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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305069
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230506
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230506
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-06
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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8ooalLg, Leu 6. Elbidqlle Die Elbe ohne Dampfer ist wie ein Haus ohne Menschen oder ein Schaufenster ohne Waren: trau rig und tot. Und die guten Dresdner liefen mit beoeppten und aufrichtig bekümmerten Mienen her- um, weil man hörte, daß die Elbschiffahrt ihr Ende haben sollte. Denn die Löhne wurden immer teurer, die Kohlen noch teurer, aber die Fahrpreise am teuersten. So daß Familienväter auch ohne Ein stellung der Fahrten wahrscheinlich vorziehen wirr- den, die Elbe lieber vom Rande als von ihrer Mitte aus zu betrachten. Diesmal blieb es aber beim Gerücht. Seit einer Woche schwimmen die adretten, weiß-grllnen Dampfer mit den schmalen, schlanken Leibern wieder munter elbauf, und elb- nbwärts, und ich gönne mir auch mal eine Tour.— Hinter uns läuft die weißschimmernde Kiellinie des Wassers, das ich schon in so vielen Farben spielen iah: Perlgrau mit Blau an Sonntagen, metallisch dunkel bei bedecktem Himmel und gelb und warm in goldenen Abendstunden. Immer neue Erfindungen des Lichts und der Wellen. Drüben auf der Loschwitzer Seite laufen die grünen Höhen mit. Die Villen von Dresdner Industriellen liegen kunterbunt verstreut darauf herum, weißglänzend, und die Ziegeldächer lachen zinnober und gesund aus dem seidenen Mailaub der Hänge. Die beiden Wagen der Schwebebahn klettern emsig, wie zwei rote Raupen, auf und ab. — Unten an den Ufern haben die Gastwirte die frisch gestrichenen Tische und Stühle herausgerückt und laden die Stadtmenschen zum Rasten unter weiß- schäumenden Blütenbäumen ein. Wie duftige Segel schwellen sich die Blüten über den Häusern, an den Hängen, in den Obstanlagen und fangen schon an, den Boden mit ihrem Schnee zu bedecken. Gelaffen und mit stiller Sicherheit zieht unser Schiff an allem vorüber. Lange Touristenketten schieben sich an den Randwegen des Flusses entlang, meistens familienweise Mütter mit Kinderwagen, Väter, die ihre Jungen verprügeln, weil sie trotz der Sonntagsanzüge ins kalte Wasser patschen wollen oder flache Steine, „Putterbemmen", über auf spritzende Wellen tanzen lassen, bis sie selber pitsch naß sind. Maifreuden! Weiter aufwärts werden die Dillen der Städter spärlicher, das Land wird flacher. Hinter Hecken und Baumgärten schimmern Helle Hausgiebel: Bauerngüter. Frische Wiesen voller gelber und blauer Frühlingsblumen kokettieren mit den kluk- kernden Wellen der Elbe und lachen so munter in die Welt hinein wie die Mädels, die mit ihren Liebsten im Gras sitzen und mit blinkenden Zähnen in die Butterschnitten beißen. Das Pillnitzer Lustschloß mit den spitzen, chine sischen Türmchen, der weitgeschweiften, breiten Terrasse und den kupfergrllnen Dächern gleitet still und stolz und ein wenig verlassen vorüber. Gegen über spiegelt die schöne Fasaneninsel sich schwarz im Waffer. Die ersten Ruderboote, elegant und schlank, bemannt von lauter weißen Sweatern, schießen im sicheren Gleichtakt der Ruder unserem Dampfer ent gegen. Der Blick wandert über die schimmervolle Land schaft, bis ibn in der Ferne Höhenzüge, wie von einem dünnen, leichten Rauchschleier überhängt, nusfangen: Der Erzgebirgskamm, von dessen Kupvcn noch vor ein paar Wochen weiße Pelzbaretts herüber glitzerten. Jetzt sind sic von der Sonne weg- geschleckt, von der Sonne, die auch uns auf dem Schisse milde durchwärmt und durchreit, daß wir die Gewißheit haben, im Mai zu scie» Wulf Rückgang der Schlachtungen in Sachsen. Nach dem vorläufigen Ergebnis der im Statistischen Lan desamt geführten Schlachtvieh, und Fleischbeschau- statistik ist im ersten Vierteljahr 1923 ein starker R ückgang der Schlachtungen gegenüber dem ersten Vierteljahr des Vorjahres zn verzeichnen. ' Von der Iahresschau dentscher Arbeit. Der Reichspräsident hat der Iahresschau deutscher Arbeit in Dresden mitgeteilt, daß er gern bereit ist, l die Bestrebungen der Iahresschau zu fördern und an s Leipziger Landschaft Die rapide Kunstentwicklung der letzten beiden Jahrzehnte hat mancherlei Ansätze verschüttet, deren ruhige Entfaltung man hätte wünschen mögen. Ins besondere in der Landschaftsdarstellung, für die die junge Kunst mit ihren kompositionellen Bestrebungen nur in geringem Maße interessiert war und der sich doch eben erst durch den Realismus und di« Ent deckung des Freilichts neue Möglichkeiten erschlaffen hatten. Wenn diese neue Anschauung in den Haupt städten allzu rasch schematisch wurde, so daß eine radi- kale Umgestaltung dann als Befreiung wirkte, so war ein solcher Verlauf doch keineswegs in jedem Milieu das Gegebene. Gerade in der Provinz hätte sich die Eroberung der Landschaft ausbrciten und befestigen können, und sie hätte das in einer anderen Zeit zweifellos.auch getan. Aber gerade hier zeigte sich das Ungesunde des modernen Kunstbetriebes: indem sich die Provinz ohne innere Nötigung der von außen gegebenen Parole anpaßte und ihrer Produktion die persönliche Eigenart nahm, um ihr dafür recht eigent lich den Stempel des „Provinziellen" aufzudrücken. Heute, wo wir ein wenig verschnaufen und Umschau halten, sehen wir den Weg der letzten Jahre, und daß es für viele ein Irrweg ist, deutlicher. Wir geben auch wieder mehr auf die acht, die nicht mit dem Haufen gelaufen sind, sondern ihre persönliche Art gepflegt haben, und wir sind wohl auch geneigt, ihnen wegen dieser Treue zu sich selbst ein Prae, ein sitt liches Prae mindestens, zuzugestehen. In diesen Zusammenhang gehört Richard Grimm-Sachsenberg, dem jetzt das Gra phische Kabinett des Museums eine kleine Sonderausstellung widmet. Ein bescheidenes Talent; ziemlich gleichförmige und nicht besonders starke Er- lcbnisse; ein anständiges, doch nicht irgendwie bril lantes Können. Doch eben dies, daß die vorhandenen Grenzen innegehalten werden und nicht der Versuch gemacht wird, sich und andere darüber hinwegzu- täuschen, durch Anpassung an die Mode ebensoox-nig wie durch Motivejagd und Virtuoseneffekte, sichert d-m Manne, wenn er so einen Ucbrrblick über sein g.möchlichcs Schaffen gibt, Beachtung und Eym- pathie. Dieser Zeichner — denn das ist er in erster Linie, und den Aquarellen kommt nur eine nebensächliche l-e!pr!ger Isgedlstt ttLoäelsreitmig Nr. 106 Sette 3 die Spitze de« Ehrenpräsidium, der Iahresschau zu treten. Liebeidrama. Im Hause Zschopauer Straße 140 in Dresden lauerte ein 33jähriger Ingenieur einer 23jährigen Stenotypistin, die er seit langer Zeit vergeblich mit Liebesanträgcn verfolgte, auf und verletzte sie durch einen Revolverschuß schwer an der Schulter. Darauf schnitt er sich mit einem Rasiermesser die Kehle durch. Er war sofort tot. Eia furchtbarer Unglückfall. Die ISiahrige Toch- ter des Mühlenbesitzers Lode in Bernbruch bei Kamenz kam am Montag nachmittag mit dem Kopf haar in das Getriebe der Mühle. Dem Mädchen wurde die Kopfhaut bis zum halben Gesicht abge rissen. Die Verunglückte wurde in ein Krankenhaus überführt. Schluß der Leipziger ttupferftich- versteigerung Die Versteigerung von Kupferstichen durch C. G. Börner-Leipzig fand am Sonnabend ihr Ende. Die Meister des 18. und des 19. Jahrhunderts wurden von den Bietenden zum Teil sehr hoch bewertet. So erzielten zwei LandschaOsblätter von Rowland- son 26 Millionen Mark. „Das Unheil des Krieges" von Goya kam auf 19F Mill. Mark. Ein Damen bildnis von William Ward wurde mit 9 Mill. Mark bewertet. Ein Smith „Lady Hamilton" brachte 8H Mill. Mark. Einige Genrebilder des Eng- länders Morland endlich wurden mit 23 und 22H Mill. Mark bezahlt. Öl'. N. ' Amerlkana! Ein Hamburger Musikpädagoge erhält aus Amerika von einer Dame einen Brief mit d:- Bitte, ihr ein paar Noten zu senden. Sie fügt den Prospekt, nach dem sie gewählt hat, bei und außerdem einen Zehnmarkschein. Die Dame wünscht vier Notenhefte, die zusammen 8M Mark kosten; blieben für Porto IM Mark. Eine Rechnung, die man sich gefallen -ließe, wenn nicht eben inzwischen der Krieg gewesen wäre, denn der Prospekt stammte aus der — Vorkriegszeit. Wie wenig muß dies« Ameri-, kanerin sich um die Politik kümmern? Entdeckung eine« großen Oellager«. Die Mittel- europäische Bergbau- und Industrie-GeselUckau ' bei Oberg (Kreis Peine) in großer Tiefe ein Oel lager erbohrt. Das Oel wurde mehrere stunden lang über Turmhöhe herausgedrückt. Die Qualität des erbohrten Oeles ist erstklassig. E« wurde etn Benzingehalt von 20 Prozent festgestellt. Das in Be tracht kommende Gelände ist 9000 Morgen groß. Von einem Stier tödlich verletzt. In der Ort- schäft Hammel bei Augsburg wurde der 74jährige Tagelöhner Kinzle mit seinem Sohn durch einen wütenden Stier angegriffen. Kinzle starb an seinen Verletzungen. Die Rache de» Schwarzkünstlers. Das Leinbcrger Ostdeutsche Volksblatt erzählt folgende köstliche Ge schichte: In Kopczynce gab ein reisender „Schwarz, künstler" zwei Vorstellungen. Er begab sich auf den Markt. Dort traf er eine Bäuerin, die Hühnereier zu 300 polnische Mark verkaufte, wiewohl fast alle anderen Bäuerinnen nur 250 Mark verlangten, und wollte etwas vom Verkaufspreis herunterhandeln. Als die Bäuerin unnachgiebig blieb, bezahlte er 900 Mark für drei Eier, entfernte sich, kehrte aber sofort zurück und machte der Bäuerin den Vorwurf, daß die Eier nicht frisch zu sein scheinen. Die Bäuerin schwur bei Himmel und Hölle, daß es ganz frische Eier seien. Da fiel wie ganz zufällig dem Schwarz künstler ein Ei auf das Pflaster, und siehe da, im Eiweiß lag ein goldenes 10-Kronen-Stück, das die Bäuerin sich aneignen wollte, doch verhinderte cs der Schwarzkünstler, weil das Ei schon sein Eigen tum war. Hierauf zerschlug er noch die zwei anderen Eier und fand in jedem statt eines Dotters ein goldenes 10-Kronen-Stück. Die Bäuerin begann aus Gram darüber, daß sie solche schätzebergende Eier verkauft hatte, zu weinen. Als der Schwarzkünstler ihr den ganzen Liervorrat zu 500 Mark das Stück abkaufen wollte, packte sie den Korb zusammen, ver ließ die vor Verwunderung ihr sprachlos nach schauenden Marktkolleginnen und begab sich in einer: Laden, wo sie ein Ei nach dem anderen aufschlug. Sie war furchtbar enttäuscht, als sie in keinem Ei ein Goldstück fand. . . Das verlorene Eheglück Don Pr»n11o« tzHuIIorE Zu uuserer Zeit leben sehr viele Ehemänner und Ehefrauen in Welten, die von der ihnen gemeinsam zugehörigen Welt abgesondert sind. Der Mann lebt oft nur seinem Geschäft, seinem Handel, seiner Kunst oder einem anderen Berufe. Er geht morgens in sein Amt, seinen Laden, seine Werkstättc oder sonstwo hin, bleibt den ganzen Tag über fort und kehrt erst nachts heim. In den wenigsten Fällen ist die Frau, die Gattin, über des Mannes Geschäft oder dessen Betrieb unterrichtet. Im Geiste bringt der Mann die Welt seines Berufes oft mit heim: Handel, Gesetz, Speku lation, Erfindung, Medizin, Kunst, Wissenschaft oder irgend etwas anderes. Bei Tische sitzend und essend, ist dein Mann dennoch mit all diesen Dingen bc- schäftigt. Selbst abends ist er mit ihnen noch nicht fertig Er unterhält sich an der Tafel mit dir, scheint ganz vergnügt — und schreibt dennoch gleichzeitig den Brief an seinen Geschäftsfreund in Kalkutta. Wo ist dein Mann während dieser Stimmungen? In dein Zimmer, worin sich sein Körper befindet? Nein! Ein Mensch muß durchaus nicht dort sein, wo sich sein Körper befindet. Ein Mensch ist in Wirklichkeit dort, wo sein Denken ihn hinführt. Wenn dieses Denken eine halbe Stunde lang angespannt dem Geschäfts freunde in Kalkutta zugewendet ist und der Körper deines Mannes sich in New Pork befindet, dann ist von deinem Manne weit mehr in Kalkutta tätig als in New Bork. Wenn dich lange Gewohnheit »och nicht abgestumpft und gleichgültig gemacht hat gegen ein häusliches Leben in abgesonderten Welten, gegen das Bewohnen eines Zimmers durch zwei Körper, die nur eine halbe Geistesverbindung einr, dann grämst du dich und fühlst eine gewiss« Enttäuschung oder Unruhe. Du hast einen „braven Mann", wie alle Welt sagt. Er sorgt für alles, was du brauchst. Du findest kaum etwas, worüber du dich zu beklagen hättest. Und dennoch kannst du ein Gefühl der Bc- schwer nicht loswerden. Wenn du unwissentlich ab gestumpft wurdest und deinen Geist dazu vermochtest, eines Mannes Körper als wahlverwandten Genossen aufzunehmen, auch wenn dessen Geist wo anders ist, dann vermehrst du die Reihen der heute bestehenden Welt von Frauen, deren Männer im Geiste fast immer in einem nahen oder fernen Kalkutta sind. Seit uralten Zeiten wähnt der Mann, er sei wegen seiner überlegenen Muskelkraft für viele Verrich tungen des Lebens weit besser geeignet als das Weib. Aber der Mann wußte nickt, daß ihm ohne die Nähe des weiblichen Elementes seine Muskelkraft g:fehlt haben würde. Er wußte nicht, daß ein inniger Zu- sammenschluß von Neigung und gemeinsamen In- tereffe zwischen ihm und oem Weibe seine Geistes- und Muskelkraft immer stärker werden li'ßen. Er wußte nicht, daß cs auch des Weibes Kraft war, die das Werk vollbrachte. Warum erfreut und erheitert der Tanz mehr, wenn Jüngling und Mädchen mit einander tanzen, al» wenn Jüngling mit Jüngling oder Mädchen mit Mädchen tanzen? Eine Frauen welt, die sich abschließt, ist freilich ebenso ungesund wie eine Männerwelt, die abgeschlossen lebt. Wo immer das männliche Element das weibliche ver drängt, da ist Roheit. Wo immer das weibliche Element das männliche verdrängt, da stellen sich Be schränktheit und Sprödigkeit ein, die endlich einen solchen Grad erreichen können, daß sie in allem ein Uebel sehen, was männlich ist. Die weibliche Denkart ist ihrer Natur nach von der männlichen Denkart verschieden. Die weibliche Art wirkt auf die männliche bald als Ruhe, bald als Anreiz oder Begeisterung. Das Weib gibt dem Manne eine wirkende Kraft, die er in seinem Berufe als Künstler oder Kaufmann gebrauchen kann und die er in seiner Unwissenheit ost als seine eigene be trachtet. Dein Mann wird nicht imstande sein, auch nur nach Kalkutta zu schreiben, geschweige im Geiste dahin zu reisen, es sei denn, daß du, sein Weib, im Zimmer oder wenigstens daheim bist. Warum ist dem so? Weil ihm das weibliche Element, der Gedanke, den er dir entnimmt, die eigentliche Kraft gibt, mittelst der er nach Kalkutta zu reisen vermag. Er hat, wenn du nahe bist, eine wohlige Empfindung, er fühlt ein angenehmes Behagen sich zuströmen, er kam: kaum sagen, war es eigentlich ist. Dieses Strömen ist dein Element von Liebe und Neigung zu ihm. Sind dein Denken und deine Liebe völlig einem anderen Manne oder anderen Interessen zu- gewendet, dann wird sich dein Mann ruhelos und gedrückt fühlen, auch wenn er gar nicht weiß, daß deine Neigungen nun nach einer anderen Richtung abschwenkten. Dein Mann hat ein Recht, die Kraft, die du ihm zuwendest, in seinem Berufe zu verbrauchen. Aber er hat kein Recht, abends heimzukommcn und sie dir auch dann noch zu entnehmen, um sie seinem Berufe zuzuleiten. Dee Mannes Perus leidet darunter, wenn sein Geist Tag und Nacht, zur Mahlzeit und zu allen Stunden mit ihm beschäftigt ist. Solche Gewohnheit reibt den Mann frühzeitig auf, sie ist ein Weg zu Schlaflosigkeit und Wahnsinn. Die Frau wird in der Ehe einen Mangel an Liebe fühlen, wenn sic sich sagen muß, daß sie der Aufmerk samkeit ihres Mannes entbehre, jener Aufmerksam- leit, die er ihr zur Zeit seiner Werbung um sie er- wies; echte Liebe will immer tiefer und inniger ge liebt werden. Liebe ist allerwirklichsies Leben. Wo keine Liebe, da ist der Tod. Die unnatürliche Welt, in der jetzt so viele Frauen leben, ist eine Haupt ursach«, daß sie oft so verdrossen und heftig sind. Sie werden der Anziehungskraft auf das andere Geschlecht beraubt. Sie werden allmählich dazu gebracht, keinen Wert mehr darauf zu legen, anziehend zu sein. Sie vernachlässigen Kleidung und persönliche Erscheinung. Sie schließen sich vom Hauptguell ihrer Belebung ab. Sic werden endlich beschränkt, kleinlich, tratschsüchtig oder vergrämt. Viele Ehepaare, die also verheiratet sind, aber jene Glückseligkeit nicht finden können, die sie erwartet oder während ihrer Brautzeit empfunden haben, könnten nun füreinander das Paradies der Ewigkeit aufzubauen beginnen, indem sie aufs neue dort an fingen, wo ihr Glück von einst nufhörte — und wenn es beim Altar wäre: mit der Erneuerung all der kleinen Zärtlichkeiten und Aufmerksamkeiten, die jene selige Periode kennzeichneten: mit dem Wunsche, ein ander in Sorgfalt, Geschmack und Nettigkeit der Kleidung zu gefallen; mit der Beherrschung der Laune und des Benehmens beim Zusammensein; mit dem Unterlassen verletzender oder sarkastischer Worte: mit dem Wiederaufrichten jener Schranken und Förm- lichkeiten der Etikette, die zu mißachten oder zu ver werfen einem Manne oder einer Frau niemals gut tun. Denn wenn du diese Sckranken zerstören läßt, zerstörst du auch die Achtung vor deiner Persönlichkeit. (tteberlragrn von Mar Havel.) Lin Liter Wein 256 000 Mark. Bei der in Berlin vorgenommencu Versteigerung von 1920er Flaschen und 1921er Faßwein aus dem Buhlschcn Weingut, wurden für die 1000 Liter Deidesheimer Lcinhöhle Riesling Beeren-Auslesc" 256 Millionen Mark erzielt. Veuienpest in Aegypten. In Aegypten ist eine heftige Epidemie der Beulcnpest ansgebrocheN. In der letzten Aprilwochc wurden etwa hundert Todesfälle der Behörde angezeigt. In großen Städten wie Kairo und Alexandrien sind bisher nur einige Fälle vorgekommen. Todcssturz einer Kokainschmuggleri». Im Zuge Wien—Triest fanden italienische Zollbeamte auf der Station Agelsberg in einem Handkoffer einer Reisenden, der doppelten Boden hatte, 1 Kilogramm Kokain, das von Oesterreich nach Italien geschmug- gelt werden sollte. Die Besitzerin des Koffere, eine 22jährige Frau aus Görz, deren oftmaliges Ueber- schreiten der Grenze schon aufgefallen war, wurde verhaftet. Sie sollte von einem Polizisten nach Triest begleitet werden. Als der Zug langsam in die Station Barcola einfuhr, öffnete die Verhaftete plötzlich das Fenster und' stürzte sich aus dem Wagen. Sie fiel kopfüber, wurde einige Meter fortgerissen und fand den Tod. Bedeutung zu — hat ein Lieblingsthema, ein Harm- loses und ihn doch immer wieder zu Variationen rei zendes: die Leipziger Landschaft. Sucht man sich die Art klarzumachen, wie er den Stoff interpretiert, so muß man zunächst ein paar Negationen feststellen. Er ist durchaus nicht Lokalhistoriker, Ortsschilderer. Wohl zeichnet er gelegentlich Nietzsches Grab oder den Goethepavillon in Rippach, aber die Beziehungen, die ein anderer hier hcrvorkehren würde, spielen bei ihm kaum eine Rolle; das Motiv wird nicht auf die Be deutung hin arrangiert. Anderseits ist er aber auch nicht in dem Sinne Maler, daß er den Charakter einer Landschaft aus ihren feinsten Elementen, Raum und Atmosphäre, zu destillieren wüßte. Der Fern klip über weites Land, das zarte Dunstgewölk vor dem blaffen Atlasblau des Himmels, das sich hier oft beobachten läßt und nach dem die entzückendsten Dil- der gemacht werden könnten, wenn unsere Maler sich nur die kleinen Holländer der Galerie zum Beispiel nehmen wollten, finden in ihm keinen Schilderer. Himmel ist nicht seine Spezialität, und den Wolken fehlt es bei ihm meistens an Leichtigkeit und Be wegung. Er hält sich vielmehr zwischen diesen beiden Auffassungen, der typographischen und der im höch sten Sinne malerischen, und liebt vor allem Fluß landschaften, wo breite Wasserflächen den Reflex zu rückwerfen, Waldinnere mit zerstreuten Sonnen slecken, große Wiesen, auf deren Helligkeit Bäume und Büsche wie auf einem Teiche schwimmen. Die weiche Wärme, die über den Wasserläufen und in den Park landschaften der Leipziger Umgebung lagert, wird durch das Licht- und Schattenspiel vorgetänscht, und da der Ausschnitt oft mit einem Geschick, das mehr instinktiv als berechnet ist, gewählt wird, besitzen viele dieser Blätter tatsächlich etwas Charakteristisches. Es wird weniger das Einzelmotiv als ein bestimmter Landschaftstyp hcrausgearbeitct. Die Schwächen der Zeichnung, namentlich bei der Charakterisierung von Silhouette und Struktur (Bäume), sind nicht zu übersehen. Sie fallen ober eigentlich erst ins Gewicht, wenn man sich fragt, wie nun der Weg des Künstlers vielleicht weitcrgehen kann. Offenbar hat er sich gerade in letzter Zeit mehr der breiten, wischenden Behandlung zugewandt. Cs ließe sich aber auch denken, daß er durch eine noch stärkere Konzentration im Format die Wirkung stei gern könnte. Vielleicht, daß Anknüpfungsmöglich- keiten in einem frühen Blatt (Villa mit Bäumen) ! liegen, das wohl nicht ganz ohne Menzels Einfluß s entstanden ist. Die neuen Exlibris-Holzschnitte wür- den allerdings mit einer solchen Entwicklung nichts zu tun haben. Dr. W Ssirer Das Gewandhausorchester ist aus derSchweiz zurllckgckehrt. Die uns vorliegenden Blätter berichten mit Begeisterung über die Leistungen der Leipziger Künstler und ihres Dirigenten Furtwängler. Zoologenkongreß in Leipzig. Während der Pfingstwoche 1923 findet in Leipzig die 28. Jahres- Versammlung der 1890 in Leipzig gegründeten deutschen Zoologischen Gesellschaft statt. Literarische Notiz. „Der Christ und sein Schatten" oder „Die Geburt des Juden aus dem Geiste der absoluten Moral" ist der Titel eines Buckes von Walter Tschuppik, das in den aller nächsten Tagen im Verlage von Thcod. Thomas in Leipzig erscheint. Das reiche Werk behandelt die Iudenfrage von ganz neuen Seiten und tritt zu den üblichen Betrachtungen über den Antisemitismus 'n einen scharfen kritischen Gegensatz. Darüber hinaus ist das Buch eine umfassende kritische Darstellung der ökonomischen Grundlagen der Moral in ihrer ganzen Bedeutung. — Amerika hat des jungen Dramatikers Bert Brecht „Trommeln in der Nacht" zur Aufführung erworben; nach den großen Erfolgen in Berlin, München, Leipzig, Hamburg fand das Stück auch jüngst bei der Aufführung in Frank- furt a. M. begeisterte Aufnahme. Eine Bibliothek für 1), Millionen Dollar». Die berühmte französische Bibliothek Roederer ist, wie im „Cicerone" berichtet wird, an den amerikanischen An- tiquar Dr. Rosenbach für 1H Millionen Dollars ver kauft worden. Die Bibliothek stellt die reichste Sammlung von illustrierten Originalwerken des 17. und 18. Jahrhunderts dar; sie zählt ungefähr 6000 Bände und 8000 Originalzeichnungen. Die größten Schätze unter den Zeichnungen ist die Folge von 276 Blättern von Oudry zu den Fabeln Lafon- toines und von 136 Zeichnungen Fragonards zu Ariosts „Rasendem Roland". Sin gewandter Verkäufer. Im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel wird der ftflgenbc Scherz aus der Praxis mitgeteilt: Ein Herr kommt in einen Bücherladen und verlangt ei" Buch über den kürzesten Weg zum Reichtum. Der Verläufer, als tüchtiger Angestellter bekannt, leg das Gewünschte vor. Dann fras,t er: „Darf ich vielleicht auch ein Exemplar des Strafgesetzbuches beilegen?" Exzentrisch. Ein junger Amerikaner wird in den nächsten Tagen von einem Flugzeug aus folgende merkwürdige Einladung an Tausende von Personen in Paris niederregnen lassen: Ein Amerikaner, zum erstenmal in Paris, hat den Wunsch, am Dienstag mit einem interessanten Anarchisten der Hauptstadt zu frühstücken, am Mittwoch mit einem Studenten der schönen Künste, am Donnerstag mit einer Schau- spielerin, am Freitag mit einer Person, die an Selbstmord denkt, und am Sonnabend mit einem Mann von Adel. Als Erkenntlichkeit dafür bietet er das Frühstück, Blumen, Musik und eine gescheite Unterhaltung." Danach folgt die Adresse einer amerikanischen Reiseagentur und der Name des orignellen Menschenfreundes, Blywell P. Tompking. Wenn Herr Tompking alle Leute in Paris einladen will, die sich für interessant genug halten, um seinen Ansprüchen zu genügen, dann wird er die Tafel auf dem Konkordiaplntz decken lassen müssen. Die widerrufene Beichte. Eine lustige Geschichte von dem indischen Stamm der Bandar Abbas er zählte Sir Percy Sykes in einer Vorlesung, die er in der Londoner Geographischen Gesellschaft hielt. Als das erste Flugzeug über das Land flog, wur den die Einwohner in die größte Unruhe versetzt. Sie glaubten, daß nun der Tag des jüngsten Ge- richts herangekommen sei, versammelten sich in großen Scharen in der Ebene und begannen mit lauter Stimme ihre Sünden zu bekennen, wobei mancherlei Uebcltaten zur Sprache kamen, die sie gegen das Gesetz und gegeneinander begangen hatten. Als das Flugzeug, in dem sie den strafenden Engel Gottes vermuteten, dann sicher landete und ganz gewöhnliche Europäer ihm entstiegen, war die Enttäuschung groß, und aller bemächtigte sich pein- lichste Verlegenheit wegen ^der Offenherzigkeit, mit der sie ihre geheimsten Taten ans Licht gebracht hatten. Ein paar Tage wagte keiner dem andern recht ins Gesicht zu sehen; affe fühlten sich unsicher, und schließlich hielten sie eine feierliche Versamm- lung ab, in der sie schworen, daß das, wn« sie bei dieser Gelegenheit gesagt hätten, vergeben und ver gessen sein solle und daß keiner deswegen »erfolgt oder ongefeindet werden dürft.
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