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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.04.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-04-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192304255
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230425
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230425
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-04
- Tag 1923-04-25
-
Monat
1923-04
-
Jahr
1923
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LUttvock, äen 2S. LprU wirtfchaftrfragen im Sächsischen Landtag Sigsner »r«tzt»«rtchtde»re»p»»,«iL«»e»l»"e» Dresden, 24. April Dor Eintritt in die Tagesordnung erkält der demo kratische Abgeordnete Günther (Plauen) das Wort zu einer Erklärung, in der er gegen einen von den Leipziger Neuesten Nachrichten am Freitag, den 20. April, veröffentlichten Artikel über die dreifache Erhöhung der Gewerbesteuer Einspruch erhebt, inso fern hierbei die Behauptung aufgestellt wurde, daß diese Belastung mit einiger Sicherheit abgewendet worden wäre, wenn der Abg. Günther nicht eine sehr merkwürdige Haltung eingenommen hätte. Der Ab geordnete stellt diese irreführende Darlegung da hin richtig, daß es sich bei der betreffenden Abstim mung nicht um die Gewerbesteuer gehandelt habe, sondern um einen Antrag, die Beratung der Gewerbe steuer an die letzte Stelle der Tagesordnung zu setzen. Dieser Antrag wurde mit 39 gegen 38 Stimmen an- genommen. Ich habe dagegen gestimmt. Selbst wenn aber der Antrag abgclehnt worden wäre, wäre es ganz ausgeschlossen gewesen, durch eine bürger liche Zufallsmehrheit die Gewerbesteuer abzulehnen. Sodann wird in die Tagesordnung eingetreten. Da rein wirtschaftliche Fragen zur Beratung stehen, werden von den Sachverständigen der einzelnen Fraktionen die Anträge knapp und sachlich begründet und debattelos angenommen oder an den Nechtsaus- schuß überwiesen. Jur Beratung stehen die Gesetze über die H e n g st k ö r u n g, über die Aenderung des sächsischen Diehseuchen-Entschädigungs- gesctzes vom 29. Mai 1922, über das Schlacht- vieh-Dersicherungsgesetz und über die De. kämpfung der Bisamratte. Die gesetzliche Rege lung des Privatbeschälwcsens bezweckt, die Zucht verwendung minderwertiger Hengste zu verhindern und einer Mischzucht vorzubeugen. Das Viehseuchen- cntschädigungsgesetz gewährt neuerdings auch Ent schädigungen für Verluste bei der ansteckenden Blut armut der Pferde, die sich in Sachsen allmählich zu einer Starrseuche entwickelt hat. Abg. Schreiber (D. Ml.) tritt für möglichste Bewegungsfreiheit der Genossenschaften bei der Hengstkörung ein und beantragt einige Abänderun gen. Mit den übrigen Gesetzesvorlagen erklärt er sich einverstanden, nur die Bisamratte müsse auch weiterhin unter dem Iagdrecht verbleiben, da sonst jeder mit dem Schießprügel Herumlaufen könne, um angeblich Bisamratten abzuschießen. Wirtschaftsminister Fel lisch lehnt es namens der Regierung aus Sparsamkeitsrücksichtcn ab, wei terhin jährlich an Gehältern bei Bekämpfung der Bisamratte 12 bis 15 Millionen Mark zu zahlen. Es seien vom September 1917 bis heute nur 1869 Bisamratten erlegt worden. Eine Uebertragung der Bekämpfungspflicht auf die Gemeinden würde nur auf eine Umstellung der öffentlichen Lasten hinaus- taufen. Das Ministerium werde im übrigen schon dafür sorgen, daß nicht eine wilde Schießerei eintrete. Abg. Claus (Dem.) verwahrt sich dagegen, daß die Regierung die Kosten der Vertilgung der Bisam- ratte auf die einzelnen Grundstücksbesitzer abwalzen will. Das Dichseuchenentschädigunqsyesetz wird in der Schlußberatung angenommen: die übrigen Entwürfe gehen an den Ncchtsausschuß. Dem gleichen Aus schuß wird debattelos der Entwurf über eine weitere Aenderung des allgemeinen Berggesetzes über wiesen, das die sächsischen Bestimmungen im Einklang init den Bestimmungen der Reichsregierung zu bringen hat. Nächste Sitzung: Donnerstag, den 26. April, vor- mittags 10 Uhr. Tagesordnung: Haushaltplan und Anleihegesetz. * Dem Landtage ist der Gntrmrrf einer Ge meindeordnung zugeyangen, der am 8- Mai zur Verhandlung kommen soll. ch Severing über die Putschgefahr der Rechtsradikalen Berlin, 24. April. Die Angriffe der Deutschnationalen auf den preußi schen Innenminister Severing wegen der von ihm verfügten Auflösung der Deutschvölkischen Freihcitspartei wurden gestern im Preußischen Land tag in sehr heftiger Form fortgesetzt. Ale der Leipziger l'Lgedlatt uaä Rsaüelsreituag Nr. 97 8ett<r S deutschnationale Abg. Baeker erklärte, daß seine Partei die Angriffe seine» Fraktionskollegen Schlange gegen Severing nach Form und Inhalt billige, legte Minister Severing noch einmal die Ge- fahr dar, die dem Bestände der deutschen Republik durch die Machenschaften der von der Deutsch völkischen Freiheitspartei unterstützten Geheim organisationen drohe. Er wies auf Grund seines Materials nach, daß die Geheimorganisationen sich in der Tat mit der Absicht trugen, in allernächster Zeit den Putsch aus-uführen. Wenn er bei seinen Maßnahmen anscheinend einseitig gegen die Rechts- radikalen vorgehe, so müsse man bedenken, daß zweifellos die Gefahr von rechts weiter größer sei als die von links. Ueberdies habe er vor seiner Aktion gegen die Selbstschutzverbände mit dem Neichsinnenminister ausführlich den ganzen Fragen komplex besprochen und völlige Einmütigkeit in der Beurteilung der Sachlage erzielt. Preisgestaltung auf dem Viehmarkt Von der städtischen Preisprüfunge- stelle wird uns geschrieben: Auf dem letzten Vieh markte am Montag war das Angebot von Rindern und Schweinen wieder erheblich unter dem Bedarf zurückgeblieben, so daß die Nachfrage zu Beginn des Marktes sofort stürmisch einsetzte. Ls bestand Gefahr, daß die Viehpreise sehr beträchtlich heraufschnellten. Das konnte durch Eingreifen der Preisprüfungsstelle zusammen mit der Wohlfahrtspolizei und Mitgliedern des Ueber- wachungsctusschusses zum erheblichen Teile abge wendet werden. Durch Vereinbarungen zwischen Vertretern des Diehhandels und des Fleischer gewerbes wurden vor Beginn des deswegen zu nächst ausgesetzten Marktes Richtpreise als Höchst- preise für gute Qualität festgesetzt und bekannt gegeben. Diese Maßnahme barg zwar die Gefahr, daß versucht werden würde, auch Vieh von ge- ringerer Qualität zu den Richtpreisen abzusetzen; sie hat aber bewirkt, daß die Preise im allgemeinen Maß hielten. Nach dem Ergebnis des Marktes ist mit einer geringen Erhöhung der Fleisch, preise zu rechnen. Die Preisprüfungsstelle er wartet aber, daß diese Erhöhung nur in dem Maße ersolgt, auf das di« Steigerung der Piehpreise be schränkt werden konnte, und daß die Preiserhöhung im allgemeinen 200 Mark für Schweinefleisch und 100 Mark für Rindfleisch pro 1 Pfund nicht über steigt. Sie warnt davor, die Preise bereits früher eingekauftem Fleisches dieser Erhöhung anzupassen. Für Kalb- und Hammelfleisch kommt eiste Erhöhung überhaupt nicht in Betracht. Es wird zu erwägen sein, ob die Festsetzung von Angemessenheitspreisen vor Beginn des Marktes an abnormen Tagen zu wiederholen ist. Selbstver ständlich enthebt sie den Viehhändler nicht der Der- pflichtung, in jedem Derkaufsfalle die Kalkulation auf Grund der Gestehungskosten vorzunehmen und ihre Berechtigung nötigenfalls nachzuweisen. Die Preisprüfungsstelle wird der Preisgestaltung auch auf den nächstfolgenden Märkten besondere Auf merksamkeit schenken. Wie die Prei sprü fungsstelle a n n i m m t, ist das schwache Angebot auf dem Viehmarkt teil weise darauf zurückzuführen, daß die Viehhändler den Leipziger Schlachtnof wegen der scharfen Preis- kontrolle boykottieren. So soll umgekehrt der Chemnitzer Viehmarkt am gleichen Tage weit über Bedarf beschickt worden sein. Andrerseits sollen verschiedentlich Diehgroßhändler mit ihren Beständen wegen des Marksturzes zurück- halten. Ob das jedoch vollauf den Tatsachen ent spricht, sei dahingestellt. Im allgemeinen wurden für 100 Pfund lebend Gewicht Ochsenfleisch 300 000 Mark, für 100 Pfund Schweinefleisch 380 000 Mark bezahlt. Das stellt eine kleine Erhöhung der vorherigen Preise dar. 700 Schafe verbrannt. Auf dem von Bismarck- Bohlenschen Rittergut Gr. Jasedow bei Anklam zündete der Blitz. Ein Schasstall brannte völlig nieder; 700 Schafe verbrannten. Oer beleidigte Lipton Sinclair Klage des amerikanischen Schriftstellers llpton Sinclair gegen den österreichischen Ministerpräsidenten a. O. Hussarek Aus Dien schreibt man uns: Eine literarische und zugleich politische Sensation war soeben der vor den Wiener Geschworenen ver handelte Ehrcnbeleidigungsprozeß des bekannten amerikanischen Schriftstellers Upton Sinclair gegen den gewesenen altösterreickischen Unterrichts- Minister und Ministerpräsidenten Dr. Max v. Hussarek. Am 22. September 1922 war in der Wiener christlich-sozialen Zeitung Reichspost ein von Dr. Hussarek verfaßtes Feuilleton erschienen, das «ine überaus scharfe Kritik des jüngsten Werkes Upton Sinclairs „Religion und Profit* enthielt. Hussarek zitierte aus dem Buche Sinclairs u. a. die Stelle: „Neben den Mittelmächten hat die katholische Kirche, die reaktionärste Macht, Mitschuld am Ausbruch des Krieges.' Hussarek knüpfte an dieses Zitat folgende Bemerkung: Er halte Sinclair nicht für dumm und unwissend genug, als daß er selbst diese Behauptung glauben könnte, und deshalb nenne er ihn einen Schurken. Auf Grund dieser Bemerkung hatte Upton Sinclair den Strafantrag gegen Hussarek gestellt. In der Der- Handlung trat als Belastungszeuge gegen Hussarek der deutsche Uebersetzer Sinclairs, Universitäts professor Dr. Isidor Singer, auf. Ueber die Ver hältnisse Sinclairs befragt, gab Professor Singer an, daß Sinclair, der berühmte Autor von dem Roman „Der Sumpf', jetzt 44 Jahre alt und von seiner frühesten Jugend an schriftstellerisch tätig gewesen sei. Seine Bücher gebe Sinclair im Selbstverläge heraus, um sie möglichst billig in Umlauf zu setzen. Das jüngste Werk „Religion und Profit' habe in Amerika bereits eine Auflage von 20 000 erlebt, die deutsche Uebersetzung eine solche von 5000. Prof. Singer machte sodann die aufsehenerregende Bekundung, daß er im Jahre 1895 mit dem Angeklagten Hussarek ge legentlich einer Eisenbahnfahrt eine Unterredung ge habt habe, in der sich Hussarek über die ungeheuren Reichtümer der Bistümer und Klösterin einer Weise geäußert habe, die weit darüber hinaus gehe, was von Sinclair für die Priesterschaft aller Kulte behauptet worden sei. Dr. Hussarek erklärte dazu, sich nur au so viel er- innern zu können, daß er damals mit dem Ehepaar Singer über die Stätten alter Kultur gesprochen habe, an denen der Zug vorbeiqing. Seine politische Richtung und seine religiöse Anschauung sei seit viel früherer Zeit als dem Jahre 1895 immer ein *und dieselbe gewesen. Er habe in der politischen Welt immer als der schärfste Vertreter der kirchlichen An schauung gegolten. Der als Zeuge vernommene Chefredakteur der Reichspost, Dr. Funder, erklärte, er habe Dr. Hussarek zu einer Besprechung des Sinclairschen Buches auf gefordert. Dieses Äuch sei ihm als gefährlich er schienen, besonders auch darum, weil Oesterreich sich damals gerade um einen amerikanischen Kredit be warb. Er habe auch in einer amerikanischen Korre spondenz, die hundert großen amerikanischen Zei tungen regelmäßig zugeht, Upton Sinclair auf gefordert, seine unwahren Behauptungen zu wider rufen, und am Schlüsse des Artikels gesagt: „Sinclair hat bisher in Europa einen guten Rainen gehabt. Durch dieses Buch ist er in die Reihen oberflächlicher Verleumder eingetreten.' Auf diesen Artikel habe Sinclair nicht reagiert. Der Anklagevertreter Dr. Joachim stellte fest, daß Sinclair ein hochrcligiöser Mensch sei, der für eine neue Moral eintrete. Der Versuch des Nachweises, daß er ein Gotteslästerer wäre, sei mißlungen. Der Verteidiger Dr. Pranter führte aus, daß Sinclairs Buch, das er als ein Pamphlet bezeichne, jede Spur von Wissenschaftlichkeit vermissen lasse. Dr. Hussarek habe in seiner Kritik nach einem Shake- spearischen Ausdruck gesucht und diesen in dem Worte „Schurke' zu finden geglaubt. Die Geschworenen beantworteten die Schuldfrags mit neun Stimmen Ja gegen drei Stimmen Nein. Der G"richtshof verurteilte Dr. Hussarek zu 500 000 Kronen Geldstrafe, im Nichteinbringungsfallc zu 24 Stunden Arrest. Der Verteidiger meldete die Berufung an. vr. 6r. Grotzherzogin-Witwe Luise von Vadens Im Neuen Schloß in Baden-Baden starb am Montag abend im Alter von 85 Jahren die frühere Großherzogin Luise von Baden. Sie war die Tochter Kaiser Wilhelms I. und die Mutter der jetzigen Königin von Schweden sowie des letzten regierenden Großherzogs von Baden. Vermählt war sie mit dem bereits 1907 verstorbenen Großherzog Friedrich I. Sie hat sich gleich diesem in sozialer Hinsicht um das Volkswohl in Baden sehr verdient gemacht und so dazu beigetragen, daß die groß herzogliche Familie in Karlsruhe schon lange vor dem Weltkriege den Ruf eines demokratischen Re gentenhauses genießen durfte. Die Verstorbene hatte den Badischen Frauen verein gegründet, die alte Ueberlieferung der Heim- Industrie und ganz besonders die Handspinnerei ge fördert und sich auch um die Erhaltung der alten Landesrrachten erfolgreich bemüht. Seit der Revo lution wohnte die Großherzogin auf der Insel Mainau im Bodensee oder auf Schloß Baden- Baden und nahm an allen öffentlichen Vorgängen den regsten Anteil. Bei der Revolution gedachte die erste Dolksregierung in einer Kund gebung dankbar der Tätigkeit der Großherzogin Luise im Interesse der sozialen Lage des Volkes. Der Tod der Großherzogin-Witwe trat ganz un- vermutet ein, so daß von ihren nächsten Angehörigen niemand anwesend war. Ferner starb ebenfalls am Montag abend in Heinrichsau in Schlesien der frühere Großherzog von Sachsen-Weimar Wilhelm Ernst an den Folgen einer schweren Lungenentzündung im 47. Lebensjahre. Radloverbindung. Die dänische Regierung hat beschlossen, eine Nadioverbindung mit Grönland bauen zu lassen. Die Nadiostation auf Grönland wird mit Reykjavik auf Island arbeiten. * Dre Goldzähne des Toten. In Freiburg im Breisgau wurde von der Strafkammer gegen den Amtsdiencr Bräuer vom Pathologischen Institut in einer eigenartigen Sache verhandelt. Im Februar war der aus Pommern stammende Student Tctzlasf gestorben. Den Angehörigen fiel kurz vor dem Bc- gräbnis auf, daß dem Toten zwei Goldzahnbrücken und ein goldener Eckzahn geraubt worden waren. Der Verdacht richtete sich gegen den genannten Amts- diener, der auch in Hast genommen wurde und wegen Diebstahls vor die Strafkammer kam. Bräuer be stritt die Tat. Da von der Strafkammer der Indizien beweis in diesem Falle überaus schwierig zu er bringen war und das vorgcbrachte Material zu einer Verurteilung nicht ausreichte, wurde Bräuer frei gesprochen. Die drahtlose Svnntagspredigt Zu Belmont im Staate Massachusetts lauschte kürzlich die in der Kirche der Methodisten versammelte vollköpfige Ge- meinde einer eindrucksvollen Predigt, die von der leeren Kanzel herab erklang. In Abwesenheit des an der Kirche amtierenden Geistlichen war als Ersatz des Predigers ein funkentelephonischer Empfangsapparat ausgestellt, der die Worte des in der Bostoner Con- greaational Church die Svnntagspredigt haltenden Geistlichen Conrad den in Belmont versammelten Hörern übermittelte. Der ganze Gottesdienst, ein schließlich des Segens und der Kirchengesänge, wurde von Boston aus herübcrgefunkt. Der Fall steht in den Vereinigten Staaten durchaus nicht vereinzelt da, und die Geistlichen, die sich in New Park zur Ucber- tragung ihrer Predigten auf weite Entfernungen der Vermittlung der Broadcasting- Gesellschaften be dienen, erklären, daß sie zahlreiche Anerkennungs schreiben von Personen erhielten, die ihren herzlimen Dank für die ihnen auf funkentclephonischem Wege vermittelte religiöse Erbauung aussprachen. , Zrau warrens Gewerbe Kleine» Theater Das Gewerbe der Frau Darren ist bekanntlich ein einträgliches. Aber es ist keines von denen, über die man gern spricht. Es ist das Schandgewerbe. Sie hat klein angefangen und. ist schließlich eine große Unternehmerin geworden. In ihren Häusern sind viele Wohnungen. Sie ist eine alte Kuppel- mutter. War aber tüchtig und ist infolgedessen reich geworden. Vornehm ist sie nicht, ein ganz gewöhnliches Frauenzimmer. Auch keine große Sünderin. Son dern eine mittelmäßige Freibeuterin der Liebe gegen Barzahlung mit den Idealen einer kleinen Bourgeoise. Und darum hat sie denn einen großen Fehler gemacht. Die einzige Tochter, das Produkt einer kleinen Unvorsichtigkeit mit einem jungen Theologen, hat sie in vornehmen Instituten und in völliger Unwissenheit über die nicht ganz saubere Quelle eben dieser Vornehmheit erziehen lassen. Za sie war sogar arglos genug, die Tochter so viel Mathematik studieren zu lassen, daß sie sich mit Der- sichcrungsstatistik selber ihr Brot verdienen kaum So erfährt denn Tochter Divie eines Tages, daß Mama Kitty „so eine* ist. Obwohl eine natürliche Tochter, ist sie durch Mathematik und Erziehung einigermaßen unnatürlich geworden und verstößt ihre wesentlich natürlichere Mutter, zieht sich von ihr und der großen Rente des Schandgewerbes auf Sie kleinere, aber moralisch desinfizierte Rente der Lersicherungestatistik zurück. Shaw nimmt in dieser Sache Vivies Partei, in soweit sie nüchtern und unromantisch ist, gegen ihre Kuppelmutter und deren bourgeois« und romantische Heuchelei. Und er nimmt Frau Darren» Partei, so lange auch sie nüchtern und unromantisch ist und da» Recht der Frau verteidigt, von der Hingabe ihre« Körper« den größtmöglichsten Nutzen zu ziehen, es sei nun in der Ehe oder auf dem andern Wege. Aber er zieht den dritten Weg, die Dersicherungsstatistik, vor, weil es nur auf diesem Wege der Frau gelingen kann, au» einem Objekt de» Markte», e» sei nun der Heiratsmarkt oder der Liebesmarkt, do» freie Sub jekt ihrer Leben» zu werden und — vielleicht — auch zu bleiben. Uebrigens predigt der große Ire durchaus nicht die Frauenemanzipation im allgemeinen. Er legt nur dar, daß die so beschaffene Divie, weil sie die Tochter der so beschaffenen Kitty ist, sich mit dieser Tatsache nur durch Persicherungsstatistik abfinden kann. Die Versicherungsanstalt wird nicht als das Ideal für die junge Frau des zwanzigsten Jahr hundert hingestellt, sondern als eine Art von chcmi- scher Reinigungsanstalt für eine ganz bestimmte Frau unter ganz bestimmten Umständen. Drumherum geht eine echte Shawsche Lustspiel handlung vor sich, die dieses, das er selbst zu den „Unerquicklichen Stücken* gezählt hat, zu einem seiner erfolgreichsten in Mitteleuropa machte. Neubürger hat es in etwas ärmlicher Szenerie recht sauber einstudiert. Auch aus der durchaus un zureichenden Besetzung des jungen Gardner und aus der unzutreffenden des alten hat er noch etwas halb- weg« Erträgliches herausgeholt. Praed und Lrofts (Walther und Lindegg) waren ausreichend, aber nicht beträchtlich. Vievie beträchtlich. Obgleich man sich die junge Versicherungsdame blond und kühl mit jenem Seifcnschaumteint einer fortwährend frisch gewaschenen jungen Engländerin vorstellen möchte, machte das brünette und ziemlich warmblütige Fräu lein Neukirchner seine Sache vorzüglich Und roch seelisch immerhin nach Seifenschaum. Frau Rosa Daletti ist dazu geschaffen, eine un mögliche Person darzustellen. Man müßte sich, wenn sie nicht eine große Künstlerin wäre, scheuen, ihr zu sagen, wie beängstigend echt sie in dieser Rolle aussieht, weil sie wirflich so aussieht. Aber da sie nicht nur die äußere Erscheinung hat, sondern auch den Ton, die Bewegungen, die Blicke und das falsche Pathos für Gefühlsausbrüche, so wird auch die Natur zur Kunst, und man stellt dankbar fest, daß ihre Kunst so natürlich ist wie ihre Natur. Daß sie einen unmöglichen weiblichen Menschen auf der Bühne zum Ereignis macht. Dabei ist sie eigentlich nicht gemein, sondern nur halb ein Viech und halb ein große» Lind. tzk»n» Ovorz Nlcvtnr Uranfsührnng in Jena. Die Freie Dolk»bühnr in Jena veranstaltet in der ersten Maiwoche einen „Zvklu» neuer Dramatik', dessen Leitung dem Schrift steller Dr. Io. Lhermann- Berlin und dem Schau spieler Paul L ««i t t-Leipzig übertragen worden ist; als Obvrregisseur wird Dr. Hoffmann-Har nisch (Mainz) wirken. Im Rahmen dieses Zyklus werden folgende Werke zur Uraufführung kommen: August Strindberg „Der Holländer* — Ernst Toller „Rache des verhöhnten Liebhabers* — Eugen Kurt Fischer „Irene* — Else Ottcn-Riemzdijk „Requiem* — H. Ios6 Rehfisch „Deukalion* und ein neues Drama von Leonhard Adelt. Als Darsteller wurden erste Schauspieler aus allen Teilen des Deutschen Reiches verpflichtet. Ein neue» Glockenspiel au. Meißner Porzellan wird, wie die Leipziger Zeitschrift für Musik zu mel den weiß, Zlmnächst dus Rathaus in Meißen erhalten. Die Glocken, die von der dortigen ehe- malig Kgl. Porzellanmanufaktur hergestellt werden, besitzen, nach den ersten Versuchen zu urteilen, einen ganz eigenen Klang, weil noch die hohen Lagen eine solche Tonfülle hoben, daß sie zu den tiefen in schönem Stärkeverhältnis stehen. Verleihung de» ungarischeu Literatnrpreise». Aus Wien wird uns gedrahtet: Wie aus Budapest der neuen Freien Presse gemeldet wird, hat die ungarische Akademie der Wissenschaften der Ge mahlin des Ministerpräsidenten, Gräfin Marga rethe Bethlen, für den Roman „Ein Leben" den Literaturpreis verliehen. Da» ist «in Kunstwerk? Wir lesen in der Fahne, der aut geleiteten Zeitschrift des Verlages Walker Seifsert, Stuttgart-Heilbronn: In einer Vorlesung über Urheberrecht hatte sich der bekannt« Zivilrechts lehrer Professor Kisch die Aufgabe gestellt, >m» den Begriff „Kunstwerk* im rechtlichen Sinne klarzu legen. Seiner Gewohnheit gemäß suchte der unaemein beliebte Lehrer ein recht schlagendes Beispiel aus dem Leben als Grundlage für die Definition. „Hören Sie,' sagte er plötzlich, „meine Herren! Ich kam ein mal aus Holland, wo ich mir eine wertvolle Porzellansuppenschüssel erstanden hatte, über die Grenze. Der Zollbeamte sagte: „Kunstgegenstand. Verzollen!* — „Aber, mein Herr, es ist eine Suppen schüssel für den Hausgebrauch!* — „Do, machen Sie mir nicht weis,' meinte der Beamte, „sie Kat doch ein Loch* Nun hatte die Schüssel tatsächlich, sonst gut erkalten, ein Loch, bei dem freilich jede Suppe durch gelaufen wäre . . . Kein Einwand half. Ich mußte wohl verzollen. „Aber warum?* fragte ich, „warum soll da» ein Kunstwerk sein?' — „Gin Gegenstand, der zu nichts zu gebrauchen ist, ist ein Kunstwerk,* sagte der Beamte. — Meine Herren, hier haben Si« die Definition!' Sven Hedi«» neue Pläne für Tibet. Sven Hedin bereitet seine sechste Reise nach Tibet in Begleitung mehrerer schwedischer Gelehrter vor. Das Hauptziel soll die Erforschung der Zentral kette von Tibet und des Zusammenhangs zwischen Karakorum und Tangla-Gcbirge werden. Die Mittel will Sven Hedin auf einer VortragSreise in den Vereinigten Staaten aufbringen. Uebrigens schickt jetzt auch die russische Regierung eine „geo graphische Mission nach Tibet unter Führung von Kosloff. In der Hauptsache sind es aber Militärtopographen und Mitglieder des Moskauer Kollegiums für die Propaganda im Orient. Eckermauus Glaubwürdigkeit. In der letzten Ge samtsitzung der Berliner Akademie der Wissenschaft sprach Prof. Eugen Petersen über die Entstehung von Eckermanns Gesprächen mit Goethe und ihre Glaubwürdigkeit. Seine Kritik hat der Gelehrte mit Heranziehung der Tagebücher und Briefe Goethes, der Desprächaufzcichnungen anderer, der Briefs Lckermanns und der Papiere seines Nachlasses unter- nommen. Petersens Untersuchung läßt einen durch Eckermanne Lebensverhältnisse bedingten perio dischen Wechsel zwischen treuer Wieder gabe und Nachlässsigkeit erkennen. Un- mittelbare Auszeichnungen wurden ausgearbeitet im Juni 1823, Winter 1824^25, Anfang 1827, Frühjahr 1829, Februar und Diärz 1830, Anfang 1831. Pe rioden lückenhafter Aufzeichnung liegen namentlich in den Jahren 1824, 1825, 1828 und der zweiten Hälfte 1829. Diese Lücken wurden zum Teil nach träglich durch unzuverlässig rekonstruierte Gespräch« ausgefüllt. Die Form der Gespräche läßt sechs verschiedene Typen erkennen; 1. unmittelbare Tagebuchaufzcichnnngen in Rohform; 2. redigierte Gespräche, die Goethe zur Prüfung vorgelegt wur den; 3. zusammenhanglose wörtliche Aufzeichnungen; 4. Zusammenfassung von Aufzeichnungen verschieden artigen Ursprungs; 5. Rekonstruktion mit fremden Hilfsmitteln; 6. Rekonstruktion nach dem Gedächtni». Das Material der Gespräche läßt sich nach diesen Gesichtspunkten ouflcilen und die Zuverlässigkeit der Goethe in den Mund gelegten Aeußerungeu dm, nach im einzelnen bewerten.
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