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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305135
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230513
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230513
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-13
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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Sette 2 «r. 112 um deswillen verschont bleiben, weil nach dem Willen ocs Reichstages ausschließlich der Besitz mit der neuen Abgabe belastet werden sollte. Den Awangsanlethepflichtigen ist ja von ihrer früheren Veranlagung her der Betrag bekannt, der für sie als Sonderabgabe in diesem Falle in Frage kommt, so daß Veranlagung, Erhebung usw. nicht neu vorgenommen zu werden brauchen. Ob allerdings bei der augenblicklichen Ent wertung unserer Mark (bei einem Verzicht auf Aeuoeranlagung) die Summen einkommen wer- den, die diese BrotverbMigungsaktion erfordert, erscheint immerhin zweifelhaft. Mieterschutz und Mieteinigungsämter Trafttbkrtcht unserer Berliner rartftletlung Berlin, 12? Mai. Am Freitag beendete der Reichstag die Beratung des Haushalts des Reichsfinanzministe- rinms dadurch, daß die sozialdemokratische Ent schließung, wonach die Kosten der Ruhr aktion vom Besitz aufzubringen sind, dem Haus haltausschuß überwiesen wurde. Beim Haushalt der allgemeinen Finanzverwaltung wurde eine sozial- dsmokratische Entschließung, in der FoHer leich ter ungen für Fleisch- und. Wurst waren verlangt werden, gegen die Rechte und einen Teil des Zentrums angenommen, ebenso eine Entschlie ßung, in der ein Kanal im mitteldeutschen BraunkoHIengebiet zwischen Elbe und Oder verlangt wird. Hierauf trat das Haus in die zweite Beratung des Gesetzentwurfes über Mieterschutz und Mieteinigungsämter ein. Nach längerer Aussprache wurden die Paragraphen 1 und 2 in der Ausschußfassung angenommen, wonach eine Kündi gung durch den Vermieter nur aus besonderen Grün den erfolgen kann. (Wegen erheblicher Belästigung des Vermieters oder eines Hausbewohners, oder wegen Mißbrauchs der Wohnung.) Die Kündigung kann nur im Wege der Räumungsklage durchgeführt werden. Nach Paragraph 3 kann wegen Nichtzah lung der Miete die Räumungsklage angestrengt werden. Der ebenfalls angenommene Paragraph 4 besagt, daß der Vermieter, der in seinem eigenen Interesse einen anderen Gebrauch von seiner Woh nung machen will, nach Ermessen des Gerichtes den Mieter hinsichtlich der Ilmzugskosten schadlos -alten soll. Ilm 7 Uhr vertagte man sich aus Sonnabend. Deutscher Frauentag in Hamburg Zu Pfingsten soll in Hamburg ein „Deutscher Tag" Vertreter der Deutschtumsvereine aus allen Landen vereinigen. Im Anschluß hieran findet Mittwoch, den 23. Mai, 10 Uhr, in der Hamburger Universität ein Deutscher Frauentag statt, der von den Frauengruppen des Vereins für das Deutschtum im Auslände und dem Frauenausschuß des Deutschen Schutzbundes für das Grenz- und Auslandsdeutschtum veranstaltet wird. Frau von Bose, die Leiterin der Frauengruppe Hamburg des V. D. A. hat die Leitung übernommen. Es sind folgende Referate vorgesehen: Fräulein Dr. Bath- Hamburg über „Frauenarbeit im V. D. A.", Frau Else Frobenius (Berlin) über „Frauenarbeit im Deutschen Schutzbunde" und Landtagsabg. Maria Filinz über „Frauenaufgaben im besetzten Rhein- und Ruhrgebiet". Anschließend werden in einer all- gemeinen Aussprache Grenz-, Kolonial- und Aus landsfragen erörtert werden. Der große Gedanke der Volksgemeinschaft, der ohne Mitwirkung der Frauen niemals Wirklichkeit werden kann, soll durch den Deutschen Frauentag auch in weite Frauenkreise getragen werden. Die Lohnverhandlungen zwischen dem Rcichsfinanzministerium und den Spitzenorga nisationen der Rcichsarbeiter über die Regelung den. iDe Vertreter der Beamtcnorganisationen wer- der Maigehälter sind für Montag anberaumt wor den am Dienstag verhandeln. ver 150. Geburtstag von ^Goethes Ruhm Von Soors Der Tag, an dem die große Sonne Goethes über dem deutschen Horizont sichtbar wurde, verdient ge feiert zu werden. Seit diesem ersten Aufleuchten bestrahlt sie das Gebiet unseres geistigen Lebens, bald auch der Welt, schnell sich zum Zenith erhebend und dort unverrückbar beharrend, wenn auch zu Zei- ten von den Wolken des Verkennens und der Be schränktheit verdunkelt. Seit dem Winter 1771 hatte der jugendliche Genius begonnen, in der Vaterstadt als Rechts anwalt zu wirken. Nur die Familie, die Freunde in Leipzig, Straßburg, Wetzlar wußten, daß er seit frühesten Jahren unaufhörlich Gedichte, Dramen, Epen in Prosa und Versen schmiedete. Käthchen Schön köpf und Friederike Ocser besaßen Liederbücher von seiner Hand geschrieben; eine ahn- licht Sammlung war schon im Herbst 1769 mit Melo dien im Druck erschienen, aber sie trug auf dem Titelblatt nur den Namen des Leipziger Verleger sohnes Breitkopf, des Vertoners. Später hatte Goethe ohne sich zu nennen, Rezen sionen neuer Bücher in die Frankfurter gelehrten Anzeigen, das erste Organ der literarischen Revo lution jener Jahre, geliefert und in den letzten Monaten des Jahres 1772 waren von ihm ein paar kleine Flugschriften ausgesandt worden: „Von deutscher Baukunst", „Brief des Pastors", „Zwo wichtige, bisher unerörterte biblische Fragen", eben- falls anonym. Selbst derjenige, dem durch Zufall der Verfasser bekannt geworden wäre, hätte doch aus diesen Zeugnissen schwerlich mehr erschließen können, als daß hier eine starke, leidenschaftliche, begehrende Natur mit begnadeter Sprachgcwalt von zgm Teil recht unreifem Denken über künstlerische und reli giöse Probleme Kunde gab. Am IS. Mat 1773 meldete Goethe dem Leipziger Freund« Hermann: »In wenig Wochen kriegen Sie ein Stück Arbeit von mir, das, wo Gott will, Sie erfreuen soll." Und bald darauf schrieb Goethe seinen liebsten Menschen Kestner und Lotte: „Da hast Du, lieber Kestner, ein Stück Arbeit, da» lies Deinem Weiblein vor, wenn Ihr Luch sammelt in Gott und Luch und die Türen zuschließt." Da» „Stück Arbeit" war der „G ötz v o n Brr» l-eip-iger?»gedmtt Ullä UsadelsLettuLg Vie Uuhrbesetzung ein Vertragsbruch PoinearL hat in seiner Rote vom 6. Mai be» ,stritten, daß die Ruhrbesetzung ein Verstoß gegen den Versailler Vertrag sei. Das ist keineswegs nur ein Streit um Worte. Von der Entschei dung der Rechtsfrage, ob Frankreich zu seinem Vorgehen mach dem Versailler Vertrag berechtigt war, wird bei den kommenden Verhandlungen Uber die Reparationen und die Räumung des Ruhrgebiets sehr viel abhängen. Darum ist es wichtig, die Frage genau zu prüfen. Das hat ein hierzu besonders befähigter Jurist, der Jenaer Universitätsprofessor Oberlandesgerichts, rat Dr. Ger land, Mitglied des Lieeutivs Louueil der InteruLtionLl ^ssooi»tion, in einem Gutachten besorgt, das vor einigen Tagen in der Kölnischen Zeitung erschienen ist. Zugrunde zu legen ist 8 18 der Anlage H zu Teil VHI des Versailler Vertrages, der lautet: Die Maßnahmen, zu denen die alliierten und asso- ziierten Mächte, falls Deutschland vorsätzlich seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, berechtigt sind, und die Deutschland sich verpflichtet, nicht als feindliche Handlungen zu betrachten, können wirtschaftliche und finanzielle Sperr- und Deraeltungsmatzregeln und überhaupt solche andern Maßnahmen (im englischen Text in xensral such otiier measui^s) einschließen, welche die betreffenden Regierungen (respective Ov- vernwents) al» durch die Umstände geboten erachten. Umstritten sind die Begriffe respective Lovern- ments und otber weasures. Für den ersten weist Gerland darauf hin, daß der Friedensvertrag zu Kontrahenten auf der einen Seite die Gesamt heit der assoziierten und amtierten Mächte, auf der andern Seite Deutschland hat. „Der Re parationsanspruch ist mithin ein Anspruch der Gesamtheit der assoziierten und alliierten Mächte, ein Gesamtanspruch, in bezug auf den selbständige Handlungen der einzelnen Mächte mit Rechtsverbindlichkeit nicht denkbar sind. Daß unter den rs>veetive Oovernments infolgedessen nur die Gesamtheit der geannten Mächte zu verstehen ist, ist so selbstverständlich, daß es unter Juristen überhaupt nicht in Frage gestellt werden kann." Bei den otbsr measures handelt es sich um die Frage: Sind als Sankttonen alle irgendwie gearteten, mithin auch militärische Maßnahmen zulässig, oder aber nur solche, die den wirtschaft- lichen und finanziellen Maßnahmen wesensver- wandt sind und die infolgedessen nicht weiter gehend und schwerer als die letztgenannten Maß nahmen sein dürfen? Bei der Beantwortung dieser Frage greift Gerland auf das englische Recht zurück, das in diesem Zusammenhang den Ausschlag gibt. Dort, wie auch in der ameri- konischen Jurisprudenz, gilt für General- Klauseln dieser Art das Llusäem-seneris-Prinzip. Es besagt: Die General-Klausel ist stets nur zu beziehen auf Dinge derselben Art, wie sie in dem vorhergehenden Teil des Satzes aus drücklich ausgeführt ist. Ein Beispiel, das Ger- - land der englischen Literatur entnimmt, mag dies illustrieren: Sage ich zü IneitteM Diener: „Ich ' werde im Klub essen; legen Sie mir meinen Frack und alles übrige heraus", so bezieht sich der. Begriff „alles übrige" lediglich auf meine Be- kleidungsgegenstände. Wendet man nun dies Prinzip auf den Paragraph 18 an, so ergibt sich nach englischer Rechtsauffassung einwandfrei, daß der Paragraph keinerlei Recht zu militärischen Maßnahmen gibt, da diese den ausdrücklich genannten Maßnahmen nicht wesensverwandt, nicht mit ihnen eiusäem gellens sind. Gerland schließt: „Die Behauptung Poin- carss, die Ruhrinvasion sei gemäß Paragraph 18 rechtmäßig, scheitert unweigerlich an dem Liusäem genens-Prinzip, auf das sich zu berufen die deutsche Regierung nicht versäumen sollte." Mussolini« Antwort ferttggeftellt London, 12. Mai. Die Antwort der italienischen Regierung auf das deutsche R^parationsangebot ist hier eingetrof fen und wird mit der vorbereiteten englichen Note verglichen. Der diplomatische Mitarbeiter des Daily Tele graph schreibt: Die Antwort, die die deutsche Re gierung auf die englisch-italienischen Noten erteilen werde, werde viel interessanter sein als diese Noten selbst. Der Korrespondent glaubt aber anderseits, daß die Ausarbeitung einer einzigen Antwort Deutschlands auf die englisch-italienischen Noten der Regierung in Berlin große Schwierigkeiten machen werde. Die englisch-russische Spannung Lttwluow» Antwortnote Moskau, 12. Mai. Als Antwort auf die Note des britischen Ver treters in Moskau Hodgson vöm 28. April, die auf sofortige Freilassung des in rujsischen Territorial, wässern von Murman festgenommenen englischen Kutters besteht, hat Litwinow Hodgson eine Note übermittelt. Diese bestreitet, wie die Russische Telegraphenagentur meldet, die Berechtigung der britischen Forderung, eine Drei-Meilen-Zone der territorialen Gewässer anzuerkennen. Im Jahre 1910 habe sich England bereit erklärt, diese Frage einer internationalen Konferenz zu unterbreiten. Die jetzige Unversöhnlichkeit der englischen Negierung sei ein Zeichen dafür, daß sie keine Berührungspunkte in dieser Frage haben wolle. Die englische Praxis weiche selbst von dem Grundsatz der Drei-Meilen- Zone ab. Die russische Regierung lehne es nicht ab, die Frage der territorialen Gewässer einer Kon ferenz der daran interessierten Mächte zu unterbreiten und an der Ausarbeitung eines internationalen Grundsatzes teilzunehmen. Die russische Regierung wünsche, die Streitfrage auf red- liche Weise zu regeln, lehne aber jede Forderung, ihren gesetzlichen Standpunkt zu verlassen, ab und sehe in solchen Forderungen einen Anschlag auf die Souveränität Rußlands. Was den zurückgehaltenen Kutter an- langt, so verweist Litwinow darauf, daß das Volks- kommiffariat für Justiz bereits am 25. April, also vor der Note Hodgsons, alle Akten zur Einsichtnahme eingefordert habe, um die Richtigkeit des Urteils zu prus.n. Es habe die Vollstreckung des Urteils aus geschoben, und man habe Grund zu der Annahme, tzaß das Urteil geändert werden wird. Zum Schluß spricht Litwinow die Hoffnung aus, daß Vie englische Regierung eine gleiche Friedensliebe wie die russische Regierung an den Tag legen werde, was zu einer befriedigenden Lösung der Frage führen werde. Wie verlautet, hat die Sowjetregierung be schlossen, den Handelskommissar Krassin nach London zu entsenden, der unverzüglich auf dem Luftwege dorthin abreisen soll. Krassin 'werde ent weder eine Regelung zu erzielen suchen oder, wenn ihm dies nicht gelänge, die Sowjethandelsdelegation irr London liquidieren. Das Münchner Volksgericht hat der Haftbeschwerde des Journalisten Franz von'Puttkamer nun mehr stattgegeben. Don Puttkamer wurde, gegen Stellung einer Kaution von fünf Millionen Mark aus der Haft entlassen. * Auf Grund der von der bayrischen Regierung erlassenen Notverordnung beschlagnahmte die Augsburger Staatsanwaltschaft die Freitag- Ausgabe der kommunistischen Roten Bayern- sahne, die in einem Artikel die neue Regierungs verordnung angegriffen hatte. O Nach einer Mitteilung des Berliner Polizei- Präsidiums soll jetzt gegen die Hundertschaften der Kommunisten mit polizeilichen Mitteln eingeschritten werden. LoaMag, äen 13. . Der Zall Luppe a»Genre Dra »«bericht des Letp»t»er r»Gkb la «tr» Nürnberg, 12. Mai. Staatskommissar Gareis vom Staatspolizei- amt Nürnberg hat es für angebracht gehalten, in einem längeren Aufsatz gegen Einzelheiten der Sach darstellung des Oberbürgermeisters Luppe, die die,er am Dienstag über die Vorgänge am 1. Mai gegeben hat, eine öffentliche Polemik zu eröffnen. Dr. Luppe verbreitet daraufhin heute abend folgende Erklärung: „Ich stelle fest, daß nach Zeitungsberichten Staats- Minister Dr. Sch weyer erklärt hat, daß er gegen mich keinen weiteren Vorwurf erheben kann als den, daß ich mich über den Kopf der bayerischen Regie- rung hinweg nach Berlin gewendet habe. Ueber meine Absicht hat er sich in keiner Weise geäußert. Damit hat er tatsächlich den ungeheuerlichen Dor- wurf, den er, ohne mich vorher zu befragen, gegen mich im Landtag erhoben hat, zurückgenom- men. Es bleibt der Vorwurf einer formellen In korrektheit übrig, deren Erwähnung im Landtag keinerlei Sinn gehabt hätte. Ich werde die Unrich tigkeit auch des letzten Vorwurfs dem Ministerium beweisen und eine bedingungslose Ehrenerklärung des Herrn Ministers Echwcyer verlangen. Ich ver- zichte deshalb auf jedes Vorgehen gegen die maß losen Beschimpfungen, welche die Bayerische Mittel- Partei, die sogenannten Vaterländischen Verbände und ähnliche Stellen gegen mich losgelassen haben, zumal es sich hier um Aeußerungen der Angeklagten handelt, die auf der Anklagebank sitzen wegen des Verbrechens im Beckegarten, das man ebenso wie das Verbrechen in München gern totschweigen möchte, und zwar nicht nur Nationalsozialisten, sondern auch die Organisationen, die sie gefördert und ihnen Waffen gegeben haben." In den letzten Tagen hat ferner der von den genannten Organisationen begönnerte nationalsszia- listische Hauptagitator, Volksschullehrer Streicher, eine Flugschrift gegen Luppe erscheinen lassen. Luppe stellt fest, daß dieses klägliche Pamphlet lediglich in dem gegen Streicher eingeleiteten Disziplinarver fahren Verwendung finden wird. Der Landesverband der sächsischen presse gegen die Regierung Dresden, 12. Mai. Der Vorstandes des Landesverbandes der Säch sischen Presse hat in seiner letzrrn Sitzung energisch Stellung genommen gegen die Art und Welse, wie die sächsische Regierung entgegen allen früher getrof fenen Abmachungen die Leitung der Nachrichten stelle beim Ministerium mit einem Sozialisten unter Ernennung rum Oberrcgierungsrat besetzt hat, der nicht einmal der Berufsorganisation der deutschen Presse angehört. In einem scharfen und längerem Protest wird die Negierung darauf auf- merksam gemacht, daß diese Art der Behandlung eine deutliche Mißachtung der Presse bekunde. * Obwohl wir politische Gegner der Negierung Zeigner und des neu ernannten Pressechefs Block sind, glauben wir doch, daß sich der Vor stand des Landesverbandes der sächsischen Presse in diesem Falle mehr als nötig erregt hat. Wie soll eine Mißachtung der Presse darin liegen, wenn ein jahrzehntelang erprobter Journalist auf die Stelle des Pressechefs berufen wird? Daß Block nicht dem Landesverband angehört, hat besondere Gründe, die dem Vorstande bekannt sein dürften, und ist kein Zeichen von Ocgani- sattonsfeindlichkeit. Die Parteistellung des neuen Pressechefs darf für den politisch neutralen Landesverband doch kein Stein des Anstoßes sein. Der Reichspräsident hat an das Präsi dium des Reichswirtschaftsrates ein Beileidstele gramm gerichtet, in dem er sagt, daß der Tod Edler von Brauns nicht nur für den Reichs wirtschaftsrat, sondern auch für das deutsche Wirt schaftsleben, insbesondere die deutsche Landwirt schaft, einen schweren Verlust bedeute. lichingen mit der eisernen Hand. Lin Schauspiel." Weder Verfasser noch Verleger stand auf dem Titelblatt. Kein Vorwort oder Nachwort deutete darauf hin, von wem dieses seit- same Drama herstammte. Der ältere Berater Merck hatte den Druck erzwungen und mit dem Autor zusammen die Kosten bestritten. Dem war cs gar nicht recht, sein Geschöpf vor die Leute hin zustellen: „Habs geschrieben in guter Zeit, , Tags, Abends und Nachts Herrlichkeit, Und find' nicht halb die Freude mehr. Da nun gedruckt ist ein ganzes Heer. Find', daß es wie mit den Kindern ist, Bei denen doch immer die schönste Frist Bleibt, wenn man in der schönen Nacht Sie hat der lieben Frau gemacht; Das Andre geht dann seinen Dang Mit Rechnen, Wehen, Tauf' und Sang." Nun, da Goethe sich das Werk hatte aus den Händen ringen lassen, stand er, wie Jakob Grimm sagt, plötzlich in seiner ganzen Größe vor den Zeitgenossen da. Freilich nicht vor allen. Lessing, der größte lebende Kritiker, hatte Lust, mit Goethe trotz seinem Genie, auf das er pochte, anzubinden; und Friedrich der Große nannte den „Götz" eine abscheuliche Nachahmung jener schlechten englischen Stücke und ekelhaften Plattheiten Shakespeare». Feinet urteilte Wieland aus seinem französisch-griechischen Formgefühl heraus. Zwar nannte er den „Götz" ein schönes Ungeheuer, aber er fügte hinzu: „Möchten wir viele solche Un geheuer haben." Lin solche« junges, mutiges Fül len, möchte es sich noch so ungebärdig tummeln, war Wieland lieber als ein lahmer Lsel; aus dem Füllen könne noch ein edles Roß werden, aus dem Esel niemals. Die Philister vom Durchschnittsschlag waren ent setzt. Goethe selbst wußte sehr wohl: diese unerhörte Sprache konnte ihnen nicht zugemutet werden. Und so schrieb er an Dotter, der damals in Gotha ein Theater leitete; er solle den „Götz' aufführen. Dor Stadt und Land, vor Hof und Herrn, Die sähn das Trauerstück wohl gern. So such' dir denn in deinem Hau» Einen recht tüchtigen Bengel au». Ihm gib die Roll' von meinem, Götz In Panzer, Bleckhoub' und Geschwätz . . . Und bring', da hast du meinen Dank, Mich vor die Weibleta oha' Gestank! Mußt all' die garstigen Wörter lindern: Aus Scheißkerl Echurk, aus Arsch mach Hintern Und gleich' das alles so fortan. Wie du schon eh'mals wohl gethan." Gotter antwortete ebenso lustig, „er gäbe das Stück gern dem Freund zuliebe und hätte wohl auch einen Mann, der den Götz spielen könnte. Aber er wüßte nicht, wo er alle die Dekorationen hernehmen solle. „Auch möchte wohl wem grau'n, daß nicht Der Reiter seine Not verricht'. Und Götz dem Feind zur Schur und Graus Streck' seinen Arsch zum Fenster 'naus! Das Weibsvolk hier gar störrisch ist, Weil'« Tag und Nacht französisch liest. Das Mannsvolk, in Paris gewest, Nur das Theatrum hält für'« best'. Wo alles züchtiglich geschieht Und alles in Sentenzen spricht. Drum laß' dir nur die Lust vergeh'n, Bei ihnen in der Gnad' zu steh n." Aber die Jugend horchte sogleich auf; forschte nach dem Dichter und jubelte ihm zu. Bürger, damals gerade an seiner unsterblichen Ballade „Le nore" schaffend, schrieb nach dem ersten Lesen: „Ich weiß mich vor Enthusiasmus kaum zu lassen. Wo mit soll ich dem Verfasser mein Entzücken entdecken? Den kann man doch noch den deutschen Shakespeare nennen, wenn man einen so nennen will." Und schon vier Wochen, nachdem die ersten Exemplare hinausgcgangen waren, konnte der Dich ter ausrufen' „Ich habe schon vielerlei Beifalls- kränzlein von allerlei Laub und Blumen, die ich wechselweise aufprobieret und mich vorm Spiegel ausgelacht habe." Mit dem Absatz ging es zuerst nicht so gut, wie er hoffte. Für 12 Groschen sollte das Buch verkauft werden, und er fürchtete, es bliebe hocken. Doch er verließ sich auf die gute Natur seines lieben Götz, der ein Menschenkind mit vielen Gebrechen sei und doch immer der Besten einer. Die Furcht erwies sich al» unbegründet. Schon im folgenden Iabre war eine zweite Auflage nötig, trotz zwei, wie damals üblich, bereits erschienenen Nachdrucken. Auch dort fehlte überall noch der Der- fassername, aber er war inzwischen auf den Flügeln de» jungen Ruhmes durch ganz Deutschland ge flogen. Wagemutige Bühnenleiter brachten bald da» l scheinbar Unmögliche fertig, das „schöne Ungeheuer" auf» Theater zu stellen. Zurrst der Berliner Direk- 1 tor Koch am 12. April 1774 mit solchem Erfolg, daß die Aufführung im gleichen Jahre noch dreizehn- mal wiederholt werden konnte. Dann in Hamburg der größte damalige Schauspieler Friedrich Ludwig Schröder, bald auch Breslau und Leipzig, Dres den, Mainz und Frankfurt a. M. Line Fülle von Nachahmungen folgten, die ganze große Se^rr der Ritterdramen, deren Harnische bis tief ins 19. Jahrhundert hinein auf den Bühnen klapperten; aber keines kam dem Urbild nahe. Goethe selbst hat diesem wilden Erstling immer seine Liebe bewahrt. Wie er nicht müde wurde, bis in sein spätes Alter an dem ungebärdigen Werke zu basteln, um es doch den Forderungen der Bühne anzuschmiegen. So ist cs bis zur Gegenwart ge- gangen. Wir wollen dieses große Erzeugnis höchster, noch ungebändigter Kraft, mit Augen schauen, und hie und da gelang es ungewöhnlichem Können, der Darstellung, alle die Hindernisse zu bezwingen. Dann leuchtete aus dem „Götz" auf, was ihm die Ewigkeit sichert: das volle, von einer Empfindung volle Dichterherz, die Lebenswahrheit, der Freiheits- drang, das Deutschtum. Mit einem Ruck zerreißt Goethe hier die Fes- sein, die unseren Dolksgeist seit langem umschnürt haben. Das fühlten die Zeitgenossen. Deshalb wurde der „Götz" vor 150 Jahren zum Grundpfeiler von Goethes Ruhm, deshalb durfte er mit Recht von sich selbst sagen: Ihr könnt mir immer ungescheut Wie Blüchern, Denkmal setzen; Don Franzen hat er euch befreit. Ich von Philisternctzen. Tanzabend Maina Llaes. Am Ende einer wohlausgefüllten Tanzsaison beanspruchte im Zen- traltheaterfestsaale Maina Llaes Be achtung. Ihr Programm hatte zahlreiche Tanz freunde angelockt. Man schied indes mit zwiespäl tigen Gefühlen. Was Maina Llaes an modernen Tänzen bot, war ja recht brav. Ihr Arenskischer „Tanz", zwei Tanze nach Poldinischer Musik und ihr „Dnomus" von Mussorgsky, zum Teil auf groteskkomischen Ausdruckssormen basierend, waren durchaus ansprechend. Aber daß die Künstlerin mit ihren sparsamen Bewegungen, dem unbewegten Ge sichtsauedruck und der Pariationsarmut ihrer Gebär- den den Stimmungsgehalt der Schubert-, Brahms- und Bachschen Weisen ausgeschöpft hätte, kann nicht zngestandea werde» Nk.
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