, widmete er sich zunächst in Köln und bei Max Thedy in Weimar malerischen und graphischen Studien. Proben dieses Teiles seiner Tätigkeit befinden sich vor allem in Privatbesitz. Entwürfe für Buchschmuck und ein radiertes Wundt-Porträt enthält die Graphische Sammlung des Museums. Zur Plastik, dem Haupt- gebiet seines Schaffens, gelangte er ganz aus eigener Kraft, wesentlich gefördert allerdings durch das Studium der großen Vergangenheit in Rom. Ein an der Antike geläutertes Körpergefühl bekunden seine beiden Hauptwerke: Der Wächter, der bis vor kurzem, wo er in Schutzhaft genommen wurde, in den Anlagen am Museum aufgestellt war, und im Museum selbst der jugendliche Gürtelbinder, wohl seine reizvollste Schöpfung. Wiederholungsstücke und andere Arbeiten von ihm finden sich außer im hiesigen Museum, der Universität und bei privaten Kunst freunden, namentlich in Jena, Weimar, Chemnitz, Köln. Eine seiner letzten, der Reliefschmuck am Denkmal des Train-Bataillons auf dem Südfriedhof, ist vor kurzem enthüllt worden. Des liebenswür digen Künstler», der nun seit 25 Jahren zu den Unfern zählt, werden an diesem Tage viele Freunde mit herzlichen Wünschen gedenke». Ungarn e De» ich zu sten, if eine ische l-elprlger ua«i Usoäelsrettuog Xr. 118 Sette S Ein Pfingstappell N.tlelden-e Wohltätigkeit — Stiftungen und ihre Schicksale 8oaa1sg, äea 20. Alst Pfingsten Zu den ergreifendsten Erzählungen aus dem rei chen Buch der Menschheit gehört die Sage vom Prometheus. In dem Sitz der Götter, auf dem Olymp, die Unsterblichen schwelgend in Ueberfluß und Sinnenrausch, in Glanz und Pracht, und auf der Erde da» arme, unbeholfene Geschlecht der Menschen, jämmerlich sich nährend von Früchten und Wurzeln, in kalten, feuchten Höhlen. Don oben her ein Herabblicken auf die Menschen uüd von un ten her ein Murren gegen die Götter, von oben her Willkür und Tyrannenlaune, von unten her Neid und Verzweiflung. Und zwischen beiden Weiten keine Vermittlung. Da packt heißes Erbarmen den einen, den Halbgott Prometheus. Sinnend wie er der Menschheit etwas geben könnte von der Güt- ter Behagen und lichtvollem Dasein, fällt sein Blick auf die heilige Herdflamme im Hofe des Olymp. Die Liebe zu dem über seine Vorrechte eifersüchtig wa chenden Zeus und das Erbarmen mit den Menschen kämpfen einen heißen Kampf in der Brust des Göttersohnes; aber dann ergreift er ein mächtiges Scheit, entzündet es an de heiligen Götterflamme und trägt es in wirbelndem Flug zur Erde. Nun leuchten die müden, stumpfen, erbitterten Gesichter der Erdbewohner auf; Wärme und Behaglichkeit, Gedanken, Pläne, Efindungen kommen zugleich mit der Flamme. Viel Feuer brennt jetzt auf Erden in den kesseln der Fabriken und Dampfer, in Hochöfen und Schmelzöfen und ist der stärksten Helfer einer für die Menschen geworden und fügt sich der Meisterung durch Menschengeist und Menschenhand. Der Mensch gewinnt daraus seine Herrengefühle, ist stolz aus seine Macht über die Naturgewalten und trägt in sich das Bewußtsein von Götterebenbürtigkeit. Doch noch ander Feuer brennen auf Erden, sie sind nicht sichtbar nach außen, sie qualmen und glü hen nicht aus Fabrikschornsteinen heraus, sie glim- men und schwelen in der Menschenbrust, und manch mal nur steht man sie herauszüngeln aus -er Tiefe. Feilich jetzt öfter und ungescheuter als sonst. Die Flammen heißen Neid und Haß, raffgieriger Egois- mus und tyrannischer Pateigecst, schrankenlose Ge nußsucht und wilde Leidenschaften. Sie sind schwerer zu dämmen und zu bändigen als die Gluten in den Oefen, ost bleiben sie die Meister, und der Mensch wird ihrer nicht Herr. Wie ist ihnen beizukommen. Bei den großen Brän den in den Steppen und Prärien hilft zuletzt nur ein Mittel: Feuer gegen Feuer. Man geht mit Brand dem Brande entgegen, der findet dann nur ein Stück ausgebrannten Bodens vor und erstirbt von selbst. So kann den unheiligen Brand wilder Gier im Menschen nur bezwingen die heilige Glut edel- ster Begeisterung. Auch von diesem Feuer war auf der Erde ein reiches Teil. Wer die Geschichte der Menschheit schreiben wollte, ohne seiner zu gedenken, vergäße das Beste. Wer verzweifeln will an Gegen wart und Zukunft unseres Volkes, dem sei zum Trost gesagt: Noch glüht in unserem Volke, und besonders auch in seiner Jugend, viel edle Glut! Wir wollen uns freuen über jede Art von reinem Idealismus. Was an jenem ersten Pfingsten über die Jünger im Vorhof des Tempels kam, war der Geist heiliger Kraft, unerschrockenen Muts und unbeirrbarer Got- tesgcwißheit. Er rüstete die Jünger aus und ver- . bürgte ihrer Sache den Sieg. Eine heilige Flamme zog aus an jenem Pfingsten! Für den Christen ist der wirkliche Prometheus Jesus von Nazareth, und die Famme, die er brachte, ist die Flamme heittgen Pfingstgeistes .... Zeitungstransport durch die Luft. Die Beförde rung von Zeitungen mit Flugzeugen, die inBerl i n schon vor Jahren praktisch durchgesührt worden ist, soll nun auch im Ausland eingerichtet werden. Die englische Luftfahrerzeitschrift Flieght hat den Vor schlag gemacht, die Londoner und Pariser Tag s- zeitungen den beiden Hauptstädten gegenseit g auf dem Luftweg zuzustellen. Es könnten dafür kleine, einfache Maschinen in Dienst gestellt werden, die keine hohen Betriebskosten haben. In England steht man dem Projekt, im Hinblick auf die möglichst rasche Verbreitung der eigenen Presse im Ausland, günstig gegenüber, und es sind Bestrebungen im Gange, den Zeitungstransport zwischen London und Paris durch die Luft schon in nächster Zeit zu ver wirklichen. Line neu Motorspritze. Bei einem Fabrikbrand, der in der Greifswalder Straße in Berlin ausbrach und sich über die Arbeitsräume einer Tischlerei aus breitete, wurde zum ersten Male eine neue, von Daimler konstruierte Motorspritze benutzt. Ihre Feuerlöschprobe hat sie anzend bestanden, «sie leistet mehr als das Doppelte dec bereits seit länge rer Zeit bei der Feuerwehr gebrauchten Motor- spritze und kann acht Schlauchleitungen zu gleicher Zeit mit vollem Wasserdrücke speisen. Havemanns Straüivarius wiedergefunden Die vor 2^4 Jahren aus dem Hause des Geigen künstlers Professor Havemann in Berlin gestohlene Stradivarius-Geige, die fälschlicherweise „Kron prinzengeige" genannt wurde, konnte bei einem Händler in der Dartenslraße in Berlin beschlag nahmt und dem Besitzer zurückgegeben werden. Die Auffindung der längst verloren geglaubten kostbaren Geige ist unter merkwürdigen Verhält- nisten geglückt: ein Ehezwist des Händlerpaarcs führte zu gegenseitiger Anzeige. Dadurch ist die Polizei auf die Spur der versteckten Deute gekom men. In einem Verschlag unter altem Gerümpel wurde das Instrument schließlich entdeckt. Eine Berliner Straßenbahnfahrt 400 ^4l? Die weitere Verschlechterung der deutschen Valuta und die damit verbundenen Lohn- und Gehaltserhöhungen machen es der Berliner Straßenbahn unmöglich, den seit dem 1. April durchgehaltenen 300-Mark-Tarif noch länger aufrechtzuerhalten. Allein die Lohn erhöhungen lassen die täglichen Ausgaben der Straßenbahn von 91 auf 166 Millionen Mark an wachsen. Der Tarif soll auf 400 erhöht werden. Der Antwerpener Hafen durch Erdrutschungen bedroht. Belgische Blätter berichten, daß der Hafen von Antwerpen durch einen großen Erdrutsch be droht sei. Ein großer Hafendamm stürzte in der Breite von 120 Metern ein, und trotz aller Gegen maßnahmen wird das Unheil bei jeder Flut größer. Im Laufe des gestrigen Tages gab ein anderer Ha fendamm um zwei Meter nach, und in den Abend stunden machte die Rutschung in jeder Minute um sechs Zentimeter Fortschritte. Dieser Einsturz wird eine der drei wichtigsten Seeschleusen unbrauchbar machen. Als Ursache glaubt man annehmen zu dür fen, daß die hölzernen Grundpfähle dieses im Jahre 1878 erbauten Dammes durchgefault sind. Um Un- glücksfälle zu verhindern, sind von der Behörde um fassende Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Singe, wem Gesang gegeben. Carusos Kehlkopf, der nach Mitteilung der Zeitschrift für ärztliche Fort- bildung im Museum in Neapel aufbewahrt wird, ist in seiner Art eigenartig. Seine Stimmbänder waren doppelt lo lang wie die normalen, sein Kehl deckel war an der Basis dick, am freien Ende sehr fein und zart, woraus sein ausgedehntes Klang register beruht. Seine Lungen waren die eines Ucbermenschcn, er konnte Klaviersaiten durch bloßes Blasen in Schwingungen versetzen, sein Knochen system besaß eine starke Resonanz, so daß er also feinem Körperbau nach besonders zum Hervorbringen von Klängen geeignet war. Haifische vor der Bretagne. Wie den Pariser Blättern aus der Bretagne gemeldet wird, sind an der dortigen Küste zahlreiche Scharen von Haifischen aufgetaucht, die unter der Fischerbevölkrrung Schrecken verbreiten und großen Schaden anrichten. Der Schaluppe „Dille Close" ist es gelungen, einen der Haifische zu erlegen. Er war sechs Meter lang, wog über 3000 Kilo. Es ist eine Eingabe an das Unterstaatssekretariat für die Handelsmarine gemacht worden, damit dieses alle Maßnahmen ergreift, um die Fischerei an der bretagneschen Küste zu schützen. Es gab eine Zeit, in der die öffentliche Unter stützung von Armen und Bedürftigen eine wertvolle Hilfe in den von menschenfreundlichen Mitbürgern gemachten mehr oder weniger großen Stiftungen fand. Seitdem, die in Goldmark begründeten Stif tungen sich gleich allen anderen Kapitalien in von Tag zu Tag wertloser werdende Papiermark ver wandelt haben, ist der Wert der Stiftungen fortgesetzt geringer geworden. Heutzutage ist tue Rolle, die die Stiftungen im Unterstützungs- und Fürsorgewescn spielen, überhaupt nicht mehr der Rede wert. Die Zinsen selbst der bedeutendsten Stiftungen von einst vermögen den Bedachten keine nennenswerte Er leichterung in ihrer Lebensführung mehr zu bieten. So bedauerlich diese Tatsache an sich ist, so darf doch nicht übersehen werden, daß durch die neue nach revolutionäre Fürsorgegesetzgebung der Wirkungskreis der Stiftungen wesentlich eingeschränkt, ja die Stif- tungen zum großen Teile überflüssig gemacht worden sind. Diejenigen Personen, die einst in erster Linie der Unterstützungen durch die Stiftungen teilhaftig wurden, nämlich die Erwerbsunfähigen, die In validen und die alten Leute, beziehen heute samt und sonders Erwerbslosen- oder Fürsorgeunterstützung. Diese Unterstützung, so geringfügig sie an sich auch sein mag, ist doch wiederum fo groß, daß mit ihr verglichen die Zinsen der allermeisten Stiftungen lächerlich klein erscheinen. Im allgemeinen brauchen daher heutzutage die von der Öffentlichkeit Unter stützten die Zinsen aus den wohltätigen Stiftungen nicht mehr. Die Bedürftigen von heute sind die Kleinrentner, die es einst von sich gewiesen hätten, wmn man es ihnen zugemutet hätte, sich aus den Zinsen wohltätiger Stiftungen unterstützen zu lassen, und die Veteranen der Kriege von 18.0,71 und des 1866er Feldzuges. Diese Veteranen und deren Witwen sind heutzutage die Hauptnutznießer der Leipziger Stiftungen. Es gibt in Leipzig noch etwa 600 Veteranen aus den genannten Kriegen, sowie über 700 Witwen ehemaliger Kriegsvcteranen. Diesen wird alljährlich am 10. Mai, dem Jahrestage des den Krieg von 1870 71 beendenden Frankfurter Friedens, eine Iahresrente überwiesen, die in diesem Jahre 7000 -4t betragen hat. Siebentausend Mark sind gewiß eine geringe Summe, die aber von den Veteranen und deren Angehörigen gerne entgegen genommen wurde. Wenn, gemessen am Wert der Dinge, schon siebentausend Mark heute nur einen ge ringen Wert besitzen, so läßt sich wohl mit Recht be haupten, daß der wirkliche Nutzen der heutzutage aus den wohlgemeinten Stiftungen von einst er- fließenden, meist viel geringeren Zinsen, kaum der Rede wert ist. Die Begründer der Leipziger Stiftungen, deren ! es einst sehr viele gegeben hat, haben es sich sichern i nicht träumen lassen, daß die Zeitumstände ll)" i > Stiftungen dereinst jeden Wert rauben würd . Wenn uns heute eine ganze Anzahl von Stiftungen um ihrer geringen Zinsen oder um der uns merk würdig anmutcnden Bestimmungen willen nahezu lächerlcch erscheinen, so müssen wir uns doch daran erinnern, daß e'nstmals die heute verschwindend ge ringe Stiftung oedeulsam war und daß vermöge der überholten Bestimmungen des Stifters manches Leid gelindert, manchem Bedürftigen eine Freude bereitet wurde. Gewiß wirkt es heute fast komisch, wenn man hört, daß Zinsen in Höhe von 300 bis 400 -4c unter 10 bis 20 Personen verteilt werden sollten, daß Stipendien für Studierende 100 -4t und weniger betragen, daß zur Ermöglichung von Kuren rn heil kräftigen Badeorten, die heute, da ein Moorbad allein 10 600 -4t kostet, nicht unter 200 000 -4k möglich sind, 80 bis 100 -4t bcreitgestellt wurden. Aber einst ge nügten eben die genannten Summen, um den Zweck, für den sie bestimmt waren, zu erfüllen. Da es heuic sinnlos wäre, solche kleine Summen zur Aus zahlung zu bringen, hat das Stiftungsamt auf Mittel und Wege sinnen müssen, wie die Zinsen aus den Stiftungen den heutigen Verhältnissen ent sprechend verwandt werden können. Im allgemeinen werden jetzt, zumal bei kleineren Stiftungen, die Zinsen regelmäßig zum Kapital ge schlagen, in Erwartung eines Landesaesetzes, das die Zusammenlegung der Stiftungssum- men, entgegen den ursprünglichen Absichten dec Stifter, die die heutige Geldentwertung nicht ahnen konnten, regelt. In Payern ist eine zeitgemäße Rege- lung in Anlehnung an den Willen des Stifters bereits durchgeführt. In Sachsen ist man noch nicht so weit. Immerhin aber hat das sächsische Justiz ministerium bereits eine Vorlage eingebracht, die die Aenderung der Behandlung von Stiftungen zum Gegenstände hat. Der sächsische Gemeindctag hat dieser Vorlage bereits zugcstimint, ohne daß sie bis her bereits Gesetz geworden wäre. Es steht indes zu hoffen, daß in Bälde aus kleineren Stiftungen eine große Sammelstiftung gebildet wird, die es er möglicht, an wenige besonders Bedürftige Summen, die überhaupt nennenswert sind, zur Auszahlung zu bringen. Eine zentrale Bewirtschaftung der Stif tungen hat ja bereits Platz gegriffen. Die Zentralisierung im Verein mit der Nichtaus zahlung der Zinsen kleinerer Stiftungen hat es mit sich gebracht, daß die Verwaltung und der Beamten stab wesentlich eingeschränkt werden konnten. Trotz der stark verkleinerten Verwaltungsunkosten indes würden doch die Zinsen aller der Stadt zur Ver fügung stehenden Stiftungen bei einer vierprozcn- tigen Verzinsung kaum zur Deckung der Vermal- tungskosten ausreichen. Es würde also für die jenigen, die mit Hilfe der Stiftungen unterstützt «erden sollen, überhaupt nichts übrig bleiben. Da dieser Zustand natürlich unsinnig wäre und die Auf lösung aller Stiftungen gebieterisch erfordern würde, hat sich die Stadt schon seit längerem freiwillig bereit erklärt, sämtliche Verwaltungskostcn selbst zu tragen, so daß die Zinsen aus den Stiftungen un geschmälert ihrer Bestimmung zugute kommen. Wenn mir oben von landläufiger Verzinsung der Stiftungen sprachen, so soll damit nicht gesagt werden, daß das Stiftungsamt sich in allen Fällen begnügen würde, die Stiftungen so airzulegcn, daß sie, wie es boi mündelsicheren Papieren üblich ist, nur 4 bis 5 Prozent Zinsen ergeben. Das Stiftungs amt bemüht sich vielmehr um eine möglichst hohe Verzinsung. Zu der in Berlin eingeschlagenen Praxis der Anlegung von Stiftungen in Industrie papieren hat sich allerdings das Leipziger Stiftungs amt nicht entschließen können. Es ließ sich vielmehr von der Ansicht leiten, daß mit den Stiftungen, die für ewige Zeit festgelegt worden sind, nicht experimen tiert werden dürfe, wie es die Anlage in Industrie ¬ ll^ es W1 wie Flut über ble Dämme Deutscher Liede lohende Mst, Boll an der Ruhr, Stamm aller S iimme. Das uns ein einiges Deutschland schallt! Maria Weinanö-lkssen. helst einig dem Vs» an dek Nuhr und MM > in feinem Imin»! - iMimmigen Aushamn vor Nol, Hunger und Elend durch Kaden zum Deutschen Volksopfer! Spenden nehmen die bekannten Stellen an! Unser Verlag gibt Spenden an die Samm lung der Handelskammer in Leipzig weiter. Oie Begebenheit einer pfingstnacht Von 0»»lp Kslsntsr Soll ich Ihnen wirklich die kleine Geschichte er zählen, die eigentlich gar keine Geschichte ist? Sie fällt mir nur gerade ein, weil dieser Abend um Pfingsten mit Mond, Birke und Birnenblüte so ganz jenem anderen längst vergangenen gleicht, an dem wir müde von des Tages zauberhaften Bildern und Düften den kleinen Dampfer verließen, der uns heim gebracht hatte. Sie werden erstaunt sein, diese Ge schichte, in deren Anfang ich Ihnen viel von einem kleinen Mädchen und den idyllischen Reizen eines Pfingsttages zu erzählen habe, zuletzt bei ganz an- deren Dingen landen zu sehen, als Sie vermutet, und werden mich einen schlechten Erzähler heißen, der Sie nicht „von langer Hand" auf den Schluß vorbereitete. Ienun, vielleicht sind es gerade die Abschweifungen, die mich verlocken und die verwegener zwar und phantastischer als die bloße Erzählung, aber nicht minder sicher denn diese -um Ziele führen. Erinnern Sie sich, liebe Freundinnen, wie Sie mit dreizehn Jahren bisweilen auf einen Mann doch schon Eindruck machten? Sie waren sich dessen kaum bewußt, aber es gefiel Ihnen, daß er Eie wie eine Dame ansprach und hübsche Artigkeiten sagte, die freilich, wo sie in eine erste kühne Zärtlichkeit hätten münden müssen, die kindlich betuliche Form eines PralinS» annahmen. Line solche dreizehnjährige kleine Dame war Ruth, und ick ein solcher onkelhafter Kavalier, al» st» un» um Pfingsten besuchte. Wir waren irgendwie verwandt, und meine Mutter, die sie unvermutet in mein Zimmer führte — sie hatte ihren Arm um Ruth» Nacken gelegt, so daß ihre ver- ehrung»würdig schöne Hand auf Ruth« Schulter ruhte —, meine Mutter bedeutete mir, sie als meine Base zu begrüßen. Wir wurden bald aut» Freund«: tollten den Tag über mit Jolly, dem Windspiel, im Parke, lagen in der Mittagsonne auf den Altan, neckten uns, spielten Tenni» und schienen uns nach dem Tee, jede» auf seinem Zimmer, zu verwandeln. Ruth erschien zum Nachtmahl meist in einem Kleid von karmoistnroter Seid«, da» reich mit Goldbrokat besetzt war. In sorgfältiger Flüchtigkeit fielen auf die entblößten Schultern die schönen schwarzen Locken herab. Um den Mund trug st« jene» Lächeln, da» sie vielleicht an meiner Mutter oder an anderen Frauen jene»
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