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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305199
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230519
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230519
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-19
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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tefm Gebot deutscher Seele entspricht! I Volk«vund hieß, ea-gültta «1 ewen die Studenten draußen, weil di« seiner reiche» Erfahrung willen mir Oie paulskirche Gedenkfeier im Frankfurter Römer Sayern in Nöten Wir lesen in den Münchener Neuesten Nach richten vom 17. Mai: Durch den Tod des deutschnationalen Ab- geordneten von Braun ist das von den beiden Rechtsparteien, den Deutschnationalen und der Deutschen Dolkspartei im Jahre ISA) auf Grund einer einheitlichen Kandidatenliste erlangte Man dat frei geworden. Als -weiter Kandidat der ge meinsamen Liste war -damals der hochverdiente Senior der Deutschen Dolkspartei Geheimrat Kahl in Berlin, ein geborener Ilnterfranke, auf. gestellt gewesen. Kahl wurde dann 1920 im Wahl- kreis Berlin wiedergcwählt, den er schon in der Nationalversammlung in Weimar vertreten hatte. Wie wir Höreti, haben nun die Führer der Deut schen Dolkspartei Bayerns, insbesondere der 2. Landesoorsitzende Geheimrat Sachs, an Kahl die dringende Ditte gerichtet, daß er im Hinblick auf die schwierige Lage, in der sich ebenso wie alle andern bürgerlichen Parteien, einschließlich der Deutschnationalen, auch die Deutsche Dolkspartei Bayerns heute gegenüber- den rechtsradikalen Gruppen befindet, sein Berliner Reichstags- Mandat niederlegen und für den Rest der Wahl- Periode das Mandat für Oberbayern-Schwaben (München) annehmen möge. Kann dieser Bitte nicht stattgegeben werden, dann würde als dritter . Kandidat aus jener gemeinsamen Liste von 1920 ein Mann in den Reichstag eintreten, der in zwischen von den Deutschnationalen zur Dentsch- vöftischen Treib-'itkpartei '^-"-aetreten ist. Es graut also die Münchener vor „einem Manne, der inzwischen zur Deutschvölkischen Freiheitspartei übergetreten ist". Dabei sind doch die Deutschvölkischen — wie v. Graefe vor vulgarisch-sü-slawische Grenzkümpfe Sofia, 18. Mai. (L i g. Tel.) Der stampf der regulären Truppen Stambulinskt, gegen die maze donischen Banden hat nunmehr voll eingesetzt. Po» den Orten an der jugoslawischen Grenze werden tag- lich blutige Kämpfe gemeldet. Die Zahl der gefangen genommenen Bandenmitglieder übersteigt mehrere Hundert. Einige bekannte Bandenführer find gefallen. Der bulgarischen Presse wurde verboten, sich über diese Kämpfe, insbesondere was die militärischen Operationen an der Grenze betrifft, zu verbreiten. Ein neuer politischer Mord in Polen Warschau, 18. Mai. (Gig. Tel.) Der Präsident der Bodenkreditanstalt Olschinski wurde gestern nach mittag vor seiner Wohnung durch den Großgrund besitzer Niwiaki durch drei Reoolverschüffe getötet. Der Attentäter ließ sich nach der Tat ohne Widerstand festnehmen und erklärte, einen Korruptionisten aus der Welt geschafft zu haben. Einige Blätter ver- muten demgegenüber einen politischen Hintergrund. In -er Sicherheit -er Salonwagens Wie«, 18. Mai. (Eig. Tel.) Auf der Rückreise aus der Tschechoslowakei ist Marschall Foch gestern abend -49 Uhr auf dem Wiener Westbahnbof einge troffen. Wahrend seine» dreistündigen Aufenthalte» hat er den Zug nicht verlassen und nur eine Bespre chung mit dem Wiener französischen Gesandten ge habt. Fach setzt seine Reise durch di« Schweiz nach Paris fort. mit der Roll« -es uw . „ l immer gern gehörte« Ratgeber» und Warner». Al« solcher, so wird be hauptet, hab« er zuletzt noch auf Poincars in ver- traulichen Zwiesprachen mäßigend zu wirke» gesucht. Ein ganze» Stück französischer Politik au» der Früh- zeit der dritten Republik sinkt mit ihm ia» Grab. Die englisch, Regierung hat gestern im Ober bau» einen Gesetzentwurf eingebracht, daß Per sonen, die Adel»prSdtkate, Orden oder Ehrenzeichen vermitteln, mit Gesägnyi» bi» zu zwtt Jahre» be^ straft werden soll««- - < Streikunruhen im Ruhrgebiet Dortmund, 18. Mai. Zm Anschluß an eine Der- sammlung streikender Bergleute der Zechen Kaiser- stuhl I und II bildete sich ein stärkerer Demonstra- tionszug, an dessen Spitze sich mehrere kommu- nistiswe Hundertschaften, mit Knüppeln und Hacken bewaffnet, setzten. Der Zug bewegte sich zur Zeche Minister Stein, um die dort Arbeitenden zur Ar beitseinstellung »u bewegen. Die Zeche war von Polizeibeamten des dortigen Bezirk» besetzt. Dis Beamten wurden mit Stöcken und Steinwürfen von den Demonstranten angegriffen, auch sielen mehrere Schüsse aus der Menge. Ohne Hinzukommen einer Verstärkung wären die Beamten überwältigt wor den. Im Auaenblick des Eintreffens der Derstär- kung, die ebenfalls mit einem Steinhagel empfangen wurde, waren die Tore zur Zeche gewaltsam geöff net worden. Die Polizeibeamten machten jetzt von der Waffe Gebrauch. Hierbei wurde ein Zivilist lebensgefährlich verletzt. Die Polizei war gc- zwungen, gegen die Demonstranten vorzugehen und den Platz zu säubern. Don den Polizeibeamten wur den durch Steinwürfe und Messerstiche 6 schwer und 8 leichter verletzt. Wie aus Düsseldorf gemeldet wird, hat sich der Streik auf der Zeche Kaiserstuhl auch «uff di« Scharnhorstzeche ausgedehnt. Es bandelt sich dabei um Lohnstreitigkeiten, die von den Kommunisten ausgenützt werden. ; Lin sozialistisches Rgrar-Projekt Berlin, 17. Mai. (Drahtbericht unse rer Berliner Echriftleitung.) Die Sozialdemokraten haben im Reichstage «inen Antrag eingebracht, der einen ihrer wichtig sten Programmpunkte seiner Verwirklichung *nt- gegenführen soll. Es handelt sich um die Reform der Bodenverteilung, deren uckberzügliche . Durchführung von der Regierung verlangt wird. Die Richtlinien der Bodenreform sind u. a. fol gende: Die Prlvateigentümer von mehr al» 7S0 Hektar landwirtschaftlichen oder 100 Hektar forst wirtschaftlichen Bodens find verpflichtet, den über schießenden Teil geaen Entschädigung an da» Reich- abzutreten. Bei der Verwertung de« landwirt schaftlichen Boden» sollen vorzugsweise die Bedürf nisse der Siedelungen berücksichtigt werden. Zur Versorgung der landbedürftigen Bevölkerung mit Pacht land soll «in Kleinpachtlandgesetz für da» ganze Reich erlassen werden. Da» sozialdemokratische Zentralorgan, der Vor wär t «, der den in allen Einzelheiten aosgearbri- teten Wortlaut abdruckt, setzt sich in seinem Kom mentar dazu mit den Angriffen aureinander, denen da» Projekt ausgesetzt sein wirb. Radikalen For derungen auf volle Verstaatlichung de« gesamten Grundbesitze» gegenüber verteidigt er sich damit, daß der Kampf de» Sozialismus nicht dem Eigentum an sich gelte, sondern nur dem kapitalistischen Au»- beuterelgentum. So soll keineswegs mit der Re form eine wahllose Enteignung oder eine Beschrän- kung der landwirtschaftlichen Großbetrieb« vorge nommen verden. Damit wendet sich da» Blatt gleichzeitig gegen di« von den bürgerlichen Parteien zu erwartenden Bedenken, daß eine Reform, wie fi« vorgeschlagen wird, die landwirtschaftlich« Produk tion Deutschland« beeinträchtigen würd«. E» Han- del« sich im wesentlichen um di« Enteignung jener zahlreichen Latifundienbesitz«, deren große Güter sowieso schon an Pächter verteilt seien. Da» Wesentliche der Reform soll gerade die Stärkung -er landwirtschaftlichen Produktion sein. in eins zusammenschmelzen: d«n Willen zu Deutsch- lands Eiligkeit und Größe. (Lebhafter Beifall.) Zlationalratspräsident Seih bekundete für die Vertreter Deutschösterreichr, daß e» diesen gerade jetzt, wo wütender Haß gegen die Westseite de» Reiche» anbrand«, Herzensbedürfni» gewesen sei, zur Paulskirche hierher zu kommen, und sagte der Versammlung — in der Form scherzend, in der sachlichen Meinung mit allem Nachdruck —,' daß die als gutmütig geltenden Deutschösterreicher jedenfalls in einem fest und unerschütterlich seien, in dem Entschluß, zu gegebener Stunde da» deutsche Mitteleuropa zu seiner inneren Notwendigkeit, aber auch zum Heile der Welt, zur Einheit werden zu lassen, eine Versicherung, die die Versommlung mit" stürmischem Beifall lohnte. Zum Schluß warb Geheimrat Professor Or. Riester der Träger eines der besten Namen der Paulskirche, in der ihm eigenen oratorischen Art um ein wahr- Haftes Verständnis von jenen deutschen Polksver- tretungen, die, wenn auch der Pfade der Realpolitik nur mangelhaft kundig, mit dem herrlichen Idealis- mus ihrer Gesinnung turmhoch über der Fraktions- und Interesscndetriebsamkeit so manchen gegen- wärtigen Parlaments gestanden haben. In der paulskirche In der Paulskirche, die genau nach dem Muster vom 18. Rlai 1848 ausgeschmückt war, ging heute nachmittag der Hauptakt der Gedächtnis feier vor sich. Orgelspiel und Ehorgesang schlang sich als Rahmen um knappe Begrüßungsworte des Oberbürgermeisters Vogt, eine Ansprache des Reichs präsidenten und eine Rede des Heidelberger Natio nalökonomen Prof. Alfred Weber. Reichs präsident Ebert umriß die Leistungen des Parlaments der Paulskirche und zeigte, wo diese» I in der damaligen Situation notgedrungen Haltmachen mußte. Einheit, Freiheit, Vaterland — die Verbin dung dieser drei Begriffe — war der Leitstern für ! das Wirken der Männer jener Volksvertretung. I Heute sind Einheit, Freiheit, Vaterland Kern und ! Stern des Kampfes, den Deutschland um seine j Existenz am Rhein, an der Ruhr und an der Saar dem Staatsgerichtshof zugab — die Alliierten zu führen gezwungen ist. In zuversichtlichem Glau- ben an die fortwirkende Kraft dieses dreifachen Ideal» begrüßt« der Reichspräsident die Erschienenen. Alfred Weber betonte, daß sich die Arbeit der Paulskirche auf der für jene Zeit selbstverständlichen ' Basis des Begriffes Europa vollzogen habe. Heute sei Europa ein schmerzliches Problem geworden, und da» deutsche Volk in seiner besonderen Lage habe di« Ausgabe, es -u lösen, das Nationale und da« all- ' gemein Menschliche in seinem jungen Staat« ahl schließende und werbende Gestalt gewinnen zu lasse». Der Feier in der Kirche schloß sich elp Akt auf dem Römerberg, diesem Kleinod der Frankfurter Altstadt, eindruckskräftig an. Auf dem prächtig ge schmückten Platz vor dem Römer haften die Frank- furter Sportvereine und Jugendorganisationen und dazu die augenblicklich zu einer Tagung hier ver sammelten Verbände des Republikanischen Reichs bundes Aufstellung genommen. Dom Balkon des Römer herunter hielt der Reichstagspräsident Loebe eine markige Ansprache, die die Festgemeinde im Geiste die verschiedenen Etappen der deutschen Einheitsbewegung durchmessen ließ und die von der Republik erneuerten alten Reichsfarben sinnbildlich auslegte: aus dem Schwarz der Unfreiheit und der Zerklüftung durch das Rot blutigen Kampfes ins goldene Licht der Freiheit und der gesamten deut schen Gemeinschaft. * Ein Pertretertag der demokratischen I Jugend, der dritte seiner Art, findet am Pfingst sonntag in Frankfurt a. M. statt. Am Pflügst- montag wird eine Wanderung oder Fahrt durch das ! Lahntal nach Braunsfeld unternommen, wo vom I 22. bis 2S. Mai die politische Arbeitswoche de« I Reichsbundes stattfindet. Zn dieser Arbeitswoche, i an der höchsten» 60 Personen teilnehmen sollen, wird I außer allgemeinen Problemen auch die Reparation»- I frage behandelt werden. Senile Fugend Wir lesen in der Deutschen Allgemeinem I Zeitung folgende Meldung: „Die Kammer der Frankfurter Studentenschaft ! hat beschlossen, an der Feier in der Paulskirche I nicht trilzunehmen. Ebenso ist von ihr auch ein« I Beteiligung am Fackelzug abgelehnt worden. I Maßgebend für diesen Beschluß war, daß die' I Frankfurter Studentenschaft zu ihrem Bedauern I in der Art und Weise, wie hier in Frankfurt der I 18. Mai gefeiert werden soll, eine von demokra- I tischer Seite ausgehende parteipolitische einseitige I und mit unserer deutschen Geschichte nicht in Ein- I klang zu bringende Veranstaltung erblickt." Billig wäre es, darauf hinzuweisen, daß die I Feier zur Erinnerung an die Paulskirche auch I ohne die Frankfurter Studentenschaft vor sich ! gehen wird; denn niemand hat Anspruch darauf, I vermißt zu werden, der sich nicht tätig bemüht. ! Aber Vie hier fernbleiben, werden eines Tages in ! führenden und richtenden Stellen ihren Platz in I Deutschland einnehmen. Da ist es denn immer- I hin eine Warnung für das deutsche Volk, wenn ! es jetzt beobachten kann, wie diese Leute ihre I Ausbildungszeit, in der sie sich für den Dienst am I Volke vorbereiten sollten, als Gelegenheit zur I »plsockick >»ol»tiov gegenüber der Volksgelnein. I schäft betrachten. Nur in solcher Isolierung I können Ansichten gedeihen wie bi«, daß die Feier, zu der Vertreter des deutschen Volkes vom rechten I Flügel der Volkspartei bis zum linken der So- I zialdemokratie zusammenkommen, ^parteipolitisch I einseitig" sei. Wie denken sich denn die Frank- I furter Studenten die entsprechende Vielseitig. I leit? Vielleicht völkisch? Dann sollten sie prüfen, s ob nicht die Einkehr, die heute die Vertreter de» I deutschen Volkes in de«. Pause halten, wo einst j deutsche Sehnsucht die besten Völkischen einte, ! Zreqcinet Im Alter von Sö Jahren ist, wie berichtet wurde, der französische Staatsmann Charles de Feey- einet gestorben. Zur Zeit de» Siebziger Krieg» al» bevorzugter Mitarbeiter Gambetta», mit dem rr im Luftballon au» Paris nach Tour, flüchtete, hervor- ragend an der Organisation der französischen Kriegs- füyrung nach Sedan beteiligt, wurde er 1876 in den Senat gewählt, dem er seitdem ununterbrochen an gehörte. Einem umfassenden Wissen — er war ein angesehener Ingenieur und Mathematiker — in Ver bindung mit einem besonder» geschmeidigen Wesen verdankte er ein« glänzende politische Laufbahn. Vom Ende der siebziger bi» Anfang der neunzig«! Jahre de« vorigen Jahrhundert» war er oftmals Minister, wiederholt auch Ministervräsident, und kam einmal sogar al« Anwärter auf di« Präsidentschaft d«r Re- publik in Betracht. Doch wie so viele seiner Kölle- aen wurd« auch er schließlich von den Kotspritzern de» Panamaskandal» getroffen und für eine Weil, mundtot gemacht. Rach einem kurzen Wieder- auftreten al« einer der zahlreichen Kriegmninlster, die ün Laute -er. Affäre. Drevfus kamen und gingen, begnügte sich „ckffe «eine weiße Mau»*, wie er im Berlin, 17. Mai. Die Deutsche Hochschule fürPolitik tritt in da« jetzt besinnende Sommer- semester mit einer Neuerung, die die erfolgreich« Tätigkeit der bisherigen zwei Jahre kennzeichnet. Der von Anfang an bestehende Plan, in den Mittel punkt der politisch-wissenschaftlichen Lehrtätigkeit und ihrer Methode ein festes Kollegium von Wissen schaftlern und Praktikern zu stellen, ist nunmHr ge- lungen. Diese» Kollegium, da» zurzess «ine Prüfungs ordnung abschließt, vereinigt jetzt: Geheimrat Prof. Dr. Fr. Meinecke, Prof. Dr. E. Brinkmann, Prof. Dr. Bonn, Privatdozent Dr. W. Haas, General a. D. Max Graf Montgela»,Dr. Rudolf Htlferding, Dr. Theodor Heuß und Mini sterialrat Dr. Gertrud Bäumer. — Die An- Meldungen -um Sommersemester der Deutschen Loch schule für Politik halten sich auf der bisherigen Höh«. Frankfurt a. M^ 18. Mai. (Eig. Te l.) 3m erinnerungsreichen Kaisersaal im Römer vollzog sich heute gegen Mittag der erste offizielle Akt im Frank- furter Paulskirchen-Iubiläum. Durch Hunderte von Persönlichkeiten, die eine unmittelbare Uederliefe- rung mit den Geschehnissen de« „tollen Jahres* ver- knüpft, waren — Bayern bildete hier die bezeichnende einzige Ausnahme — sämtliche deutsche Regierungen vertreten. Das Reich repräsentierte Reichspräsident Ebert mit den Ministern Oeser und Dr. Brauns, sowie zwei Ministerialdirektoren; vom preußischen Kabinett waren Ministerpräsident Braun und die Etaatsminister Severing, Dr. Wen- dorff und Hirtsiefer zur Stelle; die süddeut schen Länder waren durch die Staatspräsidenten Dr. Hieb er (Württemberg), Ullrich (Hessen) und Remele (Baden) vertreten, von Sachsen war Mini sterpräsident- Dr. Ieigner gekommen. Der Reichs- tag war durch seinen Präsidenten Loebe und die Vizepräsidenten Dr. Nieser und Dr. Bell, sowie Abgesandte sämtlicher Fraktionen, mit Ausnahme der Kommunisten und der Deutschnationalen, repräsen tiert; ein genau entsprechendes Aufgebot de« preußi schen Landtages hatte dessen Präsidenten Leinert zum Führer. Auch alle anderen deutschen Parka- mente beteiligten sich durch Vertreter an der Feier. Der vorläufige Reichswirtschaftsrat hatte seinen Vor sitzenden Leipart entsandt. Zwei Streichquartettsätze von Paul Hindemith leiteten den Akt ein. Dann entbot Oberbürgermeister Voigi der Festversammlung den Gruß der Stadt Frankfurt. In einem in seinen Schlußfolgerungen der Gegen wart zugewandten Rückblick legte er dar, daß zwar das hochgemute Beginnen der Männer der Pauls kirche den Widerstand der historisch gewachsenen Mächte nicht zu bezwingen vermochte, daß aber in das Fundament der deutschen Reichseinbeit, wie sie 1871 errichtet wurde, so mancher Stern eingefügt wurde, den die denkwürdige deutsche Nationalver sammlung behauen hatte. Wenn im Werk Bismarck« das ideelle Vermächtnis jenes Frankfurter Parla ments kaum Berücksichtigung fand, so hat die Wei marer Verfassung des Jahres 1919 diese Lücke aus gefüllt, aber noch ist das Sehnen von 1848 nicht volle Wirklichkeit geworden. Immer tiefer und wahr haftiger muß das deutsche Volk in die Demokratie hineinwachsen, wenn auf Richard Dehmels bewährte Frage „Mein Volk, wann wirst du sein?* die rechte Antwort erfolgen soll. — Bei dem Willkommen, da» der Oberbürgermeister folgen ließ, wurden vor allem die den Vertretern Deutschösterreichs gewidmeten Worte von der Versammlung mit Begeisterung aus genommen. Ernst stimmten die Sätze, mit denen der Redner der leidgeprüften Volksgenossen an Rhein und Ruhr gedachte. Durch länge Jahre früherer Wirksamkeit mit Frankfurt innig verbunden, schöpfte der Sprecher der Relchsregkrrung Reichsinnenminister Oeser aus dem Born der Stadtgeschichte zum Zwecke de» Nachweises, daß die Entwicklung der deutschen Staatlichkeit sich von jeher von Frankfurt au» voll zogen habe. Beim besonderen Gedenken an die Paulskirche dürfe man sich nicht mit bloßem Namens wissen begnügen, sondern müsse in den Geist der großen deutschen Nationalversammlung einzudringcn versuchen. Zu dem politischen Gegenwartskampf fand Oeser das gute Wort, daß Republik und Tra dition keine Gegensätze seien. Abkehr von der Ehrfurcht im Geschichtlichen sei Kurzsichtigkeit. Der Redner nennt die Geschichte einen Kraftquell, aus dem das deutsche Volk für die Riesenaufgaben der näheren und ferneren Zukunft Stärkung trinken solle. Schließlich brachte Oeser auch folgendes Schreiben des Reichskanzlers Zur Verlesung: Zu meinem großen Bedauern erlauben dringende politische Geschäfte nicht, heute in Frank furt zu sein. Desto mehr drängt es mich, meiner inneren Teilnahme an der Feier der Paulskirche durch ein Wort der Erinnerung und der Mahnung Ausdruck zu geben. Als die Freiheit des deutschen Volkes zu wesenlosem Schein geworden, seine Eigenart überfremdet, seine Einheit in einem Vielerlei einander widerstreitender Länder fast verschüttet war, hatte die Schaffung der staatlichen Einigung bei geistigen Führern und in breiten Schichten der Bevölkerung ihre beste Heimat. Zwar konnten weder die Freiheitskriege noch die Volks bewegung de» Jahre» 1848 zum Ziele führen, aber sie wirkten weiter, und darum ziemt dem deutschen Volke nicht allein Ehrfurcht, sondern auch Dank barkeit gegenüber den Männern der Paulskirche, die reiney Herzen» um die Einheit de« deutschen Volkes rangen und deren Sehnen und Sinnen zu Bismarck« Werk wirksam und in ihm Wirklichkeit wurden. Heute, wo äußere Macht und Fürstenwürd« dahingeschwunden sind, gibt es für die Ein- heitDeutschland» nur einen Bürgen: Has deutsche Volk. Die Verträge von Ver sailles und Saint Germain lasten schwer auf ihm. Mögen alle Deutschen darum ein» werden in treuer Hingabe an das deutsche Vaterland, an das Deutsche Reich, da» mit Ehre, Kraft und Hoheit zu erfüllen unser aller Pflicht ist. Mögen sie ein» werden im Willen, alle» daranzusetzen, daß da» deutsche Volk, da» der Freiheit und der Ehre würdig ist, wie irgendeine» der Erde, in allen Stämmen, an allen Strömen, di« Gott ihm ge geben, sein Recht Wiedergewinne, seine Einheit und Freiheit! Mögen sie ein» werden, zumal im Ge fühl tiefster verpflichtender Gemeinschaft mit unse ren Brüdern an Rhein und Ruht, die auf ehr würdigem Boden für die ursprünglichsten Mensch- lichkeitsgedayken von Freiheit und Recht Uner hörte» leiden! Die Feier in der Paulskirche nnd im Frankfurt» Römer aber, da» von jeher di« Stadt drr deutschen Einigung war, möge in diesem Sinne die Erinnerung an eine große Geschichte lebendes machen und alle ihre Lehren, alle freud volle» und leidvollen Erfahrungen -er Paulskirch- etnem ttes Oder bb Kreise, au» denen ste stammen, jetzt an Bedeu tung verloren haben? Dann sollten fie, pnstatt als Jünglinge Ressentiment« zu pflegen, sich ein- mol überlegen, inwieweit denn die Männer der Paulskirche, die die opferfreudigsten und reinsten ihrer Zeit waren, einer Entwicklung die Bahn hätten freimachen mögen, die in Klassengegensätze fichrt. Der gesellschaftlich und politisch saturierte Bourgeois-Sohn — das war freilich nicht das Ziel der Paulskirche! Und so will es uns denn immerhin scheinen, als ob die Studenten ganz recht tun, wenn sie sich entschließen, der Pauls- kirche fernzubleiben. — Hitlers! Mit ihrer Bitte an Professor Kahl, den Reichstag vor einem derartigen Vertreter zu be- hüten, streichen die Bayern also ihre eigene jüngste Vergangenheit durch. Dortzulande be zeichnet man die Ereignisse gern mit dem Worte „Gaudi*. Dknn eine Gaudi aus ist, zerstreut sich das Volk.. kümmern sich auch jetzt die Bayern nicht mehr um Hitler, der ihnen noch bis zum 1. Mat einfach alles war., Solche Geinüts- volitik entbehrt nicht des Rührenden, Rühren ist auch die Hilflosigkeit, in der die Feinde alle» Preußischen sich den Retter aus der Not vor Berlin immer wieder aus Berlin verschreiben. Bayerische Justiz München, 18. Mai. (Eig. Tel.) Vor dem Schöffengericht in München hatte sich ein Dr. Ganßer wegen Beleidigung de» Retchsprasi- denken zu verantworten. In einem Gespräch vor dem Hauptbahnhof hatte er von ihm al» Landesverräter gesprochen. Die Person des Angeklagten und die besonderen Umstände des Ver fahrens an sich sind ohne allgemeine Bedeutung. Interessant jedoch ist, daß der Angeklagte versucht, einen Wahrheitsbeweis zu führen und daß da» Gericht dem Antrag der Verteidigung auf Vernehmung von Ebert, Scheidemann, Barth und Dittmann al» Zeugen stattgegeben hat. Ein solcher Gerichtsbeschluß ist nur in München möglich! vom rtaatsgerichtrhof Der Shrhardt-Prozeß Wie wir von maßgtebender Stelle erfahren, sind ämtliche Nachrichten, die von einem bereit» festge- etzten Termin des Ehrkardt-Prozeffes berichten, alsch. Die Anllaae ist beim Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik noch nicht eingegangen. Dor der Terminanberaumung muß Ehrhardt vorerst die Anklageschrift zur Erklärung innerhalb einer de- stimmten Zeit zugestellt werden. * Rene Verhandlungstermine Am 7. Juni findet die Verhandlung gegen den Gemüsehändler Härterer und den Maurer Johann van Suntum, beide au» Oberhausen, weaen hockver- räterischer Agitation zwecks Dildungver ryet- ntsch n R publik, statt. Am 8. Juni wird sich der Verlag »buch- Händler Theodor Fritsch au« Gautzsch wegen eines im „Hammer* erschienenen Artikels und seiner Schrift „Anti-Rathenau* zu ver- antworten haben. An demselben Tage kommt auch die Beschwerde der Berliner „Rotn Fahne*, die vom 8. bis 14. April 1923 verboten war, vor den Staats- gerichtshof.
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