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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305088
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230508
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230508
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-08
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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OLeoslLg, Hei» 8. Vie französische Antwort Vt-enerDrahtderichtdrS Leipziger Tage dl at les Paris, 6. Mai. Die französische Antwort auf die deutsche Note Ist heute abend dem deutschen Geschäftsträger tn Paris überreicht worden; sie hat folgenden Wortlaut: Herr Geschäftsträger! Ich habe die Ehre, den Empfang Ihres Brieses vom 2. Mai -u bestätigen und im Namen der fran- zöslschen Regierung folgendes zu antworten: Die belgische und die französische Regierung können eine große Zahl der von der deutschen Re gierung gemachten Bemerkungen nicht still schweigend und unwidersprochen hin gehen lassen. Es ist einerseits unzutreffend, daß Frankreich und Belgien irgendeine Maßregel unter Verstoß gegen den Versailler Vertrag er griffen haben. Anderseits widersprechen die Vor schläge, die Deutschland heute macht, in mehreren wesentlichen Punkten diesem Vertrage. Seitdem hat es die übernommenen Verpflich tungen aber nicht erfüllt. Ein Teilmoratorium ist ihm bewilligt worden; es hat aber nicht einmal seine ermäßigten Verpflichtungen erfüllt. Die Repara- tionskommisfion hat die fortgesetzte Nichterfüllung Deutschlands festgestellt. Auf Grund dieser Feststellung und in Ausführung des Vertrags haben Frankreich und Belgien Pfän der erfaßt. Entgegen der Unterstellung der deut schen Regierung ist diese Pfändererfaffung ohne den geringsten Gewaltakt durch Belgien und Frankreich erfolgte Wenn es nur von diesen beiden Mächten abge- haugen hätte, wäre sofort im Ruhrgebiet ein Zu sammenarbeiten zwischen deutschen Industriellen, Ingenieuren und Arbeitern und den verbündeten Industriellen, Ingenieuren und Arbeitern hergestellt worden. Nur die von Berlin ergangenen Befehle habe» diese« Zusammenarbeiten verhindert. Dje deutsche Regierung behauptet, daß die Bevölke rung durch einen passiven Widerstand auf die Ruhrbesetzung geantwortet habe. Das ist aber völlig falsch. Nicht die Bevölkerung, sondern kne deutsche Regierung hat den Widerstand gewollt und organisiert. Die deutsche Regierung erkennt dies übrigens indirekt an, wenn sie heute erklärt, daß dieser Widerstand erst nach der Einigung über dte gegenwärtigen Vorschläge aufhören wird. Wenn der , Widerstand Zwang wäre, würde die deutsche Regie rung dann die Macht haben, ihn abzukürzen oder zu verlängern? Dieser Widerstand ist übrigen» nicht so passiv, sondern aktiv, und dabei bestimmt doch der Versailler Vertrag for mell, daß Deutschland nicht das Recht hat, irgend eine Sanktion, oie nach Feststellung einer Nicht erfüllung durch die Reparationskommission verhängt wird, als feindseligen Akt zu betrachten. Die deutsche Regierun« hat nicht nur Beamtenstreiks, sondern auch einen all gemeinen «nd systematischen Konflikt (Eingriffe, Sabotageakte, Vergehen gegen das gemeine Recht) Hervorgernfen. Die belgische und die französische Regierung können reinendeutschen Vorschlag in Betracht ziehen, solange die ser Widerstand andauern wird. Sie lasten nicht zu, datz das Leben ihrer Offiziere, Soldaten, Ingenieure, Zoll beamten und Eisenbahner Attentaten aus gesetzt wird, während die zu regelnden fragen geprüft werden. Sie lasten auch nicht zu, datz das formelle Funktionieren der Kontrollkommission behindert und die Abrüstung Deutschlands in Frage gestellt wird, ans dem einzigen Grunde, weil Frankreich und Belgien wegen des Aus bleibens der Zahlungen die Pfänder er saht haben, auf die sie ein Recht hatten. Die französische und die belgische Re gierung müssen weiter bemerken, datz d i e gegenwärtigen Vorschläge M. ljl»7 S l-eipriger Hgedintt nack ttnockeisreituag 8pvrt unc» lernen Milliarden, das bauen. Belgien und diese Ungerechtigkeit Lipsia—Neptuu Das städtische Earolabad ist heute abend 8 Uhr schon" wieder Zeuge eines Schwimm-Zwei kampfes. Lipsia und Neptun sind diesmal die Nivalen, die sich gegenüberstehen. Das reichhaltige Programm sieht neben verschiedenen Einlagen, aus geführt durch die Damen des Neptun, 10 Einzel rennen und sieben Staffclkämpfe vor. Während die Herren-Wettbewerbe ziemlich ausgeglichen erscheinen, sollte Neptun in der Jugendklasse das Uebergew»r!u haben, so daß ihm dadurch sogar der Gesamtsieg 'szu fallen könnte. Wasserballspiele, die die beiden K'sci kurrenten zusammenführen, bilden den Beschluß. Nütt in Kopenhagen siegreich Die letzten Kopenhagener Radrennen hatten gegen 7000 Zuschauer angelockt, die den bekannten Fah- lrern Rütt und Ellegaard begeisterte Hul- dHungen darbrachten. Das in drei Läufen statt findende Match zwischen Rütt, Ellegaard und Hans .Jensen war äußerst spannend. Alle drei Läufe 'wurdxn von Rütt gewonnen. Zweiter wurde Elle gaard. Rütt und Ellegaard, die in vortrefflicher Form waren, wurden von Prinz Harald und Prin- zessin Helene begrüßt. Der junge Hans Jensen siegte im 5-Kilometer-Rennen über Rütt und Elle gaard. Im Tandem-Rennen konnten sich Nütt und Ellegaard nicht planieren, da die Maschine nicht funktionierte. Zn einem Handikap, bei dem Nei- nas 70 Meter Vorsprung hatte und als erster durchs Ziel ging, gelang es sowohl Ellegaard als auch Rütt, in bewundernswerter Weise sich heran- zuarbeiten und als''Zweiter bzw. Dritter einzu kommen. Das 20-Kilo mct cr-Iie n nen mst Mojorschritt- machen? gewann R ö^ b e*r g*in 20 Min'l'o Sek. vor Kr ü p k a t'"in" 20 ?52. , karlsbader Schachturnier Zn der 6. Runde des Schachmeifterturnicrs ge wannen Trejbal gegen Spielmann, Tarrasch gegen Bernstein, Maroczy gegen Ehajcs, Niemzowitsch gegen Tartakower, Rubin- stein gegen Thomas, Alechin gegen Wolf. Remis endeten die Partien Grünfeld-Reti und Teichmann-Bogoljubow. Die Partie Pates gegen Samisch wurde in besserer Stellung für Weiß ab gebrochen. Stand nach der 6. Runde: Alechin, Trejbal 5, Dogoljubow 4, Niemzowitsch, Maroczy, Reti, Teich mann 3)4, Grünfeld 3 (1), Tarrasch 3, Sämisch 2)4 (1), Rubinstein, Thamas, Tarta kower 2)4, Pates 2 (1), Spielmann 2, Ehajes 1)4 (1), Wolf 1)4, Bernstein 1. Enghien s 8. Mai 1. R.: Suudringha« — Omlgnon — Parvillers 2. R.: La Trintte — Se Docteur — Lar albe 3. R.: Llaudie — Larabas — Lord Palmers 4. R.: Lady Loo — Lybar — Quelle Lyre 8. R.: Gucnole — vrleau — Saint Lypricv 6. R.: Bahama — Surbiton. flüchtende Buchmacher Bei den Flachrennen in der englischen Provinz stadt Ripon kam es gegen Ende der Rennen zu aufgeregten Lärmszenen und Prügeleien, als die Buchmacher versuchten, sich der Zahlung ihrer Wett kurse durch die Flucht zu entziehen. Ein Teil der Buchmacher, der auf einem mit Pferden bespannten Wagen flüchtete, wurde von einigen beherzten Auto mobilisten eingeholt, verhauen und zur Auszahlung der Wetten gezwungen. am 1. Juli 1931 bezahlt werden sollen. Sie sagt, daß eine internationale Kommission bestimmen soll, ob diese beiden Beträge und d e Zinsen dafür vom 1. Juli 1923 ab aufzubringen sind oder nicht. Deutschlands in mehrfache* Hinsicht vollständig unannehm bar find. Zunächst stellen die anaebotenen Ziffern aller in allem nicht einmal den vierten Teil der Summe dar, die von der Reparations kommission festgesetzt und von Deutschland al« Be trag seiner Schuld bei den Verbündeten anerkannt worden ist. Frankreich und Belgien haben wieder holt erklärt und sehen sich veranlaßt, hier aufs neue zu erklären, daß sie die Reduzieruüg ihrer eigenen Schuldforderuna nicht anerkennen können und daß sie sich, wenn sie auch zur Abrechnung eines Teile» davon gegen d e interalliierten Schulden bereit sind, materiell gezwungen sehen, den Rest za erhalten, um sich von den furchtbaren Verwüstungen zu erholen, d»c ihnen durch die deutsche Invasion auferlegt wor ben sind. Frankreich hat gegenwärtig bereits 100 Milliar den Franken für Deutschlands Rechnung vorge schossen, Belgien hat 15 Milliarden belgische Franken ausgelegt, und die beiden Staaten haben noch, von den Pensionen ganz abgesehen, mehr als dte Hälfte des erlittenen Schadens zu opfern. Das wirtschaft liche Interesse Frankreichs und Belgiens, das wirt schaftliche Interesse der ganzen Welt und überdies die Gerechtigkeit selbst erheischen; daß die verwüsteten Länder nicht länger dazu verurteilt seien, sich zu ruinieren, damit die Bereicherung ihrer Schuldner begünstigt werde. Weder für Frankreich noch für Belgien, das ein Opfer der unerhörten Verletzung der Verträge war, würde die jetzt von Deutschland angebotene Summe ausreichen, um die verwüsteten Gebiete wieder aufzubauen. Die Gegenden, die vier Jahre lang durch die deutschen Heere beimgesucht waren, Vürften also endlos in ihrem trostlosen Zu stande bleiben, während Deutschland fortfahren werde, im Ruhrgebiet und anderswo in voller Frei heit neue Fabriken, Hochöfen, Grubenanlagen, Straßen- und Eisenbahnen zu Frankreich sind entschlossen, nicht zu dulden. Das Angebot von 30 Vie deutsche Regierung gemacht hat, ent hält übrigens noch den Ausdruck, de« Sie selbst in Ahrem Brief gebrauchen, et« „elastischer Faktor", dessen Willkür und Gefahr kaum hervorgehoben zu werden braucht. Die von Ahnen angegebenen Ziffern würden nach der deutschen Regie rung einen Höchstbetrag darstellen, und es wäre für Deutschland leicht, sie wieder zur Diskussion zu stellen, ehe sie realisiert sind. Tatsächlich handelt eS sich bei den deutschen Vorschlägen nur dem Anschein nach um 30 Milliarden Goldmark. Ähre effektive Höhe ist auf den 1. Auli 1SL7 zu berechnen, und zwar nur für eine Summe von 20 Milliarden Mark. Deutschland verlange also ein vollständige- Morato rium für 4)4 Aahre vom 1. Aanuar 1S23 an, dem Datum der Wiederinkraftsetzung des Londoner Zahlungsplanes, durch die Neparationskommission. Diese Summe von 20 Milliarden wird übrigens beträchtlich reduziert, da die Zinsen bis 1. Juli 1927 dem Ertrag der Anleihe entnommen werden sollen. Der Ietzt-Wert der 20 Milliarden fällt also bei Einsetzung eines Diskontsatzes von 6 Prozent a:< 5^20 Milliarden. Diese unbestimmten Vor schläge sind außerdem an Vorbehalte geknüpft, die gestatten würden, alles in einigen Monaten wieder in Frage zu stellen. Die deutsche Regieruna garan tiert nicht einmal, daß die 30 Milliarden (oder die niedrigere Summe, die sie in Aussicht stellt) wirk lich an dem angegebenen Datum bezahlt werden. Sn: sicht ganz im Gegenteil vor, daß der nicht bezahlte Teil zu dem lächerlichen Satz von 5 Pro- zent verzinst und eine zu amortisierende Jahres- zahlung bilden soll. Sie bietet noch weniger Ga rantien für die beiden ergänzenden Teile von je 5 Milliarden, die im Prinzip am 1. Juli 1927 und am 1. Juli 1931 bezahlt daß eine internationale Kc Derartige Zusätze machen jede ernstliche Be- rechnung des Gegenwertes des Angebote» unmöglich. Die französisch« und die belgische Regierung haben überdies Schiedsgerichte von internationalen Geschäftsleuten «-gelehnt Deutschland hat sich im Versailler Vertrage feier- lichst verpflichtet, die Reparationskommission als zu ständig für teilweisen Schuldenerlaß und Zahlungs aufschübe anzuerkennen, und es ist ausdrücklich bestimmt worden, daß ein Erlaß nur von einem gemeinsamen Beschluß - sämtlicher Mächte bewirkt werden könnte. Frankreich und Belgien können auf die Garantien, die der Vertrag ihnen gewährleistet, nicht verzichten Die deutsche Regierung erklärt sich bereit Sicherheiten für die Barzahlungen und die Sachleistungen, dte sie heute nennt und die einfach eine riesige Verkleinerung der früheren Ver pflichtungen darstellen, zu liefern, aber sie beschränkt sich darauf, ganz unbestimmte und dunkle Gedanken über diese Sicherheiten zu äußern, obgleich die Repa rationskommission jm Einverständnis mit den ver bündeten Regierungen alle Maßnahmen, durch die Deutschland seine Währung zu stabilisieren, seine Finanzen restaurieren und äußere Anleihen auf- mchrnen könnte, bereits eingehend studiert hat. Oh- gleich die verbündeten Regierungen beständig ver-, sucht haben, Deutschland zu ernsten Bemühungen in I. dieser Richtung zu veranlassen, gibt die deutsche Re-t gierung auch heute noch nicht an, in welcher Weises sie die Stabilisierung ihrer Währung versuchen wird. Ebenso unbestimmt und illusorisch.sind die An-, gaben der deutschen Regierung übkr'die SicherheilSgarantten die sie nach ihrer Erklärung Frankreich.anbicüen will. Sie spricht nicht von Belgien. Diese Unterlassung er scheint mindestens eigentümlich. Auch in dieser Frage, wie in der Frage der Reparation würden Frankreich und Belgien sich nicht mit neuen deutschen Er klärungen begnügen können. Sie brauchen etwas Sicheres. Für diese zum Teil unannehmbaren, zum Teil un zureichenden Vorschläge fordert die deutsche Regie rung „Ausgangspunkt der Verhandlungen muß sein, daß innerhalb kürzester Frist der «tatus guo ante wieder herzustellen ist"', und in Ausführung dieser allgemeinen Bedingungen fordert sie namentlich, daß die Gegenden, die im vollen Einklang mit dem Ver sailler Vertrag neu besetzt worden sind, geräumt wer den, daß die Maßnahmen, die im Rheinlande von der interalliierten Kommission zur Sicherung der Ausführung des Vertrages verfügt worden sind, auf gehoben werden, daß die Deutschen, die wegen Ver stoß gegen die regelrecht erlassenen Verordnungen verhaftet oder ausgewiesen worden find, in Freiheit gesetzt, oder in ihre Wohnungen, oder in ihre Funk- tionen zurückgebracht werden. Die belgische und die französische Re gierung haben beschlossen, datz sie die nen- besetzten Gebiete nur nach Matzgabe der ausgeführten Zahlungen räumen würden. Sie haben an diesem Beschlutz nichts zu ändern. Tie können sich überdies nicht enthalten zu betonen, datz die deutsche Rote von einem Ende bis zum anderen den kaum verhüllten Eindruck einer systemati schen Revolte gegen den Versailler Vertrag darstellt. Das würde bedeuten, datz Bel gien und Frankreich den Gewaltakten der Agenten der deutschen Regieruna aus gesetzt bleiben würden. Für alle d»ese Opfer würden sie noch einmal nur ei« paar Worte auf Papier erhalten. Die deutsche Regierung würde sich, wenn sie nachdenke, nicht darüber Wundern, datz Frankreich und Belgien einen derartigen Handel ablehnen. Genehmigen Sie, Herr Geschäftsträger, die Ver sicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung gez. PoinearL Lebensroman 32j Don Kock« Kock« vNaLdruck verboten.) Ich bewohnte allein, wie ein gutgestclltee Iungherr, ein schönes Zimmer in einem von Ontels Hausern. Iosefine, die älteste von Va- ters Schwestern, beglich die Miete. Die Mahl zeiten kriegte ich nebenan bei Prinz und Kam- mareit. Onkel war hochangesehen in Stadt und Land — A<n Strahl der Verehrung traf auch mich, den Neffen. Die Schule machte mir keine Sorge. Was fehlte mir? Klabal war in Briefwechsel mit mir geblieben, und als er im Herbst von Wien heim nach seinem Dorf reiste, machte er bei mir halt. „5hr habt ein ganz hübsches Dienstmädchen," bemerkte er schon in der ersten Minute. „Hast du Freundschaft mit ihr geschlossen?" „... Nein... ich weiß nicht, wie..." „Me... das wird sie dir schon beibrlngen," versicherte Klabal und behielt wieder einmal recht: die dralle Slowakin machte nicht viel Um- stände; lachte ein wenig, umfaßte mich — und ein Rätsel, dem ich lang nachgesonnen, war auf Za und Nein xc löst. Nun fing ich auch mit Posthalters Tochter an Unter dem Lauster ward die Bekanntschaft ge- schlossen, auf der Treppe fortgesetzt, und bald kam mein neues Blondchen über den Flur zu mir, leis durch das Fenster — denn die Slowa- kin sollt es nicht erfahren. Das Blondchen war sechzehn, sie hatte kaum erst Brllstlein. Wir trie- den sehr verliebte Spiele. Plötzlich blieb sie aus; die Slowakin hatte was gemerkt und empfing die Nebenbuhlerin hohnlachend mit einer Butte Wasser. In den oberen Klassen gab es seit Jahren ein Corps „Markomannia" mit rotblaugoldnen Farben. Man keilte mich sofort — zunächst als Konkneipanten. Schon nach einer Woche wurde ich Fuchs und dichtete ein dithyrambisches Far benlied. ... Nach einem Monat wurde ich Bursch — durch Exziehen eines Liters Bier — wurde so gar Kontrapunkt und hatte die Kneipzeitung zu schreiben. Begeistert brüllte ich mit — die Lie der kannte ich ja von meinem Bruder — und soff auch, so wenig es mir behagte. Senior war ein aufgeschwemmter, häßlicher Oktavaner. Grade der Kneipzeitung wegen zerstritt ich mich mit dem Senior: er wollte die Hefte für sich, und ich in meinem Autorengeiz gab sie nicht her. Die Markomannen schaßten mich, und ich hatte ihre Feindschaft zu ertragen. Oh, es war eine gehässige Feindschaft mit ränkevollen Niederträchtigkeiten, und sie verbitterte mir manchen Tag. In der Schule ging es mir leidlich. Der Lehrer für Deutsch und Geschichte, man nannte ihn Beitel, war ein Laban mit langgeteiltem Vollbart — und sollt er nicht wirklich immer be trunken gewesen sein, wie wir vermeinten, sah er wenigstens so aus; 's war ein stillfideler Rausch, worin er lebte, und äußerte sich nur hier und da durch lallende Sprachverdrehung: Deitel war der Diphthonge nicht ganz sicher; in die Mundart Mährens wollte er nicht verfallen: da leustete sich Beutel, wenn seune Zunge wenn- schwer war, gern eun reuneres Deutsch. Ich machte ihm das Leben schwer, indem ich dreißig Seiten lange Hausaufsätze schrieb, die er dann durchsehen mußte. Der komischeste war der Altphilologe Quatsch. Er schnitt auf wie gedruckt. Wenn er Momm- sen erwähnte, nannte er ihn „seinen lieben Freund", und mit Napoleon dem Dritten wollte er auf Dufuß gestanden haben. Seine Münch- hausiaden waren der Klasse wortwörtlich ge läufig, hießen von jeher „Banken" — und jede Bonke war von Quatsch selbst mitten im Sooho- kles sofort zu haben. Cs brauchte nur irgendein Schüler fr«h das Stichwort zu bringen: „Herr Professor, nimmt man auch in Inns bruck die „Antigone" durch?" Auf der Stelle floß hie „Innsbrucker Koyke";, wie Quatsch da Kommandant der Militärakade- mie gewesen wäre; Kaiser Iosesi zog in die Stadt ein; besichtigte die Akademie; machte Besuch bei Quatsch; ließ sein Gefolge stehen, faßte Quatsch unter, bot ihm eine der „berühmten kaiserlichen Virginiazigarren" an und spazierte mit ihm. Die Generäle, die Obersthofmeister raunten ehr- fürchtig: Waaas? Seine Majestät und Quatsch?? Professor Schnellinger, ein Junggeselle in Iägerwäsche, der gefürchtete Mathematiker, ge wann mir einigen Respekt ab. Es brauchte mir ein Gloff ja nur den kleinen Finger hinzuhalten, und sofort erwachte mein Ährgeiz. Ich warf mich auf die Mathematik und war im Nu der Erste darin. — Hier in Hradisch war ja alles simpler und dürftiger als in Kremsier; das Städtchen, die Menschen, die Bildung. Kein Kardinal hielt Hof; das Schulgebäude eine arm- selige Bude mit fünfzehnjähriger Geschichte — kein Direktor schrieb über den Infinitiv bei Tacitus — hier war leicht, zum Ansehen zu kommen. Ich galt als algebraisches Genre. Man kam zu mir, um meine Hausarbeiten zu kopieren. Ein kleiner Tscheche, Palenik, fing damit an. Er kam zu mir — ein Wort gab das andere —- und er vertraute mir an, wie er sich nähre: Seine Eltern sind Häusler da in irgendeinem Weiler. Er wohne bei einem Tagelöhner. Und die Kost bekomme er von Sofie. Sofie ist eine wunderschöne, statiöse Frau, Haushälterin eines Gerichtspräsidenten, klug, heiter, freigebig und . . . könne nicht lesen und schreiben. Der Herr habe den Dildungsmangel bisher nicht gemerkt und dürfe ihn auch nicht merken. Palenik führte die Hausrechnung. Palenik gibt Frau Sofien heimlichen Unterricht in Lesen und Schreiben. Sein Lohn: das tägliche Brot in des Präsidenten Küche. Jeden Abend geht der Herr ins Kasino, oft auf Inspektionen — da sei es ganz gemütlich bei Sofie: Palenik spielt Karten mit ihr, Mariage, dte Pgrtte um einen halben Kreuz«. Längst wünscht sich Frau Sofie einen Dritten zur Pr6. särence. , . Ob ich nicht einmal kommen wollte? Gern — ich weiß am Abend ohnehin nichts mit mir anzufangen. So trat ich in die Küche zur Frau Sofie. Sie hieß mich freudig willkommen, und wir trieben Pröftrence. Wochenlang, ganz harmlos. — — — Einmal knöpfte Frau Sofie ein wenig ihre Bluse auf, einmal begegnete ich dem Irisglanz ihrer Augen; einmal beim Karten ordnen ihrer Hand. Sie war eine blühende, eine strotzende, über große Frau. Legte die Blätter hin, lächelte ver träumt und sagte: „Acht" „Was haben Sie?" fragte Palenik. „Woran denken Sie?" „An den Wald", entgegnete Sofie. Sie stützte den nackten Arm auf den Tisch, blickte ins Leere und lächelte mit vollen Lippen die Wand an. — „Ich war früher In einem Wald; da war es so schön . . ." -z , „. . .Bei Anderka ..setzte ich fort... Sie — ohne Erstaunen: ,Ia." ,Er brachte ihnen Torten aus Kremsier . ." .Ach", sagte sie, „er kam selbst ... er war ' ' ' > — sie da . . . und jetzt ist niemand da griff uns kräftig in die Haare, mir und Palen k, und lachte kräftig — „niemand ist da als ihr zwei . . ." Sie küßte uns mütterlich, und wir küßten sie wieder. Sie nahm uns beide auf den Schoß, jeden auf ein Knie. lForisekmng folg» ) verantwortlich für den rrdakttouellen Teil: Lhcsrcdal- teur Dr. stur» Echwtdt,- für Anzeige«: Heinrich Balser: bcid« in Leipzig. — Berliner Dienst: Chefredakteur Dr. «rich «uerttz, Berlin, Ddndols S0M-MM. Dresd ner Dienst: Heturtch Zerkaulen. Dresden. SabelSberaer- straf,» Ä. Aern spreche» 34 7Ä. — Druck und «rrlaa: Selm. Beri»g«vr»ck««AI M.m.d.p.. Leipzig, JohauntAg.8. Unverlangt« Beitrlige ob«« Rückporto werden nicht zurück- gesandt. , - , Di« vorliegend« Ausgab« «»faßt 1K Seiten
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