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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305054
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230505
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230505
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-05
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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e>«a S. LM sack S«6«lL»rttaog «r. 10S S«N« S ^Ltzerber!«L»t Vorauszahlung -er Einkommensteuer A« IS. Mat ist eine Dorauszahlung auf die Einkomme»steuer fällig. Sie beträgt ein Viertel der für da» Jahr 1921 im Steuerbescheid festgesetzt» Steuer. Seitdem hat sich da» Einkommen der Steuerpflichtigen außerordentlich starl erhöht. Nir diese, Fall rst im (besetz eine Erhöhung der Vorauszahlungen durch di« Finanzämter vorgesehen. Di« Finanzimrter find angewiesen, von dieser Ermächtigung in geeigneten Fällen, be sonders dann (vebrauch zu machen, wenn die tat- stichlich geleisteten Dorauszahlungen in einem auf. fälligen Mißverhältnis zum gegenwärtigen Ein kommen stehen. Don einer Erhöhung der Daraus« zahlungen durch besonderen Bescheid wird in der Regel nur dann abgesehen werden, wenn al» Vorauszahlung ein Viertel der Steuer gezahlt wird, die sich nach der Steuererklärung für 1922 ergibt. Den Steuerpflichtigen wird daher empfohlen, wenn sie nicht einen besonderen Bescheid erhalten, am IS. Mai ein Viertel de» Betrages zu entrichten, der auf da» in ihrer Steuererklärung für 1922 an gegebene oder auf da» geschätzte Einkommen des Jahre« 1922 nach dem mit der Steuererklärung übersandten Tarif entfallt. Steuerpfiicktige, deren Einkommen im Jahre 1922 überwiegend dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterlegen hat, brauchen ihre Vorauszahlung nicht zu erhöhen. Di» Saounlmrg für de» Rathruau-Mörder. Dor der Strafkammer des Landgerichts lll in Berlin war die Inhaberin einer Papierhandlung in. der Nähe der Technischen Hochschule, Frau Witte, an geklagt. Zn dem Schaufenster ihre» Geschäft» prangte um die Weihnachtszeit ein Plakat, auf dem zur Zeichnung von Spenden für Techow, den einen der Rathenau-Mörder, aufaefordert wurde. Dar aufhin wurde da» Strafverfahren wegen Verstoße» gegen das Schutzgesetz und wegen unerlaubter Sammlung gegen Frau Witte eingeleitet; di» ein gegangenen Gelder wurden beschlagnahmt. Frau Witte behauptete in der Verhandlung vor der Strafkammer, daß die von ihr veranlaßte Sammlung keinen politischen Zweck haben sollte. Sie habe Techow al» einen netten Menschen persönlich ge kannt und nur ihm eine Weihnachtsfrcude machen wollen. Der Erste Staatsanwalt Dr. Jäger bean tragte gegen die Angeklagte die Verurteilung wegen Vergehens gegen das Schutzgesetz und wegen der un erlaubten Sammlung. Das Gericht erkannte darauf gegen Frau Witte auf drei Monate Gefängnis und 3090 Mark Geldstrafe. Frau Witte erklärte, das Urteil nicht annehmen und sofort Revision einlegen zu wollen. klag» gegen de» Berliner Polizeipräsidenten. Der 16 jährige Sohn eines Berliner Großkaufmanns wurde vor einigen Tagen, als er abend» nach 8 Uhr aus dem Heimwege den Charlottenburger Stadt bahnhof verlassen wollte, zusammen mit etwa hundert Personen, teils lichtscheuen Herumtreibern, teils harmlosen Fahrgästen männlichen und weiblichen Geschlechts, von einem großen Aufgebot von Schutz- polizei bei einer Razzia angehalten, festgenommen und kurzerhand ohne Verhör auf einem Lastautomobil nach dem Alexanderplatz gebracht. Dort hatte der jugendliche Gymnasiast nach langem Warten einige belanglose Fragen über Herkunft, Namen der Eltern zu beantworten. Nach 10 Uhr abends wurde er wieder „entlassen". Da dem Schüler auf der Auto fahrt das Bargeld gestohlen worden war, mußte er den Weg nach seiner elterlichen Wohnung zu Fuß an- treten. Als er nach Mitternacht zu Hause erschien, war die Mutter vor Aufregung über den spurlos ver- schwundenen Sohn schwer erkrankt, der Vater mit Privatdetektiven unterwegs, um überall nach dem Verbleib seine« Kindes zu forschen. Jetzt hat der Großkaufmann sich mit anderen Berliner Bürgern in Verbindung gesetzt, die, gleichfalls durch Polizei, beamte bei Straßenrazzien „aufgegriffen', ohne sicht baren Grund zum Präsidium entführt und nach Er ledigung einer Unzahl von Formalitäten entweder nach langer Zett oder sogar erst am nächsten Tag« wieder al» „schuldlo«' entlassen worden sind, nach weisbar große Schäden und Unannehmlichkeiten er litten hatten. Er hat zunächst eine Versammlung zur Gründung einer „Berliner Schutzorgantsation gegen Pollzeirazzien' einberufen. Dieser neue Verband be absichtigt, ein« Massenklage gegen den Polizei. Präsidenten wegen Freiheitsberaubung onzustrengen und empfindliche Schadenersatzsummen zu verlangen. Di« Razzienopfer stehen auf dem Standpunkt, daß die Massenjagden auf «eist harmlose unverdächtige Berliner Bürger und ihre Verschleppung in» Polizei- präsidilvn, ohne daß die Angehörigen rechtzeitig be nachrichtigt werden, gesetzlich unzulässig seien. Var Urteil gegen vie venkmalrsprenger b. Halle a. S., 4. Mai. (Eigener Drahtber.) Da« Attentat aus da» Kaiser-Wilhelm-Denkmal, da» hier am Reujahrsabend ausgeführt wurde und große Aufregung verursachte, hatte jetzt vor der Zugendabtetlung der Strafkammer Halle ein Nach spiel. Es waren fünf Angehörige der kommunisti- schen Jugend im Alter von 16 bi» 18 Jahren, die sich wegen de» Anschlages zu verantworten hatten. Sie erklärten, daß es sich dabei um einen Racheakt handele. Sie hätten damals gehört, daß das Denk mal der Märzgefallenen in Buchra von Rechts- radikalen zerstört worden sei. Da sei ihnen der Ge- danke gekommen, man müsse Vergeltung üben. Daraufhin hätten sie, als ihnen ihr Freund Wörner einen Plan entwarf, einen Einbruch in ein Spreng stofflager bei Cröllwitz verübt und dabei 2)4 Zentner Dynamit gestohlen. Von diesem Dynamit haben sie einen Teil dazu verwendet, einen Sprenganschlag auf die Villa des Geh. Rates Lehmann zu verüben. Eine Erklärung, warum sie da» getan hätten, konnten Ke nicht abgeben. Sie behaupteten, daß sie dadurch die Aufmerksamkeit der Polizei ablenken wollten. Dann haben sie in der Poststraße die Moltkefigur vom Denkmal heruntergesprengt. Das Gericht ließ Milde walten und verurteilte den 18jährigen Pöllner und Bohn zu 2 Jahren 8 Mo- nate» Gefängnis. Kuhle» und Kucharaezk zu 9 Mo naten, Kuppe zu 6 Monaten. Gegen den Anführer der Bande, namens Wörner, wird noch verhandelt werden. Sämtliche Angeklagte sind Angehörige der kommunistischen Iugendgruppe. Die kommunistische Presse hatte damals behauptet, es handele sich gar nicht um ein kommunistisches Attentat, sondern um eine Spitzelarbcit, die aus rechtsradikale Initiative zurückgehe. Dauernde Stundung der Versicherung »Prämie». Die Unkosten der Versicherungsgesellschaften infolge der erhöhten Porti, der Preise für Formulare usw. haben eine so gewaltige Steigerrma ettahren, daß sich verschiedene Gesellschaften entschlossen haben, bei Der- sicherungen bis zu 10000 Mark Versicherungssumme in Zukunft die Prämien zinslos zu stunden. Bei Fälligkeit der Versicherungsleistung werden die ge stundeten Beiträge von der zur Auszahlung kommenden Summe abgezogen. Versicherung», nehi' -rn, die sich mit diesem Modus nicht em- verst..»ldrn erklären, wird anheimgestellt, ihre un wirtschaftlich gewordene Versicherung in eine bei tragsfreie mit herabgesetzter Versicherungssumme um- wandeln zu lassen. Die Versicherungsnehmer, so lesen wir hierzu in der Rassischen Zeitung, sollten sich diese Vorschläge doch sehr reiflich überlegen. Zehn tausend Mark bedeuten heute und morgen nichts, aber wir wollen doch die Hoffnung nicht aufgeben, daß sich unsere Mark wieder einmal erholen, und daß dann die 10 000 Mark wieder einen Wert, mit dem eine Familie rechnet, haben werden. Wenn dann aber die Prämien in Abzug kommen, erhält die Witwe einige Mark, die für sie ebensowenig bedeuten wie ein Kapital von 10000 Mark heute. Den Ver sicherten, di« in der Mehrzahl die Beiträge viertel jährlich leisten, ist zu empfehlen, die Zahlung der Pramiejährlichzu bewirken; dadurch wird da» Einziehungsverfahren für beide Teile erleichtert und verbilligt. Eine Stundung der Beiträge bi« zur Fälligkeit dürfte für die Versicherten nicht zweck- dienlich sein. !> Oie Milliar-en-Auktion Nur die Ueberschrift schreit. Die Handlung selbst, die von dieser Epitzmarke gekennzeichnet wirb, geht ganz ohne Geschrei, würdig, nahezu geräuschlos vor sich. Wer glaubt, bei der Versteigerung der alten Kupferstiche durch L. G. Boerner im Limburgerhause eine Potenzierung de» aufgeregten Gebarens, das er von anderen Auktionen her kennt, zu erleben, weil es sich bei den hier versteigerten Gegenständen f<sst pausenlos um Millionenobjekte handelt, der irrt sich gewaltig. In keinem Augenblick der Kupferstichauktion hat die Er- steigere!, Kunstsachverständige au» Berlin, Frankfurt, München, New Wrk, London, Dien, Bern usw., je ihre vornehme Ruhe verlassen. Selbst wenn sie darauf erpicht waren, in heißem Kampfe gegen die Konkurrenz Kupferstiche im Werte von vielen Millionen für sich, für ihre Auftraggeber, für ihr Land zu erwerben, kaum j« haben sie im Eifer des Gefecht» den Mund geöffnet, um die Millionenziffer zu murmeln, mit der sie den hartnäckigen Gegner totmachen zu können glaubten. Sie haben nur fast schüchtern den Finger erhoben, um den Auktionator darauf aufmerksam zu machen, daß sie den stillen Wettlauf auf den Gaurisankar des Preises noch weiterhin mitzumachen gewillt seien. Und wer dann endlich gesiegt hatte, für IS, 20, 30, 36 Millionen den Schatz, nach dem er gestrebt, er gattert hatte, um dessen Lippen hatte sich ein kaum sichtbare» Lächeln de« Triumphe» über den in der eigentlichsten Bedeutung des Wortes teuer erkauften Sieg gestohlen. So ist die Boerner-Auktion bisher verlaufen, und so wird sie sich auch weiter abwickeln bi» zu dem fest- gesetzten Ende am Sonnabend nachmittag. Der Auktionator nennt leis« ein Bild; er braucht nicht laut zu sprechen, da alle Dieter den Katalog vor sich haben, genau wissen, um welches Bild es sich handelt und sich ihrer Marschroute genau bewußt sind. Ebenso tonlos nennt er den alq Grundlage der Ver- steigerung dienenden Schätzunaspreis. Der Auktion», diener ergreift das zu versteigernde Bild und läuft mit ihm im Sturmschritt an den langen Tischen herum, an denen die Bieter au« ganz Europa sitzen. Einen flüchtigen Blick wirft der und der auf das ihm wohlbekannte Sujet, und es wird eilig und scheinbar ohne lleberleaung geboten. Der Auktionator nennt Zahlen, erhöht diese sprungweise um Tausender, Zehntausender, Hunderttausender. Hier und da und dort erheben sich Finger — bis schließlich kein Finger mehr sich reckt und da« ausgebotene Bild dem zu geschlagen wird, der bei der letzten Preisnennung noch durch ein Fingerzotchen reagiert hatte. Ein kleiner Vermerk ins Buch de» Auktionators — und schon nennt er die nächste Nummer des Kataloge«. Diese Auktion, die einen Höhenrekord in der Preisbewertung von Kupferstichen ergibt, stellt für den Schlachtenbummler gleichzeitig die stillste und scheinbar leidenschaftsloseste Versteigerung der Welt dar Ür. Hohe Preise für Hirschvogel- un- Rembrandt-Stiche Anläßlich der fortgesetzten Boerner-Auktion erzielten 4 Kupferstiche nach Augustin Hirsch- vogel, Landschaften darstellend, sehr hohe Preise. Sie fanden für 13^; 12^; 9,6 und 2,1 Millionen Mark Liebhaber. Ein Lukas von Leyden, der Solo- mons Götzendienerei zum Gegenstände hatte, kam auf 7V Millionen. Von den Rembrandt- Stichen ging das Selbstbildnis für 7V Millionen, das Bild seiner Mutter für 7,2 Millionen weg. Eine ganze Reche weiterer Rembrandt-Stiche er- zielten 3 vir 6 Millionen. Line lo-Milliar-en-Kuktion in Vien Zwei Oese» für 110« Millioue» Krauen Auch in Wien fand dieser Tage eine Der- steigerung statt, die wegen ihres Ergebnisse» Be achtung verdient: erbrachte sie doch für eine Samm lung verschiedenartiger kunstgewerblicher Gegenstände insgesamt zehn Milliarden Kronen, während fie vorher nur auf 2)4 Milliarde Kronen geschätzt war. Die Versteigerung fand für den un bekannt gebliebenen Besitzer der Sammlung bei I. L. Wawra statt. Den Clou der Auktion bildete ein aus dem 16. Jahrhundert stammender sogenannter Ausseer Kachelofen, der auf 600 Millionen geschätzt und im Verlaufe der Steigerung um hundert Millionen höhet, also um den Spottpreis von 600 Millionen Kronen, an den Mann gebracht wurde. Dieser Ofen bildet eine Gruppe mit dem be rühmtesten Ofen der ausgehenden Gotik, dem der Feste Hohensalzburg, und gehört zu den schönsten Produkten der keramischen Kunst im Salz kammergut. Einzelne Tafelkacheln des Feuerwittfelo stellen dir Taufe Christi, die Kreuzigung, Einzug in Jerusalem dar. Das zweite aufsehenerregende Stück der Auktion war ein Renaisfaneeofen aus Südtirol aus dem Jahre 1639, der auf 400 Millionen geschätzt und um 600 Millionen an denselben Käufer verkauft wurde. Zwei andere Oefen aus dem 16. Jahrhundert gingen für je 200 Millionen ab, ein französischer Teppich aus dem Jahre 1800 sand für lOO Millionen einen Käufer. Unter den versteigerten Gemälden erzielte den höchsten Preis von etwa 160 Millionen Kronen ein Selbstbildnis Friedrich Heinrich Fügers, während ein guter, alter Abdruck Dürer», „Die heilige Jungfrau mit dem Affen', für 2 Millionen verschleudert wurde. Im Klug quer durch Amerika Zwei amerikanische Offiziere sind mit einem Fokker-Heeresflugzeug ohne Zwischenlandung oon New Yark nach San Diego in 27 Stund:» geflogen und haben damit zum ersten Male den amerikanischen Kontinent in ununter brochenem Fluge überquert. Diebstähle i» einer Strafanstalt. In der Straf- anstatt Zeitz-Moritzburg sind in den letzten Wochen eine große Zahl Eßnäpfe aus Zink, jeder 1 Kilogramm schwer, gestohlen worden. Vermutlich sind die gestohlenen Näpfe, die einen beträchtlichen Zeitwert darstellen, nach Glauchau gebracht worden. Line Orgauisti». An der Kirche von Lengen feld i. D. wurde Fräulein Susanne Rudolph als Organistin gewählt und in ihr Amt cingewiefen. Der Ra»» der Laft-Zubabcriu. Eine in Buda» pest eingetroffene ungarisch - amerikanische Zeitung enthält die folgende Notiz: Ganz New Park beschäf tigt sich mit einem Caf^hausbrand, der an und für sich als Schadenfeuer gelten könnte, wenn die In haberin des Lokals nicht eine äußerst bekannte Per- sönlichkeit wäre. In der 44. Avenue in New Zork ist nämlich in einem Cafvhaus Feuer ausgebrochen. Sowohl das Personal als auch die Gäste verloren vor Angst vollständig den Kops, nur die Inhaberin, eine imposante Erscheinung, i den sogenannten „besten Jahren', bewahrte volle Geistesgegenwart. Sic ordnete die vernünftigsten Maßregeln an, so daß, als die Feuerwehr erschien, das Feuer bereits ge löscht war. Der erste Befehl der Dame lautete über raschenderweise folgendermaßen: „Das Porträt meine» verstorbenen Mannes, dort an der Wand, bitte, vor allem auf «inen sicheren Platz zu bringen." Es war dies das wohlgelunzene Konterfei Theodor Roosevelts, des ehemaligen Präsidenten der Repu blik der Vereinigten Staaten. Nun interessiert sich plötzlich ganz New Pork für das bescheidene Cafe haus, wo sich die Witwe des großen Staatsmannes mit ehrlicher Arbeit ihr Brot verdient. Ganz New Jork interessiert sich für die Inhaberin eines CafSs, und neigt sich ehrfürchtig vor dieser Demokratin, di« sich nicht schämte, aus dem „Weißen Haus' an den Kaffentisch eines CafShauses zu übersiedeln. So weit das amerikanische Blatt. Atheismus, Skepsis und Mystik Don 0r. Nvrmrmn MlettsI, Leipzig. Aus dem aufschlußreichenLebensabriß, denFritz Mauthner lurttich im dritten Bande dec .Ph:>o- sophie der Gegenwart' (Leipzig, Felix Meiner) ver- öffentlicht hat, erfahren wir auch Näheres über die Genesis seines letzten, aber hoffentlich nicht aller- letzten Werkes: „Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande' (Stuttgart und Berlin, Deutsche Derlagsanstalt). Schon in früher Jugend hat zumal das Nachdenken über den Gottes begriff den begabten Knaben zu sprachlicher Skepsis angeregt. Nach vielen Jahren hat dann der gereifte Mann seine „Kritik der Sprache' geschrieben. Und abermal» nach Jahren, an der Schwelle des Greisen- alter», die Geschichte des Atheismus begonnen, ge wissermaßen die praktische Anwendung seiner Theorie auf einen Begriff von unermeßlicher Bedeutung. In vier starken Bänden liegt dies Werk jetzt abgeschlossen vor, eine Arbeitsleistung von imponierendem Um fang und faszinierendem Inhalt. „Spät erklingt, war früh erklang.' Was bedeutet „Atheismus'? Das Wort läßt sich, wie die meisten Fremdwörter, nicht durch «inen ein- zigen deutschen Ausdruck genau wiedergeben. Gott losigkeit hat etwa« Abschätziges, Unglaube ist zu all- gemein. Atheismus heißt im Grunde nur der Glaub«, daß kein persönlicher Gott existiere. Die Persönlichkeit gehört nun einmal zum Wesen Gotte» nach der Kirchenlehre. In diesem Sinne muß auch ein Vertreter de» Pantheismus, der die Natur der Gottheit gleichsetzt, al« Atheist gelten. Mauthner« Geschichte de» Atheismus schildert der Hauptsache nach, freilich auf manchen Umwegen und mit vielen Exkursen, die allmähliche Zersetzung und Ueber windung de» Glaubens an einen persönlichen Gott An den Gott de« Kinderglaubens, der die Welt ge- schaffen hat und Wunder tun kann. Für Mauthner selbst ist der Nachweis, daß e» sich dabei um ein Phantom handle, verhältnismäßig einfach. „Das schließlich zum Atheismus führen mußte und geführt hat, da» war nur di« Anwendung philosophisch ge schulter Kritik auf geschichtlich gewordene Begriffe, zuletzt der Sprachkritik." Die» „nur' dauerte aber sehr lange-, nahezu zwei Jahrtausende mußten ver- gcheu, bi» »an auch in weiteren Kreisen rinsah, daß es (mit Gottfried Keller zu sprechen) um den lieben Gott kritisch bestellt war. Ob Mauthners Behauptung zutrifft, die Frage nach dem Dasein Gottes sei eine historische, eine Frage de» historischen Glaubens? Schwerlich. Der von ihm sehr verehrte Lessing hat, wie mir scheint, bereits die Antwort gegeben: „Zufällige Geschichts wahrheiten können der Beweis von notwendigen Vernunftwahrheiten nie werden.' Gegen diesen Satz würde Mauthner einwenden, daß er keine not- wendigen Vernunftwahrheiten anerkenne; ja daß Wahrheit überhaupt ein relativer Begriff sei, wohl gar ein Wortfetisch. Damit scheiden sich bereit« imsere Dege, denn diese Art von Skeptizismus halte ich. für unergiebig und widerlegbar; Mauthner selbst aber hebt einmal mit Recht hervor, daß man sinnvoll mit einem nur streiten kann, wenn man ungefähr auf gleichem Boden steht. Ooott» priocipia nexsn- tem non est ckisputaockum: da» wußte schon die Scholastik. Glaubte Ernst Mach, dem sich Mauthner dankbar verpflichtet fühlt, alle erkenntnistheoretischen Pro- bleme in Geschichte, Psychologie und Biologie auf lösen zu können, so geht Mauthner noch einen Schritt ! weiter und fügt die Sprachkritik — al« was? doch wohl al« Erkenntnismittel? — hinzu. Und von der Wahrheit seiner sprachkritischen Erkenntnis ist er so ßberzeugt wie irgendein Kirchenvater von seinem Dogma. Er hält seine sprachkritische Einsicht für unumstößlich. Leugnet aber, daß es so etwa» gebe wie absolute Wahrheit oder auch nur Allgemein- gültigkeit und Notwendigkeit. Da kann ich nicht mit. Allein diese grundsätzliche Differenz hindert nicht, der farbenreichen geschichtlichen Darstellung Mauth- ner» mit größtem Anteil zu folgen. Di« Geschichte de» Atheismus erweitert sich ihm von vornherein zu einer Geschichte der Freidenkerei, und.wa» er in dies»« Bettacht, vielfach au» entlegenen und wenig beachteten Quellen, mit schier unbegreiflicher Lese freude zusaaunengettagen und mit zäher Energie verarbeitet hat, da» bleibt auf alle Fälle bewundern»- wert. Er nennt Lessing einen Arbeitsriesen; ich trage kein Bedenken, ihn selbst so zu nennen. Sem Derk ist dergestalt zu einem ungeheuren Sammel becken geworden, in dem sich die Ergebnisse von Theologie und Philosophie, Kirchen- und Ketzer- a «schicht«, Philologie und Literaturwissenschaft, sprachkritisch durchleuchtet, zusammenfinden. Gin« Geschichte der Aufklärung hat Mauthner ge schaffen, die nicht bloß unser Wissen außerordentlich bereichert, sonder» Waffe» tiefer» ton» i» Kamps gegen die immer wiederkehrenden Versuch«, den menschlichen Geist zu knechten und der Stimme der Vernunft Schweigen zu gebieten. Denn Aufklärung ist, nach Kants lapidarem Wort, der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Un mündigkeit. Doch seltsam. Den unerbittlichen Sprachkritiker, dem die Skepsis nun einmal im Blute sitzt, treibt sein Zweifel weiter und weiter. Bewegungen des 19. Jahrhunderts, von denen man annehmen sollte, sie seien ihm willkommen — Materialismus, So- zialismus, Monismus —, werden hart und einseitig kritisiert. Was Stützung und Ausbreitung des atheistischen Gedankens der Naturwissenschaft schuldig sind, wird nirgends zusammenfaffend ge schildert und die dabei sehr wichtige geologische Forschung ganz außer acht gelassen. Uederhaupt be greift man nicht, weshalb die Naturwissenschaft der früheren Jahrhunderte (selbstverständlich mit Fug) verherrlicht wird, während die de» 19. Jahrhundert« in der Lck« stehen muß. Von der Entwicklung der modernen Chemie hören wir fast nichts; mir scheint die künstliche Darstellung organischer Substanzen für eine Geschichte de» Atheismus viel bedeutsamer als die breit erörterte religiöse Ideenwelt Bismarcks. Zweifelt Mauthner etwa auch an den Synthesen der Chemie wie an den Systemen der Philosophie? Er geht zwar nicht so weit (was immerhin folgerecht wäre), an seinem eignen Zweifel zu zweifeln wie Ibsens Jarl Skule, aber das Ergebnis bleibt doch das gleiche: es ist das Halbdunkel, es ist die Däm- merung. Diese Geschichte der Geister befreiung endet in der Mystik! Skepsis und Mystik waren ja von jeher eng ver- schwistert. Der Skeptiker Mauthner wird zum Propheten und verkündet in gehobenen Worten elne neue Religion außerhalb der Kirch«, ja außerhalb jeder Religion, eine Religion ohne Gott, eine aanostisch« oder gottlose Mystik. Gottlos« Mystik: da« ist da» Stichwort, da» Mauthner namentlich i» vierte» Bande unverdrossen wieder holt; e» ist da« Ziel, dem sein ganze» Derk offen- sichtlich zustrebt und für da» er Eidesheffer in Spinoza, Goethe, Nietzsche entdeckt zu haben me,nr. Der scharfsinnige Denker, der sich selbst, allzu ge flissentlich, für einen geistigen Rebellen, für sine» Grzketzer erklärt — „Ich leugne nit: ich gehör' zu den freien Geistern', st»gt der brave Tellermann —, reicht am Schluß dem alten chinesischen Dessen Laotse die Hand und bezeichnet „da» Mitgefühl, da, EtiwgefM der gottlosen Mystik, da« man gern ein „religiöses' Gefühl nennen mag", mit dem Rätselwort Tao. Mich dünkt, das ist die Däm- merung. Darum dieser titanische Trotz? Darum dies Aufgebot ungewöhnlicher Gelehrsamkeit? Darum zweitausend Druckseiten? Nur um den Nachweis zu führen, daß wir am Ende doch nichts wissen können? Den Nachweis, daß Vernunft und Wissenschaft bankrott sind? Den Nachweis, daß ein Weltschöpfer- Gott nicht existiert? Womit wird er geführt, dieser Nachweis? Etwa mit anderen Mitteln als denen der Vernunft und Wissenschaft? Kant, den ja Mauthner bis zu einem gewissen Grade gelten läßt, preist die „konsequente Denkungs- art*B al» höchste Obliegenheit eine» Philosophen. Dieser Verpflichtung darf sich astch ein noch so gott loser Mystiker nicht entziehen, wenn er es unter nimmt, seinen Glauben in Worte zu fassen und seine Lehre zu begründen. Eise »eue Frankfurter Generalintendantur. In der Leitung des Frankfurter Opernhauses soll letzt eine Aenderung eintreten. Die Differenzen zwischen dem Intendanten Dr. Ernst Lert (der früher als Ober spielleiter an der Leipziger Oper wirkte) und dem Per- sonal, die mehr als seit Jahresfrist zu einer schlei chenden Krisis geführt hatten, wodurch künstlerisch« und wirtschaftliche Nachteile dem Opernhaus er- wachsen waren, haben nunmehr zur Entlassung des Intendanten Lert geführt. Die Geschäfte werden Ummehr bi» auf weitere» einem Regiekollegium, onn auch der Intendant de» Schauspiels, Richard Weichert, angehören wird, übertragen. Die städtische Verwaltung der Theater hat die Absicht, beide Bühnen, Oper und Schauspiel, wieder unter einer Führung zu vereinen und einen Generalintendanten zu ernennen. Ei» Tauschgeschäft zwischen der Gtadt Die» u»d Richard Stta»ßtz Die Stadt Wie» hat Richard Strauß den Park de» Schwarzenberg- Pa l a i», da» in städtischen Besitz llbergegangen ist, auf achtzig Jahre unentgeltlich in Pacht gegeben. Richard Strauß wird sich in dem herrlichen Park eine Villa bauen und hat al» Gegengeschenk' der Stadt die handgeschriebene Partitur de» .Rosenkavalier' verehrt. — Selbstverständlich ist dieser Tausch nicht im Hinblick auf kommerziell« Werte zu beurteilen. Die Stadt Vien wollte offen bar ihrem Wunsche Ausdruck geben, Richard Strauß dauernd an Dien zu fessel»,
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