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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.04.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192304290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230429
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230429
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-04
- Tag 1923-04-29
-
Monat
1923-04
-
Jahr
1923
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Vie Veutschvölkischen > -r>- äh. v. Leipzig, 28. AprU. Der Entscheid, ob das Verbot der Deutsch- viiü'chen Freilreirspai tei gesetzlich gerechtfertigt is:, ist vom Staatsgerichtshof nufge- 1 (Hoden worden, dis das Verfahren gegen Rost vach Klarheit gebracht hat. Ein Staatsgerichts- nof ist keine Versammlung. In den Versamm lungen taten die Vertreter der Deuschvölkiichen ocn Staatsgerichtshof gern mit dem Prädikat , Frucht der Feigheit vor dem Straßenpöbel und Verbeugung vor den Juden" ad, womit sie stets stUrrnischen Beifall ernteten. Hier in diesem de- ! deutungsvollen Saal mit seinem ernsten braunen 'Hand- uno Deckelgetäfel machten dieselben Herren ihre tiefen Verbeugungen und verfehlten nie die Anrede: „Die Herren vom hohen Staats gerichtshof." Die DeurschvoMschen standen zum erstenmal vor einem Tribunal, sie, die stets nur über eine aneilslose Masse zu herrschen »gewohnt sind. Die Sachen, die verlesen wurden, empfingen ihre Illustration durch die Personen. Für „die rück sichtslose Ehrlichkeit", mit der nach dem vom Berichterstatter vorgelesenen Programm die Par tei kämpft, ist es bezeichnend, wie Herr Wulle di» Frage, ob die Partei eingetragen sei, frischweg mit ja beantwortete. Der Rechtsbeistand -mußte selber widersprechen, daß die Eintragung bisher nur angemeldet sei, worauf Wulle so ganz oben» tjiu eine wegwerfende Handbewegung machte. Der Zuschauer hatte den Eindruck, daß Wulle tsisrbei subjektiv sich gewiß nichts Böses dachte. Uber wer diesen Mann oft in Versammlungen hat reden hören, konnte hier die Frucht erkennen: man jongliert nicht oewohnheitsmäßig mit der Wayri)eit, ohne daß man e. auch bei ernster Ge- tegenheit mir der Tüahrheit etwas vocsieht. Wer - aber ein ganzes Volk führen will, muß andere Qualitäten aufweiseu, zumal wenn das ganze Rüstzeug seiner Argumente immer nur die „Ver logenheit" der andern ist, aus der er „zur Wahr heit sichren" will. Es wäre Zeitverlust für den Politiker, wollte er sich mit dem Programm der Deutschoöl- kischen aufhalten. Hier ist alles versassungs- geniast. Aver diese Sätze — Gemeinplätze, die zum größten Teil gar nicht widerlegbar find und die jeder Obersekundaner in seiner unvermeid lichen Utopie aufstellt — verklingen hinter den Taten. Herr v. Graefe reist nach München und kartelliert sich mit Hitler- 3lun — dafür ist es eben die Deutschvöltische Freiheitspariei? LHit gefehlt: der Trust Hitler-Graefe liegt im Sinne der Weimarer Verfassung! So argumen tiert Herr v. Graefe: „Ich bin Reichstagsabgeord- neter und nach der Verfassung Vertreter des ganzen Volkes. Also kann ich überall wirken. Hitler ist in Hauern nicht verboten, also gesetz mäßig. Ich habe nach mit ihm in Verbindung gesetzt, weil diese Elemente mir nalMehen und ich aus einer Zusammenarbeit Vorteil für das ganze deutsche Volk erwarte. Da ich aber nach der Verfassung das ganze deutsche Volk ver trete, hatte ich nach der Verfassung nicht nur dqs Recht, sondern sogar die Pflicht, das zu tun!" Auch die deutschvölkischen Sturmtrupps, deren Führer und Vertreter sich reichlich im Zu schauerraum und an den Pressetischen zeigen — Anzug: Joppe, Gamaschen, ins Weite schweifen der'Hut, Gürtel, der nach dem Anhängen von Handgranaten geradezu schreit! —auch sie be fänden nicht, wenn nicht die Weimarer Verfassung sie geböte, schlechtweg geböte. . Diese Trupps sollen die Vertreter der Partei in den Versammlungen vorBelästigungen schützen. Nach der Verfassung hat jeder Deutsche die Pflicht, seine körperlichen und geistigen Fähig leiten zum Schutze der Allgemeinheit zu pflegen. Also entsprechen diese Trupps der Verfassung! So liikroskopisch dringen Politiker in den Geist der Weimarer Verfassung ein, die keine Miene verziehen, wenn der beruhterstattende Reichsge- richtsrat aus ihrem Programm den Passus vor- liest, dast die verfassungsmäßigen deutschen Staatbürgec jüdischer Konfession „unter ein be sonderes Fremdenrecht" zu stellen sind. — Die Führer der Deutschvölkischen haben vor dem SLaatsaerichtshöf unter ständigem Appell' an „die Wahrheit" gesprochen. Herr v. Graefe verwandt nicht wenig Mühe darauf, sich vor den ernsten Diännern dieses Gerichts ein morlisches Postament zu errichten. Mit allem Pomp seiner schwelgerischen Rhetorik unterstrich er, daß er hier als deutscher Mann für jedes Wort sich Rechenschaft ablege vor seinem Gewissen und vor seinem Gott! daß jedes Wort restlos ehrlich gemeint sei!" Run — ein solcher Grad von Sittlichkeit kann nur integrierender Bestandteil der Persönlichkeit sein und muß daher in allen Situationen gelten. Was solch ein Mann heute sagt, muß — an der Sittlichkeit gemessen — mit Brüherein übereinstimmen, und was er früher gesagt hat, muß er unter eben demselben Ver antwortlichkeitsgefühl gesagt haben und daher auch heute wiederholen können. Wir haben aber Herrn v. Graefe vor zwei Jahren hier im Zen- tralthenler reden hören, zu einer Zeit, als es uoch kein Risiko war, über den Reichspräfideli ren zu witzeln, wo also gerade und allein die innere Sittlichkeit Schranken hätte setzen müssen. Damals erging sich Herr 0. Graefe in den billig sten Witzchen über Präsident Ebert, wurde durch- aus geschmacklos und verlas zuletzt als Muster beispiel für den Geist der neuen Zeit ein „an die Jugend gerichtetes Flugblatt", in dem diese „zum Widerstand gegen die atten Autoritäten aufgefordert wurde und schließlich sogar zum Ausleben in der Erotik". Wir hören noch, wie Herr v. Graefe dieses letzte Gort mit Ironie be tonte und unter stürmischer Entrüstung der von ihm „der Wahrheit" entgegenführenden Menge hinzusetzte, daß unter diesem Aufruf der Name des Präsidenten Ebert stehe. Natürlich hat er darunter gestanden. Aber sonderbar ist es doch, daß Männer auf solch plumpe Fälschung hereinfallen, die es Schrift stücken, die ihrem eigenen Geist recht nahe stehen, sofort ansehen, daß sie der reine Wahnwitz sind. Als der Berichterstatter die in dem Bureäu der Partei Vorgefundenen Briefe und Entwürfe vor las, die sich wahrhaftig in nichts von dem krausen Zeug unterscheidet, das die drei Partei-Kory phäen in ihren Versammlungen dem deutschen Volt zu bieten wagen, da hörte rnan aus dem Munde dieser Juden-Bekämpfer immer wieder umsovo das alte Wort, mit dem der Jude Simon Petrus den Herrn verriet: „Ich kenne den Men schen nicht!" Wulle beteuerte, er habe ein solches Schriftstück wohl einmal gelesen und sich damit „eine stille, vergnügte Stunde" gemacht. Dann aber find all diese „restlos ehrlichen" Männer zur Forderung des Tages übergegangen. So ver kündet der Herr v. G raef e, seine Partei habe stets vor Abenteuern in der Ruhrpolitit gewarnt und' immer wieder daraus hin gewiesen, ein bewaffneter Widerstand gegen die. Franzosen sei Wahnsinn. Herrlich! Wenn die Herren nur nicht in den Versammlungen stets das gerade Gegenteil gesagt hätten! Welche her absetzenden, ja sogar verächtlichen Worte fand nicht Wulle kürzlich in unserer Stadt (wo — wie überall — die Polizei für Orvuung bei der Ver sammlung sorgte und damit die vor dem Staats gerichtshof so eifrig betonte unbedingte Not wendigkeit der Saalschutztrupps widerlegte!) für die Reichsregierung, die nicht wisse, was die Ehre des deutschen.Volkes erfordere! Und in welch ge mütlichem Ton plauderte derselbe Deuffäwö Irische ilb^r die parlamentarische Zusammenarbeit seiner Partei mit den Kommunisten, sobald es gelte, gegen die Regierung Stellung zu nehmen! Dabei wissen doch diese Politiker, welch furchtbare (befahr die Kommunisten für Deutschland dar stellen: um die Reichswehr der Republik vor kdm- munisttscher Infektton rein zu hatten, haben sie Zusammenkünfte mit Gliedern derselben veran staltet. Nur zu diesem verfassungsmäßigen Zweck! das spricht Herr v. Graefe aus in vollem Bewußt sein, daß er vor seinem Gott und vor seinem Ge wissen Rechenschaft ablegen muß. Und wie krän kend es für diesen Herrn ist, wenn jemand an seiner arstelluug zu deuteln wagt, das bewies die mit hohem Pathos vorgetragene Erklärung gegen über dem Vertreter des preußischen Ministeriums, der sich erlaubt hatte, ein anderes Licht aufzu stecken — ohne jeden Anspruch auf den Bluff fesselnder Rhetorik — mit diesem Licht Herrn v. Graefe und Konsorten so heimleuchtete, daß am Tage darauf die unbestechliche Stimme des Senatspräsidenten des Reichsgerichts und Vor sitzenden des Staatsgerichtshof der Republik Dr. Schmidt verkündete, die Darlegungen der Partei hätten nicht vermocht, das Material des preußischen iMnifteriums zu entkräften, so daß die Partei bis aus Weiteres verboten oleiben müsse. Sie dürste es auch fürderhin bleiben. Avec Hauptsache ist — und das hat die Verhandlung erwiesen — daß die Deutschvöltische Freiheits partei sich selber verbietet. Zunichts, zu gar nichts von dem, was diese Herren tagtäglich ins Volk schreien, haben s i e s i ch v 0 r G e r i ch t bekannt. Hier aber sind sie doch „restlos ehrlich" gewesen. Stets betonten sie, daß sie aus dem Boden der Verfas sung stehen. Ihre Sturmtruvps dienen der Re- prrblik, das beteuern diese Männer, „denen Eid und Ehre noch etwas gilt" und die „jederzeit be reit sind, ihre Worte aus ihren Eid zu nehmen." Als der Vertreter des preußischen Ministers sein Material tortrug, konnten sich die Herren nicht genug tun in rerächtlichen Gesten. Das war ein Kichern, Tuscheln, Ellbogenstoßen wie junge Tanz srundenherrn, die Wichtigkeit zeigen müssen. Saß man doch den Mtnister-Dertretern gegenüber und konnte ihnen so recht seine Geringschätzung ins Gesicht lachen. Herr v. Graefe zog eine Geste ollen anderen vor: er hob immer wieder den Blick nach der Decke und rollte die Augen, was Ent setzen und Mitleid ondeuten sollte. Ls gibt aber tatsächlich eine Wahrheit. Auch ist es der Wahrheit gleich, ob Herr 0. Graefe sie apostrophiert, um sich damit über einen politschen Gegner zu schwingen. Dieser Herr berief sich auf sie vor seinem Gott und vor seinem Gewissen." Und wen er die Augen uoch so rollt, er wird sie niederschagen müssen vor — der Wahrheit, die ' sich nicht agitatorisch verwerten läßt. Vor-er Cnhcheidung Einladung -er Ministerpräsidenten der Länder nach Berlin Berit«, LS. AprU. Dia»,perl«»)» unserer Berliner «chrlstlettung Der Reichskanzler hat Pie Minister- Präsidenten «nd Staatspräsidenten der Länder für Montag nachmittag » Uhr z« einer Besprechung über die politische Lage «ach Berlin eingeladen. Dir Richtigkeit der von verschiedenen franzö sischen und amerikanischen Zeitungen über das An gebot der deutschen Regierung verbreiteten Rachrich- tenteu wird halbamtlich in Abrede gestellt mit der Bemerkung, daß noch kein endgültiger Beschluß des Kabinetts über die Form und den Inhalt des deut schen Angebots vorliegt. Es wird jedoch zugegebci», daß die Beratungen innerhalb der Reichsregierung soweit gediehen sind, daß im Lauf« des morgi gen Tages spätestens die endgültige Entscheidung über den Inhalt der deutschen Antwort erfolgen dürste. In diesem Falle wird die deutsche Note, die an alle alliierten Regierungen gerichtet werden wird, spätestens Montag oder Dienstag durch die deutschen Botschafter in London, Rom, Paris, Brüssel und Washington den alliier ten Regierungen überreicht werden. Bemerkenswert ist, daß die Note auch der Regierung der Bereinigten Staaten überreicht werden soll, obwohl Amerika den Versailler Vertrag bekanntlich nicht ratifiziert hat. Paris ist misstrauisch tiiOeurr Drahtdrelchrv«» Seip»igerr«se»lat»eö. Pari», 28. April Der Teulps bewrrt in seinem gestrigen Leitartitel, daß Frankreich nicht auf ernstlich« deutsch« Vorschläge rechnen könne. Es heißt in dem Ar tikel wörtlich: „Wie eine offiziöse Berliner Note, die am Dienstag von der Kölnischen Zeitung veröffentlicht wurde, zu verstehen gibt, will die Reichsregierung ihr Angebot nicht etwa machen, um zu Verhandlun gen zu gelangen, sie hat durchaus nicht die Absicht, diejenigen Bedingungen zu unterschreiben, die Frank reich für gerecht und notwendig halt. Sie ist nur der Meinung, daß nach der Rede Lord Curzons und zweifellos auch nach dem Umschwung, der in der Haltung gewisser Parteien eingetreten ist, die Fort setzung des Kampfes gegen Frankreich für das Kabi nett Cuno leichter sein würde, wenn die Kampf mittel um eine diplomatische Diskussion vermehrt werden. Wir wären sehr naiv, wenn wir auf ein ernstes Angebot Deutschlands rechnen würden. Es gibt nur ein Mittel, um den Abschluß des gegen wärtigen Konfliktes zu beschleunigen, nämlich die Fortsetzung der französisch - belgischen Aktion im Rheinland und im Ruhrgebiet." Das Mißtrauen^ mit dem der Temps der. deut schen Vorschläge»! entgegensieht, wird von den meisten Pariser Morgenblattern geteilt. Sie find im voraus davon überzeugt, daß die deutsche Regierung eine Entspannung gar nicht wünscht, wenn man nur den Widerstand neu beleben kann, zu dem die Ab lehnung deutscher Vorschläge durch Frankreich führt. Die Blätter übersehen dabei, daß ihre heutige An nahme in seltsamem Widerspruch steht zu der früheren Behauptung, Deutschland sei am Ende seiner Kraft und sein Rachgebea sei nur noch eine Frage von Tagen. Daß Mißtraue«, mit dem der Temps den deut- voraus davon überzeugt, daß die deutsche Re- giegerung eine Entspannung gar nicht wünscht. Die aNrvifsenüe Weftminfter-Gazette LmU>«, 28. April. pl,ci,errrahlderich»»eS Lei»,»,«» raiebt«»»«» Die Westminster Gazette will auf Grund amt licher Berliner Informationen i nder Lage sein, noch bevor sich die deutsche Regierung mit den politischen Führern geeinigt hat, den Inhalt des deütschen An gebots bekanntzugeben. Die Veröffentlichung des angeblichen deutschen Vorschlags macht den Eindruck eines wohlüberlegten Störungsversuches im Inter* esse bestimmter ultranationalistischer französischer Kreis«. . Das liberale Blatt, da« ab und zu für Deutsch land eintrttt, bemüht sich in den letzten Wochen durch Pariser Meldungen hervorzurufen, daß die angeblich viel zu schwachen Verständigungsbedingungen der Regierung Bonar Law von oornherein von Frank reich zum Mißerfolg verurteilt seien, während außenpolitisch in Deutschland der Eindruck geweckt werden soll, daß jedes deutsche Angebot durch Frank reichs unversöhnliche Einstellung ziun Mißerfolg verurteilt sei. Dieser Gedankengong kommt in s«inei- gcschickten Form auch in dem heutigen Artikel des ehemaligen Chefredakteurs der Westminster Gazette, Spencer, zum Ausdruck, indem er Deutschland in längeren Ausführungen den Rat erteilt, trotz ge- ringer Aussicht aus Annahme «tu Angebot zu mach«, am eine günstige Einwirkung auf die öffeut- Uche Meinung, vor allem in den angelsächsischen Landern zu erzielen. Unannehmbare Forderung Wie gemeldet wurde, läßt die fraruösische Re gierung die Erklärung verbreiten, daß sie sich tn Verhandlungen mit Deutschland nicht entlassen wolle, bevor der passive Widerstand ab gebaut sei. Das ist ungefähr das Seitenstück zu der früheren Absicht unseres Auswärtigen Amtes, nicht mit Frankreich verhandeln zu wollen, bevor das Ruhrgebiet geräumt sei. In beiden Fällen wurde als Voraussetzung für den Beginn von Verhandlungen etwas verlangt, was in Wahrheit nur einen Teil ihres Endzweckes ausmachen konnte. Allerdings mit dem Unterschied, da» sich die deutsche Forderung auf die Abstellung einer krassen Rechtsverletzung bezog, während das französische Verlangen die fast noch mehr un logische als ungerechte Zumutung ausspricht, den Protest gegen die Rechtsverletzung fallen zu lassen. Die deutsche Regierung hat inzwischen auf ihre Forderung verzichtet und er wirkt ge- ravezu grotesk, wenn jetzt die französische mit der ihren hervortritt. Darüber ist man sich natür lich auch in Paris vollkommen klar, doch glaubt Poincarö. seinen Anhängern —.und Gegnern — den „Sieg? im Ruhrgebiet liefern zu inüssen, den er ihnen so oft versprach und zu dem er sich eben jetzt von befreundeten Rednern der im übrigen belanglosen Generalräte (Kreisoersammlungen) von neuem animieren ließ. Am einfachsten wär» das freilich so zu erreichen, dast man die Vernunft auf den Kopf stellt und die Verhandlungen mit der Kapitulation beginnen läßt! Wir werden Herrn Voinearö und den Seinen den Gefallen nicht tun. Gerade die Inbrunst, mit der sie die Beendigung des passiven Wider standes wünschen, belehrt uns über die Wirksam keit dieser im internationalen Streitverfahren neuen Waffe, ide wir just in dein Augenblick, um wir uns an den Verhandlungstisch setzen, am wenigsten entbehren können, wenn wir nicht zur: so- und sovieitenmal der uneingeschränkte' Sieaerwillkür preisgegeben sein wollen. Das ist so klar, daß man darüber weiter kein Wort zu verlieren braucht. Nur als die richtige Auffas sung des für den Ausgang des Ruhr-Kampfes in erster Linie maßgebenden Volksteiles sei eine Aeußerung des „Sozialdemokratischen Parla mentsdienstes" erwähnt, wo es heißt: „Der Verzicht auf den passiven Widerstand kann nicht eher eintreten, bevor nicht die Verhandlungen zu einem Ergebnis geführt haben oder bevor nicht wenigstens die deutschen Unterhändler' von ihrem aussichtsreichen Verlauf überzeugt sind. . . Jeder mann muß sich klar darüber sein, daß ein passier Widerstand, wie wir ihn an der Rühr erleben, da» zweitemal nicht so leicht möglich ist und überhaupt nicht mehr zustande kommen kann, wenn wir ihn jetzt aufgebeu, während die französischen Positionen ihre Positionen behalten. Womit sollen wir uns wehren, wenn die Verhandlungen durch die Schuld der Franzosen scheitern? Sollten sie ergebnislos abgebrochen werden, dann dürsten die französischen Truppen ihre Taktik der Gewalt fortsetzen, und di« deutsche Arbeiterschaft? Sie wäre auf Gnad« und Ungnade den Bajonetten au»gelt«f«rt, ihr bisheriger Kamps gegen den Militarismus, der bald vier Monate dauer», wäre umsonst geführt, dann müßte sie, um nicht zu verelenden, schließlich dennoch unter Bajonetten arbeiten. Auf einem ganz anderen Blatte steht das von der Reichsregierung zu machende Angebot selber, dessen Zweckmäßigkeit und Dringlichkeit durch kein irgendwie geartetes Verhalten der französischen Regierung auch nur im geringsten abaeschwächt wird. Denn nut diesem, übrigens nicht an Frankreicy allein, sondern an alle an der Reparattonsfrage beteiligten Mächte zu richten den Angebot werden wir, durchaus unabhängig non den Wünschen und Mischten eines Disitten, unseren Willen zur opferbereiten Mitwirkung an der Wiederkehr eines erträglichen Zustandes der eurorAischen Politik vor aller Welt offen baren. Und das, so ist zu hoffen und zu ver langen, mit so eindrucksvoller Klarheit und Heber- zeugungskraft, dast es keinem gestattet sein wird, unter irgendwelchen» Vorwand der Verantwor tung seiner Stellungnahme für oder gegen da» Wohl der Menschheit auszuweichen. L. S. Sonar Lawr Erholungsreise Loudon, 28. Mril. (Eigener Drahtve- richt.) Halbamtlich wird bekanntgcgeden, daß Mi- nifterpräsiden» BoaarLaw, um sein Halsleidea vollständig auszuheilen, eine längere Seereis« machen Mrd. Er wird demnächst England oerlaff« und erst zum Wiederbeginn der Parlanienmsttzunye» nach d« Pstngstserkn nach Londo« Dvrückkehrrn.
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