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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305185
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230518
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230518
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-18
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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z?L ?-K!V?W.".M°7S^ UDlUlKLD^Ib^^^ITAU ffTUK ^L8SW^L«-WWL!!^K: Druckerei-Leipzig, IohanmSgasse 8 (Scrnsprecher t70d0-I.092>: -v MW mm-ArileM.300.«.au»w.M54«,Rckl 72nuobr.mw-ZetleM.75O.«.auSw. evenda und in allen Silialen Anzeigen- und «bonnemrnl- M.l2i)0.«u«land»an,.m.valu,aauischl. Bet Wiederb.Nachiab. Platz- Annahme; auch nimmt jede» Postamt Bestellungen an. u.Dat«nvorsch.unverdtndl.ErML.-OrtLetp,«g. Postscheck! LetpzLÄ». Da- Leiviiaer Daaeblat« e«td«»t amMche ««raantmachmea«» Sa» «at-S dar Ltabt Saisria. Sa» *»U»ett»r«ibi»«»s Leie»»ia, d«S ««ttaariM» «ei«»«, sowie v-rkchiadanar »«derer »ebdrde« Xr. 116 Linrslnummsr 280 K8srk kreltLg, ü«» 18. «Li 1922 ^srn-^usssds 117.)Ldry. Vie paulskirche im Lichte der Gegenwart - <8 u m 18. M a i 18 4 8. Von vr. «lokann«» Kiektvr (Leipzig) Die Geschichte des Bürgertums in Deutsch, land reiht große Hoffnungen und schwere (Lnttüusuchgnen aneinander. Bis zum An fang des siebzehnten Jahrhunderts hatte es ein selbstbewußtes Bürgertum als Träger der städtischen Kultur gegeben. Das Nationalunglück des 30jährigen Krieges brach ihm das Rückgrat. Aber ain Ende des 18. Jahr- Hunderts erhob es sich zu großer geistiger Reg samkeit. Seit dem Orkan von 1789 waren die Vorbedingungen auch für seine politische Durch säuerung gegeben. Seit Jena und AuerstÜdt existiert ein Bürgertum im Sinne des politischen Eigendenkens. Die erste Hälfte des 19. Jahr- Hunderts gehört seinen Ideen und Träumen und gehört damit trotz aller Demütigungen und Ver- folgungen ihm selbst in einein tieferen Sinne als eine Zeit vorher oder nachher. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und der Anfang des 20. sieht das Bürgertum im Besitz der wirt schaftlichen Macht, zugleich aber vollzieht sich die Abkehr von seiner politischen Tradition. Zur po- Mischen Herrschaft hat sich das Bürgertum nie emporgeschwungen, das ist sein Schicksal gewesen. Als sich am 18. Mai 1848 die Blüte der Na tion zur Nationalversammlung scharte, da erlebte das Bürgertum seinen größten Tag. Es streckte die Hand aus nach dem Herrschaftsstabe der Volkssouveränität. Weltwende schien für das Bürgertum gekommen. Noch nie hatte Deutsch, land eine solche Elite gesehen, niemals zuvor wie nachher eine Versammlung von Männern mit solchem Flug des Geistes/von solchem Adel der Gesinnung, von solcher Güte der Begeisterung, von solcher Treue der Hingabe ans große ganze Vaterland. Worüber die Männer der Pauls kirche auch immer ratschlagten, sie wurden ge tragen von einem unzerstörbaren Glau ben an die Macht der Idee und an den Weltberuf ihres Volkstums. Cie sahen die Katastrophe Heraufziehen, denn sie waren ein Parlament ohne reale Staatsgewalt. Aber ehe sie in einem faulen Kompromiß die große tragende Idee der nationalen Einheit ver- rieten, ließen sie sich lieber vom Schicksal! zer malmen. Das war und ist ihre Größe, und darum haben sie mit den leitenden Gedanken, die sie in den Grundrechten der Nation und den Grund- zügen einer unitarischen Reichsoerfassung nieder legten, die deutsche Geschichte über machtpolitische Glanzzeit und erschütternden Zusammenbruch hinaus bis auf unsere Tage begleitet. Darum sind ihre Ideen in das Fundament des Reichs von 1919 hineingebaut worden. Vom gegenwärtigen Entwicklungspunkte aus erscheint die Reichsorganisation von 1867 und 1871 mehr als Episode, 1848 dagegen hat stärker epochale Bedeutung gewonnen. Damit freilich sinkt auch unser machtpolitischer Zusammenbruch 1914/18 auf die Stufe der Episode herab. Die Synthese von Demokratie und po litischer Geltung in der Welt zu voll- ziehen, ist die Aufgabe des gegenwärtigen und des komnienden Geschlechts in Deutschland. Die Riesenaufgabe kann unmöglich gelöst werden, wenn nicht gewisse große Linien, aus die uns die Entwicklung geführt hat, unbeirrt innegchalten werden. Unaufgebbar und grundlegend in die sem Sinne ist für uns die demokratische Republik. Zwar stand die Mehrheit der Paulskirche wie des deutschen Volkes von 1848 zur konstitutionellen Monarchie, aber schon mußte selbst von Monarchisten der Frankfurter Ratio- nulvcrsammlung die republikanische Lösung ins Auge gefaßt werden: „Im gegenwärtigen Augenblick ist vieles möglich, sie können siegen in Deutschland init ihren Bajonetten, aber bei Gott, die deutsche Na- tion wird sich dessen erinnern, und das nächste- mal wird sie reinen Tisch machen." Das Bild, das die Monarchisten von 1848 in ihrem Herzen trugen, wies vollkommen andere Züge auf als die Wirklichkeit im Bismarckischen Reich. Die Achtundvierziger werteten im Kaisertum went- ger das monarchische Prinzip als das Symbol der deutschen Einheit. Die Salbung mit dem vollen Tropfen demokratischen Oeles war ihnen unerläßliche Voraussetzung. Sie gaben ihre Stimme für ein monarchisches Reichsoberhaupt, weil der geschichtliche Beweis, daß eine Demokra- tisierung des deutschen Fürstentums unmöglich ist, noch ausstand. Heute, nachdem dieser Beweis vollgültig erbracht worden ist, ist. in Deutschland nur Raum für eine Republik. So betrachten wir es als dringende Aufgabe des gegenwärtigen Deutschlands, eine neue Tradition des republikanischen Staatsbewußt- seins zu schaffen, eine Tradition des freien Bürgerstolzes und des männlichen Berank- wortungsbewußtseins. Ein inneres Schwächemoment der Bewegung von 1848 lag in der Spaltung des Bürgertum». Vor -em neuen Angebot Zwar verfügte das Bürgertum in seiner Ober schicht über eine großartige Geistesaristokratie, die gedanklich wie moralisch zur Führung ge schaffen war. Aber die Berührung mit dem wirtschaftlich unfertigen und daher ringenden Kleinbürgertum war gar zu lose. Daß das Bürgertum nach einem glänzenden Anlauf die ersten Positionen des Gegners nahm, dann aber rasch politisch ermattete, liegt an dem mangelnden Kontakt mit den unteren Schichten und darüber hinaus an der Zwiespältigkeit seiner Ekele. Mit dem Willen zur politischen Macht mischte sich das Gefühl der Beklemmung angesichts der Ansprüche der nachdrüngenden Massen. In der Folgezeit verfiel das Bürgertum immer deutlicher der Der- suchung jedes aufstrebenden Standes, dem Klasscnegoismus zu frönen. Die Klasse ist im- mer Organisation der Selbstsucht und führt zur Bildung von Nationen im Staate. Darum fordert das neue Deutschland: Die Klasse muß fallen und einem neuen Be wußtsein der Volksgemeinschaft weichen. Mit der Schaffung einer Tradition des republikanischen Staatsbewußtseins und mik. der Einstellung auf staatsbürgerlich verpflichtende Volksgemeinschaft gehen wir heute über die Paulskirche hinaus und bleiben ihr doch im Geiste verbunden. Wie ein „altes gutes deutsches Gewissen" redet der Geist der Väter zu uns, möge es treu auch über dem neuen Deutschland wachen! Frankfurter Gedenkfeier Frankfurt a. M., 17. Mai. (Eig. T e l.) Zur Gedenkfeier an die Eröffnung der ersten deutschen Nationalversammlung werden folgende politische Persönlichkeiten aus Berlin erwartet: Reichspräsident Ebert mit Ministerialdirektor Meisner, der preußische Ministerpräsident Braun mit Minister Sevcring, Reichstagsprafident Loebe und der Präsident des Preußischen Landtages Leinert, die Rcicbsminist.'r Oeser, Dr. B r a u n » und vor aussichtlich Dr. G e ß l er, der Vorsitzende des Reichs- wirtschaftvrates Leip art, etn Vertreter de» Aus wärtigen Amtes und mehrer« andere Ministerial- vertreter. Der Reichstag wird außer seinem Präsi denten und den beiden Vizepräsidenten Dr. Rießer und Dr. Bell durch 16 Abgeordnete von der sozial demokratischen und der demokratischen, des Zentrums und der Volksparteifraktion vertreten sein. Zehn Abgeordnete derselben Fraktionen aus dem Preu ßischen Landtage beteiligen sich mit ihrem Präsidenten gleichfalls an der Feier. Auch die meisten Minister präsidenten der Länder werden hier eintreffen. Der an der Teilnahme verhinderte Reichskanzler wird ein Handschreiben überreichen lasten. Das Programm der morgigen Feier ist folgendes: Ilm 11 Uhr versammeln sich die Gäste im „Alten Römer", wo auf eine Ansprache des Frank furter Oberbürgermeisters der Reichsminister des Innnern Oeser, der Vizepräsident des Reichstages Dr. Bell und Dr. Ri eß er antworten werden. Jur historischen Stunde der Eröffnung der Frank furter Nationalversammlung begeben sich die Fest- teilnehmcr in feierlichem Zuge in die gegenüber liegende Paulskirche, wo auf eine Ansprache des Oberbürgermeisters der Reichspräsident Ebert sprechen wird. Dann schließt sich nach einem Musikvortrag die Festrede an. Um 4 Uhr findet auf dem „Römer" ein Festakt statt, bei dem Präsident Loebe die Rede halten wird. Der Reichspräsident und die Vertreter der Regierung fahren noch am Abend nach Berlin zurück. Ankunft der ersten Gäste Frankfurt a. M., 17. Mai. (Eig. Tel.) Als Vertreter Deutschöstcrreichs beim Frankfurter Pauls- kirchenjubiläum sind heute früh in einem in den Münchener Schnellzug eingestellten österreichischen Salonwagen mit Regierungsrat Bodo voy, Wiener Ministerium des Auswärtigen als Reisemarschall, neun bekannte Parlamentarier — darunter Staats- kanzler a. D. Dr. Karl Renner, die National ratspräsidenten Seitz und Dr. Franz Ding- Hofer, der ehemalige Berliner Gesandte Dr. Ludo M. Hartmann, Karl Leuth ner und Leopold Kuschak — im hiesigen Hauptbahnhof eingetroffen. Um 10 Uhr vormittags wurden die Gäste im Kur fürstenzimmer des Römer von den Spitzen der städ tischen Körperschaften offiziell begrüßt. Oberbürger meister Voigt legte dar, daß es für die Männer der Paulskirche ein Hauptproblem gewesen sei, für die unlösbare geistig-seelische Gemeinschaft Deutsch lands und Oesterreichs eine Dauer verheißende staat- liche Form zu finden, und würdigte die Bedeutung der Tatsache, daß die innere Verbundenheit der jetzr mit Gewalt voneinander Ferngehaltenen allen mach.', politischen Veränderungen Trotz geboten habe. Als Sprecher der Gäste antwortete Präsident Seitz; er betonte, daß das Bewußtsein der großen deutschen Kultureinheit wie im Reiche, so auch in Oesterreich wach und wirksam sei. Nach einer Meldung der Frankfurter Zeitung aus Rom hat die Leitung der Piwulari-Part« mit Einmütigkeit wiederum Don Stürzo auf den Posten des Parteisekretärs berufen. Diese Ent scheidung bedeutet nach den Vorgängen auf dem Turiner Parteitag einen Sieg de» antifaschistischen Flügel« der Part«. Keine gemeinsame Note Berlin, 17. Mai. (Eig. Te l.) Die Beratungen über die deutsche Antwortnote gehen sowohl in Form von Kabinettsbesprechungeg als auch in Be sprechungen mit Vertretern wirtschaftlicher und poli- tischer Körperschaften weiter. Da die Noten der ein zelnen Ententemächte nach Inhalt und Form stark von einander abweichen, wird eine gemeinsame Note nicht möglich sein. Es soll den verschie- denen Regierungen gesondert geantwortet werden. Dabei wird es eine Frage der Zweckmäßigkeit blei ben, den Inhalt der Texte dieser einzelnen Antwor ten miteinander in Ilebereinstimmung zu stellen. Für den sachlichen Teil des erweiterten Angebots steht nach den gestrigen Reichstagserklärungcn die Zu stimmung der Volksgesamtheit fest. Für die übri gen Fragen nicht ausgesprochen geschäftlichen Cha rakters, die in jeder Note einen breiten Raum ein- genommen hatten, wird man sich wohlweislich weit gehende Beschränkung auferleqen. * Wie aus London gemeldet wird, hatte der deutsche Botschafter Dr. Sthamer am Mittwochnachmittag auf dem Foreign Office mit dem Unterstaatsfckrctär Sir Eyre Crowe eine längere Unterredung über den Stand der Reparationsfrage. pariser Wühlereien Pari», 17. Mai. (Gig. Tel.) Die Nachricht, daß Deutschland demnächst neue Vorschläge unterbreiten will, wird hier ohne Hoffnung auf endgültigen Er- folg ausgenommen. Man hat nach den hier vor liegenden Berliner Meldungen den Eindruck, daß die Reichsregierung bei der Unterbreitung der neuen Röte nur bemüht sein wird, den englischen Wünschen entgegenzukommen, und daß die Forderungen Frank reichs auch diesmal keine ausreichende Berück sichtigung finden werden. Mit verdoppeltem Nach druck wird deshalb betont, daß Frankreich nur eine Lösung aus der Grundlage der staffel- weisen Räumung des Ruhrgebietes annehmcn könne. Diese Auffassung ist auch von führenden Ver tretern der Millerandschen Opposition gegen Poincarö nachdrücklich formuliert worden. Der Abg. Persil, der als Vertrauensmann Millerands in der Kammer bekannt ist, erklärte einem Mitarbeiter des Petit Bleu, die Verbündeten und Deutschland müßten sich klar darüber sein, daß Frankreich das Ruhrgebiet erst räumen werde, wenn die Zahlungen Deutschlands wirklich erfolgt sind. Der Besitz dieses Pfandes sei für Frankreich die einzige ernste Garantie für den Empfang deutscher Zahlungen. Deutschland habe cs in der Hand, die Räumung des Ruhrgebietes und auch des Rheinlandes zu beschleunigen, wenn es seine Reparationsverpilichtungen erfülle, die Garantie für die Sicherheit Frankreichs bieten. Die Deutschen hätten selbst 1871 das Beispiel gegeben, als sie die besetzten Gebiete Frankreichs nur nach effektiven Zahlungen räumten, und die Franzosen ahmten heute einfach dieses deutsche Beispiel nach. Loucheur gegen die Annexion Paris, 17. Mai. (Eig. Tel.) Auf Einladung des Republikanischen Komitees von Vincennes hielt Louchcur gestern abend einen Vortrag über die wirtschaftliche Lage Frankreichs. Er erklärte zunächst, daß im Versailler Vertrag keine Gesamtsumme für die Reparationsleistungen aufgeführt werden konnte, da diese nach der Zahlungsfähigkeit Deutschlands zu bestimmen war. Wenn Deutschland seine Der- pflichtungen erfüllen solle, dann müsse man ihm die Weltmärkte eröffnen. Deutschland habe sich durch seine Inflationspolitik fast vollkommen ruiniert, um der Welt zu beweisen, daß es nicht bezahlen könne. Seit einem Jahre exportiere es fast überhaupt nichts mehr. Trotzdem wolle Frankreich bezahlt werden. Dann fuhr Loucheur fort: „Als Frankreich in das Ruhrgebiet eindrang, war ich nicht Anhänger dieser Politik. Ich glaubte zwar auch, daß wir Zwangsmaßnahmen ergreifen mußten, aber ich wollte, daß diese in Ilebereinstimmung mit unseren Verbün deten geschehen. Nun sind wir einmal im Ruhr gebiet. Deutschland hoffte, die Welt gegen das fran zösische Vorgehen aufbringen zu können und erwartete eine Spaltung in den politischen Parteien Frank reichs. Es ist notwendig, daß Deutschland sich für be- siegt erklärt. Wir sind entschlossen, in unserer Aktion bis zum Ende durchzuhalten. Kein Franzose, der dieses Namens würdig ist, kann die Räumung des Nuhrgebietes annehmen, bevor nicht unsere Rechte garantiert sind. Deutschland kann allerdings zu nächst nichts bar bezahlen, sondern nur in Waren. Um diese liefern zu können, muß es produzieren. Was geschieht aber in der Zwischenzeit? Irgend je mand muß eingreifen, um Deutschland zu helfen. Und das ist die internationale Anleihe. Amerika muß schleunigst das ausleihen, was es zu viel hat." Loucheur meinte weiter, die Summe, die Frank reich verlange, sei vernünftig. Man dürfe das Ruhrgebiet nicht annektieren. Die Be setzung sei kein Zweck, sondern ein Mittel und eine Garantie, die Frankreich erst aufaeben könne nach Maßgabe der Erfüllung der Verpflichtungen Deutsch- land«. Die internationale Anleihe könne Deutschland Zeit geben zu produzieren, zu exportieren und zu er füllen. Zum Schluß wandte sich Loucheur der Sicher- heitefrage zu. Die Maßnahmen auf dem linken Rheinufer seien notwendig. Man dürfe aber nicht -en gleichen Fehler wie Bismarck begehen, der Elsaß und Lothringen annektierte. Ein besonderes Statut der Rh ein lande sei notwendig, das dieses der Herrschaft Preußens entziehe. Außer dem müsse eine Kontrolle der Eisenbahnen des linken Rhcinufers durch einen internationalen Organismus geschaffen werden. Die „Information" der Westminster Gazette London, 17. Mai. (Eig. Te l.) Die Westminster Gazette glaubt auf Grund der Mitteilungen ihres Berliner Berichterstatters in der Lage ^u sein, über die Beschlüsse des deutschen Kabinetts über den In halt der Antwortnote an London folgende Angaben machen zu können: Deutschland soll bereit sein, wenn ihm ein längerer Zeitraum für die Abzahlung ge währt wird, eine höhere Endsumme als 30 Milliarden Mark zu bieten. Es sei ferner bereit, die Zoll- und Eisenbahneinnahmen als Sicher heit zu verpfänden sowie eine Steuer auf die Ge winne grcßindnstrieller Unternehmungen einzuführen. Das Angebot dieser verbesserten Bedingungen sei aber abhängig davon, daß Frankreich sich in feierlicher Form bereit erklärt, das Ruhrgebiet zu räumen. Diese ohne Quellenangabe wiedergegebene In formation des Blattes gilt dem durchsichtigen Zweck, von vornherein ein neues deutsches Angebot zugleich in England und in Frankreich zu diskredi- tieren. In Frankreich sollte der Eindruck erweckt werden, daß Deutschland nur bereit sei, das An gebot zu verbessern, wenn es seine Erfüllung in eine unabsehbare Zukunft hinausschieben könne, während tatsächlich Frankreichs finanzielle Lage in erster Linie Leistungen in kurzer Zukunft erfordert. In eng lischen Rcgierungskreiscu soll mit dieser Veröffent lichung der Eindruck hervorgerufen werden, daß Deutschland entschlossen sei, die Ratschläge Lord Curzons nicht anzunehmen, die umstrittenen Fragen, wie die der Räumung des Ruhrgebietes, nicht von neuem anzuschneiden. Die Westminster Gazette will zweifellos dem englischen Kabinett die Ueberzeugung bclbringen, daß es ganz zwecklos sei, einem un bekehrbaren Deutschland irgendwelche Anregungen zu geben. Es dürfte sich verlohnen, wenn von einer an der Verständigung interessierten Seite eine gründliche Recherche nach der Berliner Informationsquelle des Blattes unter nommen würde. Line Kundgebung des Deutschen Beamtenbunües Die Leitung des Deutschen Beamten bundes hat folgende Entschließung angenommen: „Der Deutsche Beamtenbund begrüßt den Schritt der Reichsregierung, durch ein weitgehendes Angebot an die Entente Verhandlungen einzu leiten und im Wege der Verständigung unserem Daterlande, Europa und der Welt den Frieden zurückzugeben. Er stellt mit Genugtuung fest, daß in dem deutschen Vorschläge verlangt wird, die Be freiung der deutschen Beamten und die Wiederein setzung in ihre Wohnstätten und Dienststellen mit zum Ausgangspunkt der Verhandlungen zu nehmen, eine Forderung, hinter der die gesamte deutsche Be amtenschaft steht und an, der sie unbedingt festhalten wird. Der Deutsche Beamtenbund gibt seiner Ent rüstung Ausdruck über Inhalt und Form der ver neinenden Antwort der französischen Regierung und wird im Hinblick darauf sein Aeußerstcs tun, um die Beamtenschaft in ihrem Widerstande gegen die An wendung der französischen Macht und Gewalt auch fernerhin zu stärken und zu stützen. Nach dem An gebot der Reichsregierung und dem haßerfüllten Antwortschreiben der Franzosen, nach den un erhörten Drangsalierungen, Verfolgungen und Ver urteilungen pflichttreuer deutscher Beamten müssen die schmählichen Urteile im Krupp-Verfahren sowie neuerdings gegen deutsche Gewerkschafts führer um so aufreizender wirken. Der Deutfche Beamtenbund spricht seinen tiefen Abscheu aus gegen die französische Justiz, die wie ein Hohn auf Recht und Gerechtigkeit und wie ein Peitschenschlag ins Gesicht der deutschen Nation empfunden wird. Die Gewaltakte der Franzosen sind nur geeignet, uns in unserem Widerstande zu bestärken, für dessen weitere Durchführung wir mit allen Mitteln wirken und auf dem wir beharren werden, bis an Stelle von Gewalt, Willkür und Unverstand wieder Recht, Gesittung und Vernunft eingekehrt sein werden. Amerika wird ungeduldig Pari», 17. Mai. (Eig. Tel.) Dem New Park Herald wird aus Washington gemeldet: Die Re gierung der Vereinigten Staaten scheint die Ge duld verloren zu haben, weil die Verhandlungen in Paris wegen Rückzahlung der Besatzung s- kosten der amerikanischen Armee sich in die Länge ziehen. Das Staatsdepartement erklärte, man habe alles Entgegenkommen bewiesen, um zu einem befriedigenden Abkommen zu gelangen. Wenngleich die amerikanischen Forderungen von allen Alliier ten anerkannt würden, schienen diese doch nicht ge neigt zu sein, die amerikanischen Vorschläge anzu- nehmen. Man hofft noch immer, daß es dem Dele gierten der Vereinigten Staaten Wadsworth ge lingen wird, die Verhandlungen in befriedigender Weise zu beenden. Sollte dies ab« nicht möglich sein, so würden sich die Vereinigten Staaten vor bereiten, di« Angelegenheit mit Deutschland direkt r« erörtern.
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