Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.04.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192304081
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230408
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230408
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-04
- Tag 1923-04-08
-
Monat
1923-04
-
Jahr
1923
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^»^erderirArt Unsere Schulrekruten Lie siede« magere« Jahre 1S1G—1923 Don vr. Rodsrl Kudd»um Die neuen Schulrekruten — Jahrgang 1918/17 — marschieren zu Beginn der neuen Woche auf, um sich zum Dienste bei ihren Lehrern zu melden, die da kindliche Hirn mit zarter Hand umformen und den Körper richten sollen, damit in rechter Harmonie ein ganzer Mensch sich entwickle. Richt jedes Kind ist schultauglich vom Standpunkt des Arztes aus; man hat darum eine Auslese zu halten und die Un tauglichen zuriickzustellen oder sie Privatschulen und öffentlichen Sonderinstituten zuzuführen, wo auf die körperlich Minderwertigen und geistig Zurückgeblie benen mehr Rücksicht genommen werden kann. Die übrigen aber müssen den Anforderungen der ersten Schulzeit körperlich und geistig gewachsen sein, sie müssen Lust zur Arbeit haben, beweglich und lebhaft sein. In Wirklichkeit sind viele Kleinkinder gesund» heitlich sehr beeinträchtigt. Die Statistik will wissen, daß 10 Prozent aller Echulrekruten noch nicht die er forderliche Schulreife vom ärztlichen Standpunkte aus besitzen. Wenn wir nach einer Erklärung suchen, so dürste sie mit dem Argument gegeben sein, daß die Kriegsnot und die Nachkriegsschäden der sieben mageren Jahre auf die jüngsten Altersstufen be sonders schwer eingewirkt haben. Unsere heutigen Schulrekruten sind in den Jahren 1918, wo die Waffenblockade einsetzte und in er höhtem Maße die Lebensmittelzufuhr abschnürte, und im Lungerjahr 1917 geboren. Es war eine Zeit der größten Not und eine kindermordende Zeitnot. Wenn auch heldenhafte Aufopferung des Gesamtvolkes unsere Säuglinge und Kleinkinder vor den Er wachsenen bevorzugte und alle möglichen Schutz maßnahmen zu ihren Gunsten geschaffen wurden, so konnte doch vielen nur eine Notkost gereicht werden, ganz abgesehen davon, daß gesundheitliche und wirt schaftliche Beeinträchtigung der Eltern Position-» schufen, auf denen eine gesunde Nachkommenschaft sich schlecht entwickeln konnte. Jur Minderwertigkeit der Anlage gesellten sich eben ungünstigste äußere Der- hältnisse; der Pater im Felde, die Mutter vielfach auf Arbeit, das Kind sich selbst überlassen im dumpfen, ungeheizten Zimmer zu Lause oder mit vielen anderen zusammen aus Sparsamkeitsgründen in der Küche, wo gekocht und gebraten wurde, in v-r- brauchter, unventilierter Luft. In Fallen von Er krankungen konnte ärztlicher Rot bei der Knappheit der Aerzte oft nicht sofort eingeholt werden. So ward dos Kind das Opfer der Not d«"- Zeit. Krankhoste Anlage, Mindeiuvertigkeit d-s Milieus. Da»u Rationierung der wichtigsten Lebensmittel, einseitige Kost. Fehlernährung: das war der Boden, auf dem Krankheitskeime ausschossen. So konnten Skrophulose, Tuberkulose, Rachitis, Skorbut und andere Krankheiten mehr sich, einnisten. Skrovhulose und Tuberkulose besonders dort, wo Luft, Licht und Sonne nicht hintn-nnq-n und mano»l- hafte Wohnungsverhältnisse mit sckleckt'r Pflege sich vaarten. Es wuchsen widerstandslose Kinder heran, die durch den kleinsten Windstoß gefährdet war-n, muskelschlofse Geschöpfe, die träge und unsicher ein- herschlichen, denen die Svannkraft fehlte, die den Körper strafst und bewealich macht. S'e aber machten mit ihrem blassen, gedunsenen Gesicht und ihrer Ausdruckelosiokeit einen bejammernswert»» Eindruck. So manches der Kleinkinder bat in den sieben mage ren Jahren diese Schreckensherrschaft der Not der Kri-oszeit noch nicht überwunden. E'n andrer "><! ist von d-n- Rachitis, der sog. englischen Krankheit, heimaeiucht worden. Ob An- laae, Kalkarmut oder infektiöse oder sonstige Pro zesse für die Entstehung onzuschuldigen sind. w'ss»n mir noch nicht. Sick-r bat die Kronkb»it schlechte hvgienisch« häusliche Behältnisse und Eeneb-ungs- stimungen zur Voraussetzung. Mir h-obachten an solch»» Kindern Perdickungen und P—bseoun-u'n der Knaben, ve-'äaerte und unr»o»lmäß?o<» Zahnung. Blesse de- Gesichts, Krampfzustände und kruvp"''»- lick" <*-*-onkung»n. -Endlich b»»bochten mir viess-4» den Skorbut -tn« Ernährunasstörvna, d^e du«^ N?ar»a»l an s-zr^>«n Pegetabilicn und frischem Fleisch sich eknst-stt. bei Automat Don krlsttrlefl Unter Wilhelm dem Letzten siegte der Automat in Deutslyiano. Der Automat im wertesten »Sinne. Die Neichen drückten aus einen Knopf, und das Grammo phon schmetterte Militärmusik und Laruso-Arien aus seinem langen Hals. Das elektrische Klavier auto- matet« auf 10-Pfennig-Einwurf jeden verfügbaren Komponisten. In den Bahnhöfen standen dienst- beflissene gefüllte Automaten und spuckten auf Wunsch Pjefserminztabletten, zwei Zigarren, ein Seifen stückchen und Mandeldessert. Bald folgten Bücher automaten, die Literatur auswarfen. Daneben solche mit Fahrkarten zu den Vororten. Am grauen- vollensten waren die Automatenrestaurants. Für zehn Pfennig klappten die Schalen nach einer Um- drehung zur Oeffnung herab und lieferten jeden er denklichen Brötchenbelag. Man stellte leere Tassen unter die kleinen Hähne, und auf den gütlichen Zu spruch des eingeworfenen Nickels floß der Kaffee und dir noch dünner« Schokolade. Wer Zeit hatte, wartete am Brötchenrondell auf ein besonder» dickes und ließ den Eiligen höflich den Vortritt. Beständig klapperte ein Luftzusuhrautomat. Jedoch vergeblich. Diese Automatenküche des kleinen Zehripfennigmannes roch beständig nach einem schauderhaften Gemisch von Kaffee, Sardinen, gezwiebeltem Hackfleisch und Bier, vermischt mit dem Duft trocknender Regenmäntel. Begeistert beteten die Leute den neuen Götzen an. Draußen klopften die Soldaten Parademarsch und warfen die Dein« nach Vorschrift in die Luft. Da» heckst«, allerhöchste Lob wurde ihnen zuteil: Pracht voll, wie Automaten. Die Meng« schrie Hurrah. Ann hoch, Mund auf, Klappe zu. Wie am Schnürchen. Dreimal hintereinander. E» gab nur noch ein« Lnrrameinung. Man brauchte nur einzuwerfen. So billig mar sie zu haben. Herrlichen Antomatenzeiten marschierten wir mit glänzendem Mechanismus ent gegen. Dann kam der Krieg, und der Automat spuckte wundervolle Soldaten. Eine» Tage» war er kaputt. * Wenn wir heute die alten Stätten betreten, lüften »il. den Hut. Der Automat ist tot. Die Kosten, aus denen Manorldeflert, Literatur und Zigarren heraus einseitiger Ernährung, wie früher auf langen Schiff fahrten. Die Krankheit äußert sich in schweren Mund- und Iahnfleischblutungen. Wenn wir nunmehr die jungen Schulrekruten an uns varüberziehen lassen und ein Urteil üb«r ihre Schulreif« fällen wollen, so müssen wir berücksichtigen, daß sie in den Jahren der größten Volksnot ausge wachsen sind. So mancher Körper leidet noch unter diesen Schäden, gerade die Kinder der Kriegs verlierer, au» den Kreisen der wirtschaftlich Schwer kriegsbeschädigten. Einmal in da» System der Ra- tionieruna eingszwängt infolge der Waffenblockade, jetzt von der Teuerungsblockade erdrosselt, können sie ihren Kindern nur ein Lebensminimum verschaffen. Ihnen hat kein kluger Joseph geraten in den sieben — sagen wir — beessren Jahren an Werten zu sammeln, soweit sie überhaupt dazu in der Lage waren. So hungern sie auch jetzt noch für ihre Kinder und mit ihren Kindern. Muß man da nicht ein besonders wachsames Auge auf unser« jungen Schulrekruten haben? Denn sie sind die Zukunft des Landes, das sie einst mit kräftiger Hand Zusammenhalten sollen. Zwar soll nach der nach der Statistik die Krankheitsbereitschaft unserer Jüngsten gegenüber Infektionskrankheiten vermindert sein — vielleicht eine Verstärkung des natürlichen Selbstschutzes — dennoch ist zu bedenken, daß die enge Schulgemeinschaft Frischinfektionen Vorschub leistet. Kräftige Kost, Licht, Luft und Sonne müssen auch diesem trotzen. * Der frühere Oberbürgermeister vo» Verlkr, Dr. Georg Reicke, ist nach längerer Krankheit im Alter von 69 Jahren gestorben. Reicke hat sich seinerzeit, al» er al» Konsistorialrat und Justitiar am Konsistorium der Provinz Brandenburg im Amte war, durch sein Drama „Frei Licht" mißliebig ge macht. Als er dann noch zur Abwehr der Lex Heinze den Goethebund mitbegründen half, wollte man ihn nach Königsberg versetzen. Die Stadt Berlin »bec berief zur Festigung traditioneller Freigeistigkeit den gemaßregelten Konsistorialrat und Poeten an die Spitze des Magistrats. Hier bewies Reicke bald, daß man Lyriker, Dramatiker, Romanschriftsteller und dennoch ein vortrefflicher Verwaltungsbeamter und Organisator sein kann. Nach der großen politischen Umwälzung schied Reicke von seinem Posten. Er war aber noch nicht pensioniert und wurde etatmäßig immer noch al» Oberbürgermeister von Berlin ge führt. Die neue» Denkmäler der Berliner Universität. Dor dem Anlagegebäude derBerliner Universität, dem alten Hause der Bibliothek, werden die beiden Standbilder von Fichte und Savigny ausgestellt wer den, die Professor Hügo Lederer, der Berliner Bild- Hauer, feit langer Zett vollendet hat. Wiener Studenten in Berlin. 100 Wiener Stu denten find auf einer Studienreise mit ihren Pro fessoren in Berlin etngetroffen. Der Oesterreichisch- Deutsche Dolksbund hat gemeinsam mit dem Deut schen Philologenverbande die Führung der Gäste übernommen. Er veranstaltet eine Begrüßung im Reichstage. Anschließend daran nehmen die Gäste an der Ausführung von Haydns „Schöpfung" in der Philharmonie teil. 3« Streit erschlage». Der Generalpächtcx Lu- schewsky in Demmin (Pommern) geriet mit dem im gleichen Hause wohnenden Maschinisten Bau mann wegen Miet»angelegenheiten iu Streit. Al« er den dem Baumann gehörigen Schweinestall ab- zureißen versuchte und daran von den Söhnen des Baumann verhindert wurde, schlug er mit einer Axt auf einen der jungen Leute los, so daß er ihn töd lich verletzte. Bei Lebzeiten mit de« Sarg« versorgt. Die Ge- meind« Algenrodt im Hunsrück hat beschlossen, allen Bürgern schon bei Lebzeiten auf Gemeindekosten die Bretter zu einem Sarge zu liefern. Die Gemeinde Moosfelden liefert jedem Einwohner einen Einheit», sarg kostenlos. Nur der Arbeitslohn muß bezahlt werden. Razzia auf Schulbücher. Au» Klausenburg nach Budapest kommenden Nachrichten zufolge veranstalte ten die rumänischen Behörden eine Razzia auf jene alten ungarischen Schulbücher, die noch aus früheren Zeiten vor Uebernahme des Imperium» durch die Rumänen im Besitze der Klausenburger Buchhändler waren. Diese Razzia wurde auf ganz Siebenbürgen angeordnet, damit die alten ungarischen Schulbücher nicht nur a*'» den Buchhandlungen, sondern auch au» den Bibliotheken verschwinden, selbst jene, die keiner lei politischen Inhalt aufweisen. Geschäft und Gesinnung Al» jüngst das Leipziger Landgericht urteils mäßig seststevte, den Leipziger Neuesten Nachrichten sei der Inseratenfang wichtiger al» nationale Ge sinnung und Polksverrat, konnte sich auch der von diesem Urteil unberührt« Großteil der deutschen Press« einer gewissen Beschämung nicht erwehren. Man hätte annehmen müssen, daß der Verein deutscher Zeitungsverleger in Berlin da» Interesse der ge samten Zeitungen Deutschland» durch «ine eindeutige Erklärung wahrnehmcn werde, welche die Skrupel losigkeit der Herfurthblätter aus dem Bezirk deutscher Preffesitten verbannt. Der erwähnte Verein hatte uns seinerzeit seine guten Dienste zur Beilegung der Polemik mit den Leipziger Neuesten Nachrichten an geboten, um uns zu veranlassen, mit diesen gemein same Bezugspreise festzusetzen. Wir lehnten es jedoch au» Gründen verlegerischer Sauberkeit ab, Geschäft mit Politik zu vermengen. Außerdem lag uns mehr daran, die Bezugspreise den Grundsätzen kaufuüinni- scher Kalkulation al» dem persönlichen Aufwand der Brüder Herfurth anzupassen, indem wir es für unser? Pflicht hielten, die Blätterpreis« in der gegenwärtigen schweren Zeit nicht über» Maß unbedingter Not- Wendigkeit zu steigern. Au* dieser Ableh.rung er- klären sich zwanglo» die weinerlich-zornigen Angriffe der Nachrichten und ihr Bemühen, die arge Bloßstellung, die sie erlitten haben, irgendwie zu decken. Ohne auch nur den Versuch zu wagen, Beweise für eine ausländische Ein stellung des Leipziger Tageblatt» und der Neuen Leipziger Zeitung herbeizuschaffen, stolperten die Leipziger Neuesten Nachrichten über die verdrehtesten Hypothesen und suchten dabei — wie der dumme August beim Teppichaufrollen — andauernd Helfer für ihr schwieriges Geschäft. Das Argument, daß die Polemik ein Höherschrauben der Bezugspreise ver hindert, hat ihnen auch die Sekundantendienste d>» Verein» mitteldeutscher Zeitungsverleger verschaf't (die später durch gerichtliche Verfügung ausgeschaltet wurden) und dem sich hsr Berliner Verein mit einer vorsichtigeren, von den Nachrichten auch aufgeschmink ten Notiz anschließt. Diese Notiz ist auch formell wertlos, da sie beschlossen wurde, ohne daß wir auch nur gehört worden wären. Wir stellen dreierlei fest: Erste«»: Daß »»sere» Redaktionen (zum Unterschied von manchen anderen) volle politische Meinungsfreiheit vertraglich garantiert ist. Der betreffende Vertrag datiert längst vor den Au griffe» der L. R. R. Zwrtteu«: Daß kein einziger konkreter Fall behauptet »der gar «achgewiesen wurde, iu welchem unsere Blätter andere al» reich»deutsche Interesse» vertreten hätten und vertreten. Dritte»»: Daß die veffe»tlichkeit ihr Urteil im selbe» Glane gesprochen hat wie da« Leipziger Laudgericht, indem unsere Zeitungen einen — in der setz gen Zeit doppelt bemerkens werte» — Zuwachs a» Beziehern zu verzeichnen habe», der während der letzten drei Monate Tausende und Tausende beträgt. Verlag des Lei ziger Tageblattes und der Neuen Leipziger Zeitung Der Verein deutscher Zeitun-sverleg«, spricht in einer rein theoretischen Erklärung fein« Bedenken gegen die Beteiligung ausländischen Kapital» an deutschen Zeitungen au». Da di« Leipziger Neuesten Nachrichten in diesem Zusammenhang da» Leipziger Tageblatt und die Reue Leipziger Zeitung nenne«, sehen sich die unterzeichneten Redakttonen genötigt, da» Folgende zu erwidern: Der Verein deutscher Zeitungsverleger kettet sein« Befürchtungen für die Unbefangenheit und die Un- abhängigkeit der deutschen Presse und der Mei- nungsbildung nicht etwa von der Gesinnung »der der Abstammung der fremdstaatlichrn Anteils besitzer ab, foudern nur von der „Tatsache, baß sie keine deutschen Reichsangehörigen sind, vtilmchr verpflichtet, den Gesetzen und den Interessen ihre» Staate» zu dienen". » i-- In diesen Wendungen dokumentiert sich wieder einmal der lange und heAg vom Reichsverban^ d« deutschen Presse bekämpfte Standpunkt, baß man als die geistigen Herausgeber einer Zeitung deren Besitzer oder Anteilseigner anzusprechen habe, nicht aber die Redakteure. Vir können leider nicht bestreiten, daß i» d« Ganeralanzeiger-Presse der Eigentümer in der Rcgrl geradezu in diktatorischer Weise die Haltung seine« Blatte» bestimmt, und daß in mehreren ua» bekannt,'» Fällen ein ähnliches, wenn auch feiner angelegtes Verfahren die schwcrindustriellen Fei- tungsverleger mit Stinnes an der Spitze in deutsche Zeitungen eingcführt haben, obwohl die Oeffentlich- keit gerade von dieser Presse vielfach wähnt, sie gebe ihre Meinung in voller redaktioneller Unabhängig keit von sich. Dahingegen können wir zu unserer Genugtuung erklären, daß unsare Redaktionen in ihrer Tätigkeit und Meinungsäußerung vollständig autonom sind, und daß diese geistige Unabhängigkeit lange, be vor der Verlag Herfurth mit seinen Verdäch tigungen begann, von den Eigentümern der Leip- ziger Derlagsdruckerri, G. m. b. H., vertraglich scharf und eindeutig festgelegt worden ist. „ Wir Redakteure geben also dem Leipziger Tageblatt und der Neuen Leipziger Zeitung ihren geistigen Inhalt, wir Redakteure sind als» allein maßgebend und verantwortlich für die Mei nungsbildung in unseren Plättern. Und wir Redakteure, die wir zum großen Teil schon leit vielen Jahren in Leipzig wirken oder an bedeutenden reichsdeutschen Zeitungen gewirkt haben, di« wir nichts anderes kennen als di« Alteressen unsere» Deutschen Reiches, wir fordern unfair Widersacher auf, über ihre theoretischen Perfidie» hinaus un« endlich einmal den konkreten Fall nachzuweisen, da wir keine rcichsdeutsche Interessenpolitik ge trieben hätten. Das wird ihnen nicht gelingen! Die Redaktionen des Leipziger Tageblattes und der Neuen Leipziger Zeitung fttlcn, sind mit einer stillen Gedenktafel verziert. Darauf steht: Außer Betrieb. Man begegnet vielen Fahrstühlen. Auch sie tragen ein Schild um den Türknopf: „Außer Betrieb". Wie der Mann an der Straßenecke „Völlig mittellos". Und im Automaten restaurant gibt e» heute Bedienung. Denn der Auto mat selbst konnte nur auf zehn Pfennige zählen. Herausgebcn konnte er nicht. So waren auch die Leute damals. Sie dachten nicht an« Heranrgeben, waren nicht» al» Automaten, klappten auf, klappten zu. »nd schließlich klappten sie zusammen. Heute herrscht das Chaos. Das Chaos der Zerrissenheit, der Meinungen, des Hasses. der Liebe, der Begeisterung. Das Chaos der Persönlichkeit. Und eines Tages, wenn wieder alles still und ruhig ist, werden sie die Auto maten wieder in Betrieb setzen. Die Sonnenfinstervil.Erpevitts». AnS Tokio wird gemeldet, daß die Beobachtungen der kana dischen Sonnenfinsterniserpedttion am 2l Sep tember 1922 die Einsteinsche Theorie be stätigen. Der Letter der Spedition erklärt, die Beobachtungen hätten den Beweis erbracht, daß das Licht von Sternen in der Nähe de» Sonnen- randeS ungefähr um den von Einstein errechneten Betrag abgelenkt werden. Sin Gutenberg-Druck unter dem Hammer. Dem nächst wird in Bonn ein Druckwerk versteigert werden, das für die Geschickte des Buchdruckes von hoher Bedeutung ist. Es handelt sich, wie im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel mitgcteilt wird, um ein Linzelblatt aus dem ersten Druckwerk, da« Guten berg in seiner zweiten Druckerei in Mainz geschaffen hat, nämlich aus dem „Eatholicon" von 1460. Das Blatt zeigt die beiden Seiten, die die Wörter der Buchstaben T und D enthalten, mit dem großen, reich in Grün und Rot ausgemalten Initialen V. E» wäre lehr zu wünschen, daß da« sehr breitrandige, unbeschädigte, kostbare Blatt Deutschland erhalten bleibt und nicht bei der Versteigerung Anfang Mai in» Ausland wandert. KommißstU «vd Lustspielstil. Kürzlich wurden in den Amtsräumen, in denen seinerzeit Guy d« Maupassant al» Ministerialbeamter Dienst tat, die Personalakten gefunden, in denen der Vorgesetzte der betreffenden Abteilung die Fähigkeiten des berühm ten Schriftsteller» kurz dahin charakterisiert«: „Ist ein gewissenhafter Beamter, schreibt aber schlecht." Ein lustiges Sritenstück zu dieser Lharaktcristik lieferte im Weltkrieg ein italienischer General. Ein bekannter und allseitig geschätzter Lustspieldichtcr war zu den Fahnen gerufen und von einem literarisch gebildeten Obersten sofort als Sekretär beim Re- ! aimentsstab reklamiert worden. Er erfüllte auch die Hoffnungen, die man auf ihn gesetzt hatte, nach jeder Richtung und gab insbesondere den dienstlichen Schreiben einen schwunghaften Stil, der das Ent- zücken des Obersten bildete. Eines Tages wurde dieser von seinem Drigadegcneral ans Telephon ge- rufen, der an ihn die Frage richtete: „Wer ist denn der Schafskopf, der Ihre schriftlichen Arbeiten macht?" „Schafskopf?" stammelte d«r Oberst, der au» allen Himmeln fiel, „ja, das ist doch der ve- rühmte Lustspieldichter L." — „Wenn schvnl" ant- wartete der General mürrisch. Belehren Sie jeden falls den Herrn in meinem Namen darüber, daß man eine dienstliche Meldung nicht in dem Stil schreibt, der bei einem Lustspiel angebracht sein mag, hier aber durchaus nicht der Platz ist!" Der Wilhelm^cherer-Pret». Das Kuratorium der Wilhelm-Scherer-Stiftung hat den diesjährige» Scherer-Preis geteilt. Preisträger sind die Herren Privatdozent Dr. Herbert Lyfarz in Wien für sein Buch „Erfahrung und Idee. Probleme uno Lebensreformen in der deutschen Literatur von Ha^ mann bi» Hegel", und Privatdozent Dr. Karl Victor in Frankfurt a. M. für sein Buch „Ge schichte der deutschen Ode". Rieder mit de» „Putschisten"! Ekn Purist, der hier wirklich im Recht ist, schreibt der Poffischen Zet- tung: „Wenn ich die Putschisten totschlage, öin ich dann «in Totlchlagerist oder ein Totschläger? Lena ich die öffentliche Meinung gegen sie aufwiegle, bin ich ein Aufwteglist? Ich bitte die verehrten Herren Putsche», um der deutschen Sprache willen «in Ein- sehen zu haben und zu bedenken, daß sie den Perball. Hornisten der deutschen Sprache zu viel Stoff geben. Mit Putschen muß pausiert werden, bi« sich die Er kenntnis durchringt, daß einer, der schreibt, rin Schreiber, kein Schreibet ist. Einer der denkt, -in Denker, einer der putscht, ein Putsche». Rur in Fremdwörtern findet sich, wenn sie von Hauptwörtern abgcwandelt sind, die Endung „ist". Man sagt Artist, Drogist, Dentist und Sozialist. — Nun sehe ich aber schon die Leute, die mich für einen Nörzlisten halten und behaupten werden, daß Putschist viel besser klinge als Putscher. Diese frage ich, wen sie hoher schätzen, den Kanzlisten oder den Kanzler?" Wir habe» uusere» Maupassaatl Man nenut Hein» Tovote den deutschen Maupassant. In seine« lüngsten Novellenbuch (bei Eyßlcr L Co., Berlin) finden wir diesen Satz, den sich nicht der letzt« Skizzenschmierer erlauben dürste. „Und so ver schwand sie still aus der Gesellschaft, ganz wie da» Lächeln von ihren Lippen verschwand, weil der süße Mund so verzerrt war, dessen feine Linien einst die Männer toll und die Frauen neidisch gemacht hatten, da keine von ihnen «inen so reizvoll süßen Mund ge habt hatte wie sie, die nun nichts mehr galt, die nun eine banale Frau war, der niemand mehr auf den Mund sah, damit sie nicht etwa meinte, daß man auf die Heine Wunde blicke, mit der der eigene Mann durch eine kurze, unüberlegte Bewegung den einst s» süßen Mund für immer zerstört hatte." Uff, das ist viel auf einmal . . . Au» der Mustkwelt. Hanne!« und San» nele, heitere Oper in zwei Akten von Karl Bleyl«, gelangt am 19. April an der Stuttgarter Staatsoper unter Leitung von Generalmusikdirektor Leonhardt und Oberregisseur Erhardt zur Urauf führung. Das Buch hat der Komponist nach Otto Ludwigs Novelle „Dom Regen in di« Traufe" verfaßt «u« »en ryeatertznreaug. (Alles T-eakar.) Mar Grude. der bemaligc Oderregiffrur des früheren kvntg'ichen Dckaufptelhause» tn Berlin, dann Intendant in Meiningen und Direktor des Deullwen Gcbaufptel- -ausrs tn -ambnra gibt zurzeit anlSftltw seines ÜOsiVH- rtgen vvdnensubilaum« an den «rotzen Theatern, an denen er trüher gewirkt hat, Sdrenqamptel«. Sr wird in kurzer Zett au» am Alten Theater, an dem «r in »en Jatzwn 1KN di« ,884 «Lt'.g war. an »wci «bendrn »iS Khrengast anftrrien. Rüdere» wird noch dclannt- aegeben. — <S ch« u s p t r l d a u » ) .Schneider wtddel". MÜller-Schk-sfer« luftige KomSdte. dt« am Sonnabend IM Erftaüftüdruno kommt, ist In den Hauptrollen -e» tztu mt, ftean, Sttin lTitelroHei Stella David ,yrau viddel) sind Bernhard WUdcnhatn < Schnei^raeseve MSlfr«). Da« Nltck wird von yettz vtrdwea tn Szene gesetzt. — keine« Theater., Di« Aufiühsuna von .Der Slod im Danserhaus- ftn»«» tttcht Montag, ssndarn VtenAta« statt.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)