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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.04.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192304155
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230415
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230415
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-04
- Tag 1923-04-15
-
Monat
1923-04
-
Jahr
1923
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SoaotLS, chs, LS. Hpi« Der kommende Rrieg In der Pariser Zeitung L.'Lr« kkoureils spricht der ehernaliae Abgeordnete Lucien Le Foyer von der erschreckenden Tatsache, daß die öffentliche Meinung in Frankreich wie in Deutsch land sich bereits an den Gedanken eines neuen Kriege» zu gewöhnen beginnt. Die Kriegsgefahr rückt mit großen Schritten näher, voran die üblichen Quartiermacher: Unnach- giebigkeit, Gewalt, Nationalismus, Haß, Sieges- taumel, Rachebegierd«. Sie rückt naher inmitten der Zwischenfälle und Uebergriffe, der Herausforderungen und Intrigen, der Sabotagen und der Morde. Schon hat st» ihre Leiden. . ,. Und wenn der Krieg end lich da sein wird, so wird die ganze jammervolle Herde der Opfer auf beiden Seiten sich einbilden, daß inan auf ihrer Seite ganz unschuldig an der Wiederkehr der Plage sei. Wenn morgen ein neuer Krieg zwischen Deutschland und Frankreich ausbricht, werden die Franzosen wie die Deutschen überzeugt sein, daß sie alles getan hätten, um ihn zu verhindern. Wenn aber jedermann den Frieden will, wie kann es trotzdem zum Kriege kommen? Bei jedem Kriege sagen die Regierungen ihren Völkern: .Ich habe alles mögliche getan, um den Krieg zu vermeiden.* Und doch fällt der Krieg nicht vom Himmel, wie ein Meteor oder der Blitz. — Die menschlichen Dinge sind von Gesetzen, nicht von absurden Zufällen beherrscht. Die Kriege brechen aus, wenn man sie vorbereitet und nicht wenn man ihnen entgegenarbeitet. . . . Hüten wir uns! Die öffentliche Meinung ist heute einem Kriege günstiger als im Jahre 1914. Damals galt ein europäischer Krieg als ein absurdes Ver brechen, als moralisch und materiell unmöglich. Heute weiß man, daß sogar ein Weltkrieg moralisch und materiell möglich ist und mehr als vier Jahre dauern kann, und zum Ueberfluß hat man entdeckt, daß der Krieg auch seine Nutznießer hat. Jedermann sieht die Kriegsgewinnler. Sie breiten sich üppig vor aller Augen aus, während die Opfer verschwunden oder im Verschwinden begriffen sind. Bedenken wir diese un- selige Tatsache: Die öffentliche Meinung neigt dem kommenden Krieg« zu! Schade, daß die besorgten Gedanken -es Ab geordneten Le Foyer nur erst in einem kleinen Kreise Geltung haben. Der Heiratsschwindler al» Einbrecher. Die Tochter eines Handwerksmeisters aus der Köpenicker Straße in Berlin lernte vor einiger Zeit einen jungen Mann kennen, der sich als ein Kaufmann Schulze aus Spandau vorstellte. Das Mädchen fand an ihm Ge fallen und machte ihn auch mit ihren Eltern bekannt. Später brachte dann ihre Freund seine Schwester mit, die ebenfalls den besten Eindruck hinterließ. Al» die Eltern des jungen Mädchens auf einige Zeit ver reisten, bat der junge Mann die Tochter um ein Stelldichein in Wilmersdorf. Das Mädchen ging auch hin, traf aber ihren Freund nicht. Als sie enttäuscht nach Hause kam, mußte sie mit Entsetzen wahrnehmen, daß inzwischen die elterliche Wohnung ausaeraubt war. Die Einbrecher hatten nicht weniger al» fünf Kunstschlosser aufgebrochen und dann für etwa 26 Millionen Wertgegenstände gestohlen. Die weiteren Nachforschungen ergaben, daß Schulze in Spandau gar nicht wohnt und ein langgesuchter Ein brecher ist. Man hat ihn aber bisher noch nicht fassen können. Aatouufall. Ein Autounfall, bei dem fünf Per sonen erheblich verletzt wurden, ereignete sich bei Mittenwalde in der Mark auf der Berliner Chaussee. Pier Neuköllner batten mit dem Polizei beamten Kukeil aus Schmöckwitz in einer Berliner Autodroschke einen Ausflug unternommen. Auf der Heimfahrt erlitt der Wagen Achsenbruch. Er über schlug sich. Die Insassen wurden auf die Straße ge schleudert und trugen Armbrüche und schwere Kopf verletzungen davon. Elektrisierung der schwedischen Eisenbahnen. Nach einer Erklärung des Generaldirektors der schwedischen Eisenbahnen wird mit den Arbeiten zur Elektrisierung der Bahn Stockholm—Gothenburg in einigen Sin« Erbschaft Gericht erkannte auf eine Geld Mark. N Ein« Erbschaft von 85 Millionen Dollar. Aus Rom wird gemeldet: Liu Lhauffeur in Toscana namens Delfins Gori erhielt dieser Tage vom ameri kanischen Konsul in Florenz die Verständigung, daß sein Onkel M. Gori in New Pork vor einigen Wochen gestorben ist und ihm 85 Millionen Dollar hinterlassen hat. Der Lhauffeur war durch die er freuliche Nachricht um so mehr überrascht, als sein Onkel, der vor 60 Jahren nach Amerika auswan- derte, ihn zeitlebens nur mit Ansichtskarten beglückte. Der Multimillionär-Chauffeur ist nun nach Amerika abgereist, und zwar nicht wie seinerzeit sein armer Onkel auf dem Verdeck, sondern in der ersten Klaffe eines Luxusdampfers. Die Rache der Schmuggler. Dor dem Hafen von New Pork hat sich eine nicht alltägliche Schmugg ler-Tragikomödie abgespielt. Der Küstenwache war ein Motorboot ausgefallen, das sich in verdächtiger Weise vor dem Hasen zu schaffen machte. Das Boot wurde gekapert und die beiden darauf befindlichen Schiffer al» Alkoholschmugqler an Bord de» Polizei kutters gebracht. Als das Regierungsboot sich wieder dem Hafen näherte, fiel der einzige Beamte über Bord. Ilm ihn zu retten, beugte sich der Kapi tän weit über die Reeling und ließ sich dabei von den beiden verhafteten Schmugglern an den Beinen festhalten. Diese ließen sich das nicht zweimal sagen, sondern gaben dem Kapitän einen freundschaftlichen Abschiedsstoß, worauf sie, besten» dankend, mit dem Polizeikutter und dem beschlagnahmten Alkohol ver- schwanden. eine Zwecke zu verbessern. Durch einen Gewichts- motor, der einem elektrischen Motor seiner Regel mäßigkeit wegen vorzuziehen ist, läßt Doegen einen Teller in eine horizontal rotierende Bewegung bringen. Auf diesem Teller ruht eine angewärmte Platte aus ganz bestimmtem Wachsstoff, auf der in der Schrift Berliners durch einen besonders geschlif fenen Rubin oder Saphir die Schwingungen ein geritzt werden. Die für diesen Apparat verwendeten Luutdosen besitzen eine von Doegen selbst erfundene Membrane, die — im Gegensatz zum Phonographen und Grammophon — imstande ist, die Tonhöhe und Klangfarbe des Gespräches oder Gesanges vollkommen deutlich wiederzugeben. Die Pokale und Konsonaten laute erfahren überhaupt keine Veränderung und klingen durch diese Membrane besonders rein. Doegen besorgt diese Aufnahmen mit einem Tech niker in einem besonderen Raume der Staatsbiblio thek zu Berlin, wo sich auch sein Institut befindet. Das ist alles, — einfach, wie alle großen Entdeckun gen. Um die Wirksamkeit dieses Werkes zu erhöhen und wissenschaftlich einwandfrei zu gestalten, er scheinen, während der Apparat spricht, ein Meßbild dcs Ausgenommenen, die von ihm gesprochenen Sätze in Lautschrift und der Text der Sätze, von der betref fenden Person selbst geschrieben, außerdem die Ueber- setzung ins Deutsche und Englische auf der Leinwand. warenhausdieb „aur Nache" Ein ehemaliger russischer Oberst hatte sich wegen einer Anzahl von Warenhausdiebstählen vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte zu verantworten. Der Angeklagte, der frühere russische Oberst von Man- chardow, ein Mann in vorgerücktem Alter, war nach dem Kriege, in dem er gegen Deutschland gefochten hatte, nach Berlin gekommen und hatte hier in einem kaufmännischen Geschäft eine Anstellung er halten, die ihm aber nur eine geringe Einnahme von zuletzt 120 000 Mark monatlich einbrachte. Eines Tages wurde er von einer Detektivin bei Wertheim beobachtet, als er eine Flasche Parfüm im Werte von 8000 Mark in den Aermel seines Man tels verschwinden ließ. Die Detektivin ging ihm nach und stellte ihn am Bahnhof Alexanderplatz. Der Angeklagte gab die Tat auch unumwunden zu, brachte aber für die Beweggründe seines Handelns eine recht ausfällige Erklärung vor Gericht vor. Er will eines Tages bei Wertheim zum Einkauf ge wesen sein, und bei dieser Gelegenheit habe er erlebt, daß eine alte Frau von etwa 75 Jahren von einer Detektivin beschuldigt wurde, eine Serviette ge stohlen zu haben. Die alte Frau mußte ins Privat kontor folgen und soll dann unablässig geschrien haben, man möge sie doch laufen lassen, sie habe die Serviette nicht stehlen, sondern für sich zur Reini gung benutzen wollen. Diese« Erlebnis habe ihn tief erschüttert, und er habe den Entschluß gefaßt, nunmehr an der Firma Wertheim für ihr rigoroses Verhalten Rache zu nehmen. Der Amtsanwalt beantragte einen Monat Ge- fangnis und betonte, daß Ausländer, die derart die Gastfreundschaft mißbrauchen, besonders hart an gefaßt werden müßten. Der Verteidiger widersprach dieser Auffassung. Ein preußisches Gericht habe nur die Tat, nicht den Täter abzuurteilen. Der Ver teidiger führte verschiedene Milderungsgründe zu gunsten des Angeklagten an und bat auch um eine Geldstrafe. Da» strafe von 20 000 Die Tragweite des Doegenschen Werkes, das vor dem Kriege begonnen, aber erst während des Krieg?« und besonder» heute sich der Unterstützung der preußi- schen Regierung erfreuen kann, ist kaum zu übersehen. Lrpsius' Werk und die Versuche seiner Nachfolger, di« Alphabete aufstellen wollten, mit denen jede beliebige Sprache phonetisch ausgezeichnet werden kann, wird durch Doegen verlebendigt. Die Blatten des Stimm- Museum», die Kupfermatrizen find und eine Lebens dauer von zehntausend Jahren haben, stellen so eine Verbindung der somatischen Anthropologie (der Lehre vom Menschen nach seiner Rasseneigen tümlichkeit) mit der Ethonologie im engeren Sinn« (der Darstellung der Grundgedanken der Menschheit) dar. Was R. Wagners .Historische Anthropologie", di', von ihm versuchte Ergründung des ethnologischen Zusammenhanges zwischen den Menschen der Vergan genheit und den heutigen, unsicher erscheinen läßh ist für die Zukunft gesichert. Die kommenden Ge schlechter werden einen genauen Ueberblick über di« Völker und Rasseneigentümlichkeit der Menschen von heute haben und so die Entwicklungen auf allen Ge bieten untersuchen können. Das ist der Wert de«! sprechenden Bibliothek Vrof. Doegen» für die Zukunft, Und ihre Bedeutung für die Gegenwart? Die seit dem Kriege bestehende Zersplitterung der ein zelnen Nationen macht es unmöglich, über die ane deren, und besonders über die von un» weit entfern ten Länder und Menschen einen Ueberblick zu ge- winnen. Aber auch früher wußten wohl wenig« etwas über die Dialekte Indiens z. B., oder über di« Sprache der Menschen, die am Hymalaja wohnen; kennt man doch kaum sämtliche Dialekte seine» Vater landes. Das Stimm-Museum aller Völker ist im stande, eine solche Ucbersicht zu gewähren. Die Ent wicklung der Lehre vom Menschen, tue eigentlich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Linus, Retzius usw. einsetzte, am Ende des 18. Jahr hunderts die großen geographisch-ethnoaraphischen Entdeckungen brachte und Mitte des IS. Jahrhundert«) durch die Auffindung des Gorilla und de« Dcluvial-Mcnschen in Europa zu der Wissenschaft« lichcn Methode an der Wende de» IS. Jahrhundert« überleitete, findet nun durch Doegen den denkbar wirksamsten Abschluß. Durch ihn hört man sämtliche Sprachen der Welt, vermag Vergleiche rein sprach licher, aber auf diesem Umwege auch kultureller und) sozialer Art zu ziehen. Da die Art der Schriftzüge und das Lichtbild der betreffenden Person ebenfalls zu sehen ist, sind wir genau über ihren Charakter in formiert, wir wissen nicht nur, was und wie si« spricht, wir wissen überhaupt — wie sie i st. Und die« — dank dem Werk Doegens — von den Vertretern sämtlicher Nationen der Welt. Die lebende Dibllo- thek ist ein Merkstein in der Erkenntnis der heutigen Zeit. „Anthropophonetlk* nennt Doegen dies« Wissenschaft, also Anthropologie auf phonetischer Grundlage. Fast alle Universitäten Deutschlands und eine große Anzahl von Hochschulen des Aus landes sind seine Mitarbeiter. 54 Fachmänner für alle Sprachen der Welt unterstützen ihn; sie bestim men die Texte, die von dem aufzunehmenden Men schen gesprochen oder gesungen werden sollen. Auch in Leipzig hat Doegen Mitarbeiter, so den Professor des Neu-Arabischen und der hamitiichen Sprachen Afrikas, Dr. Stumme; auch der Professor der eng lischen Sprache, Dr. Förster, interessiert sich für die Lautabteilung. Die sprechende Bibliothek steht heute einzig in de? Welt da; warum die» der Fall ist? Weil Docken die besondere Technik der Aufnahme geheim halt. Und wenn man die begeisterten Artikel der dänischen Zeitungen liest, kommt man zu der Ueberzeugung: Europa erkennt wieder einmal die über die Grenzen dcs eigenen Landes reichende Kraft und Schaffenslust dcs deutschen Geistes, der hier etwas erdachte und vollbrachte, das international, nicht beengt von einem nur bis zu den Landesgrenzen reichenden Horizont ist, deutsch durch seinen Erfinder, von größtem Werte aber für die ganze Menschheit der Gegenwart und Zukunft. vr. Seftukr Monaten begonnen werden, sofern di« Berechnungen der Eisenbahnverwaltung von der Regierung ge nehmigt werden. Die Arbeit,dauer wird auf drei bi» vier Jahre geschätzt. Et« neu« Radiv«»laß«. Nach einer Meldung der Frankfurter Zeitung bestätigt e» sich, daß der Auftrag zum Bau einer lettländischen Radioanlage inLibau der Berliner Eiemen»-Gesellschaft erteilt worden ist, die ihn zusammen mit der Telefunken-Gesrllschaft aus führen wird. In dieser Zeit trat Edisons Phonograph und Ber- iners Grammophon auf den Plan. Das Nächst- Legende war nun, daß Doegen mit diesen Apparaten eine Versuche anstellte. Aber auch hier mußte er :ald das Unzureichende, das in der Unvollkommen bit der Wiedergabe aller Sprachlaute bestand, er- ahren. So ging er daran, Berliner Erfindung für Oie spreche»-« Bibliothek In dem kürzlich vor dem Dcaat»««tcht»-»l dehandelttn BeleidigungSprozeft gegen den früheren Pfarrer Traub erklärt« der al» Leuge vernommen« Direktor der Lautadteilung an der Staatsbibliothek tn Berlin. Pros. Wtl- belm Doegen, dab det dem im Sebruar 1S2i vom Reichspräsidenten abgehaltenen Emp- fangSabend krtneswegs fremde Nationalhymnen gespielt worden seien. S» handle sich vielmehr um di« Wiedergabe von fremdländischen Ge langen und Rede», dl« er al» Direkt»« d«r Lautabtetluna tn den deutlchcn Gefangenen« lagern zwecks wissenschaftlicher itrforschung von Sprachen und Sprachzweigen mit einem neu erfundenen Apparat ausgenommen habe. Di« Sammlung fei die erste dieser Art in der ganzen Welt. Da sie der Oessentlichkett kaum bekannt ist, dürsten nachstehende Ausführungen von Anter- ess« sein. Erst jetzt erkennt man, in wie geringem Maß« der tote Buchstabe uns die Welt und ihre Völker zu erklären vermag. Auch das Museum, das die Eigen art aller Nationen vermitteln will, kann seine Auf gabe nur bis zu einem gewissen Grade erfüllen; denn das Augen ermüdet leicht. Da» Besondere im Charak ter Les Einzelnen und somit auch teilweise seines ganze» Volkes, bringt uns am besten das Gehör nahe. Die Musik der Sprache ist es, durch die wir Land und Menschen kennen lernen. Sie fast allein gibt ein klares Bild von der Kultur der Raffen und der Zeit. All die» erkannt zu haben, ist das Verdienst Prof. Doegens, des Direktors der Berliner Laut-Abtei lung. Als Student in Oxford beschäftigt er sich mit der Lehre von den Lauten der menschlichen Sprache. Cr kommt zu der Einsicht, daß die Lautschrift, die in Buchstaben das Wort wiederzugeben versucht, wie es ausgesprochen wird, sich also nicht an die übliche Orthographie hält, ungenügend ist. Der Einund zwanzigjährige sieht seine Aufgabe in einer Umgestal tung der toten Lautschrift in eine lebende. Er wendet sich dem Studium der Werke des Physiker» und Physiologen Helmholtz zu, dessen bahnbrechende „Lehre von den Tonempfindungen* und dessen Mes sungen der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Rer- vcnreizung ihm wohl die stärksten Anregungen gaben. Auf dem Umwege über Helmholtz kam nun Doegen auf den Gedanken, «in großes Stimm- Museum aller Völker zu schassen. Kultur wider Natur Von l.»«»lies Im Verlage T. v. Beck, München, ist eine Schrift von Dbeobor Lessina -Die verfluchte Kultur, Gesauten üb« den Gcg«nluö von L«b«n und Geist», erschienen, die leidenschaftlich da» Ur sprünglich«, Raturnah-Lebcndiae gegen den Geist der LtvMscttton verteidigt. Theodor Lessing gebbri zu feuer Gruppe von Denkern, die unser vom Geist gespaltene» L-eben durch die S-in-eU altindischer Urweisheit erneuern möchten. T«r Abschnitt, den Wir hier Wiedergaben, behandelt die Unterwerfung der Naknr durch den Mensche«. Der sogenannte kaukasische Mensch steht seit 400 Jahren im Begriffe, die Erde zu unterwerfen. Und seit 100 Jahren hat sich auch die Anzahl dieser abendländischen Menschen mehr al« verdoppelt. Denn während um 1800 nur ungefähr ein Sechstel der Menschheit europäisch-amerikanischen Ursprung» war, ist es gegenwärtig mehr als ein Drittel. Dabet vermehrte sich seit 100 Jahren die Zahl der Erden menschen unsinnig von SOO auf 1600 Millionen, und dürfte in den nächsten 100 Jahren noch unvergleich lich schneller anwachsen. Die Zeit ist nahe, wo die letzten Naturvölker: Afrikas edle Neaerstämme, Be duinen, Polynesier, Indianer, Feuerlander, Papuas, Eskimos, Grönländer, allesamt vor der Zivilisation dahinschmelzen. Die Welt ihrer Götter, Holden und Alben, ihre Zauberei und Magie gilt uns für Aber glaube. Wir blicken auf die kindliche Handschrift ihrer Lebensformen und spüren nicht den Herzschlag, der in ihnen schlug. Nur al» unwissende Vorstufe unsrer eigenen zweifellosen Welterklärung findet der heidnische Mythos und seine phantastischen Götter noch eine gewisse gutmütige Anerkennung. Eiye grausam unerbittliche Maschine walzte Kultur dahin über Sage und Traum, Musik, nackte Schönheit, Sonnen- und Sternenglauben, Baumkult, Feldkrrlt, fromme Einfalt, Sinnbild, Sitte, Brauch, Sang und Lied. Längst hinweggewischt und ge schwunden ist die gesamte Tierwelt Europas, deren Abbilder wir noch finden in den Höhlen von Perigord und Dordogne in Südfrankreich oder, ein- acritzt uaü in Oker ausgemalt, in den Felsen der Pyrenäen: die gewaltiqsie Tierwelt der Erde. — Was ist in Deutschland binnen 100 Jahren von« Erd boden wcggeknallt? Auerochs, karpan, Wisent, Bä-, Lux, Wall, Elch, Wildkatze, Biber, Otter, M-ntrer. Nerz. — Demnächst auch: Eber, Wiesel, D"chs und F :ch». Don mehreren tausend Vogel arten blieben wenige hundert übrig. Schopfibis, l Alk, Kormoran, Edelreiher, Seinadler, Uhu, Schwan, Echwarzstorch, Kolkrabe, Falke, Kranich, Lumme; all I dieses volle Gestaltenleben ist bei uns Märchen ge worden und Sage. — Zu diesem Frevel am Tier, welch unerhörter Frevel an Aue und Wald! Die Einöden Syriens, Griechenlands, der jonischen Inseln, einst der Erde reichste Gärten; die Abhange der Provence, heute Felsen- und Murentäler, aber einst geheimntsrauschender Wald; Kleinasiens steinigte Kalkwüste, einst voller Blumen rin Garten- land; der leichenhafte todtraurige Karst, ausgemergelt von der Habgier venetianischer Krämer, deren stolze Stadt, verschlammt und versumpft aus dem Meere ragt wie em nächtige» Gespenst abendländischer Ge schichte . . .; alle diese geschändeten Erdstriche zeigen, wie die Natur am wälderverwüstenden Menschen sich rächt, der die blühende Lebenswelt vermarktet, ver- krämert, verhandelt. „Aber wir «in schwarzer Samen Lügner, die zu Worten kamen Tatlo» Tauscher, Tuer, Täter, Weltzcrnenner, Waldverrätrr Morden Gott und uns mit Namen, Namen.* (Franz Werfel, Gerichtstag.) Und so ward grau-die Welt! Bald wird sie aus sehn wie ein einzige» Europa: «in wohlbestelltes Schachbrett der Kultur; Aecker, Wiese, Felder, Wald, bewirtschaftet von Bildungsmenschrn und dem, wa» ihnen nützlich ist, wie Pferd, Kuh, Schaf und Edel- schwein. Und wie alle diese Kultur begann mit einer zweckmäßigen Erwerbskunde des Tötens zu Iagd- und Beutezwecken, weit über unmittelbaren Bedarf der Jagenden hinaus, so wird sie schließlich enden in ungeheuren Speichern de» Todes, angefüllt mit des großen menschlichen gweckmarktes Millionen-„Wer- ten*. Horen wir einige Zahlen. „Im antarktischen Meer« wurden die großen Seeelefanten, harmlose und zutrauliche Tiere, in den letzten Jahren vöig vernichtet. An der patagonischen Küste erschlägt man jede» Jahr etwa 40000. Die Kopenhagener Aktiengesellschaft zur Betreibung von »«lfischfang nach mfttschaftltcher «tthode «rebgmt« i» letzten Jahre dreikunderttausend Lal- Whe, die «es schwimmenden Fabriken aufgefwcht, harpuniert und zerwirkt werden, denn damit die Jagd sich lohne, muß «in Fangschiss etwa 100 Aale erlege^ demn Teile dann abgrltchert »erden in die europäischen Häfen, wobei man etwa 400 Prozent Reingewinn hatte.* „Man erschlägt in jedem Jahr 10 Millionen Robben . . .* Nein! . . . Man erschlägt sie nicht. Das wäre nicht wirtschaftlich. Man zieht den Leben- den da» Fell vom Leibe und läßt sie liegen. Eie sterben von selbst. — „Damit die Damen tn Europa und Amerika Dogelfedern auf den Hüten tragen, rupft man für die Mode in jedem Jahre 300 Millio nen Sing- und Seevögel; Möven, Schwalben, Edel reiher, Kolibri . . .* „Da die Federn nur beim lebenden Tier« den Glanz bewahren, rupft man Schwanz- und Flaumfedern den Lebenden vom Leibe; sie sterben unter gräßlicher Qual; jedes Jahr 300 Millionen.* „Damit wir Taschenkämme, Stockknöpfe, Zahn stocher, Billardkugeln und ähnlich nützliche Ge brauchsgegenstände kaufen, werden jährlich 800 000 Kilogramm Elfenbein verarbeitet; da» heißt, man metzgert nieder SO 000 der mächtigsten Geschöpfe der Erde.* „Es naht die Zeit, wo der astatische Elefant ver braucht sein wird gleich den großen Schildkröten und Pelztieren, gleich Wildpferd, Nashorn, Antilope, Gnu; gleich Raubvögeln und den Büsfelherden Amerikas, von denen Millionen ausgerottet sind und noch einige hundert künstlich gehalten werden im Park von Pellowstone." „In unsrer Jugend hörten wir in den Feldern die Wachteln. Wie selten werden sie. Allein in Aegypten tötet man jedes Jahr 3 Millionen.* Es gab einmal einen deutschen Wald. Da grohnt« die Schnepfe. Da sang der Urhan. Da schlugen Sprosser und Fink. Im Himmelsblau schwebte der Adler. Der Falk rief. Die Taube gurrte. Hundert tausend« Tier- und Pflanzenarten könnten wir nennen, die dahingeschwunden sind. Auf immer. „Furcht und Schrecken vor Euch soll kommen über alle Tiere auf Erden und über alle Vögel unter dem Himmel; über olle» wa» sich auf Erden regt und über all« Fisch« de» Meere». In Cure Gewalt sind sie ge geben.* So redet Jehova zu Noah und Noah» Samen, al» er den Bund schließt mit dem Menschen. Milliarden erdaebundener dumpfer wort- und »ehrloser Vesen find dabingemordet. Denn wo immer der Mwisch backend der Rat« gegenübersteht, d« unterliegt er kläglich. Al« der Erbe anfälligste« Geschöpf mnß er die Lrd« morden, um sie ertrage« zit können. Der Scholle hilfloseste» Wesen wurde grade «mndge dieser Hilflosigkeit Mn Erfinder einer ungeheuren Maschinerie. Und vermöge dieses Macht- und Rüstwerks (die Hand eine» Kindes kann «« meistern), erkühnte sich der Mensch zum GewaitherpN über alles große und starke Leben . , . Millionen dunkler Hindu, seit Jahrhunderten haben sie kein Tier getötet, keine» gegessen, werd« heute spielend unterwürfig gehalten von einer band voll europäischer Bildungsmenschen: einigen rassigen englischen Kapitänen, Ingenieuren und Unter« nehmen Diese haben sa Lyddit, Dnnamtt, Gkrasit. Sie stnd Götter der Lrde. Indessen spricht der arg lose Paria vor jedem lebendem Geschöpf da» dunkler „Ich bin Du;* betet der Buddhaist täglich das Metta- sutta im SuttanipLtL, das schönst« Gebet der Erdet „Mögen alle Wesen heute schmerzfrei sein." Aufhebung de» Urteil« gegen de« Pädagogen Dy««««. Da» Urteil gegen den bekannten Päd agogen Dr. Wyneken, der wegen eine» Sittlichkeit»« verbrechen», dessen Tatbestand durch ein vielange« fochtencs Gerichtsverfahren nicht einwandfrei fest gestellt wurde, zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden war, ist. wie die Breslauer Volksmacht wissen will, durch Beschluß des thüringischen Staatsmini- steriums aufgehooen worden. Eine große Anzahl von Pädagogen, ferner Männer des öffentlichen Lebens und Eltern von Wyneken» Schülern hatten di« thüringische Re gierung um Anwendung ihre» Amnestierechtes in einer Reihe von Eingaben gebeten, denen jetzt Rech nung getragen wurde. (Au» Thüringen selbst liegt eine Bestätigung dieser Meldung nicht vor. Hoffe.tt- lich bewahrheitet sie sich) >r»o Holz — Nobelprei»stmdtbat. Arno Hol», der am 26. April sein SO. Lebensjahr vollendet, ist von 63 Professoren der Literat« und Aesthetik an deutschsprachigen Hochschulen zur Verleihung de» diesjährigen Nobel-Preise» ffir Literat«? vorgeschlagen worden; e» stnd das zwei Drittel der Vorschlagsoerechtigten deutscher Zunge überhaupt. , Prof. Laube s. Au» Prag wird uns ge drahtet: Ja Pro« starb gestern der e-emalige Pro fessor der Geologie und Paläontologie der Deutschen Universität in Prag, Gustav Karl Laube Un 88. Lebensjahr«. Er hatte i« Iabre 1860/70 die zweite deutsch« Nordpolexpedition auf der »Hansa* mitguiocht, deren Resultat er in feinen .Geologe schen Beobachtungen* niedergelegt hatte.
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