Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.04.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192304115
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230411
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230411
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-04
- Tag 1923-04-11
-
Monat
1923-04
-
Jahr
1923
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
8ette4 «r. 8S MLttvock, äea 11. LprU I-e!pr!ger 'ragedlstt vaä ttsaäelsLelftmg Über, dem er in den Scheitel eindranq und ihn so- wrt lotete. Auch die neben Hötzeneder einher- a'hendcn Ochsen Wurden vom Blitz erschlagen. Er selbst lam mit einem Nervenschock davon. Selbstmord eine» Spirit»>.en. Pei Aspern wurde aus der Donau die Leiche eines jungen Mannes gezogen, in dem man später den 22jährigen Sohn des Grazer Eisenbahn-Oberinspektors Wallncr erkannte. Der junge Wallner war als technischer Be- nmter in Graz in eine Gesellschaft von Spiritisten geraten, an deren Experimenten er sich so begeistert hatte, daß er sich bald allen jugendlichen Der- gnügungen fernhielt. Die Eltern erkannten bald eine zur Schwermut neigende Veränderung im Wesen des Sohnes und verschafften ihm eine Stellung in Wien in der Hoffnung, daß ein Wechsel der Um gebung und Tätigkeit den jungen Menschen von den schädlichen Einflüssen der Spiritisten wieder befreien würde. Doch Wallner litt bereits unter Zwangs- Vorstellungen, die ihn nicht mehr verließen. So schrieb er eines Tages seiner Mutter, daß sein Zwil- lingsbrudrr, der in Esten arbeitet, an Typhus schwer erkrankt sei und im Spital krank daniederlicge. Die Eltern wendeten sich sofort nach Esten und erhielten die Mitteilung, daß der Bruder vollkommen gesund sei. Bald danach war W. aus seiner Wohnung ver schwunden, und obwohl sonst keine Ursache für einen Selbstmord vorlag, ist anzunehmen, daß der Unglück liche den Tod gesucht hat. Der Grazer Spiritisten- zirkel, dem er angehört hatte, suchte den verzweifelten Vater zu bestimmen, in seinem Kreise zu erscheinen, da die Wunder des Spiritismus ihm sicherlich die Spuren weisen würden, auf denen er seinen Sohn suchen könne. Oberinspektor Wallner hat dieses An erbieten abgewiesen und sich mit einer Anzeige an die Valizeibehörde gewendet. Bau von Wohnhäusern in Budapest durch ein ameritanisches Konsortium. Aus Budapest wird ge meldet: Der Volkswohlfahrtsminister teilte mit, daß ein amerikanisches Konsortium der ungarischen Regie rung den Antrag gestellt habe, ihm die Konzession für den Ban von Wohnhäusern zu geben, worauf das amerikanische Konsortium mit einem Kapital von fünf Millionen Dollar mit dem Häuserbau beginnen würde. Um den Abschluß des Abkommens zu ermög lichen, hat die Regierung den Mieterschutz für neu zu erbauende Häuser aufgehoben. Der Volkswohlfahrts- minister teilte mit, daß sofort nach Erscheinen der Verordnung der Abschluß des Vertrages mit den Amerikanern erfolgen wird. Eine Weltausstellung in Mailand. Zwischen Mussolini und dem Bürgermeister von Mailand fanden Beratungen über die Veranstaltung einer Weltausstellung in Mailand statt. Es wurde be schlossen, daß die Eröffnung am 20. Mai 1925 an läßlich der Iahrzehntfcicr der Kriegserklärung stattfindcn soll. Ein Puppcnhaus als Nationalgeschenk. Seitdem Prinzestin Mary, die Tochter des englischen Königs paares und Gattin des Marquis os Lascelles, Mutter eines Knaben geworden ist, steht das eben getaufte Kind im Riittelpunkt des Interesses des ganzen englischen Volkes. Jeder loyale Engländer teilt sozusagen die großväterlichen Gefühle seines Souveräns, und die ganze Nation vereint ihre Kräfte in edlem Wettbewerb, dem Enkelkind des Königs rin Puppenhaus zu stiften, desgleichen die Welt noch nicht gesehen hat. Die bekanntesten eng lischen Maler werden das Haus mit Bildern schmücken und die angesehensten Innendekorateure und Kunsttischler sind am Werk, jeden Gegenstand dieses Puppenhauses zu einem Meisterwerk des guten Geschmackes in Miniaturformat zu gestalten. Eine Kuriosität an sich bildet die Bibliothek (!!) dieses Puppenhauses, die in ilzren 110 Bänden Beiträge der berühmtesten- Vertreter der zeitgenössischen englischen Literatur enthält, die für diesen Zweck eigene Arbeiten beigestxucrt haben. Das Kleinod dieser Liliputaner-Bücherei ist ein bishe-- nicht verösfent- lichtes Märchen von Rudyard Kipling, das den In halt eines Bändchens im Format einer Briefmarke bildet. Sie husten nun schon mchenlW und lmbcn immer noch nicht das richtige Mittel dagegen gesunden. Wir raten Ilmcn. ans 50 Gramm echtem Yaaokot- t rlrakl durch Auilocden mir Psd. Zucker ». V, 1 Wasser eine preiswerte, prompt wirkende LmNcnmcdizin selbst dertnkicllcn. Achter gmgosot-Enrakt isl siwer erhältlich: »ttiniu-Salomo «potticke, Grin-.vaiichc Ltratzc 17. tkngel- 'Apollirkr. Markt 12. Zport unck turnen Unsere Voraussagen 11. April Hannover 1. R.: Puschkin — Träumerin — Landung ' 2. R.: Rosenbusch — Verdi — Atadar 8. R.: (General) — Pan Robert — Marasquiuo 4. R.: Humboldt — Dunst — Mißgunst 5. R.: Liebhaber — Feierabend — Eombatta"t 8. R.: (General) — Aranyrsö — Endegut 7. R.: Balmuny — Nalog — Meilenstein Le Tremblaq 1. R.: The Arad — The Pilgrim — La Siranf 2. R.: Tanta Barbara — Flower Queen — R^chebelle 3. R.: Galvaudeuse — Peregrinus — Feuiliage 4. R.: Le Revoir — Kibar — Bort 5. R.: Gaint Chinust — Timur — Arami 6. R.: Polkeuse — Labor — Martiner voxmatinee im Zirkus Busch Die Reihe der Nachmittagsboxveranstaltungen im Zirkus Busch zu Berlin wird am Sonnabend nach- mittags 2,30 Uhr mit einem guten Programm fort gesetzt. Der hannoversche Schwergewichtler Rösse rn a n n, der trotz seiner jungen Laufbahn schon eine Anzahl schöner Siege verzeichnen kann, erhält den Düsseldorfer Alfred Nourney als Gegner. Sey- b o l d - Stuttgart kämpft gegen M c h l i n g - Berlin. Der bayrische Federgewichtsmeister Kinscher trifft mit Fendler - Berlin zusammen und der Bantam- gewichtler Molinaro wird dem ehemaligen Feder- gewichtsmeister Kurt Sasse gegenübergestellt. Egg-Van Kempen pariser Sechstagesieger Das Pariser Sechstagerennen hat mit dem Siege der schweizerisch-holländischen Favoriten- Mannschaft geendet. Das aenauc Ergebnis ist: 1. Oskar Egg-Piet Pan Kempen 3626 Kilo meter und 150 Meter und 1031 Punkte. 2. Ehardon- Pandenyove 419 P.: 3. Bcrihel-Marcel Buvlle 337 P: 4. Persvn-Vandevclde 230 P.; 5. Gebrüder Narcv N5, P. 1 Runde zurück: 6. Aerts-Bevl 1051 Punkte: 7. Grenda- Mac Namara 466 P-: 8. Madden-Magin 363 P.: 9. De- baetS-Van Hebet 237 P.: 10. Godivier-Miqucl 2lS P.; 11. Dupuy-Rcsatti 192 P. * Für die Radfernfahrt München—Zürich über 330 Kilometer, die am 6. Mai zur Entscheidung ge langt, steht bereits heute die Teilnahme der Schwei zer Mannschaft Heinrich Suter (vorjähriger Sieger), Mossclmans, Neymond, Notier und Max Suter fest. Auch der Amerikaner Ernest Orth hat seine Meldung abgegeben. Motorrad-Sportprogramm 1923 Der Deutsche Motorradfahrer-Verband hat sein Sportprogramm für 1923 in großzügiger Weise zu sammengestellt. Die Hauptveranstaltungen der Lan- dcsgruppen West und Nordwcst fehlen ebenso wie die Bahnrennen der einzelnen Klubs, doch ist das Pro gramm trotzdem schon überaus umfangreich, wie nachstehender Terminkalender ausweist: 28. bis 29. April Wertungsfahrt nach Lindau; 6. Mai Rund um den Zobten; 6. Mai Bahnrennen im Berliner Stadion, 10. Mai Rund um Anhalt; 20. Mai Bäderfahrt; 27. Mai Wanderfahrt durch Brandenburg; 27. Mai Wanderfahrt durch Thüringen; 19. bis 20. Mai Wanderfahrt durchs Maintal; 3. Juni Großer Etraßenpreis für Kleinmotor räder in Berlin; 3. Juni Fernfahrt Stettin—Breslau; 10. Juni Rund durch die Thüringer Lande, 17. Juni Avusrenncn in Berlin; 17. Juni Riesengebirgswanderfahrt; 24. Juni Zuverlässigkeitsfahrt durch Bayern- Perge; im Juni Turnier in Bad Homburg , 1. Juli Opelbahnrennen; 8. Juli Rund um Frankfurt; 15. Juli Großer Sachsenpreis; Ende Juli Pommernwoche; 5. bis 12. August Deutsche Sportwoch» in Leipzig; 12. August Fernfahrt nach Leipzig, Im August 4. Fränkische Zuverlässigkeitsfahrt; Magdeburg—Nürnberg; Zuverlässigkeitsfahrt Dies- lau—Lhemnitz—Nürnberg—Stuttgart; Im September Dergprüfung am Böbinger Berg; Rheinische Eportwoche: Seitenwagenrennen auf der Avus; Dergrenncn auf der hohen Wurzel (Taunus rundstrecke); 18. September Zuverlässigkeitsfahrt Fränkische Schweiz mit Bergprüfung; 30. September Süddeutsche Tourenfahrt für Klein motorräder. Deutschlands Tennis-Landerkämpfe Der Deutsche Tennisbund hat für dieses Jahr drei Lünderkämpfe in Aussicht genommen, und zwar gegen die Tschechoslowakei Mitte Juni in Dres den, gegen Holland am 11. und 12. August in Leipzig und gegen Schweden am 14. und 15. August in Hamburg. Für die Tenniskämpfe um den Meden-Pokal stehen jetzt die Termine fest. Die Dezirksspiele müssen bi» zum 31. Mai erledigt sein. Die Zwischenrunden spiele habett in der Zeit vom 24. Juni bis 15. Juli stattfinden und die Schlußspiele sind auf den 8. und 9. September angesetzt. UacktraS kür rue kernauÄage Dank -es Keichsprasidenlen an die Eisenbahner Berlin, 9. April. Der Reichspräsident hat unter dem 8. April an die deutschen Eisenbahner im besetzten und Ein- bcuchsgebiet folgenden Aufruf gerichtet: „Der Abwchrkampf, den Deutschland um Freiheit und Leben im Ruhrgebiet zu führen gezwungen ist, hat die deutschen Eisenbahner an Ruhr und Rhein, in Pfalz, Hessen und Baden in die vorderste Kampf- linie gestellt. Unsere Gegner wissen, daß sie ohne die Mithilfe der Angehörigen der deutschen Reichsbahn ihr Ziel nicht erreichen. Durch scharfe Bedrückung, brutale Verfolgung und arglistige Verlockung suchen sie daher mit aller Macht deutsche Eisenbahnbeamte und Arbeiter auf ihre Seite zu ziehen, Eid und Pflicht, Recht und Gesetz, Völkerrecht und Vertrag mit Füßen tretend. All dem haben die deutschen Eisenbahner ihr stummes, unbezwingliches Nein entgegengestellt, trotzend allen Drohunnen, trotzend den sich von Woche zu Woche steigernden Quälereien und unangefochten von verführerischen Versprechungen, bleiben sie stand haft, bleiben sie treu ihrer geschworenen Pflicht, ihrem Vaterlands und ihrem Volke. Mag landfremde Ge walt sie aus Heimat und Eigentum vertreiben,-mag brutales Faustrccht sie mißhandeln und ins Gefäng nis schleppen — sie wollen und werden keine Dienste unter Knechtschaft tun. Mit tiefem Mitgefühl und stolzer Bewunderung sieht ganz Deutschland dieses stille Heldentum, das, uns allen Vorbild, den Mut des Ausharrens täglich neu stärkt und uns anfeuert, in den Hilfeleistungen bis an die Grenze unserer Kraft zu gehen. Es wird eine Ehrenpflicht des ganzen Reiches sein, nach besten Kräften alle Schäden wieder zu heilen, die fremdes Unrecht dem einzelnen zugefügt hat. Es muß unser aller erste Sorge sein, unseren Volksgenossen, die militärischer Terror gefangen hält, die Freiheit wiederzugewinnen. Das deutsche Volk weiß, daß die Eisenbahner im Westen für eine bessere Zukunft de» Vaterlandes Schweres und Bitteres tragen und weiter zu tragen bereit sind. Der Dank des ganzen deutschen Volkes für ihr Ausharren sei ihnen erneut versichert. Dieser Dank und unsere Bewunderung sollen sie begleiten in die Zeiten hinaus, in denen wir wieder frei sind von fremder Gewalt und auf unserer Väter Erde freier Arbeit leben.' Ebert, Reichspräsident. Das Rätselraten um Loucheur SigrnerDrahtberichtdeS Leipzig er Tageblatte» Pari», 9. April. Im Ministerium des Aeußern wurde heute aus drücklich betont, daß die Presse sich irre, wenn sie annehme, daß die Reise Loucheurs irgend eine Aenderung in der französischen Politik zur Folge habe. Man erklärt, eine Aenderung könne höchstens im Sinne einer Festigung der französischen Ent schlossenheit zur Durchführung der Ruhraktion bis zum Nnchgeben Deutschlands eintreten, da die falsche Auslegung der Reise Loucheurs durch die Presse die Regierung leicht zur stärkeren Betonung ihres Willens veranlassen könne. In hiesigen nichtamtlichen Kreisen bleibt man trotz aller offiziösen Ableugnungen davon überzeugt, daß die Reise Loucheurs einen Wendepunkt bedeute. Man denkt dabei weniger an die Möglichkeit sofortiger internationaler Wirkungen der Reise als an die innerpolitische Bedeutung dieses Vorstoßes der von Millerand geführten Gruppe, die mit der negativen Wartepolitik Poincarös unzufrieden ist und zu einem schnellen Abschluß der als verfehlt erkannten Ruhr aktion drängt. Vie Ruhr-Srage im Unterhaus SigenerDrahtberichtdeSLeipzigerTageblatte» London, 9. April. Heute, om ersten Sitzungstage nach den Oster ferien, wurde die englische Regierung sogleich nach Inhalt und Bedeutung der Unterhaltungen englischer Minister mit Loucheur befragt. Der Minister präsident, der sich in den Ferien gut erholt hat, er klärte, daß seine Unterhaltung mit Loucheur nur allgemeiner Natur gewesen sei. Auf die Frage eines liberalen Abgeordneten, ob der Ministerpräsident in seinem eigenen Namen oder im Namen der Regierung sein Einverständnis mit der französischen Nuhraktion erklärt habe, antwortete Bonar Law, die Frage habe gar nicht zur Diskussion gestanden. Das von den sozialistischen Parteien der Ententeländer vor Ostern in Paris entworfene Programm wird am Mittwoch von dem Vorstand der britischen Arbeiterpartei durchberaten werden. Drei wichtige Punkte werden von den Sozialisten aus gestellt: 1. Deutschlands gesamte Leistungen für Reparations- und Besatzungskosten werden zusammen auf 30 Milliarden Goldmark bemessen. 2. Ein mehr- jähriges Moratorium ist vorzusehen. 3. Die Repara tionsanleihe soll von Deutschland bereits während d.s Moratoriums aufgelegt werden. Vie Münchener Verhaftungen Eigener DrahtberichtdcSLcipzigerTageblaNcS München, 9. April. Der Sachwalter des verhafteten Journalisten Franz v. Puttkammer hat Beschwerde gegen die Haft eingelegt. Die Entscheidung darüber sollte bis heute abend fallen. Der Erfolg ist jedoch vorläufig noch nicht bekanntgegeben worden. Es ist anzunehmen, daß der Beschwerde stattgegeben wird, da auch die letzte Erklärung der Polizei erkennen läßt, daß greis bare Gründe für eine Aufrechterhaltung der Hast nicht vorliegen. Lebsnsroman 9j Von Kocks Kocks »Nachdruck verboten) Dreimal im Jahre las der katholische Kaplan ans Orahowitza in der Kirche von Zdenci die Messe, einmal der Dechant. Unsere Madjaren machten sich nicht viel aus ihm: wenn er sie nicht um Gotteslohn kopulieren wollte, ließen sie sich eben gar nicht trauen. Die Serben von Molwe wieder standen durchaus nicht an, ihrem Popen das Hinterzeug zu ledern, wenn er mal aus dem unrechten Fenster geklettert kam — und leider fanden sie recht oft Gelegenheit dazu, denn der Pope Mojsije, Moses, hatte eine alte Bäuerin geheiratet, war selbst jung, kletterte jedoch über aus ungeschickt und langsam. Der Pope Mojsije war seit der Ohrfeigen geschichte Vaters liebste Ansprache. Er durfte sich sogar aus Molwe einen Fußpfad guer durch die große Geizentafel treten, damit er es näher zu uns hätte — ein Vorrecht, das niemand sonst sich anmaßtc, oder er geriet in meines Vaters Krallen. Bei Gott, gefährliche Krallen. Pater war von legendärer Kraft — gesund im Mark — auf breiten Schultern saß ein übermenschlich gewalti ger Schädel, für den kein Hutmacher das Maß vorrätig hielt. (Niemand unter meinen Vor fahren ist siech an Brust oder Hirn gewesen.) Ich habe es als Kind einmal mitangesehen. Vater beugte sich zu Boden nieder, legte die Hand flach vor sich hin und ließ einen Mann oarauktreten; dann baute er mit gestrecktem Arm Sen Mann langsam auf den Tisch. Sein Pfiff gellte wie der Schrei des Welt- gerichts und fuhr den Knechten schrecklich in die Glieder. Seine Stimme: er hob sie einmal zornig aus Pußta Driekvwo — und in Wörösch-Major, eem Nachbardorf, horchten die Leute und bekreu zigten sich: „Unser Herr ist heute böser Laune." Seine unantastbare Ehrlichkeit; die grenzen- lose Gunst des Grafen — schon sie hätten meinem Vater Macht genug gegeben. Ueberdies: waren die Zeiten der Leibeigenschaft gar nicht so fern, das Volk des Gehorsams gewohnt. Und mein Vater von militärischer Bestimmtheit. Er fühlte sich denn selbstbewußt als Satrap; diktierte Widerspenstigen Geld- und Leibesstrafen und vollzog die Strafen auf der Stelle; stellte Pässe aus mit dem gräflichen Insiegel; setzte Menschen in Haft — und keiner Behörde fiel jemals ein, ihn daran zu hindern. Wäre einer gekommen und Hütte meines Vaters Willkür getadelt; am meisten erstaunt wäre Pater selbst gewesen. Ein Dauernbursche im dritten Dorfe, ein Tyrann der Schenken, hieß Nebojscha, der Fürcht- dichnicht. Meines Paters Ruf ließ ihm keinen Frieden — allzugern hätte er seine Stärke am Verwalter von Alagino gemessen. Wie konnte er aber? Er lauerte im Hohlweg auf und gab die Bahn nicht frei, als Vater mit Mutter ge fahren kam. Vater nahm die Herausforderung an und stieg vom Wagen. Dor Mutters Augen rangen sie. Nebojscha spie Blut und Zähne. Er konnte die Kränkung nicht verwinden und ist ausgewandert. Später, als wir gereift waren, haben uns ältere Freunde oft erzählt, wie hitzig einst des Paters Lebenssäfte wallten. Allzugern machte er sich auf einer Pußta zu tun, wo die junge Schaffnerin vorzüglichen Kaffee zu bereiten wußte . . . Mutter hörte es, sagte aber nichts. Fuhr einmal mit und sprach: „Schaffnerin, Euer Kaffee ist so gut — wie kocht Ihr ihn denn? Ihr müßt mich das sehen lassen?" Die Schaffnerin seihte den Trunk durch den Zipfel ihres Hemdes . . . Da fluchte der Pater einige Wetter hin und betrat nie mehr die Schaffnerei. Vater las nichts als alte Schauerromane. Ihrer hatte er einen Haufen: „Die Geheimnisse von Paris", „Die Geheimnisse der Inquisition". Wenn er mit seinem Hausen fertig war, fing er geduldig dieselben Bücher von neuem an, un- zäbligemal — und sie waren durch und durch bcklext vom flüssigen Wachs unmutig ausgelösch- ter Kerzen. Mich hat mein aufbrausender Vater nie mit dem Finger berührt. Nicht, weil ich keinen An laß gab zu Züchtigungen — ich war rechthaberisch und trotzig (Großpapachens allzu echter Enkel) und Pater hätte mich so manches Mal mit Lust gehauen; allein das Bewußtsein, seine Bären kräfte nicht zart genug abmessen zu können, ver hinderte ihn, sich an dem Knaben zu vergreifen. Ich entsinne mich noch eines Auftritts. Er spielte in eiskalter, sturmdurchtobter Nacht. Draußen lag zwei Fuß hoch der Schnee. Vom Windesheulen war ich erwacht und mußte an mein Schaukelpferd denken, das war da draußen in der Maisdarre geblieben. Wie macht es frieren! Und ich fing an zu weinen. Vergeblich suchte mich Nena zu beruhigen, indem sie mir immer- wieder die Fingerspitzen in kaltes Wasser tauchte — vergeblich die Mutter. Ich heulte noch lauter, heulte fanatisch. Da kam endlich auch Vater aus dem dritten Zimmer und fragte: „Was hat er?" Nena erklärte die Sachlage. Pater setzte sich auf den Rand meines Bettes und liebkoste mich; wollte mir klarmachen, daß ja das Schaukelpferd Gaukelpferd von Holz ist, folglich unempfindlich für noch so grimme Schauer; und ich wäre doch Vaters gescheiter Zunge.' « Ich hörte nicht auf ihn und seine Gründe, ich wollte mein Pferd. Vaters Aerger kam in leises Brodeln. Vaters Finger spielten Tonleitern der Ungeduld auf dem Bettrand. Mutter und Nena streichelten mich. Ich schrie wie beim Zahnbrecher. In dieser rauhen Nacht — die Bösen von Kap Horn und Tscheljuskin mußten sich «n Stell- dichein bei uns gegeben haben — in dieser Nacht schritt mein "Vater orkangepeitscht hinaus und holte aus der Maisdarre mein Schaukelpferd. Als er aus der Darre kam, riß ihm der Sturm die Torflügel aus der Hand und zerschmetterte die zolldicken Bohlen wie Glas. Am Morgen fieberte ich; die Mutter ließ mich im Bett. Des Abends stieg das Fieber, in der Nacht fuhr Stefan um den Arzt. Als es dämmerte, kam er, der Doktor: ein dicker Schmurgel, dem niemand recht vertraute — nicht einmal er selbst vertraute sich. Und mit schmerzensvollen Augen, verzweifelt und verloren, saß Mutter bei ihrem Kind, das da ersticken würde und in Fiebern ver brennen. Sie aber wollte und wollte mich dem Tod ab jagen — und mit ihrem störrigen Willen hat sie es vollbracht. Als der Tod schon seine Klaue nach mir streckte, da lächelte Mutter verschmitzt und sprach zu mir: „Freue er sich, kleiner Tandi, freue er sich diese ganze Nacht! Denn morgen früh soll er funkelrote Schühlein haben." Da konnte ich doch nicht sterben diese Nacht? Den roten Schühlein zuliebe konnte ich nicht. Sie standen mit dem ersten Lichte da, wie Ostereier schön. Und Mutter lachte wieder und sagte jubelnd: „Landi, Junge! Was ein Tag! Bildsaubere Schühlein! Aber erst heute abend! Da schenke ich ihm ein Messerchen mit Perlmutterheft." (Fortsetzung folgt.) verantwortlich Mr den redaktionellen Teil (autzer Lande!: vhelredakteur Dr. Kun «Schmidt: für Arneigrn: Keinrich Baller: beide in Leipzig. — Berliner Liens«: EdesrcdaNeurDr ErtchEvrnb,Berlin. DSnboss 3600-3663. Dresdner Dienst: »einrich verfaulen, Dresden. Gabels- bergerstrake 24. tzsernspr. 34 793. — Druck und vertan: Leipz. Verla» Sdruckeno«, <N.m.b. H., Leipzig, JobanntSg. 8. Unverlangte Beiträge ohne Rückporto werden nick» zurück gesandt. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 12 Setten
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)