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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.04.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192304013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230401
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-04
- Tag 1923-04-01
-
Monat
1923-04
-
Jahr
1923
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8ouat»s, 6«L 1. Lprll L«lp»rg« «ü LlL»S«1»L«ttULg «r. 7» 8«Ne S 'k»Kesderi«A»1 Gstern Dom Leiden de« Gerechten hat der Karfreitag wieder gekündet. Es ist schon manchmal hin gewiesen worden auf die eigenartige Parallele, die sich dazu beim Philosophen Plato (429 bis 347 v. Ehr.) findet, der in seinem Buch vom Staate das Ideal des Gerechten so zeichnet: „Stellen wir nun neben den Ungerechten den Gerechten, einen aufrichtigen Mann von edler Art, der nicht gut scheinen, sondern gut sein will. Zuerst muß der gute Ruf ihn, genommen wer den. Denn solange er für einen Gerechten gilt, ! werden ihm Ehren und Geschenke angcboten; j da ist es zweifelhaft, ob er um der Gerechtigkeit j oder um der Ehren und Geschenke willen gerecht > ist. Sodann muß er aller Habe beraubt werden, nur nicht der Gerechtigkeit, und mit der Obrig keit in Widerstreit gebracht werden, so daß er, i ohne Unrechtes begangen zu haben, in den schlimmsten Ruf der Ungerechtigkeit gerät, damit er den Beweis seiner Gerechtigkeit er bringen kann, indem er auch durch die üble Nachrede und alles, was daraus entsteht, nicht berührt wird. Vielmehr schreite er unwandel- > bar fort bis zum Tode. Sein Leben lang er- j scheine er ungerecht und sei doch gerecht. Und ' unter solchen Umständen werde er gegeißelt, j gefoltert, gebunden, mit Feuer geblendet und endlich ans Kreuz geschlagen. Dann muß es sich zeigen, was ihm nötiger erscheint, gerecht zu scheinen oder gerecht zu sein." Aber wenn nun Kreuz und Tod das letzte ! wären für den Gerechten, müßte man dann - nicht verzweifeln am Siege der Gerechtigkeit? , „Es ist ein ewiger Glaube, daß der Schwache nicht zum Raube jeder frechen Mordgebärde ! werde fallen allezeit: Etwas wie Gerechtigkeit > webt und wirkt in Mord und Grauen, und ein j Reich will sich erbauen, das den Frieden sucht ' -er Erde." So singt Conrad Ferdinand Meyer ! in seinem bekannten Friedens- und Weihnachts- ! lied. Ostern bedeutet bis zu einem gewissen - Grade die Erfüllung seiner Worte. Denn nun j „singt man mit Freuden vom Sieg in den ! Hllt^n der Gerechten: Die Rechte des Herrn ist erhöhet; die Rechte des Herrn behält den Sieg. Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen." Als Sieg der göttlichen Gerechtigkeit gegenüber aller menschlichen Ungerechtigkeit ist Ostern immer wieder empfunden und in freudig bewegten Weisen gepriesen worden. Was aber kann man unserem Volk in seiner gegenwärtigen Passion mehr wünschen als solchen Osterglauben mit der Gewißheit: „Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut tm Tode und im Leben, sein Recht wird oben schweben!" . UuverLuderter Goldaukaufsptti». Reich»bank und Post kaufen Gold für das Reich bis auf weitere» un verändert zum Preise von 83 OVO -it für ein Zwanzig markstück. Für Reichssilbermünzen wird der IssOOfache Betrag de« Nennwertes gezahlt. Ablauffrift für sächsisches Notgeld. Das mit Ge nehmigung des Neichsfinanzministerium» von den sächsischen Verwaltungsbehörden (Dezirksverbänden und Stadtraten) sowie von einzelnen sächsischen Firmen ausgegebene Notgeld verliert mit Ablauf des 5. April seine Gültigkeit als Zahlungsmittel. Die Ausgabestellen haben es bis zum 3. Mai ein zuziehen. b. Lieferfristen der Eisenbahn und Ruhreinfall. Der Reichsverkehrsminister gibt bekannt, daß durch d«l Einbruch der Franzosen und Belgier die durch die Elsenbahn-Verkchrsordnung gezogenen Haftungs grenzen nicht verändert werden. Insbesondere ruht der Lauf der Lieferfristen wahrend cingetretener Be triebsstörungen, Sperrmaßnahmen, sowie aller Auf enthalte, die durch Maßnahmen der Besatzungs behörden der besetzten Gebiete oder durch Kontroll maßnahmen, die mit der Besatzung zusammenhängen, entstehen. Diese Haftbefretungsgrunde werden bei Ueberschreitung der Lieferfrist geltend gemacht, auch wenn es sich nur um Rückwirkungen auf die Der- kehrsverhältnifse im unbesetzten Gebiet handelt. Pioniere -es Wirtschaftslebens Aus dem Arbeitsgebiet des Kaiser Dilbelm.Insiit«ts für Aaserstoffchemie Vie neuesten Tricks dertzoteldiebe Einer Bande internationaler Hoteldiebe, die in letzter Zeit in den eleganten Hotels von Pari» und London eine große Reihe von Diebstählen oussührten, ist die Pariser Polizei auf die Spur gekommen. Nach den Feststellungen der Detektiv« handelten die Mitglieder nach einem raffiniert aus- gearbeiteten Plan. Sie waren imstande, ihre äußere Erscheinung beständig zu verändern. Die Manner trugen bald Bärte, bald ließen sie sich glatt rasieren. Die Mitglieder der Bande, die au» acht Männern und drei Frauen bestand, und von denen einige jetzt verhaftet sind, sprachen niemals öffentli chmieinander. Wenn sie ein neue« Ver brechen vorbereiteten, so begaben sie sich in da elegante Cafö in der Nähe der Pariser Oper, saßen aber an getrennten Tischen und gaben einander Signale durch einen Geheimcode, der auf der Farbe der Getränke beruhte, die sie sich bestellten. Zu ihren Opfern wählten sie mit Vorliebe reiche Fremde, und der Jagdgrund, auf dem sie die Opfer auftrieben, war das Louvre-Museum. Einer der Diebe besuchte etwa das Museum und kam vor einem berühmten Bilde geschickt mit dem reichen Fremden in eine Unterhaltung. Meistens waren es Engländer oder Amerikaner, die von dem Kunst- Verständnis des neuen Bekannten entzückt waren und mit ihm nun weiter die Kunstwerke besichtig ten. Beim Durchwandern des Museum» wurde ihre Aufmerksamkeit durch einen Vorfall erregt, bei dem ein Herr beim Herausziehen seine« Taschen tuches einen kostbaren Rosenkranz verloren hatte. Ein anderer hatte ihn gefunden, man kam in« Ge spräch, und der Verlierer de« schönen Stückes, der sich als Engländer oder Amerikaner von guter Familie zu erkennen gab, schloß sich dann den beiden an. Auch dies war ein Mitglied der Bande, und so war bald das Opfer von einem Netz der Diebe umsponnen. Blutiger Zwischenfall tu der Srwerb«lcheustelle. Eine aufregende Szene spielte sich in dem Berliner Bureau der Erwerbslosen-Fürsorge ab. Unter den anwesenden Arbeitslosen befand sich auch der Klempner Willy G. Dieser geriet mit dem Vor steher der Fürsorgestelle, dem Stadtsekretär Sch., in einen heftigen Wortwechsel, in dessen Verlauf G. gegen Sch. tätlich wurde. Der Vorsteher zog -in der Notwehr einen Revolver und ged auf den Erwerbslosen einen Schuß ab, der diesen an der linken Wang« verletzte. G. wurde nach der Ret tungsstelle gebracht, hier verbunden und sodann nach seiner Wohnung entlassen. Inzwischen waren die anderen, über den Vorfall erregten Erwerbs- losen auf Sch. eingedrungen und hatten ihm mehrere Schlagvcrletzungen beigebracht. Der Vorsteher mußte vorübergehend in Schutzhaft genommen wer- den. Wie er angibt, hat G. ihn wiederholt in den letzten Tagen bedroht. Eine gemeingefährliche Kinderfreundin unschädlich gemacht. Die Berliner Polizei hat eine Schwindlerin festgenommen, die über hundert Kinder bestohlen und dabei Gegenstände tm Gesamtwert« von mindesten» vier Millionen Mark erbeutet hat. Sie lockte die Kinder unter trügerischen Versprechungen in eine« dunklen Hausflur und nahm ihnen dort Ohrring« und Kleidungsstücke ab. Bcramannslod. Auf den Zeche« Achenbach I und II und Brambauer bei Dortmund find bei Reu- abdömmungsarbeiten im alten abgedämmt« Brand feld vier Reparaturhäuer durch austretende Brand gase zu Tode gekommen. Fünf «eitere Bergleute die gefährdet waren, konnten von den Rettungs mannschaften lebend geborgen werden. Höhe« Stseabahutartfe in Ungar». Die Per sonentarife der ungarischen Staatsbahven solle« «» 80 Prozent, die Warentarif« um SO bi« ISO Prozent erhöht werden. Für Kohlentransport« ist sogar eine Erhöhung nm 300 Prozent in Aussicht genommen. Bevor eine Glühlampe die Fabrik verläßt, wird Ke einer Prüfung daraufhin unterworfen, ob iic den ilasorderungen des Gebrauch» hinsichtlich der Leucht kraft, Brenndauer, Stoßfestigkeit usw. entspricht, und der Käufer hat di« Gewahr, daß die gekaufte Lampe den üblichen Ansprüchen genügen wird. Bei« Verkauf eine« Anzugstoffes kann dem Brr- braucher eine solche Garantie, die auf zahlenmäßigen Prüfungsergebnissen beruht, nicht gegeben werde». Der Gebrauchswert eines Gewebes wird vielmehr vom Fachmann beim Kauf auf Grund seiner Er- fahrungen rein empirisch geschätzt, und wenn es Zahlen sind, nach denen etwa die Haltbarkeit des Stoffes, seine Widerstandsfähigkeit gegen Abreibung, seine den guten Sitz des fertigen Anzuges verbür gende Elastizität usw. ermittelt «erden können, so ist es für den Laien meist nur die Höhe des Preises. Freilich ist dies ein ziemlich unzuverlässiger lsiot- behelf, denn für die Preisbestimmung sind, zumal in den heutigen Zetten wildester Wertfchwankungen, viele andere Momente ausschlaggebender als das der Beschaffenheit! Die Qualitätsprüfung geht heute auch tn Fachkreisen noch in ziemlich primi- tiver Weise vor sich. Nach dem Aussehen, der Materialart, der Fadenstärke, ob ungezwirntes, zwei- oder mehrfach gezwirntes Garn in Kette und Schuß verwebt ist, nach der Dichtigkeit der Fäden im Gewebe, nach der Weichheit im Griff usw., prüft der Fachmann die Güte des Stofs««. Und doch gibt es Mittel und Wege, an die Stelle des subiektiven Empfindens das zahlenmäßige, durch Metzapparate ermittelte exakte Ergebnis einer Qualitätsprüfung zu setzen, also beispielsweise fest- zustellen, daß ein Anzugsstoff eine vom Meßapparat registrierte Elastizität in bestimmter Zahlenhöhe hat, worauf man wiederum feststellen kann, in welchem Grade der Stoff nach seiner Verarbeitung inr Anzug dem Durchbeulen am Knie und an den Ellbogen Widerstand leisten wird. Ebenso gibt e« Apparate, die die Güte des Stoffes hinsichtlich der Beanspruchung durch Abscheuerung zahlenmäßig re gistrieren usw. Wie gesagt, es gibt solche Meßapparate, aber sie sind noch nicht, oder doch nur in ganz verschwin dendem Maße, in der Praxis im Gebrauch. Ihre Konstruktion beruht auf den Ergebnissen wissen schaftlicher Forschung. Das Karser-Wilhelm-In- ititut für Faserstoffchemie in Beclin-Dahlem, dessen feierliche Eröffnung vor kurzem stattfand, hat die Grundlagen hierfür geschaffen. Die Faserstoff-Forschung steckt heute noch sozu sagen in den Kinderschuhen. Don ihren Ergebnissen hangen ungeheure wirtschaftliche Werte ab. Der verlorene Krieg hat uns verarmt und zwingt uns auf allen Gebieten der Warenherstellung und de» Verbrauches zu größter Oekonomie. Die deutsche Textilindustrie arbeitet gleichwohl im wesentlichen heute noch nach derselben Methode wie vor dem Kriege, al« die Rohstoffbeschaffung noch keine Schwierigkeiten bot, während sie beute ein Problem von überragender Bedeutung für unsere hock- entwickelte Industriewirtschaft geworden ist. Die Bestrebungen der deutschen Textilindustrie gehen dahin, sich hinsichtlich oes Rohstoffbezuge» soweit wie möglich vom Ausland unabhängig zu machen und die eigene Rohstoffbasis im Lande zu erweitern, sowie da« Material so restlos wie mög- lkch auszunutzen. Die Intensivierung und Rationalist eruaq der Textilwirtschaft, ein« der Ziele, zu dessen Verfolgung uns der Friedensvrrtrag zwingt, kann nur erreicht werden, wenn Praxi« undWissenschaft zu- fammen arbeite », um in jeder Beziehung das Höchsterreichbare an Leistung zu erzielen. Au den Fundamenten der Praxi» arbeitet die Textilsorschung, wie sie im Institut für Faserstoffchemie betrieben wird. Da» Institut ist mit allen Hilfsmitteln der modernen wissenschaftlichen Forschung aus chemischem, pkmfikalisch-technischcm und biologischem Gebiet aus, gestattet. In den zahlreichen Laboratorien werden Wesen und Eigenschaften der einzelnen Spinnfasern, ihre Struktur und Daseinsbcdingungen, die best mögliche Verwertung usw. erforscht, Arbeiten, bis in das Gebiet der Philosophie reichen. Mit Hilfe des Ultramikroskops kann man Dergrößeruugeri inr tausendfachen Umfange und mehr vornehmen. Blau sieht übrigens die Dinge im Ultramikroskop nicht selbst, sondern gewissermaßen nur ihren Abglanz, in dem man sie leuchtend macht. Diese ganze, technisch höchst interessante Apparatur ermöglicht dem Foe- fcherblick ein konkretes Eindringen in die Atomkon- struktion der Materie, die man bisher mir hypothe tisch erfaßte. Eine ausgedehnte Verwendung findet auch die Röntgenologie. In einer eigenen Werkstatt wird ein großer Teil der erforderlichen Präzisions mechanik selbst hergcstellt, und ein sviaschinenraum liefert den elektrischen Strom, der in verschiedenster Form im Institut angewandt wird. Besondere Er wähnung verdient noch ein erschütterungsfreier Un tersuchungsraum im Keller, in dem ähnlich wie in einer Sternwarte feinste Messungen vorgcnommen werden können, die nicht durch Luftschwingungen irgendwelcher Art gestört werden dürfen. Bei den gegenwärtigen Arbeiten des Instituts steht die Erforschung der Woll faser im Vorder gründe. Professor Herzog ist der Ansicht, daß die Wollfaser durch den in Deutschland üblichen Herste! - lungsprozeß viel zu unsachgemäß behandelt, ja ge radezu mißhandelt wird. Bei schonender Verarbei tung würden sich ungleich günstigere Produktions ergebnisse erzielen lassen. Di« bekannte Güte und qualitative Ueberleaenheit der englischen Wollstoffe gegenüber den deutschen beruht nach seiner Ansicht nicht etwa auf den Vorbedingungen des Klimas, wie bei der Fabrikation der Feingesvinste au« Baum wolle und Leinen, bei der di« Luftfeuchtigkeit eine große Rolle spielt; vielmehr ist die sorgsamere, schoncndere Art der Behandlung der Wolle währen der Verarbeitung der Grund für den qualitativen Hochstand der englischen Tuche. Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, daß durch Verbesserung der Her stellungsarten höherwertige Erzeugnisse erzielt wer den tonnen. Sehr wichtig sind auch die Arbeiten über die zweckmäßigste Verwertung der Abfassstof--, insbesondere des bei der Aufbereitung der Wolle anfallenden Wollfetts, des Lanolins, durch dessen Rückgewinnung der Wirtschaft bedeutende Werte zu- geführt werden können, die bisher in den Abwässern verloren gingen. Linen breiten Raum nehmen auch die Arbeiten an der Seiden- und Kunstsetdenfaser ein. Professor Herzog ist der Ansicht, daß die Ankunft der Kunst- seidenfaser beschränkt ist. Die Frage der Wirt schastlichkeit spielt hier die ausschlaggebende Rolle. Es hat sich gezeigt, daß die zur Kunstseideuherstrlluäg nötigen Chemikalien und die Art -er Erzeugung zu teuer sind, so daß eine Erweiterung der Anwendungs arten der Kunstfasern hieran scheitert, abaesehen do- von, daß sie auch am Gebrauchswert hinsichtlich der Haltbarkeit, Dasserbeftanbigken usw. den Natur fasern nachstehen. Aus diesem Grunde ist es z. V. auch nicht gelungen, der Stapelfaser, an die man im Kriege so weitgehende Erwartungen geknüpft Ostern! Dtr Ma-u-ng sein, kämpfender und leidender Brüder an Ruhr nnd R-din nichl-« oeraoWo«. M^Mpf geh, anch für Dich, Shr Schicksal ist Dein Schicksal. Gib zum Deutschen Bolksopserk Spend«« nehmen all« Postanflalken, Sparkassen and Banken an. Pofischekkoaio: Deutsche« Bpskd- Opfer Leipzw 42 800. Unser Verlag gidl Spende« an di« Sammlvng der Haudeltkammer in Leipzig »eiter. „TM" mit der Schweiz Schanspielhan». 3» Alten Theater haben wir einen „Wilhelm Tell" mit dem Tul (und Geßler) gesehen, im Scyao- spielhause einen „Wilhelm Tell" mit der Schweiz. Die Hauptsache war im Stadttheater gelungen, die Zutaten mäßig; 1» der Sophienstraße ist die Haupt sache nur mäßig, aber die Zutaten find mit viel Liebe und auch mit Glück gemacht. Die Zutaten verdienten den dauernden Applaus. Weniger der Tell, der ihn aber immer hat, wenn er Halbweg» laut schreit. Josef Krah6 kann sich in Rollen, die ihm nicht liegen — und er ist zu ge- glättet und zu weich für den Tell — von dem Alten burger Hostheater immer noch nicht losmachen. Er ist ein hoffähiger, aber durchaus unpersönlicher Tell, und es war sein Unglück, daß man Körner einige Tage vorher gesehen hatte. Körner war ein große» Naturkind, ein Hamsuuscher Einzelgänger, KrahS ist sentimental und viel zu zivilisiert. Mit Franz Stein verhält es sich so: er ist ein sanfter Träumer, sehr intellektuell, mit einer starken Begabung für Groteske, für Karikatur. Einen Bösewicht von schwacher Aktivität wie den Vlaloolio kann er wundervoll chargieren. Aber er kann einen gefährlichen, höchst aktiven Bösewicht nicht spielen. Es wird ihm ein Theaterböscwicht daraus. Sein Landvoyt hätte im Kaffeehaus sitzen, seltsame Ge dichte vorlesen und Kaffee verkehrt trinken können. Dazu spricht er in den Schweizer Bergen mit einer gepreßten Flüstcrstimme, die beinahe drollig, aber jedenfalls nicht furchteinflößend wirkt. Den Körner und den Schindler hat das Stadt theater voraus. Das übrige war an beiden Bühnen Mittelgut, und man könnte aus ihren Aufführungen noch nutzt eine zusammenstellcn, die in allen Einzel leistungen befriedigend würde. Das Stadttheater hat den „Tell" »u lange als Klassiker für die Jugend gehabt, das Swauspielhaus zu wenig Uebung für die Klassiker. Aber dos Schausvi'lhous bat den Franz Ritsche und von ihm die Schweiz. Keine Ansichtskarten- Schweiz, sondern eine wundervoll imaginäre. Wie eine mystische Kristolldnisc süssen den Hintergrund Ritsches Bergzocken an. Die Felsknlisien seiner Hohlen Gasse wuchten auf schwanker Leinwand wie Urgestein, und seine Stauffacher-Linde steht al« grüne Phantasieblume vor dem leuchtenden Gebirge. Diesen steinernen Garten Gottes, über dessen Valuta uns Arme heute kein Alpenvereinssteig mehr führt- einen Abend lang in seiner mächtigen Glorie auf Nitzfches Leinwarwen wieder zu erleben, war für mich der Sinn des Abends: „Tell" mit der Schweiz. Diehweqs „Tell", der „Tell" des Regisseurs, ist nicht so glorreich, sondern mehr idyllisch, von einer kräftigen, vielleicht ein bißchen zu sächsischen Gemüt- lichkeit. Gewissermaßen nicht „Wilhelm Tell", son dern „Papa Tell". Daß er Weib und Kind«c am Brunnen bespritzt, ist fast so wichtig wie der Apfel schuß. Das Kleinste, das bei Muttern bleibt, ver- dient sich einen Sonderapplaus. Auch die Prokla mation des Hutes wird zum Kinderstück, und die. Hutwächter werden vom Volke geneckt wie böse Niesen im Weihnachtsmärchen. Das alles und man- che« andere ist sehr nett und betulich gemacht, lenkt aber doch von der großen Hauptsache auf Neben- dinae ab, die dem Publikum nur um ihrer selbst willen behagen. Auf dem Rütli dagegen läßt Vieh- weg nach Hodlerischer Weise mit zwei erhobenen Händen im Halbrund schwören, was recht schön wirkt aber doch ein bißchen zu gestellt aussteht. Der junge Winds war bei seinen kärglicheren Bühnenbildern stärker in der Gruppenregie. Sowohl beim Apfel- schießen als auch in den kräftigen Ballungen des Rütli-, schwüre« und im Freiheitsrausch der hohlen Gasse. (Viehweg, der Idylliker, hatte den schöneren Hoch zeitsreigen.) Beide haben die Feuersignale auf den Bergen unterschlagen. Diehweg, der auf den Parricida lob- licherweise verzichtet, deutete sie wenigstens an. Daß er den zweideutigen Mitgfftyandel zwischen Bertha und Rudenz streicht, gefiele mir wohl, wenn er nur nicht den Gesinnungswandel des jungen Edelmannes dadurch völlig entmotiviert hätte. Im ganzen meine ich zur Dramaturgie des „Tell" was folgt: Wenn Gerhart Hauptmanns mutige Be arbeitung für das Theater der Sozietüre in Berlin als Buch erschienen wäre, dann Müßte man, welchen „Tell" die deutsche Bühn? von heute zu spielen hätte. Man mnß wohl ein Dichter sein, um einen Dichter zu streiche». Büchmann» Zitatenschatz und viele Treibhausblüten Schillerscher Rhetorik müssen fallen, die unntztzen Privatangelegenheiten mit sicherer Hand beschnitte« werden. Dann stehen fiel die Schweizer Berge und die Schweizer Männer, dann schwirrt der Schoß des Tell und di« Freiheitsfeuer leuchten auf den Bergen. Dann leuchtet eines — hoffentlich schöneren Tagen — uns diese» Fretheitsstück. ki«n» Veoes Kiekt»« Ostereier-vrSuche Osterei und Osterhase sind die beliebtesten Sinn- bilder de» Osterfestes und zugleich die rätselvollsten. Viele Mythen kennen dos Weltci, aus dem die Welt entstanden sein soll, und Eier wurden schon in alter Zeit als Sinnbilder der Auferstehung mit ins Grab gegeben. Das Ei erscheint als ein lebloses Ding, aber das Leben ist darin auf geheimnisvolle Weise »ingeschlossen, und so ist es Träger der Fruchtbarkeit, Ut aus diesem Grunde mit otner großen Anzahl von Fruchtbarkeit»- und Hochzeitszeremonirn verbunden. Als ähnliche» Symbol »ird auch der Hase aufzu fassen sein, und so wird es begreiflich, daß Li und Hase eine merkwürdige Verknüpfung ei.igingen und in den Krühltngsbräuchcn, die dos christliche Oster fest bereicherten, die Hauptrolle spielten. An diese volkstümlichen Symbole hat sich nun «ine Fülle von Bräuchen, Sitten und Spielen «agekchloflen. Die Kirche führte die Weihe der Eier al« der wichtigsten Osteftpeise ein. Besondere Kraft wird den Eiern zu geschrieben, die am Gründonnerstag gelegt sind. Di? Eier werden entweder früh morgens gegessen, wobei man die geweihten Eier zerschneidet und mit anderen ««einsam ißt, »der die Eiermahlzeit erfolgt in feierlicher Weise am Abend de» ersten Feiertages. In Böhmen tragen die Kinder dem Hausvater am Oster fonntag, wenn er von der Kirche heimkchrt, hart gesottene Eier, die sogenannten Antlaseicr, entgegen; er muß diese, am Wege stehen, mit der Schale ver zehren, damit sie ihm zum Segen gereichen. In an deren Gegenden wieder erhält jedes Kind am Oster morgen ein frische» rohes Li, wodurch ein früher Tod de». Kinde» verhindert wird. Lin anderem Glaub« ist, daß, wer am Ostermorgen nüchtern meh rere Eier ißt, ekin Fieber bekommen kann. Auch die Schalen haben ihre glückbringende Bedeutung. Man streut die Schalen aufs Feld oder in den Garten, mn ihnen Fruchtbarkeit zu verleihen, oder man wirft sie in den Brunne«. Dir Schalen der Ostereier wur den auch früber in Thüringen an kleines Fichten bäumchen nufgehängt, die das Osterfest verschönten, und wenn dann die Schalen abgenommen wurden, dann zertraten sie die Kinder tanzend unter großem Lärm. Es war da» der sogenannte „SommerpÄ". Noch anderwärt» bekommen die Kühe das Wasser, in dem die Ostereier gekocht wurden, al» Mittel gegen Krankheiten zum Trinken. Sarah Bernhardt» Bestattung. Aus Paris wird gemeldet: Die Beisetzung von Sarah Bernhardt hat vuf dem Friedhof Ptzre Lachaisc statt gefunden. Der Leichenzug bewegte sich durch einige Pariser Hauptstraßen. Auf dem ganzen Wege bildet« eine unoechcure Menschenmenge Spalier. Am offenen Grabe sand nur eine religiöse Feier statt. Reden wurden nach dem letzten Willen der Verstorbenen nicht gehalten. Rach der Beisetzung defilierten etwa MO 000 Menschen vor den Hinterbliebenen am Grabe. — In unserem Nekrolog auf Sarah Bernhard hieß es, daß die Künstlerin als glühende Chauvinistin Deutschland auf ihren Gastspielreisen nie berührt hat. Dazu wird uns von einem Leser geschrieben: Sarah Bernhard war in Deutschland, trat auch i» Leip zig mit ihrer eigenen Truppe an zwei Abenden auf, in der „Kameliendome" und in „Phädra"-, und zwar vor imgefähr 13 Jahren im Schauspielhaus. Bon Richard Wagner» „Liebesverbot", über dcsftn Erstaufführung in München wir ausfiihrlich berichtet haben, sind Textbuch und vollständiger Klavie r- auszug von Otto Singer (deutscher Text mit bei gedruckter englischer und französischer Uebertraymig» bei Brei tkopf L Härtel in Leipzig erschien-ui: das einführende Vorwort im Klnvicrausnig hat Micbael Balling geschrieben. Au» der Mufikwelt. Der Oratorienverein Meerane gab unter Leitung von Albert Kranz, Kantor der hiesigen Petcrskirche, einen Dolksliedcr- «bend (Tonsätzc moderner Meister). Der mitwirkeude Solist Rudolf Bockelmann errang mit Liedern von Schumann, Schubert und Balladen von Earl Löwe großen Erfolg. — Konzertmeister Hans Bäs se r m a n n wurde al» Lehrer für Violtttfpiel «m das Leipziger L»»4er»»t«er»M . ..
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