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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.04.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192304172
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230417
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230417
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-04
- Tag 1923-04-17
-
Monat
1923-04
-
Jahr
1923
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VieastLff, 6en 17. LprN Der Ztromteufel Er war lange untätig gewesen, -er Stromteufel. Jetzt besann er sich aus sein Dasein. „E» wird höchst« Zelt, daß du die Menschen wieder einmal ärgerst; ste denken sonst, du bist nicht mehr da und werden über mütig,' sagt er sich. Schwupp, saust er hinein in das große Haus, wo die Menschen sein Element, den elektrischen Strom, fabrizieren. An der surrenden Maschine lockert er ein Schräubchen oder langt irgendwo mit seinen langen Krallenfingern zwischen die kupfernen Drähte, daß sie sich berühren. Lin grelles Aufflammen Tausender und Tausender von Glühlampen und — ganze Stadtteile liegen plötzlich im Dunkeln. Oder oas letzte bißchen Licht kriecht nur noch mit fahlem Schein an den dünnen Metall- fäden in der gläsernen Hülle entlang. Der Stromteufel aber hält sich den Bauch vor Lachen. Er hat wieder einmal die Menschen gründ lich gefoppt, die dummen Besserwisser und Allee- könnerl Jetzt stehen sie zunächst ratlos da und — schimpfen. Und heute hat's besonders fein geklappt. Heute ist er im Bunde gewesen mit dem Wettergott. Der liißt's ausgerechnet zu dieser Stunde vom Himmel herunter regnen, was nur runter kann. Nun müssen Männlein und Fräulein durch die tiefen Pfützen pat- schen, statt sonst schön trocken in der Straßenbahn zu fahren. An der Haltestelle aber steht unentwegt mit aus gespanntem Schirm ein junger Mann. Der hat » noch nicht einmal weggekriegt, weshalb immer noch keine Elektrische kommt. Bis eine junge Dame, in der Hand einen eleganten Lederkoffer, an ihm vor übergeht. Da durchzuckt ihn der Funke, der oben in den Drähten fehlt. Sie hat den Koffer — er hat den Schirm. Also tadellose Ergänzung! Verbindung und Anschluß sind schnell hergestellt. Als vorsichtige Maid von beute gibt sie den Koffer freilich nicht aus der Hano. (Man kann doch nie wissen, was hinter dem galanten jungen Manne steckt!) Aber für die „Beschirmung" ist sie ihm dank bar. Schließlich ist er auch damit einverstanden, denn unter dem großen modernen Hute sitzt ein gar hübsches Köpfchen. Und nett plaudert der kleine Mund. Auch sie hat der Stromteufel au» der Straßenbahn vertrieben. Wer weih, wie lange die Störung bei der Elektrischen dauert. Also hat sie kurz entschlossen ihren Koffer genommen, ist ausgestiegen und »u Fuß weiter ge gangen. — „Der gute Stromteusel," denkt er und hält noch mehr den schützenden Schirm über seine Begleiterin. Als sie an ihrer Wohnung anaelangt ist und er sich von ihr mit einem Handkuß verabschir t, (unterm SMrm sieht's kein Unberufener), fährt ge rade die erste Elektrische wieder vorbei. Auf dem Dache sitzt der Stromteufel. Der kichert sich leise eins. Das hat er fein gemacht. Amor wird ibn wohl morgen wegen unlauteren Wettbewerbs beim obersten der Götter verklagen. «IIu»ea UnverLaderter Goldpreis. Reichsbank und Post kaufen Gold unverändert zum Preise von 85 000 für ein Zwanzigmarkstück. Für Neichssilbermün- ztN wird der löOOfache Betrag des Nennwertes gezahlt. * Pakot verkehr nach dem Ruhr^ttnbrnch »gebiet. Nach folgenden Orten des Ruhr-Einbruchsgebiets sind gewöhnliche Pakete au» dem unbesetzten Deutsch land wieder zuaelaffen: Aprath, Dornap (Kr. Mett mann), Düsseldorf nebst Dororten, Heuigenhau» (Niederrhein), Langcnberg (Rheinland), Ncvige», Tönisheide, Velbert (Rheinland), Vohwinkel, Wülf rath (Kr. Mettmann). Nach Hervest-Dorsten sind Pakete jeder Art anzunehmen. * Der Wochenendtelegrannuverkehr über de« Funkwcg mit Amerika (zu ermäßigter Gebühr) ist in folgender Weise ausgedehnt worden: Dre Tele gramme, die mit dem Vermerk Kl. (Abkürzung für Radio-Letter-Funkbrief) versehen sein müssen, können jetzt nach allen Orten in den Vereinigten Staaten von Amerika und darüber hinaus aufgeliefert wer den. Die Beförderung erfolgt vom Aufgabeort bis New Jork telegraphisch, von dort aus brieflich, und zwar ist sie jederzeit zulässiq. Während die bisher im Laufe der Woche aufgegebenen KI.-Telegramme frühestens am Montag der folgenden Woche ausge- händigt wurden, erfolgt die Zustellung jetzt allgemein l-elprjger LsaÄelsrSttuaI Xr. S0 Leit« S frühenstens 48 Stunden nach der Auflieferung. Die Telegramme müssen in offener Sprache abaefaßt sein und dürfen Ziffern nicht enthalten. Die Gebühr be- , trägt rund den vierten Teil der Gebühr für gewöhn liche Telegramm über den Funkweg und den fünften Teil der über die Kabellinien geltenden Sätze. Nähere Auskunft erteilen die Telegraphenanstaltro. Diebstahl t» Märkischen Mnsen». Im Berliner Märkischen Museum wurde ein kulturgeschichtlich wertvolle» Stück entwendet. Es handelt sich um ei» bronzene», VS Zentimeter lange», zu einem Böller gehörige» Rohr aus der zweiten Hälfte de» 16. Jahrhunderte. Ls ist ungefähr 45 Pfund schwer und mit seitlichen Zapfen und zwei delphiuförmigen Henkeln versehen. Es ist kunstvoll profiliert unv zeigt an dem einen Ende da» Wappen der Familie von Mallitz, an dem anderen ein Spiegelmono» gramm. Hoffentlich gelingt es, da» Rohr vor dem , Einschmelzen zu bewahren. IS Jahre Auchthaur für Ernst Nägler In dem Prozeß gegen die Geschwister Nägler wegen Ermordung des Kaufmanns Wolfner in einem Berliner Hotel im Sommer 1020 wurde jetzt das Urteil gefällt. Die Geschworenen sprachen den An- geklagten der Anstiftung zum Raube mit Todcserfolg schuldig. Das Gericht verurteilte Ernst Nägler dar auf zu zwölf Jahren Zuchthaus. Da Nägler be reit» von der Strafkammer in Braunschweig wegen eines Hoteldiebstahls in Braunlage und wegen eines Plakettendiebstahls im Braunschweiger Museum zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, so wurde auf ein« Gesamtstrafe von fünfzehn Jahren Zuchthaus erkannt. Da» Verfahren gegen die Schwe- ster Gertrud Nägler wurde einstweilen eingestellt, da diese infolge einer Haftpsychose vollkommen vcr- nehmungsunfrhig ist. Kinderraub durch Justizbeamte. In der Obhut eines Hamburger staatlichen Kinderpflegers be fanden sich zwei Mädchen im Alter von drei und vier Jahren, deren Eltern vor einiger Zeit geschieden waren. Nach der Rechtsprechung des Amtegerichts sollte die Mutter ihre Kinder einmal wöchentlich zwei Stunden sehen und sprechen. Der Pfleger, ein Polizeibeamter, hatte die Aufgabe, die Kinder, die bei ihren Großeltern wohnten, der Mutter zuzu- führen. Vor dem Hause Treskowstraße 37 wurden die Kinder plötzlich von einem Zustizobersekretär und einem Gerichtsvollzieher dem Pfleger gewaltsam ent rissen, angeblich auf Grund eines Beschlusses de» Amtsgerichts in Kiel, der aber nicht die erforderliche Bestätigung der maßgebenden Behörden hatte. Trotz de» Einspruches des Pfleger», der der Gewalt weichen mußte, wurden die Kinder unter Beihilfe der Mutter weggeführt. Den zuständigen Gerichten ist Meldung über den Vorfall erstattet worden. gehn Kilogramm Zyankali gestohlen. Weaen einer großen Anzahl Diebstähle wurde in Wien der Chauffeur Johann Leyrer verhaftet. Unter den Dieb- stählen hätte die gräßlichsten Folgen ein Diebstahl haben können, den Leyrer im September verübt hat. Bon einem Wagen der Firma Siemen» L Lalsk« stahl er 10 Kilogramm Zyankali. Leyrer wußte ur sprünglich gar nicht, was die Büchsen enthielten. Er entnahm erst seiner Beute einige Dekagramm, ver- packte da» Material wieder und verwahrte es sorg fältig. Da Leyrer anscheinend von der gefährlichen Beute keinen Gebrauch zu machen wußte, ließ er sie in einem Bersteck zurück, wo man sie eine» Tages ent deckte und beschlagnahmte. Scheintot begrabe« «»d gestorbe». Wie au» Groß wardein berichtet wird, ist der pensionierte Postbeamte Johann Mosär dieser Tage auf der Straße zusammengestürzt und laut ärztlicher Feststellung an Herzschlag gestorben. Der Totenbeschau« bestätigt« die», worauf der Postbeamte begraben wurde. Tag» darauf wurde neben dem Grab« de» Postbeamten ein neue« Grab geschaufelt, wobei di« Totengräber auf Klopfen und Hilferufe aus dem benachbarten Grabe aufmerksam wurden. Sie erschraken hierüber so sehr, daß sie, statt sofort di« Oeffnung de« Grabe» vorzunehmen, vorerst zum Friedhofswächter, dann zum städtischen Arzt liefen. Eine sofort entsendete Kommission ließ den Sarg öffnen. Der Postbeamte war jetzt schon wirklich tot, er lag im Sarge auf dem Bauche, man sah die untrüglichen Spuren seiner ver geblichen Anstrengungen, die Kleider waren zerrissen und der linke Arm blutig gebissen. Witwe und Tochter des Verstorbenen sind infolge der Auf regungen erkrankt. Ltt mine Gefängmsti- Legattonsrat Dr. Walter Aechlt» vou der Presseabteilung der ReichSrogterung war am 31. Mär, von den Fran,ölen in DttsseUwrs verhafte« worden. Raed achttägiger Hott wurde er aus dem Gefängnis entlassen und erhielt einen Ausweisungsbefehl, w«u er die franzö sische Propaganda durch deutsche Gcgeninfor- mattonen behindert bade. An der Zeitschrift Die Glocke «rzädlt er letzt seine Erlebnisse während seiner Haft: „II ksut vous zxrlrcker In nuit." Mit diesen Wor te» entließ mich der bösliche und gewandte Chef der politischen Polizei in Düsseldorf, al» man »ich nach meiner Festnahme fünf Stunden i» Gebäude der französischen Geheimpolizei festgehalten und in der Zwischenzeit die bei mir vorgefundenen Druck sachen durchgesehen, registriert und fein säuberlich zu einem mir wenig sympathisch aussehenden Aktenstück zusammengeheftet hatte. Ich wurde in ein Auto mobil gesetzt, noch einmal zu meiner Wohnung ge- bracht, durfte mir einige Sachen zusammenpacken, wobei ich natürlich die allerunnötigsten, darunter einen Regenschirm, ergriff, dann eine mir unver ständliche Order an den Chauffeur, und hinaus ging es in langer nächtlicher Fahrt durch die Straßen Düsseldorfs. Endlich machte das Auto halt, Tore, von deut- schen Gefängnisbcamten bewacht, öffneten und schlos sen sich, und ich wurde in eine französisch« Wacht- stube geführt, wo ich meine Barmittel abgeben, meine Gold- und Silberschätze, die allerdings nur in einer alten Nickeluhr bestanden, abliefern mußte und mein mit Heiterkeit begrüßter Regenschirm sorg fältig in Verwahrung genommen wurde. Oben in einer gelle angelangt, bekam ich auf das Bett einige Decken hingeworfen, über deren Insektenfreiheit ich beruhigende Versicherungen erhielt, mußte mich ent kleiden, was ich allerdings nicht zu weit trieb, und nachdem ich einen Schemel mit meinen Sachen vor die Tür gestellt hatte, wurde der Riegel vor geschoben und abgeschlossen. Ich kenne angenehmere Geräusche, al» dieses Zuriegeln und Abschließen, was auch die nächsten Tage noch immer einen unerquick- lichen Eindruck auf die Nerven machte . . . Trotz nicht ganz reinen Gewissens gegenüber den Franzosen schlief ich, nachdem ich mich mit den ver- schiedenen Decken arrangiert und festgestellt hatte, daß die Härte der Strohsäcke und das Fehlen eine, Kopfkissens sich durch keine wie immer geartet« Körperhaltung und Lage ändern ließ, den Schlaf de» Gerechten und wachte erst auf, al» mir die Oster- sonne in die gelle schien und ich durch den Osterruf: „Die Alosettkubel raus!" wieder aus dem Traum dasein in die rauhe Wirklichkeit gerufen wurde. Immerhin war es ein Zeichen, daß man mich nicht vergessen, mich nicht einfach in der Zelle verkommen lassen wollte. Gehorsam, wie alle Deutschen, be- folgte ich den Ruf und erkundigte mich bei den bedienenden Geistern, deutschen jungen politischen Gefangenen, die man zu diesem Dienst genommen hatte, ob die» da» Zuchthaus von Düsseldorf sei. Mit < Entrüstung wurde die Vermutung abgelehnt und mir erwidert: „Wo denken Sie hin, das ist hier kein Zuchthaus, sondern nur ein Gefängni»." Da die Tür bis zur Verabreichung des Kaffees, der von der gleichen Qualität wie der allgemein in Berlin verabreichte war, offen blieb, vermochte ich mich zu orientieren und sah und erfuhr, daß die Franzosen einen Flügel be» Düsseldorfer Männer gefängnisses für sich beschlagnahmt hatten und dort di« politischen Untersuchungsgefangenen und die bi» zu zwei Monaten Gefängni» Verurteilten unter gebracht hatten. Die meisten Zellen waren mit Hwei Insassen belegt, die sich nach Belieben unterhalten, beschäftigen und rauchen konnten. Gleich nach dem Kaffee gab es eine angenehme Ueberraschung, al» deutsche katholische Schwestern mit einem großen Korbe mit Kuchen und Ostereiern erschienen, vor jeder Aellentür ihr« Gaben abluden und auch mir mit freundlichem Händedruck fröhliche Ostern wünschten. Ich habe ihnen halb lachend, halb weinend gebatikt, ihnen aber doch erwidert, baß es mit der Fröhlichkeit wohl nicht allzuweit her sein würde. Dann kam Gottesdienst für die Katholiken, dann getrennt für die Protestanten in der Gefängnis- kirche, in der man wie in abgeschlossenen Schränken sitzt und nur mit dem Kopfe über die abschließenden I Wände hrraussieht, wa» gerade ausreicht, um den Pfarrer zu sehen. Al» die kirchliche Feier beendigt war, mußte ich in» Bureau kommen und wurde noch einmal i» ein gründlich,» und langweilige» Verhör genommen, um über meine Tätigkeit im Dienste für die «u»- ländische Press« und besonders hochnotpeinlich übe, di« bei mir vorgefundenen Drucksachen, insbesondere die verbotenen Berliner Zeitungen vrrnommca zu werden. Die Vernehmung war höflich und verlies ia angenehme« Formen, wenn auch meine Hoffnung, frelzukommen oiär wenigsten» außerhalb de» Gefäng nisse« Mittag essen zu können, nicht in Erfüllung ging. Auch die Entgegennahme meines große:'. Ehrenworte», nicht die Flucht zu ergreifen, wurde abgelehnt. In das Gefängnis zurückbcgleitet, fanä ich mein inzwischen kalt gewordene» Mittagessen »or, dessen Einnahme mir dadurch schwierig wurde, das, ich noch keinen Löffel besaß und mir außerdem, ich muß das offen gestehen, durch meine Erlebnisse der Appetit vergangen war. Vernommen bin ich dann nicht mehr worden, aber noch mehrmals photogra- phicrt und ungezählte Male daktyloskopiert. Im übrigen lebte ich mich dann langsam et», nachdem die ein und zwei Anfälle von Nerventrife», di« sich in etwas weinerlicher Stimmung äußerte», überwunden waren. Das Essen war au»gezrich»«t, es gab mittag« warmes Feldküchenessen und abends meist belegte Brote, manchmal auch noch warme« Gericht, dabei hin und wieder eine Flasche Bier, alles durch da» Rote Kreuz trefflich zubereitet mr gut organisiert. Hier ist durch die Rhein- mrd Ruhrhilfe wirklich etwas Ausgezeichnetes geschaffen, und ich möchte alle diejenige», die ein paar tausend Mark übrig haben, bitten, für unsere Landsleute, die als politische Gefangene in Düsseldorf, iR Werden, wo es ähnlich sein soll, in Mainz, wo e» viel übler ist. Gaben zu stiften. Denn mag die Verpflegung vortrefflich sein, mag man zweimal täglich ziemlich ungezwungen im Hofe spazieren können, mag man jeden Donnerstag Pakete bekom men und auch für Lektüre usw. gesorgt werden, das Los der Gefangenen ist doch ein sehr trauriges und niederdrückendes. Nicht, daß die Behandlung von feiten der Franzosen irgendwie zu Klagen Anlaß gegeben hätte. Mir ist nichts von Mißhandlungen bekannt geworden, und man war natürlich bet der Neugierde und der ausschließlichen Beschäftigung mit den Vorgängen unter den etwa 150 bi» LOO politischen Gefangenen recht gut orientiert, und auch sonst waren unsere Wächter, französische Kavast«^ risten, wohl barsch, aber innerlich human gesinnt und kamen Wünschen, z. B. nach Briefpapier usw., be- reitwilligst entgegen. Aber die Ungewißheit de» Schicksal», die Tatsache, daß Hunderte deutsche Män- ner, die sich gar nichts batten zuschulden kommen lassen, die lediglich die Pflicht erfüllt hatten oder bei denen e» sich im schlimmsten Falle um Lappalie«, wie Besitz von verbotenen Zeitungen und ähnlichem, handelte, wochenlang ohne Verhör gefangengehalten werden, drückt schwer auf das Gemüt der einzelnen, zumal noch manche um bittere Lrrge über du» Schicksal ihrer Familien oder Angehörigen erfüllt sein mußten. Uhn,«. Man ist mit Recht mißtrauisch geworden gegen große Gesten und Worte, aber wenn man von Helden am Rhein und an der Ruhr spricht, sollt« man zu- nächst an die denken, die, eine» ungewissen Schicksal.; harrend, von den Franzosen eingesperrt und da»» zu teilweise unerhört hohen Gefängnisstrafen, die dcn leiblichen oder seelischen Untergang des einzelnen bedeuten können, verurteilt werden. Es ist gut und erfreulich, baß das Deutsch« Rote Kreuz so erfolgreich eingegriffen hat und so fegen«, reich auch mit großer politischer Wirkung arbeitet. Denn da» ist der Gedanke, der am schmerzlichsten quält: Weiß man draußen und insbesondere im unbesetzten Gebiet von unserm Schicksal, finden sich hilfreich« Hände, um unser Los zu erleichtern, oder herrscht auch hierüber die furchtbare Unwissenheit in deutschen Landen, die cs manchmal so erscheinen läßt, als ob diese Vorgänge sich nicht zwölf Stunden von Berlin, sondern in Neuseeland oder in sonstiger Ferne abspielen? Mir jedenfalls war die Liebes- tatigkeit des Roten Kreuzes nicht nur eine Magen- stcrrkung, die natürlich schon an und für sich sehr Schneider wibbel Schauspielhaus Der tapfere Schneidermeister Wibbel har seine Identität verloren. Aber er ist auch ein bißchen zu unvorsichtig mit ihr umgegangen. Läßt einen Echwindsuchtskandidaten die vier Wochen für sich ab machen wegen Majestätsbcleidigung gegen den c-mpereur, die er im Suff begangen hat und im Wirtshaus. (Ein Männlein kam au» Korsika, etceteca, ctcctera.) Er liebt die Franzosen nicht, die rm Rhern- land regieren. (Die Geschichte spielt um 1812.) Man kann ihm das nachfühlen, heutzutage. Die vier Wochen wären ja gar nicht so arg. Die französische Militärgerichtsbarkeit im Ruhrgebiet wird sogar finden, daß der große Napoleon viel zu milde war. Aber da» Schneidergeschäft kann in vier Wochen leicht kapott gehen, wie man im Köllschen sagt, denn die Gesellen taugen nicht viel. Einer, der biedere Tuberkelritter, taugt wenigstens, denkt Wibbel, zum Sitzen, für gute Worte und dreißig Taler. Aber der macht nur vierzehn Tage im „Löchelchen" ab, die anderen im Himmel. Und läßt den guten Wibbel auf Erden zurück mit vielen Sorgen und mit einem Totenschein. Um dieser Situation willen wurde die Komödie, die Han» Müller-Schlöfler, um etwaigen Mißver ständnissen de» Betrachter» oorzubeugen, ausdrücklich als lustig bezeichnet hat, geschrieben. Oder sie «mrd« umgcschrieben; denn ursprünglich scheint e« ein Roman oder doch eine längere Novelle gewesen zu sein. Auch die Komödie ist ein bißchen länglich. So nach dem Grundsatz hergcstrllt: Du mußt e» drciund- dreißigmal sagen. Dieser Mann ist tot und er lebt doch. Schrecklich lustig. Wir- begraben und steht zu. Ungeheuer komisch. Kommt al» Unbekannter mit seiner eigenen Frau in Verdacht. Zum Quieken. Verlobt sich öffentlich mit ihr al» sein eign« Bru-er, sich selbst überraschend ähnlich. Gipfelpunkt -e» Humor» und der Wahrscheinlichkeit. Da» alle» wird im köllschen Dialekt, f« -roiund- dreißigmal gesagt. E» ist lustig, ab« e« ist auch länglich. Dazu der schwindsüchtig« Geselle und der verfressene Geselle, der gleich die verwitwete Meisterin (der Kochkunst), die auch sonst noch alle sieben Sachen beisammen hat, mttschlucken möchte. Aber der Ver storbene schluckt seine trauernde Witwe selbst. „Pfui" sagt der nicht in« Vertrauen gezogene Verfressene und entweicht. Der Verstorbene ersteigt, mit der trauernden Witwe im Arm, die Treppe -um Schlaf gemach. Müller! Schlösser!! AristophaneslI! Schämst dich nicht? Die Sache wurde von >j8 bi» )^11 Uhr in köll- sches Behagen getaucht. Länglich und lustig, aber auch recht sauber mit frischer Regielaune Fritz Dieh- weg». Den Verfressenen macht Wildenharn auf aut Sächsisch. Eigentlich ist e» wohl ein frecher köllscher Jung. Aber man kann auch auf sächsisch dummdreist sein. Sehr gut sogar. Und Wildenhain kann e» so jedenfalls bester und spricht auch so besser zu fach- fischen, mitfühlenden Herzen. Den Tuberkelritter treu bi» in den Tod, macht Krähe mit angenehmer Schlichtheit. Stella David und Franz Stein sind im Format einigermaßen verschieden. Da» schusselige Pummel chen und die schlenkerige Bohnenstange. Er höret nimmer auf und sie schon in der Mitte. Lin physi ologisch bemerkenswerte» Ehepaar. Aber auch mimologiscd beachtlich. Sie, die David, hat «whl »in paar Tropfen zuviel von der komischen Alten. Sie ist das gewohnt und macht es entzückend mit Appetit- lichkeit untermischt. Aber ich glaube, da» rüstige Frauchen, in der großen Zeh« gescheiter al« ihr ragender Ritter im Großhirn, wär« noch komischer, wenn «» von einer blitzsauberen Naiven gemacht würde. Fall» e» eine Naive gäbe, die so tüchti- wäre wie diese komische Alte. Franz Stein ist in seinem eigensten Element. Eine grotesk« Charge al» Hauptrolle in fünf Akten. Di« rechte Aufgabe für einen geistreichen Tänzer. Er siebt, möchte man sprechen, «ehr aus dem Kopf al» auf den Beine«. Sein Körper bie-t sich i» Ge lenken, die e» gar nicht gibt. Stimme und Gr- scheinung sind dermaßen unwirklich, daß man jedcm Augenblick spürt: dieser Mann war vom Schicksal dazu ausersehen, feine Identität zu «rlieren. Er ist viel zu phantastisch, um identisch zu sein. Er tanzt seinen eigenen Totenschein. Er reimt sich — mit seiner Rolle. k. Dr. Friedrich Gebrecht, früher Feuilleton redakteur des Leipziger Tageblattes, jetzt Regisseur und Dramaturg am reußischen Theater in Gera, wurde -um Regisseur und Dramaturgen an das Deutsche Nationaltheater in Weimar berufen; er hat den Ruf angenommen. Hetterich Etsenbach gestorbe». Zn einem Wiener Sanatorium ist der Iargonkomiker Heinrich Eisen- bach gestorben. Er hatte viele Monate an einem bösartigen Tumor gelitten, der jetzt nach einer an- scheinenden Besserung den Tod herbeifüührte. — Bi» einmal ein jüdischer Lessing die Budapester Drama- turaie schreiben wird, Geschichte und Wesen de» Orpheum» und seiner Iargonstück«, wird er Heinrich Eisenbach den Großen dieses Genre» nennen. Al» Schauspieler kam ihm an Lharakterisierungskraft seit langem in Wien nicht so bald jemand gleich. Den Shylock hat er in einer Auffassung gespielt, die vor ihm niemand hatte: mit tragischem Humor. Ci» Goethe-Basd für drei Mttlttme» Mark. In einer Versteigerung seltener Erstausgaben der deut schen klassischen Literatur, die bei Karl Ernst Henriet in Berlin stattfindet, wird auch rin Goethe-Band unter den Hammer kommen, in dem drei kostbare Erstausgaben zusammengebunden sind. Lr enthält da» Fragment „Faust" von 1700, da» zu den aller seltensten deutschen Büchern gehört, ferner die Erst ausgaben von „Iphigenie auf Tauris" und „Tor quato Tasso", da» Ganz« in einen Prachtbon- der Zeit gebunden. Der Wert diese» Bande» ist auf drei Millionen Mark geschätzt. Za» dritte» Male ZLLnche» bekomme». Es »er geht kaum «in Tag, an dem nicht in England da» eine oder andere Wunder passiert. Fast ausnahm», lo» handelt e» sich allerdings um Personen weib lichen Geschlecht«, di« iich durch wunderbar« Gab« oder wunderbar« Leistungen au»zeichnen. Jetzt wird von einem weiblichen Wesen in Brighton bericbtet, da» -m» dritten Male gezahnt hat, «ährend andere Mitglieder de» Menschengeschlecht» sich mit zweimal begnügen und da« drittemal ihren Bedarf käuflich eindecken müssen- Die junge Dame, deren Zähnchen soeben zm» dritten Male auf natürliche» Dege ge wachsen sind, steht im zarten Alter von 7S Jahren. L»f dar Sache »ach der Stadt Dw»td». Di« kost baren Funde, die au» den Königsgräbern in Luxor zutage gefordert wurden, haben den Ehrgeiz der internationalen Archäologen mächtig angeregt und einen Wettbewerb entfesselt, bei dem leider auch Modesucht und Sensattonsbedürfni» eine Rolle spielen. Wie die Times berichtet, ist in England eine Expedition von Gelehrten in der Bildung be griffen, die in Palästina Ausgrabungen in großem Maßstab vorzunehmen gedenkt. Die Untersuchung«» gelten in der Haupffache dem Ophel-Hügel, auf dem zum Teil das alte Jerusalem erbaut war. Man hofft hier, die Trümmer de« Palastes und das Grab de« König David zu finden. Au» de» rtze«terb»r«m». (StLdtischc VLbuen.1 Die Mr de» Leipziger Wirrschaft«v»rbanl> tm Alle» L-eater ursprünglich für Dttnttag. den 17. April, anaesept gewesen« Anrechttvorslclluna .Han» Sonnen- stSßer» HSLenfatzri' must au» D-enerMag. den 19 April, verleg« werden. Lrttana 714 Udr. Dienstag, dm 17 '.'lprtl. wird Kaust II nutzer Anrecht gegeben. SSmmche Karlen sind an der Kasse er-ältlich. Ansang aurnabmMoMe «>4 Udr. Arabische volkeweirheit Don der eigenartige», scharfsinnigen Denkart dm» Araber aus Demen zeugt eine Reihe von Sprich wörtern diese» tapferen und fremdenfcindlichen Stammes, die A. S. Aohuda, der bekannte Semittst, übersetzt hat: „Der Freie schmeckt schon die Dort«, der Gemein« braucht aber einen Stich in» Bein." (D. h-, der vor nehm- ritterlich« Charakter merkt sofort, wenn ihn jemand beleidigen will.) „Ehre den Hund wegen seine» Herrn." „Lieber eine Schlange tn» Hau», al» einen fremden Maschen." „Die Katze liebt ihren Würger." (Das Dort be- zieht sich auf übertriebene Servilität «ine» bös willigen Mensche» geaenüber.) „Lieber Unrat auf dem Kopf« tragen (d. h. dir niedrigsten Arbeite« »erricht««), al» der Anderen Wohltat bedürfen!" „Wohlstand -owührt Veweglmgsfrethett; Hunger zwingt ziua Niederhock«»." „Entscheidend ist der Ville de» Richter», nicht d'e Menge der Zöge».' „Man schämt sich nur »tt de» Ang«»." (Men respektiert »ur de», den man vor sich hat.)
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