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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305054
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230505
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230505
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-05
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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^AgMütR m»S MmSÄsriKmis Valutasturz und fester Preis St« voraussehbare Verschlechterung de» Valutastaude» eutdtudet »äugel» besonderen Vorbehalt» nicht von der Lieferfrist. sk. Der Kaufmann F. in Hamburg hatte durch Aufträge bet der L . . . Automobilgesellschaft in Berlin 10 Kraftwagen verschiedener Konstruktion be- stellt, lieferbar Dezember ISIS bi» Ende Januar 1920. Bevor eine Lieferung erfolgte, wurde diese im Dezember ISIS wegen einer Preiserhöhung vorstellig. Durch Schreiben de» Besteller» vom 2. und der Firma vom 6. Januar 1S20 kam darüber eine Einigung zu- stände. Nachdem dann letztere drei Wagen geliefert hatte, verlangte sie durch Schreiben vom 18. Oktober 1S20 wegen de» Restes der Bestellung eine nochmalige Preiserhöhung, die der Besteller am 20. Oktober ab lehnte. Lr klagte auf Lieferung der noch ausstehen den sieben Kraftwagen. Da» Landgericht Berlin verurteilte die Beklagte nach seinem Anträge, und das Kammergericht w»e» die Berufung zurück. Da» Reichsgericht wies die Revision des Beklagten zurück. Vie Lntschel-ungsgranve der höchsten Instanz Rach der Auffassung des Berufungsgericht» hat sich durch die getroffenen Abmachungen die Beklagte verpflichtet, di« Wagen zu unbedingt festen Preisen zu liefern, und auf jede wertere Preis- erhöhung verzichtet. Daß der ihr dabei entstehende Verlust durch die später eingetretenen Erhöbungen der Löhne und Materialpreise noch weit größer ge- worden sei, als sie im Januar 1920 angenommen habe, sei unerheblich. Mit dieser Möglichkeit habe sie rechnen müssen. Wenn sie dieses Risiko trotzdem auf sich genommen habe, ohne einen Vorbehalt für den Fall weiterer unerwarteter Preiserhöhungen zu machen, so müsse sie di« Folgen einer derartigen un vorsichtigen Handlungsweise tragen. Die Revision bekämpft die Annahme, daß die Beklagte jede» Risiko auf sich genommen habe. Sie führt au», mit ihrer Erklärung vom 0. Januar 1920 habe die Be klagte diejenigen Preisschwankungen, die bei einem einigermaßen stetigen Handel unvermeidlich seien, wohl in den Kauf nehmen wollen. Es sei aber etwas ganz Unerwartetes eingetreten: der Valuta stürz des Jahres 1920, der nicht auf der Konjunktur, die zu berücksichtigen Pflicht de» Kaufmann» sei, sondern auf der Bewertung berühr habe, die das Ausland der deutschen Finanzlage bei maß, also im wesentlichen auf politischen Grün den, die sich ganz offenbar der Voraussehbarkeit d;r Handelskreise entzogen hätten. Diese notorischen Verhältnisse habe das Berufungsgericht unbeachtet gelassen. Der Angriff kann nicht für begründet er achtet werden. ' Denn der Dorderrichter die Vereinbarung vom Januar 1920 so auffaßt, daß damit die Beklagte aus jede weitere Preiserhöhung Verzicht geleistet habe, hat diese Auslegung al» durchaus möglich und mit- bin frei von Rechtsirrtum zu gelten. Daß die Um- stände, die danach im Lause des Jahres 1920 die Gestehungskosten der Beklagten steigerten, von wesentlich anderer Art gewesen seien, al» diejenigen, die sie im Dezember 1919 zum Verlangen nach Er höhung der im Juni 1919 mit dem Kläger verem- barten Preise bestimmten, ist nicht anzuerkennen. Dor wie nach dem Januar 1920 wirkten polittsche Gründe, insbesondere die Unterzeichnung des Ver sailler Vertrag« in stärkstem Maße auf die Gestaltung der deutschen Wirtschaftslage ein, und der Valutastand der deutschen Währung hat sich nicht erst seit jenem Zeitpunkt ungünstig gestellt. Don einem stetigen Handel könnte damals überhaupt nicht die Rede kein, die Lage war vielmehr eine so ungewisse, daß jeder Geschäftsmann eine weitere Verschlechte rung al» möglich ansehen und demnachin den Kreis seiner Berechnungen ziehen mußte. Wer sich trotz dem den vertragsmäßigen Ausschluß einer werteren Preiserhöhung gefallen ließ, nahm die durch die fernere wirtschaftliche Entwicklung etwa eintrctenden Folgen auf sich. (A.-Z.: VI. 182/22.) * Neuerung« t» Reich»kur»d»ch. Da» Reich»- > kursbuch veretnigw bisher immer noch in einer ve- sonderen, vierte» Abteilung hie Länder der ehe maligen österreichischen Monarchie. Jetzt, nach fünf Jahren der Trennung, werden auch die drei Nach- folaestaaten Deutschosterreich, Ungarn und die Tschechoslowakei in streng voneinander getrennte» Gebieten aufgeführt. Sie kommen sämtlich zur fünften Abteilung, wo sie mit den übrigen fremden Ländern vereinigt werden. Neu ausgenommen m da» Buch wird bei den Vorbemerkungen zu dieser Abteilung eine Zusammenstellung der Paßvorschriften für die fremden Länder. Ueber die Luftverkehrs- linien wird eine vollständig« Uebersicht gegeben. Auch die Dampferverbindungen nach Uebersee wer den erweitert. Den drei ersten deutschen Teilen wer den neue Karten auf zwei Seiten in Zweifarbendruck beigegeben. Diese ersten drei Teile sollen in Karton papier besonders eingebunden werden, um sie bei der Verwendung al» Einzelteile haltbarer zu machen. Der Preis des Werkes wird, wie berichtet, 16 000 betragen. Scheckannahme bei ber Reichsbahn Ab 20. Mai 1923 dürfen Scheck» und Platz anweisungen bei den Reichsbahnkassen bis auf wei tere» auch ohne vorherige Einlösung oder Gutschrift an Zahlungrstatt angenommen werden, wenn nach- stehenden Bedingungen entsprochen wird. Die Schecks müssen den Anforderungen de» Scheckgesetze» und die Platzanweisungen den Bedingungen über die Platzanweisungen auf örtliche Gemeindegiro, kaffen entsprechen. Grundsätzlich sollen nur Scheck» mit dem Vermerk „Nur »ur Verrechnung"' angenommen werden. Sie müssen auf Banken am Orte der empfangenden Eisenbahnkasse lauten: auf Danken an benachbarten Orten sind sie dann zugelassen, wenn sich am Orte der Kasse keine Geld anstalt befindet. Ausnahmen können die Eisenbahn betriebsdirektionen für außergewöhnliche Verhält nisse »»gestehen. Für gewöhnlich müssen die Scheck» von der be zogenen Bankanstalt bereit» bestätigt oder mit bestätigendem Begleitschreiben versehen sein. Wer mit unbestätigten Schecken zahlen will, hat die Genehmigung hierzu bei der für die Kasse zu- ständigen Betriebsdirektion zu beantragen. Für mehrere Kassen verschiedener Betriebs- direktionsbezirke braucht nur ein Antrag bei einer Betriebsdirektion gestellt zu werden. In dem An- trage sind die Kaffenstellen zu bezeichnen, bei denen die Schecks in Zahlung gegeben werden sollen. An tragsentwürfe werden von der Güterkasse unentgelt lich abgegeben. Die Betriebsdirektionen prüfen die Anträge und erteilen die Genehmigung durch Ab- gäbe eine» besonderen Ausweises an den Antrag steller. Der Ausweis ist bei allen Scheckzahlungen vorzulegen. Ohne Ausweise dürfen die Kassen Schecks nicht mehr annehmen. Der feige Löwe. Der englisch« Hauptmann Murphy, der am 26. März 1921 von Beira an der afrikanischen Ostküste au» zu Fuß ganz Afrika durch- querte und im Februar 1923 an der Westküste des belgischen Kongo anlangte, erzählt in den Daily News von seinen Erlebnissen. Von dem roman tischen Schleier lebensgefährlicher Abenteuer auf einer solchen Fahrt durch den „schwarzen"' Erdteil scheint die moderne Zeit nicht viel übriggelaflen zu haben. E. R. Murphy berichtet nämlich: Ich brach mit 8 Pfund Sterling auf, kehrte aber mit 80 Pfund in der Tasche nach England zurück. Ich verdiente sie, indem ich in verschiedenen Teilen de« Lande» unterwegs Arbeit annahm. Mit einem halben Dutzend eingeborener Boy» zog ich von Beira in das Herz des tropischen Afrika» und fand in Süd- Rhodesia eine ausgezeichnete Jagd. Nie war ich in Verlegenheit um «ine Fleischmahlzeit. Rhodesia wimmelt von Löwen, Büffeln und Antilopen. Von letzteren schoß ich 33 verschiedene Arten. Der Löwe ist ein schrecklicher Feigling, außer wenn er Hunger hat oder gereizt wird. Ich bin schon Löwen Auge in Auge begegnet, und die Tiere sind schreckerfüllt ausgerissen. Meist schlief ich nacht» in den Linge- borcnendörfern, wo die Häuptlinge mich glänzend aufnahmen. Mit Englisch und Französisch kann man heutzutage durch da» Herz von Zentralafrika kommen. Al» ich einmal ein Eingeborenendorf be trat, wurde ich von dem Häuptling begrüßt, der mir erzählte, daß eine Löwin Eingeborene au» ihren Hütten weggeschleppt hatte. Dann bekam ick» ein« Geschichte von weiblicher Tapferkeit »u hören. Einen oder zwei Tage vor meiner Ankunft, al» die Man- ner auf dem Felde arbeiteten, erschien eine Löwin in dem Dorf und gina in eine Hütte, wo eine Neuer- frau von mehr al« sechzig Jahren gerade Essen kochte. Die Löwin ging die alte Frau an, die aber den Topf mit dem kochendem Brei aufbob und dem Lier in» Gesicht schleuderte. Schreiend vor Schmerz machte die Löwrn kehrt und raste au» dem Dorf. k. Verkauf in fremder Währung wird bestraft. Die Landwirtsfrau Rosa Prager in Bad Tölz, die ihr Tölzer Gut an einen Frankfurter Kaufmann um 60 englische Pfund verkauft hatte, wurde wegen Vergehen» gegen das Devisengesetz zu 800 000 Geldstrafe verurteilt. k. Hundesteuer nach Briefporto. Eine originelle Methode hat die Stadtgemeinde Naumburg für die Bemessung der Hundesteuer gefunden. E» sollen nämlich künftig jedesmal die Hundesteuern da» Hundertfache des Portosatzes für einen Fernbrief betragen, also gegenwärtig 10 000 -K. Sin Hamburger Raubmörder in Dre»deu fest- genommen. Der Dresdner Kriminalpolizei gelang e», eine Person festzunehmen, die allem Anschein nach al» Mörder zu dem an dem Ehepaar Rögener in Hamburg begangenen Raubmorde in Frage kommt. In dem Besitz des Fcstgenommenen wurden ver schiedene Kleidungsstücke vorgefunden, die den Er- mordeten geraubt worden sind. Braud eine» Touristengasthaus«». Da» bekannte Touristengasthaus „Ferdinandshöhe* bei Niedereinsiedel ist vollständig niedergebrannt. Var Grab im Tettow-Ranal Seit einigen Tagen beschäftigt das Schwur gericht II in Berlin eine Anklage wegen Morde« gegen den Schuhmachermeister Theodor Mischke aus Neukölln, der unter der furchtbaren Beschuldigung sich zu verantworten hat, seinen eigenen Sohn Alwin, der nach den Zeugenaussagen ein hübsche», kräftige» Kind gewesen sein soll, im Teltowkanat ertränkt- zu haben, nachdem er schon früher einmal den Versuch gemacht hatte, ihn mit Kokain zu ver giften. Der Angeklagte, «in schmächtiger, kleiner, blasser Mann, hat früher ein offenes Geständnis abgelegt. Danach war er m Sorgen, wo er seinen Sohn unter bringen sollte, nachdem seine Frau in zweiter Ehe ihn verlassen hatte und weil sie sich weigerte, den Stiefsohn bei sich aufzunehmen. Alle Versuche, den Knaben anderweitig unterzubringen, seien ge scheitert. In der Hauptverhandlung widerrief der Angeklagte sein Geständnis, da» er auch dem Untersuchungsrichter gegenüber wiederholt hatte. Er gab jetzt an, daß di« Tat von seinem Freund Srnst, den er au» dem Golmann-Keller kenne und der nur unter dem Namen Sachsenernst bekannt sei, begangen worden sei. Nach den Ermittlungen hatte Mischke seinen Sohn, der ihm hinderlich war, in einer regnerischen Nacht unter dem Dorgeben, Eisen zu suchen, am Ufer de» Teltowkanals entlang ge führt und ihn dann plötzlich in» Wasser gestoßen, wo er jämmerlich ertrank. Auf Antrag von Rechts- anwalt Dr. Brandt wurde der Untersuchungsrichter zum Beweise dafür vernommen, daß sich der un bekannte Ernst dem Kellner der Golmann-Keller» gegenüber damit gebrüstet habe, den Jungen selbst in» Wasser gestoßen zu haben. Während der Der- Handlung kam es zu einem dramatischen Moment, al» Staatsanwaltschaftsrat Dr. Orthmann mitteilte, daß der Sachsenernst soeben in Hamburg festgenom men worben und mit dem Schnellzug unterwegs nach Berlin sei. Auch diese Nachricht veranlaßte jedoch den Angeklagten nicht, ein Geständnis ab- zulegen. Die Sachverständigen, Gerichtsmedizinal, rat Dr. Thiele und Sanitätsrat Dr. Juliusburger, bezeichneten den Angeklagten zwar al» minder wertig, aber bejahten die Zurechnungsfähigkeit. Die Verhandlung wurde dann unterbrochen, um die Ankunft des „Sachsenernst* abzuwarten, der erst in später Abendstunde aus Hamburg eintreffen soll. ckM S. Wck . viele Marken, weniger Briefe Im Vergleich zu früheren Zeiten führt der Brief, träger jetzt ein fast geruhsame» Leben. Wir all, kennen ja sein Bild au» den Tagen vor dem Welt kriege. Wie bepackt ging er da umher! Nicht nur war die Tasche stet» prall mit Briefen gefüllt, sokdern an den Armen und um den Leib geschnallt trug er noch meistenteil» eine ganze Menge von Musterkästen, Rollen, Druckschriften usw. Ein wandelnd« Waren kiosk. Da» ist anders geworden. Unser Briefträger sieht heute viel schlanker aus, seine Tasche schlägt Falten, und ohne Behang geht er umher. Auch die einstige „Hatz"' hat sich gemindert, denn der Hauptteil seine» Kundschaft hat sich nach und nach verkrümelt. Diese Verbesserung seiner Lage hat er unseren letz ten Reichspostministern zu danken, die es für geraten hielten (wohl auch durch die Verhältnisse gezwungen), * die Postgebühren dauernd zu erhöhen. Das hat den äI Leuten da» Schreiben abgewöhnt. Wie e» in diesem Punkte ehedem stand, wissen wir ja. Keine Landpartie konnte gemacht werden, ohne daß nicht dabei eine ganze Menge Ansichtskarten geschrieben wurden. Unternahm aber jemand gar einmal einen größeren Ausflug, etwa in die Sächsische Schweiz, so wurde er vor der Abreise schon von allen . Bekannten usw. mit der Bitte um ein „Lebenszeichen* - bestürmt. Damit wir wissen, wie es euch geht, ob ihr euch amüsiert u. dgl. m. Schon auf dem Elbdampfer ging daher das Schrei ben los, in Schandau dann wieder, dito am Lichten- Hainer Wasserfall, auf dem Kuhstall, dem Großen Wintersberg, dem Prebischtor und endlich auch in Herrnskretschen, schon darum, weil dort eine oster- reichische Marke aufgeklebt wurde. So mühten sich auf einem solchen Ausflug Mann, Weih und Kind mit dem Schreiben von Ansichtskarten ab. Im einzelnen war das sehr billig, wenn aber da» Familienoberhaupt am Abend die Ausgaben zu sammenrechnete oder im Kopfe überschlug, dann fand er stets, daß die Ehose doch in» Geld gelaufen war. Und die Qual hiervon hatte, meist an Montagen, der H» Briefträger, der sich abmühen mußte, die hoch wichtigen Postkarten alle an den Mann zu bringen. Dieses Schreiben von Ansichtskarten (jetzt kostet sogar eine solche mit nur fünf Worten 20 Porto) ist nun schon seit längerer Zeit ein überwundener Standpunkt. Kein Mensch verlangt sie und kein Mensch schreibt sie mehr. (In seiner Sommerfrische atmet ein jeder darob auf!) Aber nicht nur da«. Das kostspielige Porto hat es auch zuwege gebracht, daß jedermann so wenig wie möglich schreibt. So hat man denn nicht nur mit den Neujahrs- aratulationen aufgehört, sondern in weiten Kreisen sendet man sich auch an Geburtstagen keine Gluck- wünsche mehr. Und unsere Geschäftsleute beschranken ebenfalls ihren Schriftwechsel auf das nötigste. Nur einen Tag gibtli, an dem die Briefträger vollauf zu tun haben: den Tag der Portoerhöhung. Da sucht sich jeder am Tage vorher noch seiner Brief- schulden zu entledigen, um da« „billige* Porto aus- zunutzen, und es findet ein allgemeines Rennen zu den Postbriefkästen statt. Dann tritt wieder der alte Ruhezustand ein, viel leicht noch mehr al» bisher. Denn schließlich, darüber L ist sich wohl auch unsere Postverwaltuny klar, bei - jeder Portoerhöhung geht der Schnitt ms eigene Fleisch immer tiefer. Zwei Zivilisten von Beamte» ber Schutzpolizei erschossen. In Zoppot kam es zwischen zwei ehemaligen Angestellten des Spielklubs und zwei Beamten der Schutzpolizei zu einem Zusammenstoß, in dessen Verlauf die beiden Angestellten erschossen wurden. In angetrunkenem Zustande hatten di« Zivilisten di« Beamten belästigt. Einer der Be trunkenen entriß einem der Beamten da» Seiten gewehr. Der andere Zivilist soll gleichzeitig den Revolver au» der Tasche genommen haben. Nun- mehr zog der zweite Beamte ebenfalls den Re volver und schoß beide nieder. Einer der Getroffenen war auf der Stelle tot. Der andere «lag seinen Verletzungen, al» man ihn zu einem Arzt bringen wollte. st» Koben Zigarren verkauft, oder sie haben ihren Bruder im Diakonissenhau» besucht; und abend», » Wunder, rufen sie plötzlich „Hört! Kört!* Dinter spricht weiter. Trocken, schwunglo«, ohne Humor, in einem schauderhaften Deutsch. Ich bin absolut unvoreingenommen und fast milde gestimmt. Vinter in München Don »mn» N«lm»nn Der Völkische Rechtsblock, Ortsgruppe München, veranstaltete eine große völkische Kundgebung. Da» Adjektivum zu Kind heißt kindisch, und da» Adjektivum zu Weib heißt weibisch. Eintritt für Nichtmitglieder: 300 Mark. Redner: Schriftsteller Artur Dinter aus Thüringen. Beginn: 8 Uhr. Im Publikum anwesend: ein Schriftsteller au» Sachsen. Früher gab es das Adjektivum „völkisch* nickt. Es ist sprachisch unschön. Aber e« klingt vollbärtisch und pathetisch. Und da» ist viel wert. Der große Saal de» Matthäser war gestopft voll. Brave», liebes Publikum; Bürgersleute, Bierbänkler, Hitlerianer, Studiker; auch Frauen. Mahlende, schnarrende, klappernde Geräusche; Schmatzen, Schwatzen, Summen; Hin und Her der Kellnerinnen; Märzenbier; vortreffliche Speisenkarte sauber und geschmäckisch kektographiert. Ein von der Empore schneidig geblasener Marsch leitet den Abend ein. Di« Stimmung ist angezündet. Ein Herr vom Dorstandstisch spricht drei, vier knappe Sätze. Ab. Dinter betritt da» Podlum. Beifall klackert. Zwei Sturmtruppler neben mir streifen ihre mit Hakenkreuzen gezierten roten Bin de» über den linken Rockärmel. Dinter spricht. Ich sehe ibn zum ersten Male. Im Profil. Dkß Beleuchtung ist schlecht. Der Radau stört. Hören w»ß man erst lernen. Beschränke mich zunächst auf» Schauen. Ein Alltagogesicht. Gut gepolsterter Nacken k l» Ludendorff. Bratenrock, geringelte Hosen, leicht unterspickte Gestalt, hellbraune Tolle, rechte Hand fuchtelt oder schwimmt, bet wichtigen Stellen rascheste» Tempo und erhitzte Gebärden; durchschnitt liche Rednerbegabung. Leuten, die während eine» Vortrag« „Hört! hört!* rufen, merkt man auf der Straße nicht an, daß sie imstande find, während eine« Vortrag» „Hört! hört!* zu rufen. Am Rachmittay haben sie noch auf ihrem Bureau gesessen und seriösen Unfug getrieben, oder Aber e« verdrießt mich, daß Dinter trotz Konzept — so trostlose Sätze baut und die Konstruktionen ver heddert. Ich notiere nichts. Es ist nichts zu notierest. Di« alte Leier. Unanfechtbare Behaup tungen. Scheinbar. Oder wirklich? Es klingt über zeugend, was Dinter sagt. Ich glaub ihm auf« Wort. Nach einer Viertelstunde etwa fällt zum erste Male das Wort „Jude*. Die Ohren recken sich ringsum. Dinter platzt eine Serie Konsonanten und Vokale in den trüben Saal. Gemurmel und Bravo- rufe. Warum? Ich spanne. Ja, die Juden. Hm. Ich bin in der Laae, unvorbereitet eine Liste auftu- stellen mir in tiefer Seele unsympathischer Juden. Anderseits kenne ich widerwärtiye Christen. Und sehr dämliche Christen. Dummheit ist unverzeihisch. Sind wir auf der Welt, um uns zu lieben? Oder um uns gegenseitig totzupuchen? Weiß nicht. Wahrscheinlich, um da» zu entwickeln, was mit dem Ausdruck „Geist* bezeichnet wird. Sonst wäre unser Planet ein netter Schmarren. Die besten Witze werden auf der Börse erzeugt. In völkischen Ver sammlungen herrscht tierischer Ernst. Die Menscken neben mir, also meinesgleichen, quasi Ebenbilder Gotte», du liebe Güte... die Menschen hocken da wie Wachrfigurenkabinettstücke. Line Nase zu haben und ein paar Augen und einen Dauck und eine Milz: da» kann jeder; da» ist keine Kunst. Man unter- schätze da» Hirn nicht und die Nerven. Dinter kann nicht dafür. Jesu» Christus hat ohne Konzept gesprochen. Verlangte keine Eintritts gebühr und ließ sogar die Kindlein zu sich kommen. Den Juden war der Eintritt unverboten. Völkisch ist do» Eigenschaftswort zu Volk. Die deutschen Antisemiten haben keine Ahnung von der deutschen Sprache. Manchmal ist klarer Sternenhimmel über uns arme Menschen gehängt. Wie nebensächlich ist da» bißchen Dreck! Gott schweigt. Denn er ist Ironiker. Im Gegensatz zu Artur Dinter au» Thüringen, der nur Redner ist. Auch dann, wenn er sckreibt. Dir werden uns nie verständigen. Und doch, du Mitmensch Dinter, verwüstest du dein Vaterland. Ich hoffe, daß du Patriot bist, mein Herr. In dies« zerklüfteten Zett, in diesem Elend, in dieser Gummizelle von Deutschland sich ketzerisch zu betätigen und gegen den Menschen zu sein, da», verehrt« Herr, ist schuftig. Oder dum«. So kommen wir nicht weiter. Keinen Millimeter. Denn stehe: um sich al» Sprossen Teut» zu ge bärden, bedarf e» weiter nicht« al»: gegen die Juden zu sein. Der schäumende Antisemit liefert durch die elende Tatsache, daß er Antisemit ist, den Beweis, daß er (irgendwie) den Lenden Teut» respektive Armin«, de» Cherusker», persönlich entstammt. Und hinwiederum: wer gegen den Antisemitis mus ist, der beweist eben damit, daß er Jude ist oder Iudenstämmling. Bei gemindertem Bewußtsein sitzen sie da und lassen über sich ergehen, was ihnen gepredigt wird. Im Kabarett sitzen sie genau so da; wenigsten» von neun Uhr an; nach dem Genuß von suundsoviel Musik, Rauchlust, Touplettexten und Alkohol. Und ich habe noch andere Entdeckungen gemacht: Redner wie Dinter sagen Dinge, die richtig sind oder zum mindesten richtig scheinen. Und sobald es brenzlig oder anfechtbar wird, schieben sie Be- merkungen ein wie: „Bei genauer Prüfung der Sach- läge kann man sich der Einsicht nicht verschließen* und: „Der objektive Betrachter muß ohne weiteres zugeben . . .* Und damit hat nicht nur der'Redner den Anschein der Objektivität erweckt, sondern auch die (bei gemindertem Bewußtsein zuhorchende) Menge bildet sich ein, objektiv zu sein. Der Redner redet, und die Sätze gleiten vorüber. Wer prüft, wer widerspricht bei windschiefen Stellen, wer mischt sich in da» Wortgeplätscher? Der Redner spricht zu solchen, die von vorn- herein mit ihm solidarisch empfinden. Artur Dinter spricht wie die Menscken, die ihm zuhören. Er spricht, wie seine Zuhörer sprechen würden, wenn sie an seiner Statt auf der Tribüne stünden. Man vergleiche hierzu den Fall Courth«- Mahler. Diese Frau schreibt so, wie ihre Leserinnen schreiben würden, wenn sie schrieben. Da» ist das Geheimnis ihre» Erfolge». Die Courtks-Mahler will weiter nicht» (hat fie mir gestanden), al» dem deutschen Volke durch ihre harmlosen Plaudereien ein bißchen von der ve- rühmten Sonne bringen, die durch Cäsar Flaischlen in Mißkredit geraten sein dürfte. Und Artur Dintu au» Thüringen will weiter nicht» al» auf völkische Art da» Vaterland reinigen; also di« Juden kaputt macken. E» ist nicht eben christrsch gehandelt, ab« es ist patriotisch gemeint. Ich trete dann -um Kafferntum üb«. Da» wird mir nicht schwer fallen. Denn ich bin I an» Sachsen. W«r kommt mit? Auch Skandinavien gewährt ein« Dagner^Lhren- tantieme. Aus Wien wird uns gedrahtet: Felix Weingartner hat au» Stockholm brieflich mit geteilt, daß er sich während seiner letzten Dirigenten reise in Skandinavien sehr bemüht habe, die Leiter der dortigen Bühnen zu bewegen, sich dem Verlangen der deutschen und österreichischen Kollege» anzuschließen und an di« Erben Wagner» 1 Prozent der Bruttoeinnahmen von jeder Wagner-Aufführung zu zahlen. Weingartner fügt hinzu, es sei Aussicht vorhanden, daß da» angestrebte Ziel erreicht wird. Bräutigams, die ihre Hochzeit vergesse«. Alexis erzählt in seinen Erinnerungen die Ge schichte eine» Pastors, der ein leidenschaftlicher Bücherliebhaber war und auf dem Wege zu seiner Braut, die er zur Trauung abholen wollte, in einen Altbücherladen geriet, dort so interessante Funde machte, daß er ven ganzen Tag über dort blieb und die Hochzeitsgesellschaft in höchste Auf regung, die Braut in Verzweiflung ließ. Während man noch nie gehört hat. daß eine Braut ihre Hochzeit vergessen hätte, sind solche Fälle vergeß licher Bräutigams gar nicht so selten. Der be rühmte Schauspieler John Gamble gehört zu ihnen. Nach der Trauung mußte er sofort ins Theater, um zu spielen. Seine Rolle ergriff ihn so, daß er völlig vergaß, daß er verheiratet sei, und nach dem Theater in seine Jungaesellen- wohnung -urückkehrte. Die Hochzeitsgesellschaft wartete unterdessen auf ihn in seiner neuen Wohnung, und al» er nicht kam, begaben sich drei Freunde, die bereit» etwa» ahnten, nach seinem Junggesellenhetm. Sie klopften lange an seiner Tür, bi» Kemble schließlich im Nachtoewand am Fenster erschien und rief: ,Mer ist da?"" „Aber Kemble,"" riefen die Freunde hinaus, „wir warten ja seit Stunden aus dich in dem«« neuen Heim, und deine junge Frau ist ganz ge brochen?" „Richtig, meine Frau,"" erwidert« Kemble, „die hatte ich gar» versessen. Ich schlafe schon seit -Wei Stunden." Ein bekannter englischer Geistlicher hatte sich mit der Tochter eine» Bischof» verlobt. Er war «in leidenschaftlicher Angler, und am Morgen de» Hochzeitstage» ging er noch an den Fluß, um «och ein paar Fische zu farmen. Sein LteoltngSsport packt« ihn so, daß er Hochzeit und Braut vergaß Man mußt« nach ihm suchen und fand ihn schließlich friedlich am Uferrand sitzend, ganz in di« Seltaketten de» Angeln« ver sunken. Da e» noch nicht zu spät war, löste die Braut da» Bündnis und ließ ihn weiter angel» UN gr NX stä Re zu vei bet aefi kau auf wo: Gr, «iw fitze gew < Dor Aut saß web gekb —? klcir pfer fich- scha, 2 war fabri Frcu bvits wese lokal Gar ein Zeug Wäsö Hem! Tage- suchu Arbe wo 2 Ware fernei nach gegen di« ? sind ' ketten De Be für se, Mann Ersitze: zugebe Auwri kum r der B ermanj selben lassen- jener j ernst g legen, »uzuge! Hand z Mann nicht « ihn; w die Sa 3n ment h dem ü! mehrtae al» Me yerrttet. ihn ein, ihm, m> licken 1 lassen » diese» ri helfen, versattoi auf. S und mei es wom theater Mitleid und al» einer na» Staegeiw seinen -r keinerlei sein Pen
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