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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.03.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-03-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192303230
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230323
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230323
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-03
- Tag 1923-03-23
-
Monat
1923-03
-
Jahr
1923
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L Nr- N l^lprlger lagedlstt uoü »saäeLsrertuag krettss, ckea LS. LLL» Haltung gewohnt waren, nun plötzlich «ine sehr zielbewußte Sprache führt. Cs ist trotz allem sehr wenig wahrscheinlich, daß offizielle Besprechungen über die Gesamt probleme noch vor Ostern stattfinden werden. Man versichert hier, daß bei Gelegenheit der demnächst beginnenden Pariser Konferenz ent- scheidende Schritte in dieser Hinsicht getan wer den. Immer bestimmter wird auch die Ansicht vertreten, daß die Verhandlungen in der Ruhr« angrlegenheii sich zu einem allgemeinen Kongreß verbreitern werden, der sich zu einem Gegenstück von Versailles ge stalten würde. Tausende von Fäden spinnen sich tagtäglich hin und her, und die zahllosen Gerüchte, die sich auf den Boulevards und in den großen Zeitungs redaktionen jagen, sind ebensoviel« Anzeichen für die rastlose unterirdische Tätigkeit der wirt« schaftltchen und politischen Kreise. Die Lage erinnert an die Zeit, wo Wilson auf dem „George Washington" nach Europa unterwegs war und Freunde und Gegner sich zu seinem Empfange rüsteten. Nur die Programme find verschwommener, die Absichten und Ziele un» durchdringlicher. Aber das mag darin seinen Grund haben, daß auch die großen Persönlich keiten, die Wilsons und die Clemenceaus, die Träaer der Programme, nicht auf der Bühne sichtbar sind. . . . Im Kampfe gegen Vie Wahrheit Buer, 22. März Folgender Br fehl der französischen Besatzung wird im hiesigen Bezirk veröffentlicht: „Gewisse deutsch« Zeitungen verbreiten rein erfunden« (!) Nachrichten mit dem Zweck, der Bevölkerung klar zu machen, die Schuldigen an der Ermordung der französischen Offiziere in Buer seien französisch« Alpenjäger gewesen. Der kommandierende General des besetzten Gebietes der 47. Division wird künftig all» Personen zur Verantwortung ziehen, die Zet- tungen verkaufen, in welchen solche verlogene Mel- düngen al» wahrheitsgemäß wiedergegeben werben oder die im Besitze einer solchen Zeitung sind. Jeder Zeitungisverkäufer, jeder Inhaber eine» Zeitungs- lokale«, jede Person, die im Besitze einer ocr oben genannten Zeitungen befunden wird, wird wegen Brlridigunu der Brsatzungstruppen verhaftet und vor em Militärgericht gestellt werben." In Verfolg dieses Befehls wurden im Laufe de« gestrigen Tage» in Gladbeck und Bottropp von belgischen Patrouillen Straßenpassanlen nach Zei tungen durchsucht. Etwa 6V Personen, bet denen auswärtige verbotene Zeitungen voraefunden wurden, sind der Kommandantur in Gladbeck vor- geführt und in Haft gesetzt worden. * Es ist ein trauriges Armutszeugnis, das sich Vie Franzosen mit diesem Befehl ausstellen. Wenn sie die „Unschuld" der französischen Alpen« jäger nicht anders beweisen können als mit Massenverhaftungen von Leuten, die zufälliger weise Zeitungen mit anderslautenden Nach richten bei sich führen, so wird die Wahrheit sich behaupten, auch wenn sie künftighin täglich mehr al« 60 Personen dieserhalb vor das französische Militärgericht zitieren. Nächtliche Grenzsperre Otssnr» Draht»«,«chi»e« »«»»st,,er»««»t»iie» FrmlkfiM a. 22. März. Für d«n Sin- und Austritt au» dem besetzten in» unbesetzte Gebiet hat die Besatzungsbehörde al» Sanktion wegen der angeblich von Deutschen ver übten Anschläge gegen französischi- Soldaren die nächtlich» Derkehrssperre verhängt. Dies tst von einschneidender Bedeutung für den Frankfur ter Dirtschaftsbezirk «egen der vielen Wechsel beziehungen zwischen Frankfurt imd den Industrie- orten de» besetzten Gebiete». Biele tausend An gestellte und Arbeiter, die durch ihren Dienst ge zwungen sind, die Grenze in der Sperrzeit -wischen S Uhr abends und S Uhr moraen» zu überschreiten, müssen nun entweder in Frankfurt oder im besetzen Gebiet bleiben oder eiue andere Diensteinteilung vornehmen. Die Reichsbahnvcrwaltung bat bereit» im Nahverkehr eine Anzahl »on Nacht« und Morgen zügen ausfallen lasten. Di« V»satzung»brhörd«n haben di» Militärposten an der Grenz« außer ordentlich verstärken lasten, und fliegend« Streifen läng» der Grenzkordon» eingerichtet, die die Sperr« rücksichtslos durchführen. Haussuchungen bei der Veutschvölkischen Zreiheitrpartei Berlin, 22. März. Die Vernehmung de» verhafteten Freikorpsführer» Leutnant Roßbach hatte den Verdacht aufkommu» l lasten, daß auch die Deutschvölkische Frei« Sächsische Kuliurfragen Oie Keieriagsverordrura- im Reichstage — Llniverfitätsbauten im Landtage Oer neue Minister des Innern ruft: „Hasss Marrin Deutscher Reichstag »rav»*«rtchi unserer »rrttner «chrtftiettun, BorUu, 22. März. Im Reich»tag kamen heut» zwei Interp«lla« tionen über die sächsischen Feiertags erlasse zur Debatte. In der vom Zentrum gestellten Interpellation wird auf die sächsische Verordnung verwiesen, wonach an staatlich nicht anerkannten Feiertagen Lehrern und Schülern keine Unterrichtsbefreiuna zum Zwecke der Teilnahme an religiösen Feiertagrhandlunaen erteilt «erden soll. Ferner wird jede Art religiöser Beein flussung außerhalb de» Religionsunterricht» verboten uno die Zulässigkeit von Andachten und Gebeten auf die Religionsstunden beschränkt. Die Interpellation sieht in dieser Verordnung eine Verletzung der Reichsversassung und bittet, die bekenntnis treue Bevölkerung Sachsen» vor Vergewaltigung zu schützen. In der deutschnationalen Interpellation wird Protest erhoben gegen die Verwaltung»prari» in Sachsen, Thüringen und Braunschweig, wo di« religiöse Freiheit immer mehr gefährdet wird. Die Aenterumsinterpellation oearündet der Abgeordnete Marx. Er weist darauf hin, daß die beiden in Frage kommenden Verordnungen mittler weile durch eine neue ersetzt worden sind, die aus dir Verhandlungen der Reichsregierung mit Sachsen und Braunschweig zurückzuführen sei. Danach be halten sich die Länder die Befreiung vom Unterricht vor, und zwar kann auf Antrag de» Erziehungs berechtigten den Kindern Befreiung vom Unterricht erteilt werden. Schulfeiern sollen so gestaltet werden, daß alle Konfessionen daran teilnehmen könne,, und Befreiungen nicht stattzufinden brauchen. Diese neue Verordnung, so erklärte der Redner, ist allerding« ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem btsherig-n Zustande, aber sie genügt der katholischen Kirche auch noch nicht, denn die Katholiken müßten sich an ihren Feiertagen während de» ganzen Tage» einer religiö sen Sammlung hingeben können, und e» genüge also nicht, an einzelnen Stunden zur Teilnahme an Reli gionsfeiern befreit zu sein. Zugunsten der Minder- heit»schule in überwiegend katholischen Gemeinde» ,n der Krei»hauptmannschaft Bautzen werde eine Ausnahme gemacht, offenbar sollen aber alle andere» Schulen, z. B. die Gemeinschaft«- und die evangeli schen Schulen von der Verordnung getroffen werde,». Wir erwarten, daß nun auch noch da» letzte alt»- gemerzt wird, was in weiten Kreisen große Beun ruhigung hervorgerufen hat. Namentlich müssen jetzt auch alle Strafverfolgungen und Strafandrohun gen gegen die Kinder aufgehoben werden. Die sächsi schen Verordnungen verstoßen gegen die Rrich»ver« sassung, die di« Glauben»« und Gewissensfreiheit und die ungestörten Religtonsüvungen gewährleistet. Die katholische Bevölkerung wird jedenfalls dafür sorgen, daß weitere Trwissrnsbedrängni» von ihr ferngeyal ten wird, und dir Zentrumspartei wird nicht er müden, tn dieser B^iehuna bis zum Aeußersten vor« -»gehen und alle Rechte, dir gesetzlich den Minder heiten zustehen, auch tatsächlich zu wahre«. Darauf begründet Abg. Dr. Barth-Chemnitz die Interpellation der Deutschnationalen. Er er klärt, daß für seine Parteifreunde es sich nicht er übrigt habe, auf die religionsfeindlichen Erlaße der sächsischen Regierung, soweit sie seither aufgehoben sino^ einzugehen, denn die neue Verordnung der sächsischen Regierung komme wohl den Katholiken und Israeliten entgegen, aber nicht den evangelisch"» Volksteilen. Die evangelische Bevölkerung werde al» Staatsbürger minderen Recht» behandelt, (gustlm- mn»g recht», Widerspruch bei den Soz.) Durch dir neue Verordnung solle dm Katholiken und Israeliten der Mund gestopft werben, damit man bi« evange lische Einwohnerschaft um so ungestörter verprügeln könne. (Zurufe von d«a Soz.: Uneryörter SchwinoeU) (Die Sitzung dauert fort.) Sächsischer Landtag Drahtbertch» unserer Dresdner Schrtf»1e«»nn, Dresden, 22. Mürz. H«ut« wurde sachlich« Arbeit geleistet. Eine weiter« Kavikaldeteiliguna de» sächsischen Staates bei der Krastv-rkehrsaesellschaft Freistaat Sachsen m. b. H. m,t 12 Millionen Mark am Stammkapital und weiteren 1L Million«» Mark am Darlehnskapital wurde genehmigt. Zu den Kapiteln Landesgesimd« h«it»amt. Volksheilstellen, Lanoarmenwesen, Wohl- kahrtspflege, Fürsorgeerziehung und Kleinrentner- fürsorge wurden di, eingestellten Summen bewilligt. Abq. Gchneller (Komm.) begründete einen Minder- heitsantrag zum Kapitel Lanvarmenwesrn. wobei er sagte, da» Christentum habe seit Jahrhunderten nur dazu bclgetragen, da» Elend in der Welt zu steigern. Er rief mit diesen Motten sehr erregte Zwischenrufe von rechte hervor. Der Minderheitsantrag wurde gegen die Stimmen der Kommunisten «gelehnt. Dann wurde ein Schreiben de» Kultus ministerium«, betreffend die Fortführung begonnener Bauten bei der Universität Leipzig, behandelt. Abg. Pudor (Soz.) vertrat al» Berichterscatr.r einen Mehrheitsantrag, die Neubauten der veterinär medizinischen Institute der Universität Leipzig, der Professoren- und Beamtenwohnunassiedlung Leipzig unu des Flügels der Universitäts-Frauenklinik Leipzig sortzuflihren und die Regierung zu ersuchen, dem Landtag eine Gesamtüdcrsicht aller in Bau bc- griffen«« Staatsdauten und die dafür bisher aus- gewandten und voraussichtlich noch benötigten Mittel zu geben. Aba. Älrodt (Komm.) wies aus die in der Univer- sitäts-Frauenksinik zu Leipzig bestehenden, äußerst mißlichen Zustände hin und beantragte, die Re gierung Ku beauftragen, in der Universitäts-Frauen klinik Leipzig dahin zu wirken, daß bi» zur Fertig stellung de« kür diese in Au»führung befindlichen Neubaue» die Klasseneinteilung der einkommenden Frauen aufgehoben werd«, damit der zur Verfügung stehend? Raum bester au»grnui,t werden könne; ge- gedenenfall» solle wenigstens der Leiter der Klinik ermächtigt werden, einen Teil der Räume a» die allgemeine Frauenklinik abzutreten. Der kommunistische Eventualantrag wurde an genommen und ebenso der Mehrheitsantraa. Bei der Festsetzung der Tagesordnung der nächsten Sitzung durch den Präsidenten kam e» zu einem be zeichnenden Zwischenfall. Abg. Liebmann (Soz.) trat für rwchmaltge Au»- schußberatnng über da» an da» Textilforsclmngs- institut zu Dresden zu gebende Darlehen ein, weil über Persnoen zu sprechen sei, die der Rechten nahe ständen. Ci» Abgeordneter der Reichten rief: „Und vielleicht Ihnen, Herr Vllnister!" Abg. Liebmann entgegnete daraus erregt: „H a I t's Maul I" Dieser Zuruf des neuen Ministers des Innern rief große Unruhe im Hause hervor und veranlaßte Be- merkungen wie: „Das will ein Minister sein!" Abg. Schwarz (Soz.) rief: „Aber recht hat er!" Nächste Sitzung- Freitag, den 23. März, vor mittag» XIO Ühr. heitsparlei sich in ihren Betätigungen gegen das Gesetz zum Schutze der Republik vergehe. Dar aufhin hat die politische Abteiluna de» Berliner Polizeipräsidiums heute mittag cm Bureau der Deutschvölkischen Freiheitspartei eine Haussuchunz adgehalten und zahlreiche Schriftstücke, darunter den gesamten Briefwechsel, beschlaanadint. Belastende» Material gegen die Deutschvölkische Freiheitspat tot hat ferner die Vernehmung der Parteifreunde Roß vach» in Obrrschlesten ergeben. Lin mysteriöser Rttentatsplan Frankfurt a. M., 22. März. Ueber einen Attentatsplan in Verbindung mit Hochverrat weiß die Frankfurter Zeitung zu berich- ten. Danach befinden sich in Frankfurt seit einer Woche fünf Mitglieder des bekannten angeblich .vaterländischen" Bunde» „Blücher" in München in Haft und in gerichtlicher Untersuchung, nämlich der Leiter der Frankfurter Kreisstelle dr» Bundes, Alfons Bau, der stellvertretende Leiter, Student WaKi> Eberhardt, der Sekretär des Bunde» name.rs Hielle, der Kaufmann Karl Adolf Metzger und der Kauf mann Wilhelm Jakob Rullmann. „Rullmann, Hielle und Metzger wandten sich Ende Februar an den französischen Verbin dungsoffizier in Frankfurt, Kapitän de Po- marede, mit dem Vorschlag, sie wollten eine Syna - gogein die Luft sprengen, um dadurch Unruhen zu erregen. Die Franzosen sollten ihnen dafür Kraftwagen, Handgranaten und Geld mittel zur Verfügung stellen. Als Opfer de» Atten- tat« war die Synagoge im Westen Frankfurts, und zwar in der Königsteiner Straße, und als Tag der Ausführung der 3. März, das jüdische Purimfest, in Aussicht genommen. Die Verschwörer waren zuerst von einem Ver treter des Kapitäns de Pomaröde empfangen wor den, der sie auf den nächsten Tag bestellte, an dem sie ihre Pläne dem Kapitän persönlich vortrugen, der sich für den Versuch interessierte, in Frankfurt Unruhen zu erregen, und dadurch viel leicht auch für andere Teile Deutschlands das Signal zu Unruhen und -um Umsturz zu geben. Für das Weitere verwies de Pomaröde die Bündler nach Höchst a. M., wo sie sich an den Spezielkommistar namens Robert wenden sollten. In Höchst wurden sie zuerst von einem Vertreter Roberts empfangen, später von einem Kapitän Achtmann. Mit beiden Herren wurden die Pläne eingehend besprochen, auch an Hand von Lageskizzen der Frankfurter Synagoge. Zur endgültigen Abmachung wurden die drei Mitglieder des „Blüchcr"-Bundes für den nächsten Tag nach Mainz bestellt, wo sie sich anch pünktlich einfanden, aber eine wesentlich kühlere Aufnahme als bisher fanden. In der Zwischenzeit dürften die französischen Offiziere von der Festnahme d e r Münchner Mitglieder und Genossen dcs „Blücher"-Bnndee, der Berger, Fuchs, Machhaus nsw., Kenntnis erhalbcn haben, und so wurden die Frankfurter „Blücher"-Patrioten mit dem Bescheid, ihre Pläne seien nur eine Kinderei, wieder nach Hause geschickt. Vr. Luno's Appell an -en oberschleftschen Bergbau Eigener Dra btstr richt vr» LeipzigrrTagrblniir» vreSlau, 22. März. In der Frage des oberschlesischen Streiks hat Reichskanzler Dr. Cuno nach Oberschlesien folgendes Telegramm gerichtet: „Ohne zu den von hier nicht übersehbaren Einzelheiten der dorr entstandenen Streitfälle Stellung zu nehmen, bitte tch Sie, mit Rücksicht auf die außenpolitische Ge samtlage und inneren wirtschaftlichen Aus wirkungen dringend, sich dafür einzusetzen, daß über die das Arbeitsverhältnis betreffenden Streit fragen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Verhandlungen im Geiste dcs Leist ungs- willens alsbald ausgenommen werden. Von Bedingungen der schnellen Regelung hängt die Erhaltung der oberschlesischen Steinkohlenfördc- rung und die weitere Durchführung von Ueber- schichten in Niederschlesien ab." Westfalen im Kampf Don Mantreut Ssars Bochum, im Miirz. Es ist ein schweres Leben, das hier atmet, aber ein Leben voll Willen, voll eine» ganz tief aus dem ruhig stampfenden Herzen kommenden Willen», der westfälisch zah seinen Anteil an der Erde fordert. Da kommt ein Trauerzug über den Weg, ein kleiner Karren, Kranz-Schleifen flirren dürftig vom Sarg, ein paar blindgewichst» Zylinderhüte und eine zer knüllte Manttlle schlurren hinterher. Dann, im Takt, schwer genagelte Bergmannsschuhe, ein paar Pfarrer stiefeletten, dann nichts, und dann stehen am Graben rand vier hohe lederne Rettersttefel, diaugraue Röcke fallen darüber und Bajonette blitzen über die Schul ter empor in den Himmel. Das Oofer einer sinnlosen, französischen Offiziers kugel wird verscharrt. Während man dies begreift, begreift man zugleich, daß Mord nie Zufall ist, son dern ewig Menschenschuld, daß Waffendienst nichts ist al» Dienst am Sinnlosen, du Finger am Drücker — trifft es dich oder trifft e» mich — Verbrechen in jedem Fall. Mitten durch den Tag schwankt der Sarg. Und in der langen Postenkette, die er passiert, zittert manche Hand am geölten Lauf. Tod läßt jeden noch sich besinnen. Auf manchem Gesicht der fremden, jungen Soldaten malt sich ungewohnte» Nachdenken: für wen wird hier unser« Mensrdenehre geschändet?! * * Der deutsche Arbeiter trägt den Widerstand wie Atla» di« Welt aus seinem breiten Schultern. Mit klaräugiger Sicherheit scheidet er genau da» fremde Volk von den fremden Führern. Er weiß, daß die Tank» nicht der Arbeit de» fran»öfische« Bauern, sondern den Kasten der französischen Industriellen dienen. Er weiß, daß die Landsleute eine» Danton auch heute noch leben, und daß da» Geheul der Boulevardpreste und PoincarS» nicht di« einzig, Stimme Frankreich» ist. Ader wo er mit den Säbel helden (die, indem sie ein Schlachtschiff „Voltaire" taufen, glauben, die unio mvstica von Geist und und Ungeist hrrbeigefübrt zu haben) zusammentrifft, bringt er ihnen di« Sicherheit de» Waffenlosen ent- g vn. ^Oott fei Dank find wie waffenlos, aber wir sind nicht wehrlos!" hat in Uebereinstimmung mit seinen Kollegen der Derzarbeiterführer Husemann aus der Ministerkonserenz in Hamm gesagt. An dieser Einstellung auf da» innere Recht wird sich die nationalistische Energie de» Herrn Chauvin totlauftn. Immer wieder stoßen die fühlungsuchenden Parla mentäre der französischen Generäle auf den zähesten Widerstand. Als der Adjutant des Generals Odry in Dortmund den dortigen Führer der freien Ge werkschaften, Griittner, über die Stimmung der Ar beiterschaft ausholen wollte, entwickelte sich nach Aufzeichnungen des bekannten Schulreformers Appens folgendes Gespräch: 1. Frage de» Offiziers: „Ich möchte gern Aus- tunst über die Stimmung in der Arbeiterschaft." Kurze Antwort Grüttners: „Die Arbeiterschaft ist empört über ihren Einfall in friedliches Gebiet. Wir haben, um den Versailler Vertrag zu erfüllen, Ueber- schichten gemacht, jetzt kommen Sie und wollen noch niehr. Nehmen Sie sich in acht." Zweite Frage des Offizier»: „Haben Sie ge nügend Lebensmittel." Grüttners Antwort: „Bisher war die Ernährung de» deutschen Volke» schon kärg lich. Jetzt kommen Sie mit Ihrem Militär, daß eine Drohn«, ein Parasit für die schaffende Mensch heit ist." „Dir wollen Ihnen aber helfen," unterbricht der Offizier. Daraus wird die Antwort, in ihrer ganzen Formulierung typisch, besonders hart und scharf: „Der französische Militarismus kann und wird un» nicht helfen. Wir wollen noch weniger von ihm wissen, als von dem deutschen Militarismus, den wir los sind. Unsere Arbeiterschaft hat ein« jahrzehnte lange Schulung hinter sich, wir werden un» nicht um Ihr« Befehle kümmern, und Sie werden sich den Schädel einrennrn." * * Wie die prächtig» Haltung der Indufttie-Ardeiter- schäft sich auch in kleinen Fällen nicht verleugnet, zeigt ein anderer Vorfall in Dortmund, wo vor kur zem der Kommandant um 10 Uhr Straßenlchluh ein führen wollte. Die Gewerkschafren aber hatten am Abend sich im Stadttheatrr den ersten Teil des „Faust" bestellt, der erst um 11k Uhr au« sein konnte, woraus man dem Kommandanten anheimgab, sich am Schluß der Vorstellung mit einer Komvanir Soldaten «inzuftndrn, «m zweck« Berordnungrburch- führung das gesamte Publikum beim Nachhausegehen zu verhaften. Er fand sich aber nicht ein, und Dort mund ist vis heute ohne jede Verkehrsbeschränkung. * * * Mitunter geschieht es, daß sich zu den Bildern de» Kampfes und der täglichen Brutalitäten auch solche etwas heiterer Natur gesellen. Da wohnt der holländische Journalist K. in Düsseldorf im Hause einer hohen Kommission, die rechts und links, unten und oben vom Dach bis zum Keller aufs schärfste bewacht wird. Der Journalist K. hatte es verstanden, sich von der Telephonleitung — er war ursprünglich Techniker- — einen Draht abzuzweigen und hatte irgendwo einen Apparat aufgetrieben, mit dem er, es ist ja gleichgültig wie, nicht nur alle Gespräche abhörte, sondern sogar weitergab. Rechte neben ihm ' patzten Franzosen auf die Leitung auf. Links neben ihm taten sie das gleiche und in der Mitte saß er und telephonierte. Jeder: Vormittag um II Uhr. Gleichzeitig erschien sein Landsmann und Kollege F., angetan mit der Schürze eine» Auswäscher«, einem Eimer voll Wasser und einem großen Schrubber und begann, sowie K. drinnen Verbindung hatte, auf Teufel komm heraus draußen den Boden zu scheuern. Damit die Korridorwache nichts hörte, wenn K. drin nen bei schlechter Verständigung seine Meldungen lauter in den Apparat brüllen mußte. Bis es schließlich einmal durch Zufall herauskam. Der Per sonalausweis K.s wurde natürlich nicht erneuert. Solche kleinen Vorfälle sprechen sich natürlich rasch herum. Ebenso rasch wie der Witz von jener Begegnung eines Streckenwärters, der da auf dem Gleise einer militarisierten Strecke einen Mann quer über den Schienen liegen sieht. In der Rechten hält dieser ein Brot, in der linken ein« Wurst. Al» der Wärter ihn erstaunt fragt, was er hier denn mache, gesteht er, selbstmörderisch« Absichten zu haben. Der Streckenwärter darauf; „Ja, da» kann ja jeder nun halten wie er will, aber wozu brauchen Sie dann die Wurst und da» Brot?" Darauf der ander«: „Ja, glauben Sir denn, ich will verhungern, bi» der nächste Zug kommt? Lin Kalauer, der begreiflich wird, wenn man den Verkehr auf den von den Franzosen der all- gemeinen Benutzung «nttogenen Strecken mit anfleht. Denn dort kommt entweder gar kein Zug oder, wenn er kommt, so gelangt er mit SO Prozent Wahrschein lichkeit nicht cm sein Uel. _. Die deutschen «ebrauchographiter für de« Reichskunftwart. Mit Mühe und Not wurde unter dem Reichsinneilminister Koch vor Jahren die Amtsstelle des Reichskunstwarts begründet. Nie mand bezweifelt, daß sie notwendig war. Nie mand wird leugnen, daß Dr. Redslob in uner wüdlicher Tätigkeit Ausgezeichnetes geleistet har — soweit man ihm kreie Hand ließ. Aber das ist e» eben: man läßt ihm nicht freie Hand. Viel mehr sehen die meisten anderen Reichsstellen ge radezu einen Sport darin, dem Kunstwart Schwierigkeiten zu machen. Mit vollem Recht hat jetzt der „Bund Deutscher Ge- brauchsgraphtker" auf einer Tagung in Frankfurt a. M. eine Entschließung ver öffentlicht, die besonders RedslobS Bemühungen um eine künstlerische Reform der amtlichen Graphik anerkennt und zugleich energischen Einspruch dagegen erhebt, „daß diese ersten erfolgreichen Schritte Hemmungen finden, die der Tätigkeit des Reichskunstwarts von anderen Behörden entgegengesetzt werden". Man wird den Künstlern zustimmen, wenn sie es einen unhaltbaren Zustand nennen, daß sich „der Reichs kunstwart z. B gezwungen sieht, in der Presse zu erklären, daß er für die schlechte Gestaltung von Banknoten nicht verantwortlich gemacht werden könne, weil ihm jeglicher Einfluß vorenthalten wurde". Die Graphiker fordern, daß endlich dieser Reichszentralinstanz „ein wirklich bestimmender Einfluß" in derartigen Fragen eingeraumt werde. Man wird dieser Verlautbarung lebhaft zustimmen und der Hofs nuna Ausdruck geben, daß der eindringliche Ruf Gehör findet. Au» den Dtz«a>erbureaus «Städtische Bühnen.) In der Aufführung von „Wtldelin Tell'. Sonntag. 25. März, im Alren Theater sind neben kleineren Rollen folgend« gröbere neu befehl: Walter Fürst — Fritz Reifs: Melchtval — Rudolf Kornau: Rudenz — Lutz AltschUl; Johanne» Parricida — Eugen Aberer: die Staussacherin — Ttzessa Weck: Beith,? von Brune« - Tbea Kasten; Armgard — Margaretve Anton, Spiel leinmg: Dr. Adolf Winds. Anfang 7 Uhr. — In der .Tannhäufor'^lulMdrung am Sonntag. 2s. Mürz, fing i Erna Nau vom Lande-iheaier Neustrelitz die Sttsabe.tz als «staft auf «nfieunng. — Die Operette bringt als nächst« Neudril Sonnabend. 31. Mär,. .Di« Vaiavore- von «tnunerich Kalman mr Erstaufführung. Di« nächst«» Witderdolungen finden Donniaq, 1. April iOstersonntag), nnh Wioma», 2. «PM (Ostermontag). statt.
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