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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192305048
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230504
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230504
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-04
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
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ä«» 4. Lat Letp-tg« Vagedla« «ul »«ul«ra»e11«HS M.r-4 HM? ^aKesderiokt Gar, Wasser, Elektrizität und Straßenbahn in SO deutschen Städten Licht und Wasser haben immer zu den Lebens- Notwendigkeiten der Menschen gehört, und auch «in Wohlseile» Verkehrsmittel ist im Wirtschafts leben unserer Zeit unentbehrlich. Alle Sozial politiker sind sich daher in der Forderung einig, daß diese drei Dinge möglichst niedrig im Preis« gehalten werden müssen. Die heutigen Verhält- nisft lassen das leider nicht zu, und die Preis schraube hat auch hier gewaltig eingesetzt. Im letzten Heft der Mitteilungen des Deutschen StäbtetageS werden nun interessante Mittei lungen gemacht über die Preise für GaS, Wasser, Elektrizität und Straßenbahn in 50 deutschen Städten. Stichtag ist der 19. März 1926, so daß die Zusammenstellung nur wenige Wochen zurückltegt. Wir beschränken uns hier aus einige Hauptangaben. Ga«. Sechs Städte erhoben weniger als 500 Mark für das Kubikmeter. Die billigste Stadt ist Tilsit mit 320 Mark, dann folgten München mit 420 Mark, ferner Stuttgart mit 450 Mark, Gör litz mit 480 Mark usw. Die teuer st en Städte sind Darmstadt und Freiburg i.B. mit 1000 Mark, sowie Frankfurt a. M. mit 1200 Mark. Leipzig mit 670 Mark, dem 4467 fachen Friedenspreis, be fand sich fast genau im Mittel des für alle Städte errechneten Durchschnittspreises. VlektrizitLt. ä. Lichtstes«. Die billigsten Städte sind München mit 500 Mark und Görlitz mit 600 Mark für eine Kilowattstunde. Mehr als die Hälfte aller Städte erhebt 1000 Mark und zum Teil beträchtlich darüber, so z. B. Königsberg und Karlsruhe je 1650, Lübeck 1660 und Mannheim neuestens sogar 2000 Mark. Leipzig mit 970 Mark lag unter dem mir 1024 Mark berechneten Mittel aller Städte. 8. Kraftstro». Auch hier ist München mit 400 Mark die billigste Stadt, dann folgen Neiße, Liegnitz, Guben und Görlitz mit 450- 565 Mark. Hamburg ist nach München mit 600 Mark die billigste Großstadt. Am teuersten ist Tilsit (das die billigste Gasstadt war) mit 1400 Mark. Dann folgen Mannheim, Frankfurt a. O. und Berlin. Letzteres erhebt gleichmäßig für Licht und Kraft 1200 Mark. Leipzig mit 960 Mark lag etwas über dem Mittel aller Städte (900 Mark). Straßenbahn. Die Straßenbahn ist ein Kapitel für sich. Erfragt ist „der billigste Einzelfahrschein für Er wachsene ohne Ermäßigung". Also der geringste Preis, für den man überhaupt die Straßenbahn benutzen kann, wenn es auch nur für eine Teil strecke wäre. Wieder istMünchen die billigste Stadt, denn dort kann man schon für 100 Mark auf der Straßenbahn fahren. Konkurrent ist Guben, eben falls mit 100 Mark Dann folgen Görlitz, Rostock und Nürnberg mit 150 Mark. Am teuersten fährt man in Köln und Leipzig mit 500 und 450 Mark. Der mittlere Preis aller Städte, für den man auf der Straßenbahn fahren kann, beträgt 250 Mark. Da ist Leipzig bedeutend drüber. * Aller in allem: München ist die billigste Stadt im Reiche für GaS, Wasser, E.ektrizität und Straßenbahn. Wir können wirklich mit Neid auf die Einwohner der Hauptstadt Bayerns blicken. Sie sparen jährlich Tausende uns gegenüber. Gefährliche Berbrecherjagd. In Bochum fand eine gefährliche Verbrecherjagd statt. Die Brüder Fischer aus dem benachbarten Altenbochum sollten von der Kriminalpolizei verhaftet werden. Auf der Wittener Straße schoß einer der Brüder auf den Kriminalbeamten Weih und verletzte ihn durch einen Bauchschuß so schwer, daß er bald l darauf im Krankenhaus verschied. Die Verbrecher j Vas goldene Dresden Don Nslnrlek Tarstnulan Nein, dieser Titel stammt nicht von mir. Ihn schrieb ein Dichter mit dem seltsam abenteuer, lichen Namen Ossip Kalenter über ein schmales Büchlein, das der Verlag Paul Steegemann in Han nover auf viel zu schlechtem Papier gedruckt hat. Wie eine seltene Konfitüre läßt sich dies Büchlein aus dem schillernden Seidenpapier seiner zarten Ein fälle auspacken Wie das feine Aroma einer elegant gedrehten türkischen Zigarette steigt es aus den manch- mal bizarren Arabesken seiner Schriftsätze. Es braucht einer Dresden gar nicht zu kennen, so spürt er nach der Lektüre dieses Idylls eine Sehnsucht zu dieser lichten Stadt hin. Wie man ein schönes Frauenbild manchmal ansieht und es drängt einen, das Original kennen zu lernen. Zum mindesten wird man staunend gewahren, daß selbst „im Zeitalter der ungepuderten Roheit" weiland ein Dichter dennoch der Aristokrat seiner selbstgeschaffcnen Herrlichkeiten bleibt. Sicher gegen icde Art Einbruch, sei es nun von feiten einer hoben Steuerbehörde oder von den Herren Einbrechern selber, die Lust und Neigung zu diesem einzigen steuerfreien, sogenannten „freien Be rufe" in sich fühlen. Eine knappe halbe Stunde lang liest man an dem Büchlein. Und legt man es lächelnd aus der Hand, dann ist „das Konklave des Herzens" noch mild er- leuchtet von all dem milden Widerschein der grünen Patina, die wie Dresdens hohe Kuppeln, so auch jetzt die eigenen Herzgedanken aufgeritzt haben. „Ich sah eine Frau lachen, einen Freund weinen, über alten Giebeln schien der Mond — das ist cs, Leser, wo« ich dir zu sagen habe." So ersteht die Szenerie zu diesem deutschen Städtebild: die Hofkirche in Allegro (non lento) des Barock, die Gemäldegalerie in venezianischem An- dante, bas Schloß eine Sarabande in deutscher, die Oper im Moderaw italienischer Renaissance. Und «in« leis« Handlung will anheben: Hier hat sich einmal an einem Sonntagnachmittag «in junger Mann er. schossen. Aber sicherlich hat er'« gar nickt so gemeint, sagt Ossip Kalenter. Und auch die Engel lehnten darüber nur wie schöne Gedanken an den Wolken. Der Bühneninspizient braucht sich den Kopf nicht mit tausend Nichtigkeiten vollzupfropfen. Hier ist der Ktz, Sw»« »w »tu« Feier, und i« Loterneiuotnd de» flüchteten nun nach dem Hause des Oberbürgermei- stcrs in der Scharnhorststraße, wo es ihnen gelang, auf da» Dach zu klettern. Von da au« schossen sie blind indiedichtgedrängteMenge. Der FLH- rer de« Kraftwagen» der Feuerwehr erhielt «inen Kopfschuß. Darauf richtete der ein« der Verbrecher die Waffe aegensich selbst und brachte sich einen Kopfschuß bei, der allerdings nicht schwer war. Er konnte überwältigt werden, der zweite Verbrecher, der mit Handgranaten bewaffnet war, konnte ge faßt und abgeführt werden. Der flüchtige Geldschrankknacker. Der 1889 zu Nordhausen geborene, schwer vorbestrafte Kellner Paul Theodor Friedrich Ehrhard, der als be- rüchtigter Geldschrankknacker bekannt ist, und der noch 18 Jahre Zuchthaus zu verbüßen hat, wird von der Berliner Kriminalpolizei steckbrieflich ge sucht. Er war am 16. Februar auf der Strecke Nauen—Berlin au» einem Gefangenen-Sammel- transportwagen entwichen, nachdem er mit Säge- blättern, die ihm heimlich zugesteckt worden waren, den Fußboden durchsägt hatte. Ehrhard, der schon dreimal ausgebrochen ist, soll eine Schußwaffe bei sich führen. * Schiebungen mit Ltsenbahnfahrkarten sind von Beamten und Beamtinnen des Münchner Haupt- bahnhofs bei den wiederholten starken Tariferhöhun gen vorgenommen worden. Die Beamten und Be- amtinnen kauften vor einer Erhöhung der Fahr- kartenpreise eine Anzahl von Fahrkarten nach ent- fernteren Stationen auf Vorrat, um sie später nach erfolgter Tariferhöhung mit gutem Gewinn ab- zusctzen. Eine Beamtin des Harrptbahnhofs wurde wegen dieser Schiebung zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Gegen 14 andere Beamte schwebt noch das Verfahren. * Zigeunerschlauheit. In einem Dorfe bei Schleiz kehrten Zigeuner bet einer Bauersfrau zum Wahr- sagen ein und hielten es u. a. auch für nötig, den Segen über das Geld zu sprechen. Die Frau holte vertrauensvoll ihre Kassette herbei, und die Zigeu. ner machten ihren Hokuspokus. Am nächsten Tage ließ es den Beglückten doch keine Ruhe mehr, sie zählten ihren „Segen" noch mal durch, und siehe da, der Teufel hatte 100 000 .4t verschwinden lassen. Di« elektrifizierte Stadt. Die Vereinigten Staa- ten sind das Land, das sich immer energischer von der Hilfe der bedienenden Menschenhand unabhängig zu machen bestrebt ist. Man hat ausgerechnet, daß jeder Amerikaner die Arbeitsleistung von 40 Pferdckraften zu seiner Verfügung hat, die durch Dampf, Petroleum und Elektrizität erzeugt werden. Zum Zweck dieser Erzeugung werden jährlich 800 Millionen Tonnen Kohle verbraucht. Wahrscheinlich noch größer ist aber der Verbrauch von Oel. Nach der Schätzung der Ingenieure verfügt Amerika außerdem über Wasserkräfte, die jedes Jahr mehr als 80 Millionen Pferdekräfte liefern könnten und die heute noch völlig brach liegen. Der Traum der Ingenieure ist es denn auch seit langem, diese brachliegenden Wasserkräfte für die Industrie des Landes nutzbar zu machen. Dieser Traum soll nun aber in nächster Zeit ver- wirklicht werden; denn nach den Mitteilungen, die aus dem Hauptquartier des großen elektrischen Kon- zerns zu Scheneetady in die Oeffentlichkeit dringen, ist man stts emsig am Werke, die Gewässer de» weite G ' der Vereinigten Staaten durchfließen, den Ore^ ufles industriell auszunutzen. Der Plan sieht die Mobilisierung von 800000 Pferdekräften elektrischer Kraft vor. Damit will man Hunderttau- sende von Acres Oedland in blühenden Ackerboden verwandeln, Dutzende von großen industriellen Eta blissements ins Leben rufen und eine funkelnagelneue große Stadt begründen, die kohlen- und rauchlos und deshalb untadelig sauber sein wird. Als Platz für diese Stadt ist ein Terrain an den Priest Rapids ausersehen, mächtigen Fällen des Oregon, die über ein Gelände von rund 15 Kilometern aus einer Höhe von über 30 Metern herabfallen. An diesen Fällen sollll zunächst die größte Talsperre der Welt angelegt werden, die an Ausdehnung noch den Staudamm des Nils bei Assuan übertrifft. Dann wird man daran gehen, die elektrische Modellstadt der Zukunft zu er bauen mit Wohnungen für eine Bevölkerung von 40 000 Arbeitern und schornsteinlosen Fabriken. Für industrielle Zwecke sollen insgesamt 400 000 Pferde- kräfte verwandt werden, während für Bewässerung und Fruchtbarmachung des Oedlandes 300 000 Pferde kräfte an Energie aus zweiter Hand zur Verfügung stehen. KrühlingsfahrtBöhmen Der lange, schwarze Gisenbahnzug fährt langsam, al» wollte er sich erst in Stimmung bringen, au» der dämmernden Bahnhofshalle in Dresden. Dann be- schleunigt er das Tempo. Da» Auge gewöhnt sich an das Licht. Zischend sausen die Wagen durch das flache Land. Telegraphendrähte schwingen auf und ab. Dar- unter krümmen sich graugelbe Straßen. Ein Auto versucht die Konkurrenz mit der Lokomotive aus. zunehmen. Bei der Biegung erwartet die kleine Schwimmschule die ersten Gäste. In der Ferne schimmern bläulich die Berge. Der Zug jagt durch die blühende Ebene. Erdarbeiter bemühen sich, den Reisen- den zu zeigen, wie viel sie zu tun haben; nur versteckt schauen sie die Passagiere an; der Lehm brennt gold- gelo in die von Wärme schwere Luft. Mit drei Pferden bestellt ein Bauer sein Feld; bei unserem Nahen hält er mit der Arbeit inne. Täglich sieht er einige Züge vorllberfahren; aber immer wieder bleibt er stehen, sieht sich die Wagen und die au« den Fenstern blickenden Reisenden an. Er träumt von ihren Fahrten und der Welt, die er niemals zu Gesicht bekommen wird; seine Sehnsucht folgt der entschwin- dcndcn Rauchwolke. Die Landschaft, durck die wir jetzt kommen, könnte vo' Ruisdaels gemalt sein. Windmühlen bewegen träge ihre großen, hölzernen Räder im leichten Winde. In Weiß und Rosa blühen überall die Bäume: auf den Straßen, in den Gärten, auf dem Friedhof. . . Den Hintergrund bildet eine kleine Kirche: spitz durchsticht ihr Turm die Lust. Auf grüner Weide lassen sich braun- und schwarzgefleckte Kühe nicht stören; sie ignorieren uns; der Hirte, dem wir inter essant erscheinen, erregt ihre Verwunderung. Nun beginnt's bewegt zu werden. Coswigs in Grün geworfene Villen wirken lebendig. Wein gärten breiten sich über die Hügel. Reicks rote Dächer grüßen. Bald liegt unter uns die grünlich schimmernde Elbe. Kleine Gebäude ruhen unter leuchtenden Hängen. In breites Tal gebettet, sonnt sich ein Dorf; um seine Häuser krümmt sich der Efeu. Hier und da reckt sich stolz ein Pappel. Wir brausen an einem Dampfer vorbei. Dann liegt des „Meißener Hochlandes" wildromantische Landschaft vor uns. Die Felsmasse der Bastei bildet die stürmische Ouvertüre. Hinter dem Königstein brennt die Sonne. Gewaltig stürmt der Fels den Himmel; seine trotzige Form mußte Napoleon reizen. Große Geschichte wurde beim „Geldschrank des Königs von Sachsen", wie der Berg im Dolksmund heißt, erlebt. Don Dresden und Nollen- darf klang der Kanonendonner herüber. Der Vor zellanerfinder Böttger sollte zum Alchimisten werden; Baron von Klettenberg, Bakunin-Dakunar vertraue» ten hier ihr verdorbenes Leben. Aber die rasende Lokomotive läßt keine Nachdenklichkeit zu. Weiter geht's durch felsige Gegend. Wohl erholt von den Schrecken des dreißigjährigen Krieges läßt Schandau seine vornehmen Dillen grüßen. Gigantisch ragen die Postclwitzer Steinbrüche. Die „Hutschen", Holzschlitten, schwer mit Steinen be- laden, fahren die „Schleifen" hinab. Das Winter berges Basaltkuppel winkt; der Buchenwald schüttelt im Winde sein Haupt. Die ganze Gegend, Touristen- Eldorado, hat etwas Gespenstsisches m ihrem maje- statischen Aufbau; deshalb fühlt sich hier wohl auch noch der sonst so seltene Uhu wohl. Am Ufer des Kamnitzbaches dehnt sich Herrns- kretscken in schmales Felstal. Wir jagen weiter der Grenze zu. So plötzlich die Landschaft herrisck und wild zu werden begann, so langsam löst sie sich nun in leich- tcrc, melodiösere Formen auf. Noch erhebt sich eine gelbliche Hügelkette, doch beginnt die Geschlossenheit sich zu verlieren. Den steinigen Massen mit den grau- grünen Wäldern folgen blühende Obstbäume und Laubwälder. Alles wird sanfter und melancholischer, Langsam sinkt die Sonne. Rot liegt sie jetzt auf Geröll. In der Ferne streckt noch der alte, graue Milleschauer den Kopf über seine Brüder. Dann naht die Ebene. Der Abend ist da. Wie ein silbergrauer Vor- Hang liegt der Nebel über leicht bewaldeten Hügeln, Weinbergen, Gärten und Feldern. Der kleinen böh mischen Kircken Glocken läuten. Traurig« Weiden be spiegeln sich im Flusse; die Dämmerung gibt ihnen phantastische Formen. Zn einem entgegenkommenden Auge singt jemand »ur Laute ein altes Volkslied. Im Coups ersterben die Stimmen. Die Fahrt geht weiter. Aus niedrigen Häusern und kleinen Fenstern blinzeln die ersten trüb bren- nenden Petroleumlampen. Auch im Waggon wirb da» Licht angesteckt. Es blinkt ein wenig hinaus uvd läßt hier und da weiße Kirschblüten aufblitzen. Die grellen Augen eines Autso suchen die Straßen ab. Durch dre Nacht klingt von weitem ein Flötenlied herüber. Warm weht die Luft durch das geöffnet« Fenster. Dann klärt sich der Himmel, und auch das Auge gewöhnt sich an die Dunkelheit ,es sieht weich- gcwellte Hügel. Weiß hängt der Mond über dem böhmischen Land. Sorstnrtt Testulu. * Bon einem Einbrecher erschossen. Aus Liegnitz wird gedrahtet: Der Stoffwarenhändler Becker über raschte in seiner Wohnung zwei Einbrecher. Der eine schoß Becker sofort nieder und tötete nnt einem zwei- tcn Schuß den zu Hilfe eilenden Gastwirt Starlloff. Der Mörder flüchtete. Als er aber kein Entkommen mehr sah, tötete er sich in Katzbach durch einen Schuß in den Kopf. Der zweite Einbrecher entkam. * Kommunistische Ehreusoldaten. Wie die säch- sische kommunistische Presse mitteilt, sind Max Hölz und Georg Mühsam zu Ehrensoldaten des 46. russi schen Kaoallerie-Regiment« in Anerkennung ihrer Verdienste um die Revolution ernannt worden. * Eine Legieustraße. Die Kieler Stadt verwaltung hat beschlossen, die Straße, in der sich das Gewerkschaftshaus befindet, Legienstraße zu nennen -um Andenken an den im vorigen Jahre ver storbenen deutschen Gewerkschaftsführer, der viele Jahrzehnte Kiel im Reichstag vertreten hat. Fünf Gehöfte eiugeäschert. In Unterstedt (Prov. Hannover) äscherte ein Großfeuer fünf Ge höfte mit sämtlichen Stallungen, Scheunen und Nebengebäuden ein. Diel Dich, große Getreide- und Futtervorräte sowie alle wertvollen Maschinen wur den vernichtet. Der Schaden dürfte eine Milliarde Mark übersteigen. * Rubinsteiu gegen eine Milliarde Kaution ent lassen. Der frühere russische Staatsrat Dimitrieff Rubinstein, der mit den beiden Direktoren der Conti nentalbank in Wien unter der Anklage, sich auf Kosten der anderen Aktionäre sichergestellt zu haben, verhaftet wurde, ist nach Stellung einer Kaution in Höhe von 1 Milliarde Kronen auf freien Fuß gesetzt worden. Die Untersuchung gegen ihn wird weiter- geführt. Die erste italienische Mustermesse. Deutschland beginnt mit seinen Messen auch in Italien Schule zu machen. In der Erkenntnis der hohen Bedeutung, die insbesondere die Mustermessen für das Wirt schaftsleben haben, hatte sich in Rom auf die Initia tive des Professors Orrei ein Aussckuß gebildet, der s die Vorbereitungen für die in Rom abzuhaltende ' Mustermesse so energisch betrieb, daß man diese be- reits am 22. April zu eröffnen gedachte. Aber die Messe teilte das Schicksal aller Ausstellungen: sie wurde nicht rechtzeitig fertig, und so sah man sich genötigt, die Eröffnung zu verschieben. Die Muster- ausstellung soll einen umfassenden Ueberblick über den Stand des industriellen, landwirtschaftlichen und künstlerischen Lebens Italiens geben. Zu ihrer Aufnahme hat man eine Stadt im kleinen erbaut, die im Stil dem altrömischen Charakter Rechnung trägt und an die stolze Vergangenheit Roms er innern soll. Den Eingang zu der Ausstellungsstadl bildet eine säulengetragene monumentale Pforte, deren Treppe von den der Villa Medici entnomme- nen Löwen flankiert wird, und die eine stolze rö mische Inschrift trägt. Man betritt dann einen großen Platz, .dessen Mitte die traditionellen römische Wölfin bewacht. Von hier aus führt der Weg zu den verschiedenen Ausstellungsgebäuden. Wie es sich für eine römische Stadt ziemt, fehlt ihr weder das - Forum noch das römisch-griechische Amphitheater, das eine bis ins kleinste genaue Wiedergabe der alt römischen Theater darstellt. Abends erblüht die blaue Blume der Romantik, die wir lieben. Auf dieser zierlichen Bühne Gottes also läßt der Regisseur und Dichter Kalenter nun seine Schauspieler agieren. Den kranken und ermatteten Stendhal; den genialen Zigeuner Honorö de Balzac, der zu einem Rendezvous nach Dresden mit Mme. de Hanska kam; den von Lust und Leid müden Friedrich Schlegel, der hier seine letzten Vorlesungen hielt über die Philosophie der Sprache und des Wortes Licht; die Dorothea Tieck, die sich goldene Dresdner Tage und blaue Sommernächte in Gemeinschaft mit dem Grafen Baudissin an der Uebersetzung ihres geliebten Shake- speare dichtete; den lieben Carl Maria v. Weber, der den Iungfernkranz des ewigen Ruhmes sich hier um seine Stirn wand. Dazu als Statisten und in kleinen Chargen eine schwere Menge von Bischöfen, Mar- quisen, polnischen Grafen, russischen Generalen, italie nischen Primadonnen, Musikern, Hofleuten, Dichtern, Kurtisanen. (Nur die Kommunisten von heute fehlen in diesem Dresden, aber Ossip Kalenter ist ja auch nur ein Dichter und darum nicht sachlich.) Ein wohl erzogenes, kultiviertes Publikum aber klatscht so wohlgefällig und distingiert Beifall, daß der Vorhang noch einmal aufgcht. Und auch das kann dieser geschmackvolle Plauderer: er zeigt eine Teegescllfckaft im Salon der Frau v. D., die gestern gewesen ist, aber erst morgen sein wird. Genau wie das goldene Dresden immer war und morgen noch sein wird. . . . Joseph Hegevbarth, der Dresdner Graphiker, zeigt im Museum für Buch und Schrift (Aeitzer Straße) Schwarzweißarbeiten und Aquarelle. Hcgen» barth ist von Natur Illustrator und, so viel kann man sagen, heut« eine der stärksten Potenzen auf diesem Gebiet. Wa» seine Illustration in die Sphäre der Kunst erhebt, ist, daß er sich nicht mit einer Der- bildlichung der jeweiligen Textstcüe begnügt, sonder« au» der Stimmung der Szene und de» Ganzen her an» zu ein«r Piston gelangt. Er setzt Dichterische» in malerisch« (zeichnerisch«) Anschauung um und ist so- mit, obwohl er die Inspiration au» einem Kunstwerk erhält, nicht weniger Schöpfer al» der, der in An- leknung an di« Natur oder au» eigener Phantasie gestaltet. Wie viele dieser Begabungen, hat er eine Vorliebe für zyklische Darstellung; in der Folge lose »neincmdergerrihtrr Blätter »rmag «r am besten di« Erlebnisse, die eine Dichtung in ihm wochgerufen Hot, auszusprechen. Geht man den dichterischen Stoffen, die auf ihn wirken, und seiner Formensprache im einzelnen nach, so erkennt man seine sozusagen zyklopische Phantasie. Epen der Vorzeit — Gilgamesch, Nibelungenlied — oder Salammbo, die gewaltige Romanschöpfung Flauberts, wühlen seine Seele auf und erfüllen sie mit dem Rausch und der Brutalität einer heroischen, aber nicht antikisch verklärten Menschheit. Für diese Empfindungen hat er eine Bildersprache geschaffen, deren wesentlichen Zug man als Maffengebärde be- zeichnen möchte. Ein Ringerpaar, ein stampfender Elefant, ein Heerwurm, eine Mauermafle — das Organische der Einzelbildung entbehrt oft der Klar heit, aber das Kolossale von Umriß und wuchtender Bewegung springt in die Augen. Sehr bemerkens- wert sind dabei die Fortschritte, die der Künstler in der Ausnutzung des Schwarzweißrhythmus und in der Gesamtkomposition gemacht hat. Während im Gilgamesch trotz der schimmernden Helldunkelwirkung die Fläche meist zerrissen wird, ist in den Salammbo- zeichnungen die bildhafte Geschlossenheit jedes Blattes und zugleich die Mannigfaltigkeit in Kontrast, Ab stufung, Verteilung der Schwarzweißmaffen außer ordentlich. Diese Folge ist in jeder Beziehung die bisher reifste Leistung Hegenbarths, die, auch wenn Slevogts Vorbild nicht ganz wegzudenken ist, nichts von ihrem persönlichen Wert verliert. Wie das Temperament des Künstlers auch über andere Ge mütsstimmungen Herr wird, wäre interessant, näher zu verfolgen. Hier sei nur auf den grotesken Humor hingcwicsen, wie er in der Münchhausenserie, in Wielands Wintermärchen und gewissen Einzel blattern (Sieben Schwaben) zum Ausdruck kommt. Technisch hat sich Hegenbarth vor allem di« Radierung zu einem modulation-reichen Instrument gebildet, während in der Lithographie die Schwärzen ost noch etwas Undurchdringliches, im Aauarell di« Farben etwa» Branstige» haben. 0». Vf. P»Iu»r Eine Liebermann ^rrwerbnng der Berliner Natto- nal-Galerie Der Liebermann^aal im Kronprinzen palai», in der neueren Abteilung der Berliner Na- tional-Galerie, hat jetzt eine schöne Bereicherung er halten; die Galerie hat' das Bild der Freistunde der Amsterdamer Waisenmädchen erworben, da» früher i» Besitz Wichel» »o» Bode« »ar. Die Nene wo«- bung gehört in die Reihe der vorbereitenden Arbei ten Liebermanns für sein berühmtes Bild mit dem gleichen Thema, das in der Galerie des Städel in Frankfurt am Main hängt und das 1882 vollendet wurde. Georg Brande« gegen Frankreich. Der berühmte dänische Literarhistoriker GcorgDrandes ist an- läßlich einiger Artikel über französische Verhältnisse von einem Pariser Mitarbeiter des Kristiania« Dag- bladet heftig angegriffen worden. Auf die Beschul, digung der einsvitigen«sk) eutschfreundlichkeit, die aus den Artikeln hervorblickt, erwiderte Brandes in einem scharfen Artikel u. a. folgendes: „Es wäre wahrlich der geeignete Augenblick, sich in Deutschland einzuschmeicheln. Jetzt, wo Deutschland ohne Prestige dasteht, ohne Waffe, ohne Geld, in der tiefsten Armut, jetzt, wo es seinem Bewunderer und Verteidiger nicht einmal einen Orden zu bieten hat, jetzt muß doch das, was zu Deutschlands Vorteil gesagt wird, jedenfalls sehr uneigennützig sein, uneigennütziger zum minde- sten, als was von Paris aus zur Verherrlichung der Politik Frankreichs geschrieben wird. Im Augenblick sich für die Sache Frankreichs einzusetzen, ist etwas, worauf man sich nicht zu viel einbildcn soll — cs kann ja auch höchstens ein Kreuz der Ehrenlegion ab werfen." Rach einer durch Anführung von Zitaten ge- stützten Beweisführung für die Richtigkeit seiner An- griffe auf die französische Politik, äußert Brande» zum Schluß: „Es gibt mehr als ein Frankreich. Frankreichs Politik ist jetzt eine ander« als vor dem Krieg, oder als die, welche zu befolgen man vorgad, Das jetzige Frankreich ist der Erbe der Politit Preußens. Da» Frankreich Victor Hugo» und Lmile Zola« war ein andere« al» da« Frankreich Paul Claudel» und Aon Daudet», genau wi» Jules Ferry «in Staatsmann anderen Formats als Herr Pokn- earö." , Thrift«» mit »er Trikol-re. I« der Kapelle der Pariser Sorbonne wurde ein den für Frank reich sieghaften Ausgang des Krieges darstel lendes SemSld« ausgestellt. Es zeigt auf der einen Sette zu Boden geworfene deutsch« Feld araue. auf ver andern wird EhrtstuS von der hl Magdalena mit der Trikolore umgürtet. lDtes ist abscheulichste Blasphemie, Verrat am Wesen und Sinn des ThristentuMOsi
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