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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305170
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230517
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230517
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-17
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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8«»- r kkr. II« Rußland und England Loudon, 16. Mai. (Eig. Tel.) Die mit Span- > ung erwartete Debatte im Unterhaus über die Be ziehungen zu Rußland nahm einen sehr ruhigen Ver lauf. Der Führer der Opposition Ramsey Mar- donald nannte die russische Antwort zwar in man chen Punkten unbefriedigend, doch könne sie die Grundlage für eine wertgehende Verhandlungsmog- lichkeit bilden. Der Unterstaatssekretär im Auswar. tigen Amt McNeill begründete das englische Vor gehen. Die Lage habe aber insofern eine Aenderung erfabren, alsKrassinin England angekommen sei. um über den Konflikt zu verhandeln. Die englische Regierung sei bereit, die zehntägige Frist, innerhalb der Rußland die englische Note beantworten sollte, zu verlängern, damit Krassin sich neue Instruktionen aus Moskau einholen könne. Lloyd George — mit Spannung erwartet — erklärte sich mit der Haltung der Regierung voll ständig einverstanden. Er warnte aber die Regie rung davor, sich durch die bolschewistische Agitation zum Abbru^ der Handelsbeziehungen verleiten zu lasten. — Asquith schloß sich im Namen seiner Fraktion Lloyd Georg» durcdaus an. Die Aussprache endete mit der Erklärung der Arbeiterpartei, sie verzichte auf eine Ab stimmung über ihren Mißtraucnsantrag an- gesichts der Bereitwilligkeit der Negierung, Krassin zu Verhandlunacn zu empfangen. Die gestrigen Ausführungen des Unterstaats, sckrctärs M c Neille in der Unterhausdebatte über die englisch-russischen Beziehungen werden in der Presse viel beachtet. Die Times schreibt, es sei wichtig, daß die Erklärungen Mc Neilles nicht miß verstanden werden. Er habe die bolschewistische Ant wort, von einigen unwichtigen Punkten abgesehen, als vollkommen unbefriedigend bezeichnet und nach- drücklich erklärt, daß die Regierung von den von ihr nicdcrgelegten Bedingungen nicht abgehen werde. Das einzige Zugeständnis, das er mitgeteilt habe, sei die Tatsache, daß Curzon bereit sein würde, die britischen Forderungen mit Krassin durchzugehen, wenn letzterer dies wünsche. In der Debatte hatte Mc Neille über die englisch russischen Beziehungen erklärt, der Gedanke, daß es wegen der vorhandenen Differenzen zu einem eng lisch.russischen Kriege kommen könne, sei lächerlich. England wünsche möglichst harmonische Beziehungen mit allen auswärtigen Nationen ein- schließlich Rußlands zu unterhalten. Die Regierung beabsichtige nicht, das Handelsabkommen aufzuhcben, sondern sie wünsche im Gegenteil, daß seine Be stimmungen befolgt würden. Auf dem Wege zur Verständigung London, 16. Mai. (Eig. Tel.) Krassin erklärte einem diplomatischen Berichterstatter des Daily Lhronicle, daß er nach dem günstigen Per- lauf der Untcrhausdebattc einen Bries an das Foreign offiee gerichtet habe, in dem er um eine Unterredung nachsuchte. Krassin be tonte aber, daß es vom Verlaufe der Verhand- lungen abhängig gemacht werden muß, ob der be stehende Handelsvertrag zwischen England und Rußland aufrechterhalten bleibe oder nicht. Er sei bereit, über englische Schadenersatzforderungen auf der Grundlage der vollen Gegenseitigkeit, d. h. der Berücksichtigung russischer Schadenersatzforderungen an England zu verhandeln. Die Morgenblätter begrüßen zustimmend die feste Haltung der Regierung in der russi schen Frage. Die Daily Chronicle unter streicht die Notwendigkeit einer englisch-russi schen Entente im Sinne der Vorschläge Lloyd Georges. Auch die D a i l y News betont die Not wendigkeit einer umfassenden Verständigung. Die Times erklärt, wenn die bolschewistische Re- gierung den Ehrgeiz habe, die nationale Regierung Rußlands zu werden und als solche Anerkennung zu finden, so müßten sich die Moskauer Machthaber die Grundsätze zu eigen machen, nach denen zivilisierte Staaten regiert zu werden pflegen. Die Evwjetregierunq könne erst anerkannt werden, wenn sie die Grundsätze zurückwcist, auf denen sie gegründet ist. Griechen und Türken Lausanne, 16. Mai. (Eig. Tel.) Die Grie chen Haden gestern der türkischen Delegation mit einer Art Ultimatum gedroht. Offiziell haben sich die Besprechungen zwischen Türken und Griechen allerdings in der freundlichsten Form vollzogen, wenn auch Denizelos sehr fest I s m e t P a s cha erklärt hat, daß Griechenland keinerlei Repa rationsleistungen an die Türkei zu machen verpflichtet sei, da es entsprechende Gegenforderungen erheben könne, und daß es auch solche Zahlungen gar nicht zu leisten imstande sei. Das von Griechen land in einem früheren Stadium der Konferenz vor- geschlagene Schiedsgericht einer neutralen Instanz hatten die Türken bisher abgelehnt, doch hat Ismet Pascha neue Instruktionen au» Angora erbeten, wes halb die weiteren Besprechungen bis Donnerstag ver- tagt wurden, an welchem Tage ursprünglich wegen des Beiramfestes keinerlei Sitzungen oder Bespie- chungen stattfindcn sollten. Die griechische Forderung, daß die Türken auf alle Reparationen seitens Griechenlands ohne wei- teres verzichten, scheint in der Tat eine Art ultima tiven Charakter gehabt zu haben, da sonst Ismet Pascha sich schwerlich zu einer Besprechung am Tage des Beiramfestes verstanden hätte. Vie österreichischen Vunöesbahnen Wie», 16. Mai. (Eig. Te l.) In einer Rede in der Arbeitervorstadt Floridsdorf erklärte Bundes- kanzler Dr. Seipel, der vor dem Versammlung»- lokal von Sozialdemokraten und Kommunisten mit Pfuirufen empfangen wurde, es werde das Bestreben der Regierung bleiben, die Bundesbahnen so lange nicht zu verkaufen, bis nicht jeder andere Ver such, die Bahnverwaltung zu reformieren, als ge- scheitert betrachtet werden müsse. Heber den Gesetz entwurf zur Reform der Bahnen erklärte der Kanzler: „Dir behalten zwar das Eigentum und die sogenannte Hoheitsvcrwaltung über die Bahnen, geben ihnen aber eine Verwaltung, wie sie al« gut geführter kaufmännischer oder industrieller Betrieb geleistet werden muß. Wir werden ein« Art Per- waltungsrat etnsetzen, in dem Fachleute de» Verkehrs- wesens, der Volkswirtschaft und Vertreter der An- gestellten Platz sinken. Der Staat wird in seinem Budget sestsetzen, wieviel er in der nächsten Zeit noch en Bundeszuschüssen wird leisten müssen. Er wird auch ei« gewisse, Betriebskapital mitgeben müssen, voaaorstLF, 6«z 17. LLÄ dann soll aber die neue Verwaltung selbständig wirt schaftend . * Im Budgetausschuß des Natlonalrates wurde mitgeteilt, daß noch in diesem Jahre der Bau von zwei neuen Telegraphen- und drei Fernsprech, leitungen über Passau nach Deutschland vollendet werden soll, um den direkten Verkehr mit München, Berlin und Frankfurt a. M. ohne den jährlich fünf Milliarden Kronen erforderlichen Transitverkehr über die Tschechoslowakei durchführen zu können. Streik im Hamburger Hafen Hamburg, 16. Mai. (Eig. Tel.) Die gesamt« Hafenarbeiterschaft Hamburgs, sowie die im Hafen beschäftigten Heizer und Maschinisten sind, nachdem sie durch Urabstimmung den Schiedsspruch abgelehnt hatten, heute morgen geschlossen in den Streik gc- tretey, so daß der ganze Hamburger Hafen stillgclegt i st. Der Hafen liegt wie verödet da. Kein einziges Seeschiff wird seit heute früh mehr geladen oder gelöscht. Sogar die Besatzungen der Schleppdampfer legten die Arbeit nieder. Einzig und allein die Fährdampfer fahren noch, so daß die Arbeit auf den Werften und den anderen Industrie betrieben wcitergeführt werden kann. Ein be- sonders schwerer Schaden ist natürlich, daß die Kohlendampfer, die hauptsächlich englische Kohle nach Deutschland bringen, nicht mehr gelöscht werden können. Heute nachmittag soll noch ein Versuch ge- macht werden, diese völlige Arbeitsruhe wieder zu beseitigen. Es soll eine Sitzung des Sonderschlich- tungsaueschusses unter Vorsitz eines Hamburger Regierungsvertrcters stattfinden. Deutscher Reichstag Halbe Besprechungen Berlin, 16. Mai. (Eig. Te l.) In der heutigen Sitzung des Reichstages hielt nach Erledigung der ersten Punkte der Tagesordnung der Sozialdemokrat Müller. Franken bei der Beratung des Etats des Reichskanzlers und des Außenministers eine große politische Rede. Abg. Müller-Franken begann mit einer Kritik an dem Kriegsgerichtsurteil gegen Krupp von Bohlen. Er verurteilte das Urteil außerordent lich scharf und betonte besonders den Mißgriff der Franzosen an der Person Krupps von Bohlen, da gerade dieser Exponent der deutschen Industrie im Ruhrgebiet in der letzten Zeit stets für den Ausgleich gewirkt hatte. Der Redner wandte sich dann der Be sprechung der französischen, belgischen, englischen und italienischen Noten zu und stellte fest, daß sie bei aller Ablehnung des deutschen An gebots dennoch nicht die Wege für eine Verständigung verschütteten. Be züglich des passiven Widerstandes betonte Müller- Franken, daß die deutsche Sozialdemokratie in einer Fortführung des passiven Wider st andes sich mit der Bevölkerung und wohl allen Parteien des Reichstages einig weiß. Er protestierte gegen die Behauptung gewisser Kreise, daß die Sozialdemokratie die Liquidation des deut schen Widerstandes beireibe. Der passive Widerstand werde nach den Regeln der Wirtschaftspolitik geführt, und die Bevölkerung wolle den Widerstand. Müller unterstrich dies besonders in Anbetracht der Be hauptung Poincarss, daß die deutsche Regierung den Widerstand entfacht hätte. Bei dieser Gelegenheit kam Müller-Franken zu einer kritischen Betrachtung der deut- schen Note. Er bemerkte, daß die französische Ant- wortnote ganz auf die Weltpropaganda eingestellt sei, was bei der deutschen Note vermißt werde. Er wandte sich dann der deutschen Note näher zu und bemängelte das Fehlen konkreter Formu- lierungen, die gerade unsere Position verstärken könnten. Außerdem appellierte er an alle die Par teien, die auf dem Gebiete der Erfassung der Sach werte mitwirken wollen, und forderte sie auf, gerade in diesem Zeitpunkt in aller Form eine Erklärung ab- zugeben, daß sie für die E r f a s s u n g der Sach - werte eintreten. Eine solche Erklärung werde unsere Stellung im Auslande stärken. Im Rahmen des deutschen Angebots müsse der Wiederaufbau der verwüsteten Gebiete Frankreichs und Belgiens mög lich gemacht werden. Müller-Franken kam dann auf die letzte Erklärung des Arbeiterführer» Morel im englischen Unterhause zu sprechen und betonte, gerade diese Erklärung beweise, daß in England die Erkenntnis der wahren Lage im besetzten Gebiet und im Saargebiet auf dem Wege sei. Wenn im eng- lischen Unterhause die Saarregierung in dieser Weise angegriffen werde, dann dürfe zum gegebenen Zeit- punkt auch die englische öffentliche Meinung nicht vor der Rheinlandkommiflion Haltmachen, da hier gerade noch die englische Ehre viel stärker engagiert sei al« in der Saarfrage. Wenn die englische Re gierung zurzeit sich auch mit den Ideen des Arbeiter führers Morel nicht identifizieren könne, wäre sie sicherlich doch zu wesentlichen Konzessionen bereit. Zum Schlüsse kam Abg. Müller auf di« Wir kung der Revancheidee zu svrechen. Mit aller Schärfe betonte er an die Adresse Frankreichs, daß gerade durch den Terrorismus des französischen Diktats die Revancheidee in Deutschland allein ge stärkt würde. Arbeiteten beide Seiten, die Entente und Deutschland, mit allem guten Willen auf t.ie Liquidation der augenblicklichen Zustände hin, so würde die Welt in kürzester Zeit sehen, daß der Deutsche keine anderen Interessen hat, als in frird- licher Arbeit seine Gleichberechtigung mit allen anderen Völkern der Welt zu beweisen. Müller- Franken warnte im weiteren Verlaufe seiner Rede vor den Terrorakten solcher Kreise, die Verschwörer mit Dynamit in da» besetzte Gebiet senden, um dort Sprengungen vorzunehmen. Solche Terrorakte nützen der gequälten Bevölkerung im besetzten Gebiet, der da» Vaterland zu größtem Danke verpflichtet ist, durchaus nicht«. Der Abg. Reich (Ztr^) erklärt dann namens der bürgerlichen Parteien (Deutsche Volkspartei, Zen- trum, Demokraten und Bayerische Volkspartei), daß er den augenblicklichen Zeitpunkt für eine Besprechung der politischen Lage für verfrüht halte. Der Abg. Hergt von den Deutschnationalen nahm dann da» Wort Zu einer längeren politischen Erklärung, in der er die Grundsätze seiner Partei zu der augenblicklichen politischen Lage darlegte. Be merkenswert in seiner Red« war, daß er feftsirllte, die Regierung dürfe bei allem Wunsche, die einmal an- geknüpften Fäden nicht «kreißen zu lassen, im Augen blick kein« neu« Not« an die alliierte» Milcht» richte«, Nach der Rede de» deutschnationalen Abgeord neten Hergt erklärt der Minister de» Aeußern von Rosenberg namen» der Regierung folgendes: A» meinem lebhaften vevaner« mnss ich es mir versagen, ve» Herren Borreb- ncrn ans das Gebiet der hohe« Politik zu folge«. Die Reichsregierung ist mit de« tkrnst und der Sorgfalt, die der Wichtigkeit de» Angelegenheit entsprechen, in die Prü- snng der Noten der alliierten «ächte ein getreten. Diese Prtisung ist noch nicht ab geschlossen. Ich bitte da- Hohe Haus, überzeugt zu sein, dah die Negierung sich der aus ihr lastenden Verantwortung voll bewusst ist und auch de« Weg gehe« wird, den ihr das Interesse des Reiches und der Allgemeinheit weist. * In dcr Dienstag-Sitzung wurde der Etat de» Reichswehr-Ministerium» beraten. Abg. Schöpflin (Soz.) verlangte ein schärferes Einschreiten des Reichswehrminister» gegen die Offiziere, die Beziehungen zu illegalen mon- archistischen und pulschistischen Organisationen unter halten. Nachdem Abg. Thomas (Kom.) sich den Aus führungen Schöpflins angeschlossen hatte, ergriff der Reichswehrminister vr. Geßler das Wort. In dieser Stunde, wo e» sich um )as Schicksal der deutschen Nation handele, sei es zu be dauern, daß solche Debatten notwendig würden. Das habe er auch in Döberitz ausgesprochen, mit der Be merkung, jetzt sej es nicht an der Zeit, große Reden zu halten. Das Material des Abg. Schöpflin über den Wehrkeis II sei noch nicht in seinen Händen. Es werde mit aller Strenge geprüft werden. Dann fuhr der Minister fort: „Wir haben oen heißen Wunsch, daß der Feldmarschall v. Hinoen- bürg aus dem politischen Getriebe herausbleibt. Wir wollen doch nicht alles, was in der Vergangen heit geschehen ist, zum Gegenstand parteipolitischen Haders machen. In Döberitz war die Kompanie nicht aufgestellt, um Hindenburg, sondern um dem Denkmal und mir als Wehrminister, die vorgeschrie benen militärischen Ehrungen zu erweisen. Ich nehme absichtlich diese vorqeschriebenen Ehrungen in vollkommenem Maße in Anspruch. Ich habe nicht den Eindruck gehabt, daß Hindenburg eine monar - chistische Huldigung in seiner Rede beabsich tigt hat. (Widerspruch bei den Soz.) Die Zeitungs berichte über die Rede stimmten mit meinem Ein druck aber nicht überein. Prinz Eitel Fried rich ist nicht als Angehöriger des ehemaligen Herrscherhauses, sondern als ehemaliger Offizier des Regiments bei der Feier anwesend gewesen. Die Republik ist in Deutschland so fest begründet, dass sie es russig wagen kann, liberal und tolerant in solchen Angelegensseite« zu sein. In der jetzigen politischen Situation soll man mit militärischen Schaustellungen freilich sehr vorsichtig sein. Das Verbot der alten Uniform wäre nur durch eine Verfassungsänderung möglich, denn hier handelt es sich um sogenannte wohlerworbene Rechte. Der Etat des Reichswehrministeriums wird be willigt. Der Etat des Reichspräsidenten, des Reichs kanzlers und des Auswärtigen Amtes wiro auf Mittwoch verschoben, alle übrigen bewilligt. Dann folgt die 3. Beratung des Mieter schutzgesetzes. Abg. Biener (Dntl.) wendet sich gegen die Durchpeitschung eines so wichtigen Ge- fetze» im Reichstage. Die deutschnationale Fraktion werde sich an diesem „Verbrechen am Volke* nicht be teiligen, sondern die Vorlage entschlossen ablehnen. Abg. Schirmer (Bayr. Dpt.) weist die Angriffe des Vorredners zurück. Die berufenen Hausbesitzer vertreter hätten im Reichswirtschaftsrat eine ganz andere Stellung eingenommen. Abg. Barth (Dem.) hält in Anbetracht der anormalen Verhältnisse die Annahme des Gesetzes für eine Notwendigkeit. Die Vorlage des Micterschutzgesetzes wird in 3. Lesung angenommen. Dann vertagt sich das Haus auf morgen, Mitt woch, vormittag )L11 Uhr. Schluß der Sitzung Uhr. * Der preußische Minister des Innern hat mit einem Erlaß vom 12. Mai auf Grund des Gesetze« -um Schutze der Republik vom 21. Juli 1922 die so genannten proletarischen Hundertschaf ten für das preußische Staatsgebiet aufgelöst und verboten. Neue Erhöhung der Lisenbahntartfe Verdoppelung der Pcrsouenfahrpretse Berlin, 15. Mai. Der ständige Ausschuß des Rcichseisenbahnrat« lehnte heute nach Anhörung von Sachverständigen eine Frachtermäßigung für Braunkohle mit 12 gegen 2 Stimmen, als nicht durchgeführt, ab. Der Ausschuß war ferner einhellig der Ansicht, daß rechtzeitig für die Deckung der notwendigen Ausgaben durch Tariferhöhungen gesorgt werden müsse. Während für di« Per sonentarife eine Erhöhung von 100 Pro zent zum nächstmoglichen Zeitpunkt für erforderlich gehalten wurde, war der Ausschuß der Ansicht, daß die Gütertarife in solchem Ausmaß erhöht werden müßten, daß auch die durch die be vorstehenden Gehalts-, Lohn- und Koblenprriser- Höhungen verursachten Mehrausgaben alsbald Dek- kung Minden. Der Umfang der Gütertarif erhöhung, der von dem Zeitpunkt de« Inkraft tretens abhängt, läßt sich heute noch nicht übersehen, müßte jedoch auf Grund der heutigen Prcisverhält- niffe schon über 40 Prozent sein. Unbillige Härten sollen jedoch mit den vorhandenen Mitteln vermieden werben. Japans Antwort » Berlin, 15. Mai. (Drahtbericht unserer Der lin er Schriftleitung.) Die japanische Botschaft hat heut« nachmittag dem Auswärtigen Amt folgend« Antwortnote ihrer Regierung über reicht: „Die japanische Regierung hat das neue Angebot, da» die deutsche Regierung in dem Memorandum vom 2. Mai 1923 Japan, den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, Italien und Belgien vorgelegt hat, und daß die gesamt« Reparationsfraae umfaßt, einer sorgfältigen Prüfung unterzogen. Di« japanische Regierung ist nicht in der Lage, sowohl in Rücksicht auf den Gesamtbetrag der Reparationssumm«, al» auch auf di« Modalitäten der Zahlung und der Garantien dem Reparation». plan«, der den Haupttetl de» obenerwähnten An- geböte« au»macht, ihre Zustimmung -u geben. Angesicht» der Tatsache, daß Japan» gegenwärtiges Interesse an der vorliegenden Frage nicht so groß und so bedeutend ist, wie da» der Alliierten, an die di« Rots gerichtet ist, nimmt die japanische Regie rung davon Abstand, sich über die Einzelheiten des heuen deutschen Vorschlages zu äußern. Sie möchte indessen ihre lebhaften Wünsche zu« Ausdruck bringen, die deutsche Regierung möge weiter« ge- eignete Schritte in der Richtung unternehmen, die eine baldige und freundschaftlich« Regelung der ganzen Reparationsfrage auf einer billigen Grund lage erleichtern.' Ohne verantworttich- keitsgefühl Der deutschvölkisch« Abgeordnete v. Graefe hat im Reichstag daran erinnert, daß er mit dem Reichskanzler „ganz aufrichtig' über die durchaus „legalen Organisationen' der Deutschvölkischen ge sprochen habe. Unter dunkeln Hinweisen auf „Doku- mente, auf deren Aufdeckung er vorläufig noch ver- zichte', hat er es so dargestellt, als ob „die Reichs regierung ein Interesse' an diesen Organisatoinen gehabt habe. Mit diesem „Interesse' der Regierung in der Tasche drohte der Abgeordnete nun vorgestern damit, daß er „die derzeitige Reichsregierung in Verlegenheit bringen' könne, sobald, er nur wolle. Also: Herr v. Graefe verschafft sich Eintritt beim Reichskanzler, gaukelt ihm die Legalität seiner Or ganisationen vor und erhält eine höfliche Zustim mung. Jetzt aber nützt er diese gewiß doch sehr pri vate Unterredung dazu, den Kanzler vor ganz Deutschland und dem gespannt aufpassenden Aus- land bloßzustellen. Wir verzichten darauf, uns näher darüber aus zusprechen, wie man solche Handlungsweise im täg lichen Leben nennt. Aber sie ist nicht nur mora lisch unerhört — sie ist auch töricht.. Wenn alles „absolut legal' war, wie kann dann v. Graefe gegen über der Regierung jetzt damit auftrumpfen, daß er sie „in Verlegenheit bringen' könne? v. Graefe hat auch von „Rücksichten, vielleicht viel zu weit gehenden Rücksichten auf die Regierung' gesprochen, die di« Männer der Deutschvölkischen Freiheitspartei auf die Regierung immer noch nähmen. Wenn das einen Sinn haben soll, dann gibt dieser mehr als schlaue Politiker also jetzt zu, daß er bei jenen „ganz aufrichtigen' Besprechungen den Reichs- kanzler in eine Falle gelockt hat, und er schämt sich nicht, den Kanzler jetzt als Verschwörer hinzustellen, während er, v. Graefe, doch selbst der Anstifter dieses Komplotts ist, zu dem er sich nun selbst bekennt. Bezeichnend ist, was selbst streng deutschnationale Kreise über diesen Politiker und seinen Charakter denken. Die Deutsche Tageszeitung schreibt über Herrn v. Graefe: „Der Abg. v. Graefe hat gestern im Reichstage die Stellung des Reichskanzler gefährdet. Er hat der nationalen Sache in Deutschland geschadet; von Bedenken außenpolitischer Natur noch ganz zu schweigen! Gerade unsere bisherige persönliche Haltung gegenüber Herrn v. Graefe macht es uns zur besonderen Pflicht, nach den Vorgängen des gestrigen Tages deutlich zu sagen, daß er nicht nur die politische Voraussicht, sondern auch das Maß von Derantwortlichkeitsgefühl hat vermissen lassen, das von einem politischen Führer in dieser ernsten Zeit verlangt werden muß.' Hoffen wir, daß diese Einsicht über den Charakter de« Herrn v. Graefe auch in die Kresse der Reichs regierung dringen möge. Sozialdemokraten und Kommunisten in Thüringen Weimar, 16. Mai. (Eig. Tel.) Nachdem dir Kommunisten im thüringischen Landtage wiederholt »um Ausdruck gebracht Haden, daß sie mit der sozia listischen Regierung nicht mehr ubereinstimmen und nicht für den Etat stimmen können, wenn die Regie rung keine besonderen Garantien gebe, hat die Der- einigte Sozialdemokratische Partei nnt der kommu- Nistischen Partei Verhandlungen über gemein, same Richtlinien zur Fortsetzung der Arbeiter politik in Thüringen, und zum Eintritt der KPD. in die Regierung eingeleitet. Unter den „Abwehrmaßnahmen gegen den Faschismus' ist die Bildung von republikanischen 'Ror- wehren vorgesehen, deren Ausstellung durch die Parteien selbständig erfolgen soll. Die republi kanisches Notwehren stellen sich, so heißt es in den Richtlinien, ausdrücklich der republikanischen Regie rung zur Ergänzung der vorhandenen staatlichen Machtmittel zur Verfügung und erkennen die Reichs und lAndcsverfaffung vorbehaltlos an. Die weiteren Richtlinien begehen sich auf die Be kämpfung des Wuchers, me Errichtung einer Arbeitcrkammer und die Fortführung der Be gnadigungen. Die Landtagsfraktlone« sollen einen parlamentarischen paritätischen Arbeitsausschuß bilden, der einen gemeinsamen Arbeitsplan aufstellt. Die Verhandlungen «erden von Partei zu Partei geführt. Die Kommunistisch« Neu« Zeitung erklärt bereit«, daß di« Richtlinien di« schärfste Ab lehnung der proletarischen Forderungen bedeuten. Sie seien ein „Dolchstoß gegen die sächsische Arbeiter schaft und die Regierung Zeigner, ein schändlicher Verrat an der proletarischer Einheitsfront in Thüringen'. ver Lall Mehlhose Man schreibt uns: Der Leiter der Freie« volks kirchlichen Korrespondenz, Pfarrer Dr. Mehl Hose, der seinerzeit in einer Zeitschrift energisch zu kirch- lichen Reformen aufgefordert hatte, war hierfür am Heiligabend vorigen Jahres vom Konsistorium mit Geldstrafe belegt worden unter dem ausdrücklichen Hinweise, daß man bei der „Schwere' cher Der- fehlung auch das Verfahren auf Amtsenthebung hätte einleitrn können. Dieses Urteil, da» von der kirchlich interessierten Tagespreise in seltener Ein mütigkeit al» ein bedauerlicher Fehlgriff de» Kan- sistoriums angesehen und besprochen wurde, ist nun mehr in zweiter Instanz bestätigt wor- den. Kenner der Verhältnisse find hiervon nicht überrascht, da ja dasselbe Konsistorium, da» bereits in erster Instanz entschieden hatte, auf Grund der unserem modernen Rechtsempfinden noch nicht an- gepaßten Disziplinarordnung auch fit der zweiten Instanz di« Stimmenmehrheit hatte. Dienstag abend explodierte »n Krakau in dem Hause, in welchem sich di« Redaktion de» zionistischen Blatte» Rovy Dzienik befindet, ein« Bombe. Das ganz« Treppenhau« wurde -erstSrt und der Dachstuhl schwer beschädigt. Menschenopfer find nicht zu de- klagen, < - -v"
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