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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.04.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-04-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192304149
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230414
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230414
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-04
- Tag 1923-04-14
-
Monat
1923-04
-
Jahr
1923
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8oaaad«u1, 1H. Aprü » . « »-«e S ^agesberickt Staatsgerichtshof Der große Saal, in dem über die Verletzung der staatlichen Macht geurteilt wird, ist niemals vollkommen hell, weder am Tage noch am Abend. Licht ist lärmend, laut und aufdringlich, — hier aber ist alles auf Ruhe abgestimmt. Die Heber« legenheit herrscht in diesem Saale; sie ist feier« lich, ohne pathetisch zu werden; ein kühler Luft zug durchweht sie. Die holzgetäfelten Wände, die langen grün« nen Tische und wappengeschmückten bunten Fenster lösen ein Gefühl von Einheitlichkeit aus; äußerlich und innerlich. Der Raum, hoch und reich geschmückt, beeinflußt sogar die Gesichts« Muskulatur aller, die hier sitzen. Der Zuhörer zeigt nicht die Erregung des Schwurgerichtes, er lst nicht das, was man „neugierig" oder „ge spannt" nennt. Denn Neugier entsteht aus einem zweifelnden Gefühle; zwei oder mehrere Möglichkeiten find offen; da ist man erregt. Hier aber spiegelt sich in den Gesichtern die Ueber- zeugung von einer ruhigen, fast tödlich sicheren Abwicklung des „Falles". Das in Erregung überspringende Interesse zeigt sich auch nur, wo es sich um Menschen, um die Person handelt. In diesem Saale aber findet kein Kampf mit dem Verbrechen der Straße seinen Abschluß. Hier zieht eine Meinung, eine Weltanschauung ihr Schwert gegen die in einen Talar gekleidete. In einen Talar . . .: sie ist also äußerlich hervorgehoben. Daher besteht die Neigung, für den unscheinbar Gekleideten innerlich Partei zu ergreifen. Aber sobald die Weltanschauung im Talar zu sprechen beginnt, erkennt man: Sie paßt zu dem Halbdunkel des Saales, zu den be inalten Fenstern, zu der kühlen Ueberlegenbeit des hohen Raumes, — sie gehört unter den Baldachin. —fr. * Als erster weiblicher Tischlergefelle ln Dachse» wurde von der Tischlerinnung zu Pirna und Umgeb. Fräulein Vera Kürsten aus Leipzig, Lehrling des Tischlermeisters Otto Krämer in Copitz bei PirM», losgesprochen. Sie hat die Prüfung mit „Sehr gut" bestanden, obgleich die Lehrzeit nur zwei Jahre be« trug. Von der Friedrich-Hengst-Stiftung erhielt sie eine schriftliche Belobigung für ausgezeichnete Ar beiten. Erweiterung des Zugverkehrs. Ab 11. April ist eine wesentliche Verbesserung des Vormittags verkehrs zwischen Leipzig und dem Vogtlands fo- wie dem Erzgebirge durch die Wiedereinlegung ausgefallener Personenzüg« eingetreten. Ls ver kehren wieder die Züge 4206, ab Leipzig Hbf. 6,40 vorm. bis Plauen V. ob. Bf., an 9,48 vorm. mit Anschluß nach Zwickau (an 8,49 vorm.) — Annabers, und 4205, ab Reichenbach i. D. ob. Bf. 8H2 vorm. — mit Anschluß ab Plauen V. ob. Df. 7O7 vorm. imd ab Zwickau 8,10 vorm. —, an Leipzig Hbf. 10,08 vorm. Die tägliche Wiedereinführung des Abendpersonenzuges 4216, ab Leipzig 6,42 abend«, an Reichenbach V. ob. Bf. 9,05 abends, hat sich leider noch nicht wieder ermöglichen lassen. Mißglückte Flucht über das Gebirge. Anfang März war der Bankangestellte Otto Munk aus Berlin nach Unterschlagung von vier Millionen Mark flüchtig geworden. Auf der Flucht kam er ins Riesengebirge. Er wollte über die Rennerbaude nach der Tschechoslowakei flüchten. Für 15 000 «k mietete er sich einen Träger, der ihm seinen mit Wäsche und anderen Sachen gefüllten Koffer ukd seine Reisetasche nach der Rennerbaude befördern sollte. Unterwegs fiel er aber mit dem Träger Zollbeamten in die Hände. Zunächst wurde er vom Schöffengericht in Schmiedeberg wegen Paßver gehens und wegen verbotener Ausfuhr verurteilt. Wegen der Unterschlagung wird sich Munk in Berlin zu verantworten haben. End« de» Münchner „Luitpold". Das weltbekannte Kaffee Luitpold in München soll an eine Berliner Bankfirma vermietet worden sein und eingehen. Dem Personal wurde bereit» zum 1. April gekündigt. Da» Kaffe« Luitpold galt früher al» eine hervorragende Sehenswürdigkeit München». 114 Millionen Mark Geldstrafe. Ein fetter Prozeß wurde vom Danziger Landgericht entschieden. Weaen Hinterziehung von Zolleingangsabaaben — es handelte sich um die Einschmuggelung einer Sen- düng Sekt von 4040 Flaschen — wurden ein Zoll hilfsbeamter zu drei Monaten Gefängnis und 114 Millionen Mark Geldstrafe und wegen Anstiftung dazu ein Restaurateur in gleicher Höhe verurteilt. Lin verdächtiger Transport Am Donnerstag vormittag ist auf dem Leipziger Hauptbahnhofe ein Transport von 26 jüngeren und älteren Leuten festgehalten worden, die unter dem Verdachte stehen, von rechtsgerichteten bayerischen Kreisen für ihre staatsfeindlichen Zwecke an geworben zu sein. Der Transport hatte schon in Bitterfeld Verdacht erregt, und von dort aus wurde auch die Leipziger Polizei auf ihn aufmerksam ge macht. Bei der Ankunft in Leipzig gelang es einigen der Leute, im Gedränge der ankommenden Reisenden zu entwischen. Siebzehn der Angehörigen des Transport» wurden festgenommen. Davon sind sechzehn nach ihrer Vernehmung wieder nach Berlin zurückgeschickt worden, während der mitverhaftete Führer des Transportes der Leipziger Staats anwaltschaft zugeführt werden dürfte. Aus den bisherigen Feststellungen geht hervor, daß die Leute angeblich für eine, übrigens völlig unbekannte, Firma in Augsburg als „Wald- und Handarbeiter für das Wiederaufbaugebiet" an geworben worden waren. Ihr wirkliche» Reiseziel war aber München. Der festgenommene Führer ist ein ehemaliger Feldwebel von 15 Dienstjahren, der nach dem Kriege in verschiedenen Freikorps ge dient hat Er bezeichnet sich jetzt als Mitglied der „Freien Vereinigung arbeitsfreudiger ehemaliger Heeresangehöriger, Freikorpsler und Selbstschützler". Im übrigen hat er sich in viel« Widersprüche ver- wickelt. Die weitere Untersuchung wird ergeben, in wieweit der obenerwähnte Verdacht auf den Führer oder die Angehörigen de« Transportes zutrifft. Es handelt sich bei diesen zum Teil um Arbeitslose und einig« angebliche Ruhrflüchtlinge. Lin Revolver und ein Dolch wurden bet den Leuten beschlag, nahmt. Bogellelch«» in d«r Ostsee. In den letzten Tagen wurden am Ostseestrand große Mengen von Vogel leichen angespult. Am 3. April erhielt die Vogel warte Rositten 216 Stück eingeliefert, die auf einer kurzen Strecke gesammelt werden konnten. In der Hauptsache waren es Feldlerchen, Buchfinken, Heide- lerchen, Drosseln, Stare, Hänflinge, alles Arten, die ich jetzt gerade auf dem Zuge befinden. Die Tiere ind ohne Zweifel bei ihrer Wanderung über See ia suchten Nebel und Eisregen geraten, mit zusammen gefrorenem Gefieder zu Abertausenden in die Wellen gefallen und zugrunde gegangen. Explosiousuuglück. In den Pulverfabriken D 3 m- lttz bei Walsrode ereignete sich eine gewaltige Explosion, der drei Arbeiter zum Opfer fielen. Zwei Schwarzpulvermühlen sind in die Luft geflogen. Die verunglückten Arbeiter sind Familienväter. Die artig« Oesterreicher. Die Times veröfsent- licht ein Schreiben Sir O. Benn», der aus Grund seiner Reiseerfahrungen die auf dem Kontinent herrschenden Schikanen, denen der Fremde infolge der fortwährend wechselnden Paß-, Zoll- und Da- lutenverordnungen ausgesetzt sei, scharf kritisiert, aber hervorhebt, daß, soweit mit diesem Unfug, Höflikfsteit. Ehrlichkeit und Anständigkeit vereinbar seien, er doch die österreichischen Behörden und Be- amten wegen ihrer außerordentlichen Artigkeit allen anderen voranstellen möchte. Die absurden Belästi gungen durch Paß-, Zoll- und Valutenverordnungen aller Art wolle der Verfasser des Schreibens immerhin lieber in Oesterreich, als in irgend einem anderen Lande Europas, England nicht ausgenom- men, durchmachen. Oie Kinderstube -er Zeitungsschnellpresse Bo» «»twrtust Von Dresden aus gehen die Landstraßen wie blütenübersäte Obstalleen in das schöne Land hinein. Und wo die Elbe, kurz hinter Meißen, wie mit einer genialen Handbewegung einen großen Dogen be schreibt, liegt mitten in Obsttulturen ideal angelegt da» Werk der „Dresdener Schnellpressen fabrik Coswig". Zn diesem Monat kann die Firma auf ihr 25jähriges Geschäftsjubiläum zurückbltcken. Diese» Fest bot Anlaß zu einer außerordentlichen General versammlung, die mit einer Pressebesichtigung des Werkes verknüpft war. Die alte Halle des Werkes diente ursprünglich einer anderen Fabrikation und mußte mit für die Zwecke der Schnellpressenfabrik umgerichtet werden. Ein Hämmern und Dröhnen und Pressen! Die Transmissionen und Schwungräder sausen. Wir kommen zur Schlosserei, zur Werkstatt und Dor« montage. Hier werden die Zeitungsschnellpressen hergestellt, auf denen die Zeitungsseiten in Form von Walzen laufen und in einer Stunde so und so viele Tausende fertige Exemplare herauswerfen, noch warm wio frische Semmel. Was der Telegraph aus allen Himmelsrichtungen zusammengetragen hat in das große Sieb der Redaktion, hier hat es Form und Gestalt angenommen und wandert in die schon fertig stehenden Autos zur Verladung. Was am Morgen noch unerhört neu schien, am Abend ist es schon Makulatur, wird wieder eingestampst, wiederum zu diesem weißlich-grauen Zeitungspapier gemacht, das geduldig durch die heißen Walzen dieser Schnell- pressen läuft und die Druckerschwärze in sich einsaugt. Jeder Nagel, jedes Ohr, jede einzelne Schraube wird im Werk selbst hcrgestellt. Große, blaue Bogen mit weißen Strichzeichnungen liegen auf den Arbeite- banken der Werkmeister. Schwere Krahne heben Gußeisenstücke graziös wie ein Teetablett. Ein ge- waltiger Bohner gräbt sich geräuschlos ein in das Eisen, und alle Maschinen trinken dunkles Oel, als hätten sie beständig Durst. Ein Türbogen führt in den neuen Teil des Wer kes, eine Fünftausend-Quadratmeter-Halle, luftig und leicht aufgeführt, als würde hier nur leichtes Spiel zeug aufgeftihrt. Breite und hohe Fenster lassen auf allen Setten di« Sonne hinein, und Dresdens weil- hin sichtbare spitzen Kirchentümr dämmern in der blauen Ferne auf. In dieser Hall« baut die Firma ihre Planet«- Autotiegel und vor allem di« großen Offset- Druckmaschinen, die in England schon Bürger- recht haben, aber langsam erst in Deutschland den Weg zu den großen Zeitungsdruckereien finden. Was würde wohl Gutenberg sagen, stände er plötz- lich vor einer dieser Druckmaschinen modernsten System» (die übrigens zwischen 75 bi» 150 Millionen Mark, je nach Größe, kosten!). Die Walzen der Schnelldruckpressen sind hier durch — Gummituch ersetzt. Der Zeichner, Radierer etwa kann sein fer tiges Original unter Umgehung des Klischee», das wiederum ebensoviel Zeit wie Arbeitskrakft erfordert, gleich auf Gummituch übertragen. Die Maschinen sind für Ein- und Zweifarbendrucke eingeteilt und bieten zudem noch den Vorteil, daß selbst auf rauhem Papier sich glatte Drucke Herstellen lassen. Uns wurden beispielsweise Bildreproduktionen dieser Offset-Drucke gezeigt, die mit Aquarelloriginalen zu verwechseln gewesen wären! Besondere» Interesse bei dem Rundgang erregten die vorbildlichen sanitären Anlagen dec Firma für ihre Werkangehörigen. Jeder der ungefähr 1000 Arbeiter hat seinen eigenen Kleiderschrank, seine eigene Wascheinrichtung; eine eigene Küche sorgt für den nützlichen Gebrauch der Arbeiterpause. Die gleichzeitig stattfindende Generalversamm- lung beschloß übrigens, den Iubiläumsmitgliedern ihrer Verwaltung sowie den langjährigen Arbeitern und Angestellten de» Werkes besondere Aktien zu ge- währen; ferner wurden 20 Millionen Mark für einen eigenen Iubiläums-Wohlsahrtsfonds bewilligt, der den Arbeitern und Angestellten zugute kommen soll. Die Kinderstube des Zeitungsdruckcs und alles, was ihm zusammenhängt, hat eine ungeheure Wand- lung durchgemacht. Man kann dies alles nur ver- gleichen mit den Drehbänken für Granaten, die die große Revolution zu Beginn des Krieges bedeutete. Heute brauchen wir keine Granaten mehr — aber dafür Schnellpressen für die Banknoten Die Musik bleibt immer die gleiche, nur der Ton ändert sich... Vie Räuber des GänseNeselr Eine Diebesbande, die längere Zeit hindurch die Parkanlagen, die öffentlichen Schmuckplatze und die Vorgärten Berlins unsicher gemacht hat, mußte sich vor der Strafkammer des Landgericht» III in Berlin verantworten. Angeklagt waren der Dreher Otto Bennewitz, der Kutscher Alfred Klein und der Händler Richard Roggow, dem Hehlerei zur Last ge legt wurde. Zu der Deute gehört« die Bronzefigur des GLnseliesel vom Nikolsburger Platz in Wilmers- dorf, außerdem Teile von Denkmälern im Tiergarten und Ziergruppen au» den Gärten der Tiergarten straße. Die Gegenstände wurden zerschlagen und an den Mitangeklagten Roggow verkauft. In der Verhandlung bestritten die Angeklagten, sich schuldig gemacht zu haben. Sie wurden aber von einem Mitbeteiligten, einem jugendlichen H., stark be lastet. H. wurde au» dem Untersuchungsgefängnis vorgeführt und schilderte den Hergang der einzelnen Diebstähle sowie das Treiben der Gesellschaft, die ganze Kupferdacher abgedeckt und gestohlen habe. Die Angeklagten gerieten darüber in groß« Erregung Zunahme der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitstage in Berlin gestaltet sich von Tag zu Tag schwieriger. In den letzten Tagen haben die Entlassungen von Ar beitern in geradezu erschreckendem Maße zugenom- men. So sind allein bei den Stinneswerken etwa 5000 Arbeiter entlassen worden, und auch eine große Anzahl anderer Unternehmen haben Hunderte Arbeiter entlassen. Der Metallarbeiterverband beschäftigt sich eingehend mit dieser Frage, und es wurde beschlossen, bei der Regierung vorstellig zu werden. Die Insel Lacroma vrrkauft. Aus Belgrad wird gemeldet: Die Regierung kaufte von der Fürstin Windischgrätz um 11 Millionen die Insel Lacroma bei Ragusa. und stießen gegen den „Verräter" schwere Drohungen aus. H. blieb aber bii seiner Aussage und berici fih auf das Zeugnis eines anderen Jugendlichen, de. zurzeit ein Strafe verbüßt. Das Gericht beschieß, diesen Zeugen ebenfalls noch zu hören, und vertagte zu diesem Zweck die Verhandlung. Leipziger ttünstlerbund Nach langer Pause tritt der Leipziger Künstler bund in breiter Front vor das Publikum, er füllt für den Monat April sämtliche Räume des Kunst vereins mit Graphik, Plastik, Malerei. Bezeichnet man das Unternehmen als das, was es in erster Linie ist: als Verkaufsausstellung, so wird sich der Standpunkt, den wir ihm gegenüber einnehmen, am klarsten präzisieren lassen. Niemandem wird bei fallen, heute geistigen Arbeitern Derdienstmöglich- keilen zu verkümmern. Wir wünschen also aufrichtig, daß die Veranstaltung in dieser Hinsicht Erfolg habe und die berühmte Kauflust der Leipziger sich hier ein Tummelfeld suche. Aber wir betrachten e» nicht als Aufgabe der Kritik, bei dieser Gelegenheit den Vermittler zu spielen und durch wirksame Prädikate den Absatz zu steigern. Solche Dienste zu leisten, überlassen wir gefälligeren Leuten. Das einzige, was die Kritik angeht, ist die Frage, welche Schlüsse die Ausstellung auf die künstlerische Kultur der Stadt erlaubt und was der einzelne allenfalls dazu beizutragen hat. Das Ganze wirkt wenig erfreulich. Einen Teil der Schuld trägt dabei die Jury, die offenbar nach dem Grundsatz gehandelt hat: viel hilft viel, und die nicht zu wissen scheint, daß man einem Künst- ler, auch vom Derkaufsstandpunkt aus, einen besseren Dienst erweist, wenn man nur seine zwei, drei besten Stücke vorführt, nicht den ganzen Schwall. Es wird offenbar, daß man hier immer noch darauf versessen ist, Bilder zu machen. Auf jene irrtümliche Kunst produktion versessen, die ein Erzeugnis des kunst- feindlichen Ausstellungsbetriebes und ein übles Erbe des 19. Jahrhunderts ist, und die wir jetzt, den Be- teuerungen der Künstler zu glauben, überall im Lande überwinden wollen. Al« ob einer nicht ein vortrefflicher Künstler bliebe, wenn er „bloß" Zeich ner ist, „bloß" für Buchschmuck und Gebrauchs graphik arbeitet und die Palette nicht anrührt. Ja, er kann sich sogar um die Kunst verdient machen, indem er rein als Lehttr wirkt und die eigene Pro- duktion ganz zurückhält. Wenn » schon halt nicht strömen will. Nun, bei einigen strömt es ja, und dann sehen wir Studien und Entwürfe reihenweise; aber auch da ist vieles ein wenig genierlich. Ich bin nicht ge wohnt, bei einem Kunstwerk zu fragen: Welche Rich tung? Im oder Ex? — aber ich frage: Verrät die Sache ein persönliche» Verhältnis zur Aufgabe? Und da« ist di» Enttäusch«», md da» vw drückende, daß man davon in der Ausstellung so wenig spürt. E» ist — wenn man aus einer Reihe Arbeiten d«n Intenptätegrad des künstlerischen Be mühens und Vermögens abzulesen und ihn im Schaffen der Gegenwart einzuordnen versteht — nicht Zentrum, nicht Abseitigkeit des Kunstlebens, was man hier findet, sondern Provinz. Bleibt, nach dieser Feststellung, noch zu sagen, was ich etwa genommen hätte, wenn ich die Ausstellung hätte machen sollen. Don Rentzsch eine Anzahl Aquarelle und die zwei Temperalandschaften — mich freut diese scheue Liebe zur Natur und die feine Helligkeit, die aus ihm strahlt trotz der etwas schmierigen Farbe; in den Stilleben ist das Kolorit merkwürdig kalt und stechend. Von Tie mann das Bauernmädchen, den Wanderzirkus und das Stilleben mit Statuette, die alle drei seine malerische Delikatesse reiner zur Anschauung bringen als die in der Komposition ver- unglückten Herbststilleben. Die Waldlandschaft von H. A. Müller, die Blumentöpfe, die Melonen und ein paar Pastelle von Einschlag, von R. O. Voigt die Tulpen im Krug und die Winterland schaft — jedem von ihnen ist Farbe Problem und Erlebnis, wenn auch zunächst mehr Schmiß al» Rasse sichtbar wird. Gruner gibt in den Steinklopferin nen und einer Serie radierter Landschaften starkes Sonnenlicht mit überraschender Kraft wieder. Zeich nungen von Soltmann und W. Buhe, flott in Beobachtung und Handschrift, sogar die ziemlich hausbackenen Blätter von Grimm-Sachsen- berg bleiben sympathisch als eine Kunstübung, die nicht gewaltsam über ihre Grenzen hinausstrebt. Karl Miersch gelingt wilde Bewegung vorerst nur in den Radierungen, nicht im Gemälde, dessen ver räucherter Ton übrigens eine schlimme Verirrung ist. Dem im Herbst verstorbenen Walter Ham mer hat man eine kleine Nachlaß-Ausstellung her gerichtet, die etwa das typische Schicksal der jungen Leipziger Kunst von heute zeigt: hie und da ein glücklicher Einfall in Kolorit oder Helldunkel, eine schöne Verinnerlichung (Mädchenköpfe), ein kecker Humor (Klingerkarikaturen) — aber wieviel Unge schicklichkeiten, Hemmungen, niederhaltende Gewichtel Schmerzlich. Unter den plastischen Werken ein paar weibliche Akte und die Wundtbüste von Pfeifer, redliche und etwa» mühselige Arbeiten. Da» Er freulichste der ganzen Ausstellung, dem unmittelbar ver feine Hauch lebendigen Künstlertum» entströmt, da» Schaffen der Hildegard Domizlaff, s«i einer besonderen Betrachtung vorbehalten. Vr. W. Pucciuir neue Oper. Da» Libretto der neuen Oper Puccinis handelt von der chinesischen Prinzession Turandot. Und zwar find die Librettisten, Simoni und Adami, ziemlich genau dem Stücke Gozzis gefolgt, das den Deutschen aus der Be arbeitung Schillers bekannt ist. Aber die italienischen Masken haben die italienischen Librettisten entfernt und durch Chinesen ersetzt. So ist es ein rein chine sische» Stück geworden. Puccini hatte von seinen Mitarbeitern ein „Soggestins", d. h. ein kleines Sujet für eine „Operina", das ist eine kleine Oper, verlangt — sie haben ihm ein Buch für eine Operona, eine Monsteroper, geliefert. Nach Japan beschäftigt den Komponisten jetzt China. Ob die Prinzessin Turandot dem kleinen Fräulein Butterfly Kontur- renz machen wird? Eine neue Bestätigung der Einstein-Theori«. Aus London wird uns gedrahtet: Der Direktor der amerikanischen Lick-Sternwarte, der die letzte Sonnen- finsternis-Expedition in Polynesien geleitet hat, erklärt, daß die dort aufgenommenen Sonnen photographien Einstein» Theorie bestätigt haben. Aus vier verschiedenen Aufnahmen haben sich meßbare Abschwenkungen des am Sonnenrande vorbeizieken- dei' Sternenlichtes ergeben. Auch die kanadische Expedition hatte, wie vor einigen Tagen gemeldet wurde, dasselbe Ergebnis. Wie billig wahrer Friede» wäre. „Einige Mit- glieder des Unterhauses," so lesen wir in einem eng lischen Blatt, „haben kürzlich Einsicht in die Zahlen genommen, die über die Kosten des Völker bundes für England aufgestellt worden find. Es zeigt sich dabei, daß einige der wichtigsten Leistungen des Völkerbundes sehr billig gewesen find. So be tragen die Gesamtkosten für England bei der Rettung der österreichischen Finanzen von dem äußersten Zu sammenbruch nicht mehr als 600 Pfd. St. Ebenso ist der Anteil Großbritannien» an den Ausaaben des Völkerbundes für die Regelung der oberschlesischen Frage nur 1500 Pfd. St. hoch. Es ist bemerkens- wert, das gegen die Zahlen zu halten, die im Gegen satz zu solchen friedlichen Auseinandersetzungen kriegerische Maßnahmen der Nachkriegs zeit erforderten. So belaufen sich dl« Kosten der militärischen Besetzung von Oberschlesien aus 400 000 Pfund Sterling, während die ganze Regelung ver Angelegenheit durch den Völkerbund im ganzen nur 4000 Pfd. St. verschlunaen hat. Die Ausgaven für die Ruhrbesetzung beliefen sich nach den offiziell« französischen Angaben in den ersten Wochen ans 186 Millionen Frank»," Wunder ver Niechvermögerrs Wir sind geneigt, unser Riechvermögen als etwas Selbstverständliches hinzunehmen, und machen uns nicht klar, welch erstaunliche Leistungen unsere Nase vollbringt. Wie Dr. Albert Neuburger in seinem Werk „Heitere Wissenschaft" mitteilt, riecht man es noch, wenn in 50 Kubikzentimetern Luft Milli gramm Brom oder Milligramm Schwefel wasserstoff oder '/«„»oooo Milligramm Merkavtan vorhanden sind, vorhanden sind, das heißt alsossi vorhanden sind, das heißt also 0 0000004 Milli- gramm im Liter Lust! Ja, unsere wunderbare Nase nimmt sogar noch Gerüche wahr, di« mehrere hundert Jahre alt sind. So wird berichtet, daß man in Täbris vor dreihundert Jahren ein Moschee baute, wobei dem Mörtel etwas Moschus beigemischt wurde, und noch beute duftet diese Moschee auf weite Ent fernung bin nach Moschus. Aber es ist nicht die Nase allem, der wir unsere Geruchsempfindungen verdanken, sondern, so merkwürdig er klingt, wir „riechen" auch mit der Zunge und mit den Augen. Wir nehmen tatsächlich das, was wir zu riechen glauben, vielfach nicht mit dem Geruch, sondern mit dem Geschmack wahr. Man hat darüber Versuche angestellt und herausgefunden, daß Menschen, die in folge von Erkrankungen den Geruchssinn vollkommen verloren haben, doch noch Geruchsempfindungen haben; sie schmecken nämlich die Dinge mit dem Hin teren Teil der Zunge und glauben sie zu riechen. Geruch und Geschmack werden im gewöhnlichen Leben gar ost verwechselt. Wie die Zunge, so ist auch das Auge am Geruch beteiligt. Denn man zum Bei spiel etwa ein Dutzend Glaser mit verschiedenen riechenden Flüsfigknten füllt, dann den Versuchs- perstinen die Augen verbindet und sie nun an den einzelnen Gläsern riechen läßt, so werden die ver schiedenen Gerüche gar nicht auseinandergehalten, und wir merken zu unserer Ueberraschung, daß wir viele Dinge, die wir zu riechen vermeinten, tatsäch lich sehen oder sie wenigstens ohne Mitwirkung des Gesichtssinne» nicht zu unterscheiden vermögen. Nach den Versuchen, die Professor H. Hennig mit 76 Der- iuch-personen vornahm, kennt man gewöhnlich nur den .Gegenstandsgeruch', dessen Zustandekommen an di« M1t«d«it de» Auge» gebunden ist. Bei diesen Versuch«« wurden die merkwürdigsten Gerüche mit einander vereiwchselt; so konnten die meisten zum Beiftfiel Mt vervundenen Augen den Geruch des Kaffee» oo» dem d«r Veilchen nicht unterscheiden oder den Geruch de» Lerpwmu» n'cht von dem de»
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