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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305069
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230506
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230506
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-06
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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Da» Lekp»iger Tageblatt enthSlt a»tliche Be»a««t»ach«gge« be» Rate» der Etadt Leivsi«. des VolizelvrättdiumS Leipzig, deS Amtsgericht» Leipzig, »omie verschiedener anderer Behörden Xr. 106 einrslnummvf 200 ivis^ SoonlLg, äea 6 Ms! 1923 ^srn-^usssve 117.)üdrg. Oer Gegenplan - Ir. Leipzig, 5. Mai Cs hat gewiß keinen Menschen in Deutschland gegeben, der von so heillosem Optimismus beseelt war, daß er glaubte, der deutsche Reparations- plan werde von Frankreich als Verhandlungs basis anerkannt werden. Cs liegt im Wesen eines zu schließenden Abkommens, daß die Mei nung des Gegenkontrahenten über das Angebot hinauszugehen strebt. Während aber bisher von der Gegenseite durchweg Leistungen verlangt wurden, die von vornherein undiskutabel waren, tritt uns mit dem neuesten Reparations plane Frankreichs ein Leistungsvcrlangen entgegen, das kaum anders verstanden werden kann, denn als erster Schritt zum Verhandlungs tisch. Das soll nicht heißen, daß das französische Reparationsveriangen, wie es uns in diesem neuesten Plane cntgegcntritt, von uns angenom men werden könne; cs soll nicht einmal heißen, daß dieser Plan in der vorliegenden Form schon eine Verhandlungsbasis bilden könne, aber es heißt unstreitig, daß Has heutige französische Verlangen einen Ausgangspunkt sollte geben können, um schl eßl'ch die mittlere Linie, dus. was von beiden Seiten unterschrieben und ge halten werden kann, zu finden. Punkt » des französischen Planes sieht eine Gesamtleistung Deutschlands von 5 5 bis 60 Mi Hard en Goldmark vor, die sich bet einem vollständigen englischen Verzicht auf 45 Milliarden Goldmark ermäßigen würde. Das deutsche Angebot hatte 30 Milliarden Goldmark als Höchstgrenze genannt, den Weg zu einer höheren Leistung aber dann offen gelassen, wenn internationale Sachverständige eine höhere Lei stungsfähigkeit Deutschlands finden sollten. Die deutschen 30 Milliarden Mark stellen einen Jetzt- wert dar, die französischen 55 bis 60 bzw. 45 Millarden Mark einen Zukunftswert. Da durch verringert sich die Spannung zwischen dem Betrage, der von Deutschland angeboten wird, und dem Betrage, den Frankreich fordert, noch um die Zinsendifferenz. Im übrigen sind die Zahlungsmodalitäten ein wichtiger Bestandteil der Zahlungsfähigkeit. Cs sollte daher, wenn beide Parteien sich mit der ernstlichen Msicht, zu einem friedlichen Ende zu kommen, an den Tisch setzen, der Unterschied in der Meinung über Deutschlands Leistungsfähigkeit kein unübermind- lichcs Hindernis mehr sein, eine Einigung über die rein finanzielle deutsche Leistung zu erzielen. Auch über Punkt c, der einen Wirt schaftsvertrag zwischen Deutschland, Bel gien und Frankreich vorsieht, müßte sich reden lassen. Die Benennung Lothringens scheint darauf hinzuweisen, daß Frankreich zunächst ein Absatzgebiet für seine Minette sucht. Darüber hinaus aber dürfte es ihm unstreitig darum zu tun sein, diesen Wirtschaftsvertrag zum Instru ment seiner wirtschaftlichen Vormachtstellung zu machen. Aber es wird sich fragen, ob es besser für die deutsche Wirtschaft ist, es darauf an- kommen zu lassen, ob sich der französische Einfluß gewaltmäßig durchzusctzen vermag, oder ob man nicht doch vielleicht den französisch» Wünschen so weit entgegenkommt, um bei völliger Gleich- berechtigung der Vertragsgegner für beide Teile vorteilhafte wirtschaftliche Vereinbarungen zu treffen. Ob Frankreich sich mit einem so be schaffenen Wirtschaftsverträge zufrieden geben würde, ist eine Frage, die eben dadurch erst be antwortet werden könnte, daß entsprechende Ver handlungen'nicht zu einem Ziele kommen. Aber so lange dies nicht feststeht, dürfte kein Grund vorliegen, zu sagen, daß inan prinzipiell nicht über diesen Punkt sprechen könne. Punkt b ist ein Widerspruch in sich selbst: „In einem entmilitarisierten Rhein- und Ruhrgebiet soll eine internatio nale Verwaltung der Eisenbahn ynd der Bergwerke eingerichtet werden." Wir glauben nicht, daß in Deutschland irgendjemand etwas gegen die Entmilitarisierung dieser Gebiete haben wird. An der Entmilitarisierung wäre Deutsch, land schließlich kaum beteiligt, und wenn die Franzosen ihre Truppen aus dem Gebiets zu- rückzfi-hen wollen, so würden wir uns höchstwahr - schcinlich nicht dagegen sträuben! Aber das ist es ja eben, daß Entmilitarisierung lediglich h'ißt, cs dürfen zwar keine deutschen Truppen dort sein, aber das „entmilitarisierte" Gebiet bleibt weiter dec Tummelplatz weißer und schwarzer Bcsatzungstru'.pen. Eine derartige Entmilitari- jiecung ist für Deutschland unannehmbar. Auch über eine internationale Verwaltung der Cheubahnen und Bergwerke kann nicht debattiert werden, ^enn diese internatonale Verwaltung heißt auf gut Deutsch französische Verwal tung, und wir haben schon ein „international" verwaltetes Saargebiet und müssen es dankend ablehncn, in den übrigen deutschen Ländern einen internationalen, das ist französischen Haus- Herren, zu bekommen. Und schließlich dürfte es auch über die Art der N ä u m un g d e s Ruhr- gebietes kaum eine Meinungsverschiedenheit in Deutschland geben. Dabei wäre die Räu mung durchaus im Sinne des strtus guo ams ins Auge zu fassen, das heißt: alle die „Erfolge", die die Besetzung gehabt hat, müssen ungeschehen gemacht werden. i Das mögen noch schwere Differenzen I zwischen dem deutschen und dem französischen ! Standpunkt sein. Aber man bedenke, wie lange Frankreich gezögert hat, auszusprechen: ick) will die Vormachtstellung über Deutschland. Und wenn es diesen Willen in dem neuen Repara tionsplane verblümt ausspricht, so wird es sich offiziell doch dagegen wehren, daß man dem Plane einen solchen Willen „unterschiebt". Das aber ist eine Schwäche des französischen Repara- tionsplanes, die das Licht scheut, und darauf hinweist, daß ein solch frommer Wunsch immer hin einer Einschränkung fähig ist. Und so sollte j denn der französische Reparationsplan, als ' Ganzes genommen, doch einen Ausgangspunkt ! bilden können, eine mittlere Linie zu finden. Rückfragen der Alliierten Deutschland soll um ergänzende Mitteilungen über Garantie und Pfänder ersucht werden Lonv on, 5. Mai. Trotz ver Mitteilung von der Ver werfung der deutschen Note durch das französische Kabinett werden die Alliierten, an die sie ebenfalls gerichtet war, noch eine wohlüberlegte Antwort formu lieren. Die Haltung der italienischen Re gierung stimmt mit der Großbritanniens überein, Es steht beiden Nationen offen, eine wohlüberlegte Antwort an Deutsch land zu erteilen, und eS wird für möglich angesehen, datz alle Alliierten die deutsche Note nicht rundweg verwerfen, sondern datz Deutschland um ergänzende Garantien und Pfänder ersucht wird, bevor irgendwelche Verhandlungen eröffnet werdey. Es ist klar, datz Frank reich auf keiuxGFaH in eine offene Eröff nung eintritt, bevor die Grundlage dieser Erörterung feststeht und für das fran zösische Kabinett befriedigend ist. Alan wagt in hiesigen politischen Kreisen nicht zu hoffen, daß Deutschland unmittelbar nach den Vorschlägen des Kabinetts Tuns—Rosenberg neue Vorschläge machen könnte, die den Forderungen Frankreichs in den eben erwähnten drei Fragen Genüge leisten. Unter diesen Umständen konzentriert sich das Interesse der französischen Verständigungs politiker für den Augenblick vollständig auf den Meinungsaustausch mit den Verbün deten. Trotz der schweren Bedenken, die weite Kreise in Frankreich gegen die englische Führung in der Erörterung der Reparationsfrage haben, wür den die französischen Derftändiyungspolitiker einen interalliierten Lösungsversuch doch einer Fortdauer der gegenwärtigen französisch-belgischen Sonderpoli tik vorziehen in der Hoffnung, mit Hilfe Englands leichter zu einer Verständigung mit Deutschland ge langen zu können. Lurzon warnt EigknerDrahtbrricht de« Leipziger Tageblattes London, 6. Mai. Aus den jetzt vorliegenden ausführlichen Be richten über die gestrige Rede Lord Eurzons geht hervor, daß der englische Außenminister ausdrücklich davor gewarnt hat, einen gordischen Kno ten durch das Schwert lösen zu wollen. Faden nach Faden müsse in geduldiger Arbeit herausgczogen werden. Dann folgte ein Satz, der mit lebhafter Zustimmung ausgenommen wurde: „Ich stehe nicht vom Schachbrett auf, ich setze mich viel mehr wieder hin und versuche eine neue Kombination auszudenken." Deutlicher als in diesen Worten konnte der Minister nicht seiner Ansicht Ausdruck verleihen, auch weiterhin in dem Sinne zu wirken, Deutschland und Frankreich einander näher- zubringen. Gestern vormittag, bevor Lord Curzon seine Rede hielt, empfing er die Botschafter Frankreichs und Bel giens. Der belgische Botschafter setzte ihm die Be denken der Brüsseler Regierung gegen die deutsche Note auseinander. Der französische Botschafter hat, wie der Daily Telegraph behauptet, in einer für Eng land verletzenden Form Lord Turzon eine Abschrift der für Deutschland bestimmten französischen Note an geblich mit dem Bemerken überreicht, sie sei nur zur Kenntnisnahme bestimmt Der Ber'l-bt- erstatter dieses Blattes betont auf Grund amtlicher englischer Informationen, man würde es in England allenthalben für begreiflich gehalten haben, wenn Frankreich und Belgien etwa erklärt hätten, sie wür den, da sie das Ruhrabenteuer auf eigene Faust un ternommen haben, auch selbst Deutschland ihre Be dingungen über Form und Zeitpunkt der Räumung stellen. England sei aber berechtigt zu verlangen, daß es über die Abschnitte der französischen und belgischen Antwort gehört werde, die sich mit der Reparations frage beschäftigen. Lord Lurzon hat auch diesen An spruch Englands in dieser Rede angemeldet. Der Berichterstatter erklärt weiter: In einem in- offiziellen Meinungsaustausch leitender englischer Stellen habe sich ergeben, daß zwar der Inhalt der deutschen Note ungenügend und unannehmbar sei, daß aber doch die M ö g l i ch k e i t vorh"nde" ist. die Tatsache, daß überhaupt ein deutsches Angebot vor liegt, zum Ausgangspunkt einer mündlichen Erörterung der Reparationsfrage zu machen. Drei Hauptforderungen Ligenrr Drahtberichtdes Leipziger Tageblattes Paris, S. Mai. In französischen politischen Kreisen erklärt man, die Antwort auf die deutschen Vorschläge würde aller Voraussicht nach so abgefaßt sein, daß Deutschlands seinerseits eine neueNot e an di e Verbündeten richten kann. Man rechnet in dessen dabei weder auf sofortige neue Vorschläge Deutschlands noch auf einen Kabinettswechsel in Berlin. Das Verschwinden Cunos und Ro sen- bergs würde in allen hiesigen politischen Kreisen, die aufrichtig eine Verständigung mit Deutschland wünschen, begrüßt werden, da namentlich die An wesenheit Rosenbergs nach Ansicht vieler Franzosen von vornherein die Schaffung einer Vcrständigungs- atmosphärc ausschlicßt. Man gibt hier aber öffentlich zu, daß auch ein solcher Regierungswechsel Frankreich nicht zur Aendcrung seiner Forderungen veranlassen könnte, und daß eine wirkliche Entspannung auch in diesem Falle nur allmählich nach Maßgabe der deutschen Erfüllungen eintreten würde. Immerhin wird es in den genannten Kreisen als sicher bezeichnet, daß der Charakter der Ruhrbesetzung wesentlich ge- mildert würde, wenn Deutschland seinen Der- ständigungswillen dnrch ausdrückliche vorherige An erkennung des Grundsatzes der staffelweisen Räumung zu erkennen gäbe. In diesem Falle würde die Ruhr- aktion aufs neue auf den Umfang einer einfachen Kontrolloperation zurückgeführt werden, die nach der hier vorherrschenden Ansicht das Wirtschaftsleben des Ruhrgcbietes in keiner Weise behindern würde. Das grundsätzliche Festhalten am Londoner Zahlungsplan, so wird weiter mitgeteilt, ist natürlich nicht dahin auszulegen, daß Deutschland nach französischer Auffassung 132 Milliarden Gold- mark bezahlen kann. Frankreich will nur fortan die Gewähr haben, daß die Kosten seines Wiederaufbaues gedeckt werden. Wenn es nicht gelinge, eine Formel zu finden, nach der Frankreich die bewußten 26 Mil- liardgen Goldmark mit Zustimmung aller Verbün- dcten sichcrgestcllt würden, so würde Frankreich sich gezwungen sehen, immer wieder den alten Zahlungs- plan in den Vordergrund zu schieben. Bei Beurteilung der Sicherungsfrage muß nach Aissicht der französischen Verständigungspolitiker beachtet werden, daß bei dem in Frankreich Herr- schenken Mißtrauen ein einfacher Vertrag zur Lösung des Problems nicht ausreiche. Frankreich müsse — darin sind hier alle Parteien von der Rechten bis zur äußersten Linken einig — greifbare Ga- rantien internationalen Charakters für die Sicherheit seiner Ostgrenzen gegen einen etwaigen Angriff erhalten. Theunis und Jaspar reisen nach Paris Pari«, 5. Mai. . Die Daily Mail (Pariser Ausgabe) berichtet, die belgischen Minister Theunis und Ja spar wür den am Montag oder Dienstag nach Paris kommen, um mit Poincarö zu verhandeln. Man nehme an, daß es sich um einen neuen französisch- belgischen, von Barthou und De la Croix vor- bereiteten Reparationsplan handeln werde. Für die Konferenz seien zwei Tage vorgesehen. Der Vertrag der englischen Regierung mit dem König Faisal von Mesopotamien, der ursprüng lich eine 20jährige Belebung dieses Gebietes vor- gesehen hat, wurde dahin abgeändcrt, daß die eng lische Besetzung aufgehoben wird, sobatd McsopoGmicu Mitglied des Völkerbundes geworden ist, spänstcns sidoch vier Jahre nach der Ratifizierung des Frirdensvertrnge« mit der Türkei. veamter der Republik k. V. Leipzig, 5. Mai Die sächsische Regierung hat dem Landtag den Entwurf eines Gesetzes über die Pflich ten der Beamten und Lehrer zugcstellt, ! und am Donnerstag wurde hierüber beraten. Das Gesetz will den Staat vor den Schäden i schützen, die ihm ein Beamter dadurch zufügen kann, daß er sein Amt und die ihm traft seiner amtlichen Stellung zugänglichen Einrichtungen für Bestrebungen zur Aenderung der verfassungs mäßigen republikanischen Regierung mißbraucht, oder daß er bei seiner Amtstätigkeit übec den Staat und seine Einrichtungen Aeußeruagen tut, die geeignet sind, diese in der öeffentlichen Mei nung hcrabzwetzen. Die Rechtsparteien haben sich bemüht, nach- zuwcisen, daß dieses geplante Gesetz aus republi kanischem Uebereifer entspringe und daher gute Rechte der Beamten verletze; ja, cs sei sogar moralisch nicht ganz einwandfrei, dem: cs führe zu „Gesinnungsschnüffeleien". Run ist es aber mit der Gesinnungsschnüffelei eine eigene Sache: die sich auf sie berufen, ge nießen von vornherein den Vorzug, d^s; der Nachweis gar nicht gefordert werden kann, weil das beklagte Uebel mit der Menge schwimmt und des Individuellen entbehrt. Denn eben wo Be weise fehlen, stellt „Gesinnungsschnüffelei" zur rechten Zeit sich ein. Das ist genau wie mit dein „Spitzel", nach dessen körperlicher Erscheinung der gewissenhafte Politiker heute noch mit dec Laterne suchen kann. Ueberhaupt darf man sich ruhig einmal ver gegenwärtigen, daß Aussprachen an offiziellen Stellen noch lange nicht der Weisheit letzter Schluß sind. Wer Ohren hat, zu hören, der hört auf den Straßen, in Wirtshäusern, in Cafes und wo sonst die Menschen zusammen kommen, tagtäglich die groteskesren Acußerungen über unsere heutige Staatsform, und zwar von Leuten, denen hinsichtlich ihrer „Stelle' und des damit verbundenen Einkommens weit mehr am Sicheren liegt als an der Groteske. Nun — darüber können alle Interessenten unter den Beamten beruhigt sein: die Bierbank ist ge rettet. Auch kein verdrossener Vereinsbcnder wird Gehör finden, wenn er an höherem Ort eine Klage über staatsgefährliche Reden eines Kollegen vorbringt. Das Gesetz erfaßt nur die „Amtstätigkeit". Das war nicht immer so. Die Ler; Arons machte einem Privaldozeuten seine Lehrtätigkeit unmöglich, sofern er Sozialdemo krat war. In der Republik wissen wir, daß I Mathematik mit Partei nichts zu tun hat. Auch ein Trcitschkc dürfte auf der Universität Leipzig heute sein Staatsrccht lesen. Die Republik kämpft nicht gegen die Wissenschaft, sondern nur gegen die Agitation, die unter dem Deckmantel der Wissenschaft getrieben wird. Die Gegner der neuen Staatsform stellen es gern so hin, als ob diese durchaus fest stehe, um so Gesetze, mit denen sie sich schützen will, von vornherein zu disqualifizieren. Aber hat nicht selbst die Monarchie, die doch gerade in Deutsch land fest und traditionell war, fortgesetzt an ihrem gesetzlichen Unterbau gearbeitet? D"r Staat ist nun einmal kein Staat, wenn er nickt mit Energie auf seinen Bestand bedacht ist. Ihn zu stützen, sind die Beamten bestellt, die darum den, Staat nicht so naiv und gelassen gegenüber- stehen dürfen wie die Masse der übrigen Bürger. Das Volk ist Träger, der Beamte Organ der Staatsgewalt. Sein Verhältnis zum Staat ist viel unmittelbarer; die Ansprüche, die dieser an ihn hat. sind viel straffer. Sonst wäre ein staatliches Leben gar nicht möglich. Besteht der Staat auf Ordnung in der Beamtenschaft, so richtet er sich nicht gegen diese; er beugt viel mehr den Beunruhigungen vor, die sich ergeben müßten, wenn der Beamte in la^er Auffassung der bestehenden Verhältnisse sich zur Pfleqstätte antagonistischer Bestrebungen hergebcn würde. Das sächsische Gesetz zielt nun gar nur auf „Verleumdung. Beschimpfung und Verächtlich machung der Republik". Wer in solchem Verbot eine staatsbürgerliche Beeinträchtigung des Be amten sehen will, unterschätzt zum mindesten seinen politischen Geschmack. Denn es kann einer sehr wohl Monarchist sein, ohne sich zu den politischen Taktlosigkeiten eines Hitler und Wulle zu versteigen. Dieses selbstverständliche Verzichten auf Un treue gegenüber der Körperschaft, deren eigenes Organ man ist, mag beim einzelnen Beamten noch nicht einmal so viel besagen, sofern er nur gelegentlich und innerhalb sehr eng abgcstekkcr Grenzen nut der Menge der Bürger zusammen- kommt Ganz anders aber verhält cs sich mit dem Teil der Beamten, denen der Staat tue Erziehung der Jugend anvertraut: mit den Lehrern. Der Bereich ist hier der denkbar weiteste, die Einwirkungsmöglichkeit auf dis empfängliche, Jugend die denkbar tiefste, die leicht ausschließlich werden kann. Auch spielt sich alles in. der Abgeschlossenheit der Klassen- zimmer ab. Aus alledem ergibt sich die un-
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