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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.04.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-04-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192304130
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230413
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230413
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-04
- Tag 1923-04-13
-
Monat
1923-04
-
Jahr
1923
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» Durch die Post in Deulschland monatlich M.4L00 . u. Btstellged.; in» Ausland M. 8600 mtt Porto DaS Leipziger Tageblatt erlch lLgl. morgens, auber Montags. Kummern, dir infolge höherer Gewalt Nichterscheinen, werden nicht ersetz«—Schrill» leitung. Geschäftsstelle nnd Druckerei: Leipzig. JohanniSgasse 8 (Fern- lprecher 1708Ü-170S2): evenda und in atzen Filialen Anzeigen» und Abonnement-Annahme; auch nimmt jedes Postamt Bestellungen an. D»» entdLlt ametliche B»ra»»t»each>»n«ei» Vs- d«r«te»dt Lstosl«. Zeile Ä" Geltend" nr^n^ "rlv' ^aiur"^Ärllen^n,t^^te IW I II I I W I I MM UM M M ^^',Ue M. 75.-, Slellenaes die ma> Heile M. 6V.amil. Bekannnn. M-W MM MM M M-MM Dovtzl.mm-Zetle^.z^,sausw M.SÄ.-.NrN 72WMbr.b'ewm-Zrlie M.TÄO —.i.auSw .AuSlandSan,.m Valuiaautschl. BelDieder- h°>^!a^vlatz.Platz.«.Daienvor1ch.unverbtndlich.LrstiliungSorlLrtp,tg. Postscheckk. LetpzigSOOl.Druck n-verl Letpz.verlagSdr G « p H Leipzig Xr. 87 kreitsg, äea 12. LprU 1922 117. Islirg. Line Warnung für Sonar Law «. k. X. Leipzig, 12. April. Die englische Regierung ist Uber Nacht in eine, wenn auch nicht kritische, so doch immerhin recht unangenehme Lage gekommen: im Unterhaus wurde sie am Dienstag bei der Abstimmung über die Entlohnung der ehemaligen Kriegsteilnehmer, die in den Verwaltungsdienst übernommen worden sind, niedergestimmt. Die Opposition hatte sich schon seit langem auf diese Abstimmung vorbereitet mit der Absicht, die Gelegenheit, wo eine auch den in Regierungs diensten stehenden Koalitionsmitgliedern unan genehme Gesetzesvorlage zur Beratung stand, zu einem kräftigen Vorstoß gegen das Kabinett Do nar Law auszunutzen. Trotzdem hätte es nicht zu der Niederlage der Regierung zu kommen brauchen, denn diese hat zahlenmäßig noch immer die große Mehrheit im Unterhaus hinter sich, die sie zur Ausübung der Reaierungsgewalt be darf. Aber das Kabinett trägt an dem Sieg der Opposition eigene Schuld: es hat sich regel recht überrumpeln lassen, indem die Oppositio nellen die Aussprache über die Gesetzesvorlage früher zum Abschluß brachten, als der Einpeit scher der Regierung gerechnet hatte. So waren im Augeilblick der ^Sstimmung viele Vertreter der Koalition, die sich während der Abendstunden aus dem Unterhaus entfernt hatten, nicht an- wesend, «nd nur so konnte es zu der für die Regierung ungünstigen Abstimmung kommen. Das Abstimmungsergebnis war für beide Teile eine große Ucberraschung. Bei der Oppo sition löste es einen langandauernden Beifalls sturm aus, der in Zwischenrufen, Händeklatschen und Tücherschwenken zum Ausdruck kam. Dn bestürzten Koalition drangen Rufe wie: „Zurück- treten! Macht eure Wahlaufrufe fertig!* ans Ohr. Schließlich machte sich die Regierung einen Dertagungsvorschlag Ramsay Macdonalds zu eigen, was einen neuen ironischen Beifallssturm der Opposition hervorrief. In der gestrigen Mittwochsitzung nun nahm das Triumphgeschrei der Oppositionellen seinen Fortgang, als Schatzkanzler Baldwin das Ein- geständnis machen mußte, daß sich die Regierung habe überrumpeln lassen. Ramsay Macdonald bestritt, daß die Abstimmung unerwartet gekom men sei, und behauptete vielmehr, die Regierung besitze nicht mehr die Mehrheit im Unterhaus; sie müsse ihre Niederlage voll eingestehen und ihre Politik über die Verwendung ehemaliger Soldaten in der Zivilverwaltung ändern. Da Schatzkanzler Baldwin eine solche Erklärung ablehnte, kam es schließlich zu wüsten Lärmszenen, wie sie in der Geschichte des Unterhauses selten sind. Als die Arbeiterpartei das Lied: „Die Rote Fahne" anstimmte, mußte die Sitzung unterbrochen werden. Hierbei kam es zu per sönlichen Bedrohungen der Regierungsmitglieder, und nur mit Miihe konnte verhindert werden, daß ein Vertreter der Arbeiterpartei gegen den Unterstaatssekretär des Kolonialamts tätlich vorging. Inzwischen hat nun Bonar Law die Znitia» tioe zur Beseitigung der Krise selbst ergriffen, indem er heute dem Unterhaus den Antrag vorlegen wird, in die Einzelberatung des Bud» gets einzutreten. Es ist anzunehmen, daß die Koalitionsparteien diesmal besser auf der Hut sein werden, und daß die Abstimmung der Re- -zierung das Vertrauen ausspricht. Wenn somit auch der ganze unliebsame Zwischenfall ohne ernstere Folgen wird beigelegt werden können, so ist er doch eine Warnung an das Kabinett Bonar Law, mehr als bisher auf dem Posten zu sein. In der Tat hat die Politik der englischen Regierung in den letzten Monaten an Aktivität ein gebüßt, so daß es vielfach den Anschein erweckt, als wollte das Kabinett inner und außenpolitisch die Dinge ihren Lauf nehmen lassen, ohne einen besonderen Einfluß auf sie auszuüben. Dieses Sichgehenlassen har eine gewisse Bequemlichkeit, die das Kabinett oftmals um gefährliche Klippen herumführt, ohne ihm jedoch die Verantwortung zu nehmen. Außenpolitisch macht sich dies gegenüber dem französisch-belgischen Ruhreinfall bemerkbar, wo Bonar Law an der Politik der abwartenden Haltung festhält und jedes aktive Eingreifen ablehnt. Auch gegenüber den Orientfragen hat sich England in der letzten Zeit mehr zurück- gehalten, und es bleibt abzuwarten, ob es mit dem Beqinn der zweiten Friedenskonferenz, die nächste Woche in Lausanne zusammentritt, mehr aus seiner Passivität heraustreten wird. I n n e r p o l i t i s ch hat die oftmals allzu große Zurückhaltung der Regierung schon wiederholt den Verdacht der Interesselosigkeit von gewissen sozialen Fragen hervorgerufen, so daß der Ruf nach einer „Auffrischung der Kräfte* immer lauter wird. Der jüngste Zwischenfall grbt doch zu denken, ob nicht durch eine ähnliche Bummelet der Negierung auch einmal außenpolitisch eine internationale Krisis heraufbeschworen werden kann, durch die nicht nur die englische Regierung gestürzt, sondern auch die Interessen Englands im Ausland auf eine nicht wieder gut zu machende Weise verletzt werden könnten. Darum ist es verständlich, wenn gewisse Londoner Blätter jetzt I die Frage einer Umgestaltung des Kabinett» ! Donar Law mit der dringlichen Forderung auf- - grellen, die führenden Persönlichkeiten dec § Chamberlain.Gruppe, Austin Thamberlain, Srr ! Robert Horne und Washington Evans, in das Kabinett aufzunehmen. Von diesen Parlaments, rsschcn Praktikern verspricht man sich eine größere Beweglichkeit der Regierung und die Vermeidung ähnlicher Vorkommnisse, wie sie sich in dieser Woche im Unterhaus zugetragen haben, nnd wie sie das Land in ernste Gefahr bringen könnem England vor einer Krise? Drahtbericht nnserer Berliner «chrtstleitung Berlin, 12. April. Zn den diplomatischen Kreisen Berlins verfolgt man die Lage des englischen Kabinetts mit großer Aufmerksamkeit. Man hat Mitteilungen aus London erhalten, nach denen die Lage des Kabinetts viel be denklicher erscheint, als aus Zeitungsmeldungen hervorgeht. Es heißt darin, daß die Regierung bereits in der nächsten Zukunft gezwungen sein dürfte, der Arbeiterpartei, insbesondere hinsichtlich des letzten von der Arbeiterpartei einpebrachteu An trages, nachzugeben, da weitere Larmszenen und Ausschreitungen im Unterhaufe nur auf L«fr, Art und Weise vermieden werden'könnten. Man glaubt auch, daß das Kabinett sich bei der Lage unter keinen Umständen lange mehr wird halten können. Ab- gesehen davon, daß es gegenüber dem Ansturm der Liberalen und der Arbeiterpartei!er einen sehr schweren Stand hat, kommt auch der augenblickliche Gesundheitszustand Donar Laws hinzu, so daß man in den erwähnten diplomatischen Kreisen trotz der vorläufigen Beilegung der Krisis mit einem baldigen Rücktritt des englischen Kabinetts rechnet. Oie Vorfälle im englischen Parlament Eigener Draht bericht des Leipziger Tageblattes London, 12. Avril. Bevor das Unterhaus gestern abend in die De batte über die Interventionen betreffs der 9kotlage der Landwirte eintrat, setzte der Führer der Oppo sition, Ramsey Macdonald in einer längeren Rede zur Geschäftsordnung auseinander, daß die Regierung nicht in der Lage sei, durch Antrag des Ministerpräsidenten die politischen Folgen der letzten Woche ungeschehen zu machen. Der Schatzminister legte demgegenüber dar, daß es stets üblich gewesen sei, nach den Beratungen der Regierung mit dem Sprecher die Folgen solcher Zwischenfälle aus der Welt zu schaffen. Macdonald widersprach nochmal» dieser Auffassung in sehr ruhiger Form. Der Zwi- schenfall schien bereits erledigt zu sein, als einer der radikalen Abgeordneten der Arbeiterpartei in einer aufreizenden Rede seine ebenso radikalen Freunde aus Schottland zu veranlassen suchte, durch Obstrur- tion und durch beschimpfende Zwischenrufe, die an die Regierung gerichtet waren, den bisher gänzlich ruhi- gen Verlaus der Sitzung zu stören. Trotz beruhigender Gesten der Führer der Arbeiterpartei hat das ultra radikale Schottland, wie schon so oft den Beweis er bracht, daß es sich nicht an die Parteidiszivlin hält und minutenlang die Beschimpfungen der Minister fortgesetzt. Als die Abgeordneten — Regierivgs- parteiler und Opposition — in demselben schmalen Seitengang des Unterhauses am Regierungstische vorbei das Sitzungszimmer verließen, kam es noch- mals zu lebhaften Auseinandersetzungen zwischen zwei Unterstaatssekretären und mehreren radikalen Arbeiterparteilern, die schließlich in Tätlichkeiten aus- arteten und an die wildesten Sturmszenen der iri- scheu Debatten vor 20 und 40 Jahren erinnern. Während der Unterbrechung der Sitzung warnte der Führer der Opposition seine Partei und soll bei dieser Gelegenheit den Mitgliedern der Partei er- klärt haben, er werde sie im Wiederholungsfälle au» der.Fraktion ausschließen. Dann hatte er eine Unter- redung mit dem Sprecher und dem Ministerpräsiden ten, die zur Dertagung des Unterhauses auf heute ohne Wiederaufnahme der Aussprache über die not- leidende Landwirtschaft führte. Heute erwartet man die Annahme des Regierungsantrage» über die Einzelberatung des Budgets mit großer Mehrheit. * Wie das Echo de Paris aus London meldet, ist der Abg. Klotz, der im Kabin-tt Clemenceau Ftnanzminister war, in London eingetroffen. Dieser Besuch, der dem Loucheurs folgt, erregt Aussehen. Aussprache zur Regierungs-Erklärung Dr«dtbv»lcht u»4«rar »re»da«r Schrtftlettuug Dresden, 12. April. Auf der Tagesordnung der heutigen 30. Sitzung des Landtags steht die Aussprache über die Regierungserklärung und in Verbindung damit über die damit zusammenhängenden Anfragen und Anträge. Dor Eintritt in die Verhandlungen bittet Präsident Winkler um möglichste Ruhe der nicht aktiven Redner; ebenso ersucht er die vollbesetzten Tribünen, sich jedes Ausdrucks des Beifalls oder Miß fallens zu enthalten, anderenfalls die Tribünen sofort geräumt werden würden. Zunächst wurden seitens der Regierung mehrere kurze Anfragen beantwortet, so u. a. die der Deutsch nationalen über die Zwickauer Unruhen im Juli v. I. und über die Angelegenheit des Freiberger Amts gerichtsrates Dr. Große, zu der Ministerpräsident Dr. Zeigner erklärt, es sei nicht erwiesen, daß sich Dr. Große in amtlicher Eigenschaft beleidigend über Hindenburg und Ludendorff geäußert habe. Er habe deshalb keine Veranlassung, gegen ihn einzuschreiten. Zur Regierungserklärung schickt die sozialdemo kratische Fraktion den Abgeordneten Wirth vor, der das volle Einverständnis seiner Partei mit der in der Regierungserklärung gekennzeichneten Politik erklärt. Als der Redner darauf von den französischen Gewalttätigkeiten an der Ruhr spricht und die Forde- rung ausstellt, daß Deutschland alles tun müsse, um endlich sein Ansehen in der Welt zu heben, wird er durch lebhafte Zurufe von rechts unterbrochen. In der Forderung der Gemeinwirtschaft werde seine Partei die Regierung unterstützen. Freilich dürfe die Entwickelung zur endlichen Sozialisierung nur schrittweise vor sich gehen. Der Redner bespricht dann die Punkte der Regierungserklärung über die Er- nährungsfraae, die Erwerbslosenfürsorge, den Acht stundentag, die Not der Kleinrentner, der Arbeits kammern und der allgeminen Volksbildung in zu stimmendem Sinne. Des längeren verbreitet er sich endlich über den Schutz der Republik gegenüber ge wissen Kreisen. (Abg. Beutler (Deutschnat.) ruft: „Die Kommunisten!*) „Nein,* sagt der Redner, „Ihnen nahestehende Kreise haben jenen erst das schlechte Bei spiel gegeben.* Am Schluß seiner Rede fordert der Redner zu allseitiger Unterstützung der Regierung auf. Abg. Deutler (Deutschnat. Dp.) wird von der Linken mit lebhaften Zurufen empfangen. Ein Kom- munist ruft: „Achtung, jetzt wird geschossen!" Ein Ruhmesblatt in der sächsischen Politik bilde die letzte Regierungskrise nicht. Was die Kommunisten machen, werde alles in Moskau fabriziert. (Zuruf: „Mostrich!", worauf der Redner sagt: „Ja, alles ist Mostrich!*) Wie Dr. Zeigner die Kommunisten einzufangen suche für nützliche Arbeit, das sei ein vergebliches Be ¬ mühen. Wenn die Kommunisten die Macht hatte«, dann höre die Freiheit auf. In humoristischer Weife schildert der Redner, wie die Kommunisten und Demo kraten den Sozialdemokraten verschiedenartige Heu bündel hingehalten hätten und wie die Sozialdemo- kratie wenig liebenswürdig mit den Kommunisten umgegangen sei. Und nun habe Dr. Zeigner doch noch die Zuneigung dieser so unbequemen Herren erhalten. Die Deutschnationalen seien Opposition»- Partei und würden es bleiben. Ein Dorwärrs- schreiten in der Gemeinwirtschaft sei abzulehnen. Auf dem Gebiete des Dolksbildungswesens dürften nicht kostspielige Experimente gemacht werden. Durch die Verkoppelung der sächsischen Regierung mit den Kommunisten sei dem sächsischen Wirtschafts leben ein Schlag versetzt worden, von dem es sich so leicht nicht wieder erholen werde. Die größten Feinde der Republik seien die Kommunisten. Wenn proletarische Abwehrorganisationen geschaffen wer- den, dann müsse der Ministerpräsident auch den Rechtsparteien zugestehen, Schutzorganisationen für ihre Versammlungen zu bilden. Da der Herr Ministerpräsident wegen seiner vielen anderen Ge- schäfte das Strafgesetzbuch nicht mehr recht zu kennen scheine (große Heiterkeit), müsse auf 8 25 hingewiesen und er gefragt werden, wie er über die kommunistischen Hundertschaften denke. Die Amnestte- und Begnadigungspolitik Zeigners habe das Schwert der Gerechtigkeit stumpf gemacht. Redner schließt: „Wir werden uns mit der Arbeiterschaft ver ständigen, wenn sic wieder vaterländisch denken und fühlen wird.* Abg. Abg. Dr. Kaiser (DDp.) erklärt, die Re gierungserklärung Dr. Zeigners bedeute einen Rück- schritt gegenüber der bisherigen Regierungspolitik. Der Abstand zwischen seiner Partei und den Sozial- demokraten sei größer geworden. Die Richtlinien der neuen Regierung seien nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen. Herr Zeigner müsse also seinen Eid auf die Verfassung brechen oder seine Regierungskompagnons täuschen. An dieser Zwie spältigkeit müsse und werde die Negierung Zeigner zugrunde geben. Redner wandte sich dann den einzelnen Punkten der. Regierungserklärung zu. Mit den Angriffen auf die Reichsregierung habe Zeigner eine ganze Reihe Dinge verdecken müssen, die mit der Ver fassung nicht in Einklang zu bringen sind, so die proletarischen Selbstschutzorganisationen. Damit habe der Ministerpräsident die Verantwortung für den Bürgerkrieg auf sich genommen, dessen erstes Opfer die gegenwärtige sächsische Negierung sein werde. Vielleicht greife auch das Neich ein und helfe Zeigner aus der Klemme, in der er sich jetzt befindet. Die Angriffe auf die Reichswehr seien zum mindesten überflüssig gewesen. Die Kontrollausschüsse sei n verfassungswidrig. (Die Sitzung dauert fort.) Trotz den Staatsgerichtshof Haftbefehle »ach München und Meßbach ' Der II. (süddeutsche) Senat des Etaatsgerichts- Hofes zum Schutze der Republik trat Donnerstag unter Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Schmidt zur Verhandlung gegen den Schriftsteller Dietrich Eckart aus München zusammen. Eckart hat vor Erlaß des Schutzgesetzes im Münchner Völkischen Beobachter ein satirisches Gedicht und einen Ar- tikel veröffentlicht, durch die sich der Reichspräsident beleidigt fühlte. Eckart ist aber trotz ordnungsge mäßer Ladung nicht erschienen, weshalb der Gerichts hof auf Antrag des Reichsanwaltes den Haft befehl erließ. Die zweite für diesen Tag anberaumte Verhand lung konnte aus denselben Gründen nicht stattfinden. Der Redakteur des Miesbacher Anzeigers Martin Weger ist wegen eines Artikels „Wird er schossen*, den er am dritten Juli 1S22 im Miesbacher Anzeiger veröffentlicht hatte, angeklagt. Er hatte folgendes behauptet: „Iustizminister Dr. Radbruch hat sich während der Kriegszeit an einer Matrosen- Meuterei als Organisator beteiligt. Er wurde vor Gericht gestellt, verurteilt und von Deiner Majestät begnadigt.* Da das Fernbleiben des Angeklagten unentschuldigt ist und auch der als Verteidiger be- stellte Rechtsanwalt Iustizrat Kohl aus München nicht nur Stelle war, beschloß der Staatsgerichtshof nach kurzer Beratung, Weger in Unter suchungshaft bringen zu lassen. * Es, ist eine Eigentümlichkeit der National- soz allsten, daß sie ihren Mut immer außerhalb der Gefahr zeigen. Nun wird an allen baye rischen Stammtischen ein Renommieren an heben, daß die beiden nicht nach Leipzig ge gangen, sind. Natürlich verkörpern sie in sich die , bayrische Eigenart*. Wer will sie ergreifen? Bayerns Berge sind groß, die Schutzorgane der Republik )>ayern sind klein und stellen den einzigen Fall dar, wo etwas Bayerisches nicht gern groß sein möchte. Oer Zoll puttkamer Die beiden Brüder v. Puttkamer, die man in München verhaftet hat, weil sie Umtriebe der rechtsradikalen Verbände aufdeckten, bleiben in Haft, obwohl die Behörden zugeben müssen, daß sich der ursprünglich angegebene Grund für die Verhaftung, Verdacht der Ermordung des Stu denten Baur, nicht aufrechterhalten läßt. Das Volksgericht München ll hat der Beschwerde der Brüder v. Puttkamer stattgegeben und den Haftbefehl aufgehoben. Dafür hat aber der Staatsanwalt gegen Franz v. Putt kamer einen neuen Haftbefehl erlassen wegen „Aufforderung zu einem Verbrechen". Es wird nämlich behauptet, Franz o. Puttkamer habe den Baur zu einem Mordanschlag auf Scheidemann aufgefordert. Selbst wenn aber Puttkamer dem Baur gegenüber die Rolle eines Lockspitzels gespielt haben sollte, so ist es doch eine gewaltsame und lächerliche Konstruktion, darin eine „Aufforderung zu einem Verbrechen" zu sehen, denn die angebliche „Aufforderung" hatte doch offenbar nur den Zweck, das Ver brechen zu verhindern, das Puttkamer tat sächlich verhindert hat. Auch den jüngeren Waldemar o. Puttkamer hat man nicht frei gelassen, sondern auf die Polizei gebracht. Der Grund ist nicht bekannt, aber man kann ihn leicht erraten. Unmittelbar bevor das Volksgericht den Haftbefehl aufhob, hatte das bayrische halb amtliche Telearanhenbureau am Dienstag nach mittag folgende Mitteilung verbreitet: „Gestern waren Gerüchte verbreitet, daß die verhafteten Brüder Puttkamer aus der Haft ent lassen würden, da sie sich als ungerechtfertigt herausgestellt habe. Diese Gerüchte sind falsch. Die Brüder v. Puttkamer bleiben in Haft und haben eine Klage wegen Beihilfe und An» stiftungzumMordzu gewärttge». Die Ii».
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