Volltext Seite (XML)
8ette 2 «r. 106 gcheure Bedeutung der Lehrerschaft fitr den Staat. Zweierlei muß nun von der Treue der Lehrer verlangt werden: daß sie nichts unter nehmen, - um dem Heranwachsenden Geschlecht die Lust am eigenen Staat zu nehmen; und daß sie nichts unterlassen, um schiefe Meinungen Uber den Staat und seine Verfassung zu bekämpfen. Es kann nun einmal nicht gesagt werden, daß die Lehrerschaft sich immer dieser Pflichten be wußt gewesen wäre. Die Mörder Nathenaus hätten, richtig erzogen, Hemmungen des Gefühls und auch der Einsicht haben müssen. Aber soll staatliche Vorsicht nicht berechtigt sein, wenn selbst nach dieser ungeheuren Tat ein Komplice auf der Schule noch gehätschelt wird, wie dies am Steglitzer Realgymnasium der verdorbene Jung- ling Stubcnrauch genoß? Soll der Staat ruhig zusehen, wenn — wie dies erst jetzt in München geschah — Gymnasialprofessoren ihre Zöglinge „in Bereitschaften einteilen"? Dabei verlangt die Republik beileibe keinen „republikanischen Geschichtsunterricht". Friedrich ll. bleibt Frie drich der Große. Aber welche Dissonanz liegt doch darin, daß eine Jugend neun Jahre zur Bewunderung der Republiken Rom und Athen erzogen wird, um aus derselben Schule eine Erinnerung an die monarchische Le gende mitzunchmen, über die auch mancher Landgerichtsdircktor nun einmal nicht hinweg kommt! Wenn die Republik — diese für Deutschland nach Menschen Ermessen auf lange Zeit einzige Staatsform — die Jugend vor gehässigen und aufreizenden Bestrebungen zu wahren sucht, so verhindert sie Möglichkeiten, die diese Jugend wie alle Bürger nur ins Verderben stürzen können. Die Frage ist gar nicht: Republik oder Monarchie? Die Frage ist: was ist die notwen dige Staatsform? Die jetzt bestehende Form ist geschichtlich bedingt durch das Abstcrbcn der monarchistischen Willenskraft und das Empor kommen des Volkswillcns, des echt völkischen Willens. Diesem müssen die Beamten der Republik, des Volkes, dienen. Wer das nicht über sich gewinnen kann, kann auch nicht Bc- nmter bleiben. Nontrollausschüsse und Beamte DrakrtberiKt unserer Dresdner Tchrtstleitung Dresden, 5. Mai. Das Wirtsäjastsnnnistcrium gibt über die Aus legung der Bekanntmachung über die Einrich tung von Prcisprüfungs st eilen folgende Richtlinien: Beamte dürfen auch weiterhin Mitglieder der Preisprüfungsstellen sein, da die Kontrollausschüsse den Preisprüfungsstellen nur ungegliedert sind. Das Wirtschaftsministerium erhebt keinerlei Ein wendungen dagegen, wenn Beamte in die Kontroll ausschüsse gewählt werden Wenn die Beamten in der Verordnung nicht eigens genannt wurden, so ist es nur deshalb geschehen, weil die Organisations verhältnisse in den einzelnen Orten sehr verschieden önd und in einem kleinen Ausschuß nicht jeder Be rufsgruppe eine Vertretung «gebilligt werden kann. Eine grundsätzliche Ausschließung der Beamten ist nicht beabsichtigt und das Ministerium erwartet, daß die Organisationen der Arbeiter, Angestellten und Beamten sich über diese Frage leicht verständigen werden. -x- Im weiteren Verlauf seiner Sitzung nahm der Sächsische Landtag am Freitag einen Antrag der Kommunisten an, das Strafveisahren gegen den kommunistischen Redakteur Ellrodt auf sich be ruhen zu lassen, da es sich hierbei um einen Irrtum handle. Ferner wurde die Regierung beauftragt, das Rcichsverkehrsministerium zu ersuchen, daß bei den künftigen Gütertarifen den berechtigten Inter essen des Spcditionsgewcrbcs Rechnung getragen werde. — Nächste Sitzung: Dienstag, 8. Mai: Ge meindeordnung. 1»e!pr!ger iLgsdlstt lmä »Lollelsreittzay .,, ....... . Zeugenvernehmung-Krupp-Prozeß LormtLg, üea 6. Eigener Drahtbrricht unseres Sonderberichterstatter». Werden, 5. Mai. Die heutige Verhandlung beginnt mit einiger Verspätung. Al» erster Zeuge wird Herr v. Bülow aufgerufen, ein Bruder des früheren Reichskanzlers Fürst v. Bülow, der Herrn Krupp »on Dohlen und Halbach auch persönlich nahestcht undauf der Villa Hügel wohnt. Er ist am Ostersonnabend mit Herrn Krupp von Pohlen und Halbach nach der Fabrik ge fahren. Kurz vor der Abfahrt hat er von dem Pförtner der Villa Hügel erfahren, daß ein französi- sches Detachement nach der Fabrik gekommen sei. Der Zeuge ist Abteilungschef und hat bereits vorher den Auftrag erhalten, mit französischen Kommissionen zu verhandeln, falls solche in den Betrieb kommen. Da das französische Detachement nur zum Schutz einer angekündigten Kommission, die nachfolgen würde, galt, hat sich der Zeuge nicht um das Detachement gekümmert, sondern die Ankunft der Kommission er wartet, um sic dann seinem Auftrag gemäß zu emp fangen. Er hat gehört, daß Direktor Schräpler ge sagt hat, die Arbeiter wünschen, die Sirenen gehen zu lassen. In der Voruntersuchung soll der Satz anders gelautet haben. Der Zeuge bekräftiat aber heute, daß die Arbeiter den Wunsch geäußert haben, daß die Sirenen gezogen werden. Er bestätigt auch ferner, daß die Direktoren Schräpler und Kunz es gewesen sind, die den Befehl zum Ziehen der Sirenen ggeben haben, nachdem sie mit den Mitgliedern des Arbeiterrates verhandelt haben. Der nächste Zeuge ist einer der französischen Soldaten, die dem Kommando angehörten, die nach der Auto- Iwlle aeschickt wurden. Er erkennt in der Reihe der Angeklagten niemand wieder und auch, als ihm der Angeklagte Müller gegenübergestellt wird, kann er ihn nickt als den Mann wiedcrerkenncn, der sich als Chef der Autohalle vorgestellt hak. Er erzählt die Vorgänge des Vormittags in der gleichen Weise, wie sie schon der französische Leutnant geschildert hat, und bleibt bei der Behauptung, daß der Mann, der gekommen sei, sich als Ehcf der Autohallc vorgestellt habe. Er erzählt, daß die große Menge, die sich an gesammelt habe, ihnen das Gefühl der Furcht einaeflößt habe, und daß sie sich in das Innere der Halle zurllckzogen, da sie sich bedroht fühlten. Als die Menge in das Innere der Halle zu dringen schien, sei der Befehl zum Schießen gegeben worden, aus der Besorgnis heraus, daß sie sich in Lebens gefahr befanden. Der Zeuge hat als Dolmetscher gedient. Der Angeklagte, Betriebsrat Müller, wurde hierauf nochmals einem Kreuzverhör durch den Präsidenten und den Ankläger unterworfen, aber die Mißverständnisse in den beiden Aussagen ließen sich nicht aufklären. Der französische Zeuge belbt dabei, daß Müller sich als ein Chef vorgestellt habe, wäh- rend Müller behauptet, nur erklärt zu haben, er sei der Sprecher des Betriebsrats. Während der Vernehmung des Zeugen erhebt der Staatsanwalt Einspruch, daß Direktor Oesterle, der neben Müller sitzt und der französischen Sprache voll- kommen mächtig ist, mit Müller spricht. Direktor Oesterle erklärt, daß er nur Müller die Aussagen des Zeugen übersetzt habe, weil er bemerkte, daß Müller falsch antwortete. Der Präsident des Ge richtshofes läßt dem Angeklagten, Direktor Oesterle, erklären, daß er nur mit den Anwälten sprechen dürfe, nicht aber mit einem Mitangeklagten. Müller muß den Sitz wechseln und es wird ihm ein anderer Stuhl am anderen Ende der Anklagebank angewiesen. Der Zeuge Ehequier behauptet, er wolle genau gehört haben, daß der An geklagte Müller die Menge aufgefordert habe, um die Garage Herumzuzehen, „dann habt Ihr die Fran zosen . Müller bestreitet das entschieden. Der Zeuge erbebt die Hand und erklärt: „Ich schwöre!" Dann behauptet er, gesagt zu haben, daß, wenn die Menge nicht von dem Eingang Weggehen würde, Feuer ge geben werden müsse. Müller behauptet, es sei ihm ausdrücklich gesagt worden: nur den Eingang frei zu machen, während der Zeuge angibt, die Straße müsse freigemackt werden. Im Kreuzverhör der Ver teidigung muß dann der Zeuge zugeben, daß es möa- lich sei, daß Müller sich nicht al» Lhef der Autohalle vorgestellt habe, er bade sich auch als Betriebs besitzer bezeichnet (wahrscheinlich hat Müller sich als Bctriebsratsbeisitzer bezeichnet). Außer diesen Zeugen werden noch drei andere Soldaten vernommen, die dem Kommando »ugeteilt worden waren. Der eine sagt, schon um 8 Uhr seien 200 Ar- beiter vor der Tür versammelt gewesen. Dieser Zeuge will gesehen haben, daß Müller von einem Arbeiter kochgehoben und auf die Schulter ge setzt wurde. Wahrend Müller zur Menge sprach, soll nach der Aussage des Zeugen in unmittelbckter Rahe des Müller ein Mann aus der Menge einen Para- bellum-RevoWer mit der Hand geschwungen Huben. Müller wird darüber gefragt und erklärt, er sei nicht Soldat gewesen und habe auch in der Fabrik nie etwas mit Waffen zu tun gehabt. Er könnte nicht sagen, ob das eine Pistole gewesen sei. Er habe gestern schon gesagt, es sei wahrscheinlich eine Waffe öder ein Teil einer Waffe gewesen, die aus dem Schrott herausaenommen wurde, weil in der Nähe der Autohalle sich ein Martinwerk befindet, das zer schlagene Waffen als Schrott verbrauche. Dann werden als Zeugen zwei Offiziere vernommen, die in einem Auto während der Ver sammlung dl» Altendorfer Straße entlang nach dem Rhein-Herne-Kanal fahren wollten. Der eine davon ist ein Marineoffizier. Das Auto wurde zwar an gehalten, aber man hat cs dann doch weiterfahren lassen. Dagegen wurde ein später vorüberfahrendes Auto von der Menge angehalten und nicht weiter- gelassen. In diesem saß das Mitglied der Ingenieur kommission Sowden, der nun Zeuge ist. Sowden wurde aus dem Auto gezogen, aber man brachte ihn gleich nach der Feuerwehrhauptmache, die sich in dem selben Gebäude wie die Autohalle befindet. Dort behielt ihn der Lhef der Feuerwehr bei sich, bis s» möglich war, ihn mit einem mit fünf Teuerwehr- leuten besetzten Wagen sortzubringen. Die Feuer wehr bildete Spalier bis zum Wagen, konnte aber nicht verhindern, daß der Zeuge mehrere Stockschläge erhielt. Dann wirb der Angeklagte Direktor Hartwig vorgerufen. Direktor Hartwig erklärt: Ich habe die Zettel gesehen, die nach der Schießerei aus dem Hauptverwaltungsgebäude auf die Menge herab geworfen wurden. Vorsitzender: Waren die Zettel geeignet zu beruhigen oder aufzureizen? Angeklagter Hartwig: Ich kenne den Inhalt der Zettel nickt. Ich habe im Zimmer einen jungen Mann getroffen, Ser ein Paket Zettel in der Hand hatte und davon her unterwarf. Ich habe das Paket sofort weggcriflcn und habe den jungen Mann aus dem Zimmer ver wiesen und ihm verboten, weiter Zettel herunter zuwerfen. Dann habe ich einen mir unterstellten Herrn beauftragt, sofort in alle Zimmer zu gehen und den Unfug des Flugblattwcrfen» sofort zu ver bieten. Staatsanwalt: Wie ist es möglich, daß Leute mit Paketen von Flugblättern in bie Fabrik ge- langen konnten? Direktor Hartwig: Das Personal kommt mit den Aktenmappen, und es ist unmöglich, den Inhalt dieser Mappen zu kontrollieren. Präsi dent: Wie kommt es denn, daß 40 Minuten nach Ihrem Verbot immer noch Zettel aus dem Fen- ster herabgeworfen wurden? Direktor Hartwig: Ich glaube nicht, daß die Zeitangaben stimmen, aber man muß bedenken, daß das Hauptverwaltungs gebäude ein Riesenbau mit unzähligen Zimmern ist und daß es eine ganze Weile dauert, bis mein Befehl durch alle Zimmer gekommen sein konnte. (Die Verhandlung dauert fort.) * '! " r In der gestrigen Nachmittagsverhand lung wurde in die Vernehmung der' angeklagten Direktoren eingetreten. Der kaufmännische Direktor Bruhn sagte au», daß er nach einer länaerea Reis« am Sonnabend vormittag S Uar in die Fabrik kam. Einige Nitnuten später haben die Sirenen zu heulen begonnen. Er war wohl erstaunt darüber, doch wußte er vom Hörensagen, daß im Falle einer fran zösischen Besetzung die Sirenen gezogen werden sollten. Direktor Schräpler, der die Arbeiterange legenheiten unter sich hat, sagte ihm, daß der Alarm durch die Sirenen vom Arbeiterrat, vom Direktor Schräpler und Direktor Kunz beschlossen worden war. Schräpler und Kunz hatten in erster Linie mit dem Betrieb»rat zu verhandeln. Während der Sitzung des Direktoriums, in der finanzielle Fragen erörtert wurden, kam die Meldung, daß von den französischen Soldaten geschossen worden sei. Heber die Organisation des Direktorium» befragt, erklärt Dirktor Bruhn, daß da» Direktorium wohl eine gemeinsame Verantwortung trage. Jeder Di- rektor ist aber in erster Linie für sein Dezernat ver antwortlich. Es sei dies genau wie in einem Mi- nisterium, wo der Minister de» einen Ressorts nicht verantwortlich gemacht werden könne für die Vor gänge in einem anderen, der Oeffentlichkeit aber gegenüber das Gcsamtministerium die Verant wortung trage. Die Aussagen der beiden anderen Direk toren decken sich mit denen des Direktors Bruhn. Auch sie gaben übereinstimmend an, daß die Sirenen nach einem Beschluß des Betriebsrates gezogen wor den sind. - Vie Aussagen Müllers Mit besonderer Aufmerksamkeit wurden dann dis Aussagen des Arbeiters Müller verfolgt: Der Betriebsrat wurde sofort nach dem Erscheinen der Franzosen zusammenberufen. Müller begab sich so- dann zum französischen Kommandanten und stellte sich als Sprecher des Betriebsrates vor. Der Be triebsrat sei nach dem deutschen Fabrikgesetz für den ungestörten Fortgang der Produktion des Werkes verantwortlich und müsse deshalb auf das Der- bleiben der Automobile, die den Bedürfnissen der Arbeiterschaft dienten, bestehen. Der französi sche Offizier machte nur eine ab- wehrende Handbewcgung. Müller ging hierauf mit einem anderen Kollegen in die Sitzung des sofort einberufenen Ausschusses des Betriebs rates, wo der Beschluß gefaßt wurde, die Tatsachen dem Direktiorium zu melden. — Diesen Satz mußte Müller dreimal wiederholen, weil das Gericht ihn in französischer Sprache protokollieren ließ, woraus zu ersehen ist, daß die Anklage auf diesen Moment das größte Gewicht legt. Bei der Beschreibung der Vorgänge vor der Automobilhalle führte Müller aus, daß tatsächlich mehrere Leute Werkzeuge in den Hän- den schwangen. Einer schien sogar einen Revolver zu haben. Müller versuchte diesen Mann zurück zudrängen und wurde von ihm geschlagen. Ebenso suchte der kommunistische Betriebsrat Zander, der als erstes Opfer von den Kugeln der Franzosen getroffen wurde, die Demonstranten zurückzudrängen. Gegen die Riesenmenge war dies unmöglich. Von hinten wurde vorwärts gedrängt, und die vordersten Per sonen wurden in die Automobilhalle, wo die Fran zosen standen, hineingestoßen. In diesem Augenblick ließ der Offizier feuern und Müller sah neben sich seinen Kollegen Zander getroffen zu Boden stürzen. Damit war die Vernehmung der Angeklagten er ledigt. Es wurde dann der französische Leutnant Durieux vom 171. Infanterieregi ment vorgerufen. Seine Aussage belastet den Be triebsrat Müller in erster Linie, der sich ihm als Lhef der Automobilhalle vorgestellt habe. Müller be streitet diese Aussage sofort und erklärt dies als einen Irrtum des verdolmetschenden französischen Soldaten. Leutnant Durieux fuhr jedoch fort, daß der Betriebsrat die Menge nicht beruhigt, sondern noch mehr aufgehetzt habe. Müller repliziert sofort ganz entschieden und sagte, er hätte sogar sein Leben aufs Spiel gesetzt, da er noch nach den ersten Zu- sammenstößen zu beruhigen versucht habe. Darauf wurden die Verhandlungen auf Sonn abend vertagt. , , Auf einer Besprechung in Berlin beschlossen die Vertreter des Bergbaues, bis auf weiteres keine Kohlenpreiserhöhung eintrcten zu lassen. Weitere politische Nachrichten siehe Seite 13. Oer verlassene Don cko»«r« tz/Istr Stoll ging immer rund um die indische Matte seines Herrenzimmers, wohl schon zum zwanzigsten Male, einen Brief in der Hand, in den er von Zeit zu Zeit hineinblicktc, um immer wieder den Kopf zu schütteln. „Unfaßbar! Einfach unfaßbar!" Der Diener trat ein und meldete, diskret wie in einem Trauer hause: „Fräulein Fink." — „Meine Frau ist verreist, und ich bin nicht zu sprechen." Der Diener ver neigte sich. „Oder halt mal . . . Ich lasse bitten." Fräulein Fink erschien, schnell und geräuschvoll wie stet». „Guten Tag, Franz. Was gibt's? Sie sehen ja ganz verstört aus." „So?" — Er fuhr sich übers Haar. „Annette ist verreist." „Verreist?! — Annette?!" — „Sie wissen es nicht?" „Keine Ahnung." „Und Sie haben auch nicht» bemerkt?" „Bemerkt? . . ." „Gut, dann will ich Ihnen etwa» vorlesen." „Ich darf mich wohl setzen," sagte Fräulein Fink, ließ sich in einen Klubsessel nieder und schlug die Beine so übereinander, daß ihre Seidenstrümpfe zur besten Geltung kamen. Stoll nahm den Brief und las: „Lieber Franz, wenn Du heute nach Hause kommst, wirst Du mich nicht mehr finden, denn ich bin dem Zuge meines Herzen« gefolgt. Ja, des Herzen»! Der Leiden schaft! Der Liebel Du bist eine wohltemperierte Ndtur und kannst vielleicht nicht ermessen, was da» heißt: ein heiße» Herz besitzen. Unser Heim war gemäßigte gone. Eine Landstraße, auf der man sicher schritt, und. . . Na" — unterbrach er sich —, „Ich will Ihnen diese landschaftliche Schilderung er sparen. Aber jetzt!" Er las weiter: „Du nahmst keine Notiz von meinen Seelenkämpfen, von meinem Ringen, und ich empfand, daß Deine ruhige Zu neigung zu mir in völlige Gleichgültigkeit über- geganaen war. So tue ich, wa» ich tun mußte, lass« mick fortreißen vom Sturm der Leidenschaft, um- glühen vom Gluthauch der Sonne, des Glück». Ich gebe mein übervolles Herz in die Hände dessen, der e» nicht achtlos beiseite lassen, sonder« «» eit»- schließen wird in den Schrein seiner Liebe. Zürne mir nicht und gib mich frei. Du bist ein Mann, ein wahrer Mann, dem meine Achtung gehört, dessen Tatkraft ich bewundere usw. — Na, was sagen Eie dazu?" „Ich bin sprachlos. Also ist sie wirklich mit Herwald" „Durckgegangen, ja. Unfaßbar, nicht wahr?" „Na, das gerade nicht " „Was?!" „Daß sie sich für ihn interessierte, wußte ich ja, daß sie ihn aber s o liebte!" „Oder sich s o langweilte! " „Sie langweilte sich nicht, bei ihren vielen Inter essen! Schon ihre Vorliebe für die Musik." „Sie sehen, wohin die geführt hat." „Er sang wunderbar." „Einen Mann zu lieben, der sich hinstcllt und das Maul aufreißt!" „Sie Realist!" „Gerade so gut hätte sie sich in den Flügel ver lieben können. Oder in ein Grammophon!" „Das sagen Sie nur in Ihrer Wut, denn Sie, ein Mann von Kultur . . ." „Da soss. einem nicht alle Kultur vergehen!" „Was wird nun werden?" „Glücklich wird sic werden." „Ich begreife nur nicht, daß sie es mit Ihnen nicht war. Verleugnen Sie Ihren Schmerz nicht, vor mir nicht, ich fühle mit Ihnen." Und Fräulein Fink arrangierte ihre Deine anders und seufzte. „Sehr nett, aber von wenig Nutzen." „Oh, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann —" „Was soll ich tun?! Schreien, Fluchen, sie zurück holen?!' „Das letztere jedenfalls nicht," sagte Fraulein Fink schnell. „Maa sie so glücklich werden mit dem — — dem Instrument." „Wir edel Eie sind!" Fräulein Fink warf ihm einen warmen Blick zu. .Annette war Ihrer nicht wert." „Nein, sagen Eie nichts gegen Annette! Sie war reizend, und ich war vielleicht wirklich zu nüchtern für sie." „Es gibt wertvollere Frauen, sie war »ine Puppe" .Aber eine entzückende." > - ' ^' !- „Glauben Sie mir, Franz, ich zum Beispiel, ich würde einem solchen Mann die Hände unter die Füße breiten, würde teilnehmen an all seinen ge schäftlichen Sorgen " „Sich um meinen Zement kümmern! Das könnte mir gerade passen!" „Durch Feuer und Wasser würde ich mit ihm gehen." „Nein, danke, die Frau soll auf der Erde blei' ben, die ist ihr Element." „Armer Freund, aus Ihren Antworten kann man ermessen, daß Sie nie erfahren haben, was wahre Liebe des Weibes ist." Fräulein F'nk seufzte wieder. Diese Männer waren sehr scl üerig. „Seit ich ' > neue Zcmentniederlage habe, habe ich wenig Zc für Annette gehabt, da hat sic sich einfach getan veilt, und da kam ihr dieser Schrei hals eben re t. Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich ihn hina ^gewiesen und ihr ein erstklassiges Grammophoi gekauft." „Die Mi k allein war es wohl doch nicht, jeder Künstler da etwas Dämonisches, hat eben dieses d ses Unfaßbare." „Mir er yien er nie unfaßbar. Er aß wie ein Drescher un > trinken tat er im gleichen Tempo." „Auch v r er schön." „Schön?! Ich bemerkte nur, daß er immer frisch aufgebllgelt war." „Männer erkennen die Schönheit de» Mannes nicht. Und was werden Sie nun unternehmen?" „Was soll ich denn unternehmen? Wenn ich ihn totschieße, wird Annette wahrscheinlich unglücklich." „Sie wollen sie in Ihrem Edelmut noch schützen!" „Wenn einer von un» beiden unglücklich wird, ist es doch gerade genug." Fräulein Fink sprang auf. „Sie wundervoller Mensch!" Da klingelte e». Man hörte Stimmen, und gleich daraus stürzte Annette in« Zimmer. „Franz! Liebster!" rief sie und fiel ihrem Mann um den Hal». „Gott sei Dank, daß ich dich noch habe, dich wiederhabe! Franz, kannst du mir verzeihen?" „Leg' erst mal ab." — Er war ihr dabei be- h s„^enn du wüßtest, wie entsetzlich . . „Aber so reg' dich doch nicht so auf! Komm, nimm Platz!" — Lr führte sie zum Sessel, in den sie sich niederließ, um gleich wieder aufzusprtngen. „Denke nur, in der Dahn nahm er gleich einen Zahnstocher! So wa» hättest du doch nie getan! Ja, und dann nahm er eine Nagelfeile. Dann hat er geschimpft, daß er so früh eufftehen mußte, Und gegähnt hat er, ohne sich die Hand vorzuhalten, was ich von dir her doch gar nicht gewöhnt bin." ?- Stoll unterdrückte ein Lächeln. „Und dann hat er gesagt, das erste, was er im Hotel tun würde, wäre Hummern essen, denn die wären hier nie erstklassig gewesen. Aber ich habe nicht gewartet, bis er Hummern zu essen bekam, ich bin an der nächsten Station ausaestiegen, ich habe gesagt, ich wolle mir etwas die Füße vertreten. Dann bin ich zu weit fortgeaangen und habe den Zug abfahren lassen. Lr rief au» dem Fenster: „Das ist ja unerhört! Da« kostet mich ja zu viel Zeit!" Aber ich habe mich nicht weiter um »hn und seine Zeit gekümmert. Ja, und dann . . . Darf ich nun wieder hierbleiben, Franz?" „Aber selbstverständilch! Ich habe dein Aus reißen überhaupt nicht ernst genommen» Du hattest immer einen viel zu guten Geschmack, al» daß . . ." „Reden wir nicht mehr von ihm." Indessen war Fräulein Fink, die sich unbemerkt von den beiden im Hintergrund de» Zimmer» ge- halten hatte, vorgetreten. „Bitte," fragte sie hastig, „nach welcher Stadt fährt er, und in welchem Hotel steigt er ab? Ick mache mir nicht» au» Zahn- stochern und Nagelfeilen. Und i ch kann e» begreifen, daß man nickt gern früh aufsteht, und daß man lieber guten Hummer ißt statt schlechten. Ich weiß die Liebe eines Mannes zu schätzen." „Lisa!" rief Annette entgeistert, wahrend Stoll zustimmend meinte: „Sie sind wahrhaft edel, Lisa! L r ist der Verlassenere von un» beiden, nehmen Eie sich seiner an!" «u» de« reh«ierd»re»u«. (DiLd tische Büh nen.) Infolge de« «rotzen Andranges wird DSblin» Schauspiel .Di« Nonnen von Kemnada' heute Sonntag, den 6. Mat, autzer Anrecht gegeben. Di« für diesen Tag geplante Wiederaus nahm« von Schiller« .Jungfrau von Orleans' wird infolg«r»efskn auf Sonnabend, den iS. Mat vertagt. — In der Ausführung von .yaust I" Montag, den 7. Mai, Ipielt DbeaKafleuda» Gretchen. Anfang 6.30 Uhr. Heute Sonntag, den 6. Mat. sind« tm Neuen Operettentheater dte letzte Ausführung „Der Ztgeuner- daron' in dieser Spielzeit statt. Für Donnerstag. den 10. Mai. ist al» volttzÄmItche vorsUSuna „Die Aleder- man»' nachmittags L Uhr angesetzt. Der vordeHaus be ginnt Montag, den 7. Ma«, an der rageOkaS«.