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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305170
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230517
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230517
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-17
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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Fatße 4 LstpGtg« »»«> N»oü«i«»«ltuag v<»u>«MtLg, 6oa 17. MH insofern, als ein« Genehmigung der Aufsichtsbehörde nur noch in einigen wenigen besonders bedeutsamen Füllen möglicher Intercssenkolliston zwischen Staat und Gemeinde vorgesehen ist, wahrend sonst die staatliche Aufsicht im Nahmen eines befristeten Ein- Ipruchsversahrens geübt wird. Unter der Voraus- letzung schneller und weitherziger Handhabung kann für die Praxis diese Aenderung einen Fortschritt bedeuten. Leider wird aber im gleichen Augenblick eine höchst bedenkliche Aenderung in der bisherigen Struktur der Aufsichtsstellen vorgeschlagen. Gegen die Entscheidungen der Spruchbehörde erster Instanz (Kreisausschuß) steht den Gemeinden der Anruf eines Landesausschusses für Gemeindeangelegenheiten frei. Dieser Landesausschuß sollte bisher den Charakter einer beim Ministerium des Innern bestehenden Spruchkammer haben. Leine Zusammensetzung war so gedacht, daß neben eurem vom Ministerium de» Innern zu er nennenden Vorsitzenden acht Beisitzer aus den An gehörigen der kommunalen Dertretungskörper ge wählt werden sollten, und zwar drei durch den Landtag, die übrigen mit je einem Beisitzer durch die Kre,eau »schlisse. Diese Spruchbehörde, Eie jetzt die Bezeichnung „Gemeindckammer" erhält, soll nach den neueren Vorschlägen aus einem vom Ministerium des Innern zu ernennenden Vor sitzenden und zehn Beisitzern bestehen, die samt und sonders vom Landtag aus dem Kreise der Gemeinderäte und Gemeindeverordneten ge wählt werden. Dieses Wahlverfahren bedeutet eine völlige Politisierung der Gemeindekammern, die in ihrer Be denklichkeit nichts verliert, auch wenn man, was der Entwurf zunächst nicht tut, für die Wahl die Grund sätze des Verhältnissystems einführt. Ein Parlament wird naturgemäß Wahlen, die es vorzunehmen hat, immer nach politischen Gesichtspunkten orientieren. Genau so, wie cs verwerflich sein würde, im ordent lichen Gerichtsverfahren eine Berufungsinstanz aus Wahlen einer politischen Körperschaft hervorgehen zu lassen, genau so ist es abzulehncn, eine zweite Instanz im Perwaltungsstreitvcrfahren ausschließ lich von einem Parlament wählen zu lasten. Da» bisher vorgesehene Verfahren hielt sich zwar auch nicht frei von Konzessionen an den staatlichen und parteipolitischen Parlamentarismus, vermied aber doch wenigstens die völlige Auslieferung dieser Spruchkammern an die jeweils im Landesparlament herrschenden Strömungen. Die Tätigkeit der Gemeindekammern hat mit Politik nicht das geringste zu tun, in ihr haben lediglich kommunale Verantwortlichkeit und Er fahrung Anspruch auf Geltung. Wenn irgend ein Gebiet des öffentlichen Lebens ungeeignet ist für parteipolitische Experimente, so ist es der Aufbau einer Gemeindeverfassung. Hier muß der Praktiker dem Gesetzgeber und nicht der Polmker dem Prak tik« den Weg weisen. Vas Geheimnis der Fernkanone Das deutsche Fern-Geschütz, das vom 23. Mär- 1918 ab Paris beschoß, ist plötzlich in Frankreich noch einmal zum Gegenstand großer Erörterungen gemacht worden. Der bekannte französische Ratio- nalift Löon Daudet fühlte sich jüngst zu der Be hauptung veranlaßt, die Kanone habe überhaupt nicht existiert, und die französische Hauptstadt sei damals nur mit Luftbomben belegt worden. (Die Zahl der in Paris Getroffenen wird auf 226 Tore und 621 Verwundete angegeben.) In die Auseinandersetzung hat auch das franzö- fische Kriegsministerium cingegriffcn, das an die Existenz großer Fernkanonen und der „dicken Berta" glaubt- die Zeitschrift .Illustration" hat sogar Zeich nungen de« Geschützes veröffentlicht, mit der Be hauptung, es sei in den Skoda-Werken in Pilsen her gestellt worden. 1020 hat jedoch Gemeindcratt Ernest Goy aus Paris durch den französischen Instrukteur der tschechoslowakischen Artillerie in Prag feststellen lasten, daß diese Annahme nicht stichhaltig ist. Mit- hin wird auch weiterhin die große Fernkanone ein Geheimnis bleiben. Bei dieser Gelegenheit wird übrigens auch er wähnt, daß die Skoda-Werke zweimal während des Krieges in die Luft geflogen sind, am 6. Februar 1916 und am 15. Juni 1918. Bei der letzten Kata- strophe gab es 310 Tote und 750 Verwundete. 14 Uhr Polizeistunde in Sachsen? Der Gesamtvorstand de» Sächsischen Dastwirtsver- bandes trat in Leipzig zu einer Beratung zusammen, um wichtige, des Gastwirtsgcwerbe betreffende Be schlüsse zu fasten. Die Befürchtung, daß durch die Re- gierung die Polizeistunde verkürzt werden sollte, veranlaßte die Derbandsleirung, mit der Säch sischen Arbeitsgemeinschaft, besonders mit dem Saal inhaberverband Schritte hiergegen zu unternehmen. Es wurde vom Geschäftsführer des Gastwirtsverban- de» ausgeführt, daß trotz aller Bemühungen die Mög lichkeit bestehe, daß in nächster Zeit die Verkürzung der Polizeistunde in Sachsen bis auf 12 Uhr nachts eingeführt werden würde. Für geschlossene Ge sellschaften würde die Grenze auf 1 Uhr naufts festgesetzt werden. Weiter berichtete der Geschäftsführer Wagner, welche Rlaßnahmen durch den Verband gegen etwaige Ucbergriffe der Abstinenzbewegung unter nommen würden. Es seien zu diesem Zwecke mit dem gesamten Gärungsgewerbe in den Kreishauptmannschaften Ausschüsse gebildet worden. Dao Ergebnis kann als befriedigend bezeichnet wer den. Besonders sei es gelungen, amerikanische Bür ger zu veranlassen, daß sie den Tageszeitungen über die Haltlosigkeit der amerikanischen Trockenlegung Be richt erstatten. Sodann wurde Stellung genommen zu der Ver ordnung der sächsischen Regierung gegen Preis treiberei. Es wurden verschiedene Fälle zur Kenntnis gebracht, wo Gastwirte wegen Preistrei berei und wegen Nichtvorlegung ihrer Rechnungen und Belege zur Anzeige gekommen sind. In allen Fällen hat der Veübandsvorstand den Betreffenden seinen Schutz gewährt und, soweit er sich darüber klar war, daß ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vor schriften nicht vorlag, auch gerichtliche Entscheidung beantragt. Ein bestimmter Fall soll bis zur höchsten Instanz auf Kosten des Perbandes durchgeführt wer- den. Anschließend hieran wurde» eine Anzahl Be schwerden von Gastwirtsvereinen gegen Preisschleu- derer und Auswüchse der Kantinen und Schreber- gärten-Wirtschaften bekanntgcgeben. Es seien Fälle bekannt geworden, daß Gesang- und andere Vereine ihre Sitzungen und Uebunysstunden in Schreb"» gärten und -Wirtschaften und Kantinen abhalten. Da diese Art Lokale für derartige Veranstaltungen keine Konzession besitzen, wurde der Derbandsvorstand beauftragt, die nötigen Schritte zu unternehmen. Endlich wurde beschlossen, mit dem sächsischen Brauerbund erneut in Verbindung zu treten, einen Ausschankschutzverein über ganz Sachsen her- beizuführen. — Der diesiährige 37. Verbands- tag des Sächsischen Gauwirtsverbandes soll vom 13. bi« 16. August in Mittweida adgehalten wer- den. Zugleich soll dort eine Fachgewerbe, und hei mische Industrie-Ausstellung vvmnstaltet werden. Zwei Arbeiter beim Wolkenbruch ertrunken. Der wolkenbruchartige Gewitterregen, der über Köln niederging, hat einen schweren Unglücksfall ver ursacht. Das Wasser drang in einen großen Sammel- kanal am Deutschen Ring mit solcher Schnelligkeit ein, Laß es zwei dort beschäftigten Arbeitern den Ausweg abschnitt, so daß beide den Tod fanden. Weil sie ihn nicht leiden konnte. In Dauzen- heim (Oberrhein) erschlug ein 16jähriges Mädchen ihren Sjährigen Stiefbruder mit einer Hacke, weil sie sich mit ihm nicht vertragen wollte. Der schlaue Holzdieb. Bei einer Haussuchung bei dem des Holzfrevels verdächtigen Landwirt Simon aus Großlaudenbach (Ufr.) gab dieser an, das Holz stamme aus seiner eigenen Hecke, und siebe da, es fanden sich Stöcke vor, Äe auf das gefundene Holz genau paßten. Man stand vor einem Rätsel, bis einer der Jäger, der zufällig an ein»m der Stöcke herumstocherte, merkte, daß diese locker uno nach der Ausgrabung im Walde in der HeAe ein gepflanzt waren. Späte» Opfer. Im Seebad Bansin ist kürzlich der Tischler Willi Glaser gestorben, der 1911 mit dem ersten Unterseeboot in der Kieler Mrd« unt«. ging. Da die Rettungsvorrichtungen damals noch nicht so ausgebildet waren, gelang es erst nach langer Zeit, das Boot zu heben. Der Kommandant und der Ingenieur fanden einen qualvollen Er- stickungstod, die Geretteten hatten an den Folge- erscheinungen des Unglück» noch lange zu leiden. Auch Glaser hatte sich damals ein Herzleiden zu- gezogen, dem er jetzt erlegen ist. Di« Bersaffungstaler werden u»geprägt. In den Stahlgewölben der Reichsbank in Berlin lagern noch mehrere Millionen Stück de» so begehrten Verfassungstoler». Diese Mengen, die nach dem Handelswert eine außerordentlich hohe Summe repräsentieren, sollen, wie wir erfahren, ein geschmolzen und umgeprägt werden. Jetzt wird die Reichsbank darauf aufmerksam gemacht, daß es für sie ein viel besseres Geschäft wäre, wenn sie die Stücke direkt oder durch Vermittlung eines Konsor tiums zu Sammlerzwecken verkaufte. Das Ausland beabsichtigt als Großabnehmer aufzutrcten. Der Fonds der Reichsbank wird durch diese Devisen einnahme beträchtlich gestärkt. Ein Beschluß ist noch nicht gefaßt worden. Die Liquidation des Deutschmeisterorden». Der seit dem 12. Jahrhundert bestehende Hoch- und Deutschmeisterorden, dessen große historische Tat die Bezwingung Preußens unter dem Großmeister von Salza war, ist im Deutschen Reiche selbst seit mehr als hundert Jahren aufgehoben. Napoleon I. ver schenkte die Ordensaüter an die Rheinbundfürsten, Preußen hat die Ordensgüter konfisziert. Zn Oester reich dagegen blieb der Orden bestehen; die Hoch- Meisterwürde wurde seit 1809 von ven Habsburgern bekleidet. Der Großmeister Erzherzog Eugen siedelte ISIS nach der Schweiz über und ließ zuvor die ge samte Einrichtung de« Palais des Deutschmeister- ordens am Wiener Parkring versteigern. Die Lei tung des Ordens wanderte in die Tschechoslowakei aus. Da mit dieser Auswanderung der Orden in Deutschland und in Oesterreich aufgehört hat zu be- stehen, und beute tatsächlich nur mehr in der Tschecho slowakei existiert, will der deutsche Ritterorden seinen gesamten Besitz veräußern. Wetzen des Verkaufs des Deutschmeisterpalais in Wien, eine der großartigsten Bauten der Donaustadt, schweben Verhandlungen mit einer ausländischen Dank; die großen Waldun gen in Steiermark will eine slowenische Holzfirma kaufen; die Tiroler Besitzungen dagegen sollen die Pension für Erzherzog Eugen garantieren. Eugen bezog in Fricdenszeiten zwei Millionen Kronen, seit der Revolution vier Millionen Kronen. Er lebt augenblicklich in Basel, wo er wissenschaftlich arbeitet, in den dürftigsten Verhältnissen. Audout^lück iu Triest. Ein schweres Autounglück ereianete sich auf einer Straße nach Barcola. Der Kraftwagen fuhr beim Ausweichen vor einem Stra ßenbahnwagen gegen einen Daum. Zwei Insassen waren sofort tbt, während ein Dritter unter den Beiwagen der Straßenbahn geschleudert, von »hr 50 Meter weit mitgeschleift und völlig in Stücke zer- rissen wurde. Der unverletzte Chauffeur wurde wahnsinnig. Fräsch« io Ei». Eine der seltsamsten Schiffs- ladungen, die jemals einen kanadischen Hafen ver ließ, wurde dieser Tage von einem Dampfer, der von Vancouver nach Japan ging, an Bord ge nommen. Sie bestand aus einer großen Zahl lebender kanadischer Frösche, die noch so verpackt waren, wie sie während ihrer Ueberwinterung ge- fangen wurden, nämlich in Eis. Wenn sie in Yoko- Hama an Land gebracht sein werden, will man sie langsam auftauen und dann in japanischen Gärten aussetzen. Sie sollen in größeren Massen gezüchtet werden, um der regen Nachfrage der japanischen Feinfrefler nach Froschschenkeln in Zukunft besser zu genügen. Liebestragödie zweier Bter-ehnjLhrtgeu. Lin einzigartige« Liebesdrama hat sich in Paris ab gespielt. Aus der Seine wurden die Leichen zweier junger Leute gezogen, die im Leben nicht zusammen kommen konnten und daher die Vereinigung im Tods suchten. Sie waren beide 14 Jahre alt. Lin Brief, den man in d«n Taschen des lebensmüden Knaben fand, gab al« Grund für den Selbstmord an, daß das junge Liebespaar keine Hoffnung auf Verwirklichung seiner Sehnsucht hatte. wojak» Ledergeschüst Der Prozeß gegen Dojak, über den wir bereit» mehrfach berichteten, förderte in seinem weiteren Ver- laus ein unsaubere» Lederoeschäft zutage, bei dem die Reichstreuhandgesellsckaft beträchtlich geschädigt wurde. Die Gesellschaft sollte ein Krüppelheim mit Leder beliefern. Da» vorhandene Leder war jedoch, während dieser Verkauf abgeschlossen wurde, bereits von einer anderen Abteilung avgesetzt worden. Man wendete sich daher an Wojak, um diesem die Liefe rung an das Krüppelheim zu übertragen. Inzwischen überwies die Polizei zwölf Kisten be schlagnahmte« Leder. Daraufhin machte man ein Tauschgeschäft. Wojak übernahm die zwölf Kisten Leder unentgeltlich mit der Verpflichtung, damit da» Krüppelheim zu beliefern. Doch letztere» verzichtete plötzlich auf die Ausführung de» Auftrags, so daß die ominösen zwölf Kisten wieder an die Gesellschaft hätten zurückgegeben werden müssen. Wojak aber wußte sich zu helfen. Er ließ die Kisten auspacken und mit wertlosem Zeug au» seinen alten Lagerbeständen anfüllen. Nach einiger Zeit entdeckte ein Revisor diesen „Tausch", ohne aber An- zeige zu erstatten. Dieser Revisor Kühn sitzt jetzt mit auf der Anklagebank. Wojak gibt offen dieses unsaubere Geschäft zu, mit der Begründung, auf diese Weise die Reichstreu handgesellschaft endlich einmal für ihre vielen Be trügereien gestraft zu haben. Die Zeugenaussagen lassen erkennen, daß die An- gestellten der Gesellschaft für Bestechungen und Tauschgeschäfte nicht unempfänglich waren. Die Ver nehmung des Direktors und eines ebenfalls früher bei der Gesellschaft angestellten Oberreaierungsrates bewies, daß die Direktion wohl viele Bestimmungen und Erlasse herausgab, doch die Angestellten sich keineswegs danach richteten und obendrein den ihnen sympathischen Käufern Tips gaben, ja daß ein Groß- küufer, wenn er eine gewisse Hartnäckigkeit aufbrachte, es zu einer gewissen Monopolstellung bringen konnte. — Die Verhandlung geht weiter. Streik der Berliner Bäcker. In den Berliner Konditoreien streiken die Bäcker und Konditoren. Die Kaffeehausbetriebe, die Bäckereien mit Konditoreien, soweit sie nicht Ausschank haben, bleiben vom Streik unberührt. Der Ausstand ist wegen Lohnforderungen entstanden. Alle Versuche, zu einer Entscheidung zu kommen, sind gescheitert. Auch die Verbindlichkeits erklärung des Schiedsspruches ist abgelshnt worden. Ueberfall auf einen Schupowachtmeister. In der Nacht zum Dienstag wurde in Erfurt ein Schupo wachtmeister überfallen. Drei junge Burschen schlugen ihn, als er sich auf einem Patrouillengang befand, rittlings mit einem Totschläger nieder. Als er die Pistole zog, streckte ihn einer der Täter durch einen Reoolverschuß nieder. Polizeibeamte nahmen die Verfolgung der Banditen auf und konnten auch zwei von ihnen einholen. Als man sich nun in die Doh- nung des Haupttäters, eines 20jährigen Arbeiters, der geschossen hatte, begab, sprang der Gesuchte so gleich au» dem Fenster auf den Hof, feuerte auf den Beamten und entkam. Gestern mittag machte ihn di« Polizei von neuem ausfindig. Sofort schoß er wieder auf die Beamten, ohne sie jedoch zu verwunden, und wurde nunmehr durch einen Schuß in den Ober schenkel niedergcstrcckt. Darauf jagte er sich zwei Kugeln in den Kopf. Er war sofort tot. Ausländische Bürgermeister in Halle. 40 Bürger, meister und Kommunalpolitker aus Holland, Nor- wegen, Schweden, Finnland, der Tschechoslowakei, Oesterreich und Ungarn, treffen in den nächsten lagen in Halle ein, um die Großstadtverwaltung zu studieren und sich über die kommunalen Cinrich- tungek im mitteldeutschen Braunkohlenindustriebezirk eine Ueberstcht zu verschaffen. Sie besichtigen vor vor allem die Gemeinde Diemitz bei Halle, welche die Entwicklung von einer ländlichen zu einer indu, striellen Vorortgemeinde deutlich verfolgen läßt. Bootsuoglück auf der Weser. Siebzehn Arbeiter der Ziegelei Schütte in Heisterholz (Hannover) wollten nach Arbeitsschluß in einem Boote, das nur für zwölf Personen eingerichtet ist, über die Weser fahren. Bei der Ueberfahrt kenterte das Boot un alle Insassen stürzten ins Wasser. Dabei ertran ken drei Arbeiter. Unter dunklen Existenzen Don emll SnMsf« Zn Wien, Quellengasse 87, gab cs vor dem Kriege eine internationale Kundenpcnne. Der Musikauto mat spielte den ganzen Tag irgendeinen Wiener Gassenhauer. Man sah verzerrte, verschlagene Ge- sichrer. Die „Mathilden" und Walzbrüder blinzelten schüchtern nach einem Tisch, wo der schöne Leo laut gestikulierend einen mächtigen Kohl verzapfte. Der schöne Leo war ein berühmter Epeckjäger. Er war einst Geistlicher in Schlesien und hatte die Kirchen kasse gestohlen. Dann wurde er Landstreicher und hat mit salschen Legitimationspapieren sich durch die ganze Welt durchgefochten. Er war aber trotz alledem zum Geistlichen prädestiniert, und es -cm ihn immer wieder zurück zur Kirche. Er wurde Mitglied von allerlei religiösen Sekten. Zn der Heilsarmee brachte er es sogar bis zum Offizier. Er trat in verschie denen Städten als Methodistcnpredigcr auf. Al» Baptist gelang es ihm, sich bei Rockcfellxr, dem Petro- lcumkönig cinzuschmeicheln, bei dem er dann unter dem Namen Henry Maurer einen'Linbruchsdiebstahl verübte. Er gehörte zu jenen Vagabunden, die in den Pennen der ganzen Welt bekannt sind. Wenn man ihm etwas Schnaps bezahlte, konnte man manche« über diese Herbergen erfahren. In Mailand hatte der Magistrat ein Landstrei- cherhcim erbauen lassen, wo man für 10 Saldi ein eigenes Zimmer bekam. Das Heim hatte eine eigene Bibliothek. In Hamburg hat eine Gräfin für die Landstreicher ein Heim bauen lassen, das sie da» rote Hau» nannte. Diese Penne wimmelte von Schwind- lern. Jedem Grünen, der hineingeriet, wurden die Fleppen (Legitimationspapiere) geklaut. Es wuroe »nit schwarzen Fahrkarten gehandelt. Die Gräfin hat sich also mit ihrem Heim verrechnet. In Fiume, dem Bahnhof gegenbüer, gab es vor dem Kriege eine Emi- grantenherberge, Schwindler bereisten vor dem Krieg ungarisch», österreichcsch-polnische Dörfer, beschwatzten die armen Bauern, daß sie für billiges Gelb ihren Besitz verkauften und verschafften ihnen schwarze Fahrkarten nach Amerika. Die Adresse war immer: Emigranten.Albergo in Fiume, wo sie von neuen Schwindlern emvfangen wurden, die ihnen dann noch das bißchen Geld abnahmen, da» sie für ihr Hab und Gut erhalten hatten. Diese Herberge war vor dem Kriege die beste Landstreichcr-güchterei Europas. In Brüssel in Rue Haute gab e» die schmutzigste Penne I -er Welt. Sie hieß .Herberg« zur Heimat". Seit Jahren lebt in Italien der ginkenfritz, von den Landstreichern auch Lhistus genannt. Er ist der Sohn eines bayerischen Generals, hatte einmal Geld bei seinem Vater gestohlen und war auf die Walze gegangen. Er war im Anfang seine« Kundenberufe» sehr faul, bettelte täglich nur 5, 10 Kilometer ab, legte sich in den Straßengraben und las Kriminal romane. E» gibt von Pitaval angefanpen bi» zu den modernsten Kriminalgeschichten keine, die ginkenfritz nicht gelesen hat. Eine» Tage» kam auch ihm die Er leuchtung, daß er wegen etwas Höherem auf unserem verdammten Planeten weile. Er führte ein Adreß- buch mit sich, in da» er den Aufenthaltsort der be rühmtesten Verbrecher und Landstreicher eingezeichnet hatte. Er unterhielt eine internationale Korrespon denz, teilte seinen Kameraden die beruflichen Situa tionen in den verschiedenen Ländern mit und wo es etwas zu holen gab. Die wirklichen Kunden sind ein solidarische» Volk; wenn sie in Städte kamen, von wo au» ginkenfritz ihnen Wind gegeben hatte, schick ten sie ihm 30 v. L. der Einnahme zu. So fing sein Geschäft an. Er hörte mit dem Betteln auf und schrieb nunmehr nur noch Situationsberichte. Eine» Tage» machte er die Bekanntschaft einer Graphologin. Sie blieben beisammen und fabrizierten engro» falsche Leaitimationspapiere. Die Papiere wurden in verschiedene Länder an Vagabunden und Verbre cher gesandt, die sich dssrch gutes Honorar erkenntlich zeigten. Er hatte Verbindungen in allen Ländern, sogar au» Amerika wandte man sich an ihn. In eini gen Jahren entwickelte sich Zinkensritzen« Betrieb so stark, daß er sich sogar Agenten engagieren mußte. Sein« berühmtesten Agenten waren der „Mann mit den vielen Namen", „der hinkende Baron" und ein „Schlesier". Der „Mann mit den vielen Namen" war Zi geuner von Geburt, lebte in allen Großstädten der Welt; er nannte sich Caspar Janson, Johann Lage- rim, Christian Teutsch, Johann Pelzer und hatte noch einige andere Namen. Man konnte nie seinen wirklichen Namen erfahren, und deshalb bekam er den Spitznamen .Namenjäger". Er war der geschick teste Dokumentenhändler, hielt sich sogar einen Se- kretär, der seine internationale Korrespondenz er ledigte. Wahrend des Kriege» fabrizierte er Militär papiere und wurde 1918 in Köln verhaftet. Der .hinkende Baron" hatte sein« Spezialität i« Dokumentenhandel und gebrauchte nur falsche Frei maurerlegitimationen. Er hatte feine Kundschaft, di« sich al» Freimaurer au»gaben, und die Logen, bei denen man al» armgewordener Freimaurer bettelt, I gaben ihnen bi» in die Tausende Unterstützung. 1914 wurde er in Paris verhaftet und zu zwei Jahren I Zuchthaus verurteilt. Der „Schlesier" war der einzige Agent, der nie mals auf das Gewerbe drauf zahlte, weil er nur mit gewöhnlichen Landstreichern Geschäfte machte. Der Zinkenfriß hat mit seinem Betrieb jährlich bis 100 000 Lire verdient. Aber er war immer schäbig gekleidet, trug seine lange Hoare und seinen Thri- stusbart weiter und das Geld, das er verdiente, hat er mit seiner Frau und mit Kunden versoffen. Der Krieg hat auch den Kundenstaat vernichtet. Am An- fang de» Krieges meldete er sich dem italienischen Militärdienst als Uebersetzer, und heute ist er ».in anständiger Bürger und Stiefelputzer auf der Piazza San Silvestro in Rom. Er hat also auch da» Frei billett in die bürgerliche Gesellschaft bekommen. Zusammenschluß der soztalroiffenschaftlichen Fsr- fch«r Deutschland». Die Not der Zett hat die vor dem Kriege überaus reiche staatswiflenschaftliche Literatur, welche in argen 20 Sammlungen staats- und sozialwissenschaftttcher Abhandlungen Unterton,- men fand, zum Erliegen gebracht. Den noch erschei nenden Fachzeitschriften fehlt der Raum für größere Untersuchungen. Um eine schwere Schädigung von der sozialwissenschaftlichen Forschung abzuwenoen, haben deshalb alle auf diesem Gebiet in Deutschland tätigen Hochschullehrer und sonstige Gelehrte eine Arbeitsgemeinschaft zur Herausgabe einer gemeinsamen Sammlung, der „Sozialwissenschaftlichen For- schungen" gegründet. Die aus Wahlen hervor- gegangen», Vorsteher der verschiedenen Abteilungen sorgen für «ine scharfe Auslese der besten Arbeiten. Die Verlagsbuchhandlung Walter de Gruyter L Co., Berlin, hat auf jeden Gewinn au» den sozialwissenschaftlichen Forschungen verzichtet. Die Notaemeinschaft der deutschen Wissen- schäft leistet Zuschüsse zu den Herstellungskosten. So können die Heft«, von denen bereit« einige vor liegen, zu mäßigen Preisen ^abgegeben werden. Da« elfte Deutsch« Bachftst der Neuen Bach- aesellschnft wird vom 23. bi« 25. Juni in Leipzig stattfinden. Da» Fest ist zugleich die 200-Iahrfeier der Berufung Dach» in da» Amt de» Kantor» an der Thomasschule. E» wirb am Sonnabend (23. Juni) mit der Jahrhunderte alten Motette in der Thoma»- kirche beginnen. Ihr werden sich Mitglieder-Per- sammlung mit Vorträgen und Kantateabend an- schließe». Am Sonntag (24. Juni) findet tn der Thomaskirche Festgottesdienst mit großer Kirchen- musik statt, mittags Orchesterkonzert im Gewandhaus, abends Kammermusik. Für den dritten Festtag sind vorgesehen: Orgelkonzert in der Thornaskirche und abends die Aufführung der H-Moll-Messe. Anfragen wegen des Programms und Auskunft über das Fest, Unterkunft u. a. sind an die Geschäftsstelle der Neuen Dachgesellschaft (Leipzig, Nürnberger Straße 36) zu richten. , Was wollen Tie hören? Wir lesen in der Welt bühne: Heinrich Grünfeld batte tn einer Trauer- Halle Musik gemacht. Ein Hörer trat auf ihn zu, drückte ihm die Hand und sagte: „Bei meiner Be- erdigung müssen Sie auch sp,elen." Grünfeld er widerte: „Was wollen Sie hören?" Doppelte Moral l» der Politik. In der Reichs tagssitzung vom vergangenen Montag erheiterte der demokratische Abgeordnete Koch (Weser) das hohe Hau», indem er „jenen belgischen Konser vativen" heraufbeschwor, der einst den Liberalen zugerufen habe: „Ich verlange von Ihnen Toleranz, we,l das Ihr Prinzip ist. Ich selbst aber bin intolerant, weil das mein Prinzip ist." Da« Zitat war trefflich am Ort und hätte auf da» Tun der Deutsch-Völkisch en, auf da» e» angewandt wurde, noch erheblich besser gepaßt, wenn e» — seinem wahren Urheber zugeschrieben und damit in den richtigen historischen Zusammenhang gestellt wor den wäre. In Wirklichkeit war nämlich der Sprecher oder vielmehr Schreiber jene» Wortes keineswegs «in belo-lche'- Pvlitik-r. sondern ein ftanzössscber Jour, nalift. Der zu seiner Zeit berühmte klerikal-mon- archtstische Schriftsteller Loui« Deuillot (gest. 1883) war r«, der im Laufe der wütenden Kämpfe, di« er der neu gegründeten französischen Republik lieferte, das zynische Wort prägte: „Wir verlangen von euch auf Grund eurer Prinzipien ein« Be- weaungsfreihett, die wir euch auf Grund unserer Prinzipien verweigern." Die französischen Republi- kaner waren jedoch, wie die Geschichte lehrt, nicht so dumm, auf da» Diebsgeschäst einzugehen, sondern schauten den Gegnern scharf auf die Finger und hüteten sich wohl, sich übertölpeln zu lassen. Gleiche» Verfahren verbürgt auch uns den Erfolg, zumal da wir es mit Gegnern zu tun haben, die dar Kaliber Deuillot bei weitem nicht erreichen. So. «w« den Dhe»ter»«re»«4. (Reue LYe« 1er.) Jux crrmdalicduna eine« «nstellunqsgattspiele» von Juli« (Kelter von der Diener vostSover mutz Donnerstag, den 17. Mat. anstatt „Tie lustigen Deiner" von Windsor .Der yrettcvliv' geqeben werden. An dieser «uffahnuc, flnqi Jutta Gelter di« Aqattze.
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