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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.03.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192303102
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230310
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230310
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-03
- Tag 1923-03-10
-
Monat
1923-03
-
Jahr
1923
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SEtt« 2 He. « L«lp«l0«e IMS HLaSeI»reltimg Vas wüten gegen Vie Zivilbevölkerung C l,e>er Drshtberich»»,»Let»s«ger La»«»»«"«» Essen, S. Marz. Die Verweigerung der elektrischen Stromversor gung nach dem Bahnhof von Oberhausen war heute zum zweitenmal Gegenstand einer Perhand- iung vor dem Kriegsgericht, das inzwischen von Bredeney nach Verden übergcsicdeit ist. Es handelt sich heute um den 2. Bürgermeister von Oberhausen. Er wurde zu 6 Monaten Gefängnis und 0 Millionen Mark Geldstrafe verurteilt. Da der Oberbürger meister von Buer wegen desselben Deliktes nur 200 000 Mark Geldstrafe erhalten hat, liegen hier ulso für dir gleiche Tat zwei weit auseinandergehende Urteile der französischen Kriegsgerichte vor. Ferner wurde heute vor dem Kriegsgericht in Perden gegen den Prinzen Friedrich Wilhelm zurLippe verhandelt wegen unerlaubten Waffen tragens, da bei dem Prinzen ein Totschläger ge funden worden war. Hierfür beantragte der An klagevertreter 2 Jahre Gefängnis und 10 Millionen Mark Geldstrafe. Das Urteil lautete auf 7 Mil lionen Mark Geldstrafe. Der Prinz wird erst nut der Hast entlassen, wenn diese Summe gezahlt ist. Die Gattin des Landrats Schwebe! in Meißenheim, der vom französischen Kriegs gericht in Mainz wegen Nichtbefolgung der neuen Ordonnanzen der Rheinlandkommission und wegen Beteiligung an einem Beamtcnprotest zu fünf Jahren Gefängnis und 15 Millionen Mark Geldstrafe verurteilt worden ist, wurde, uls sie den Berhandlungsraum betreten wollte, ausgewiesen „wegen Gefährdung der Sicherheit der Besatzungstruppen'. Es wurde ihr nicht mehr gestattet, der Verhandlung beizuwohnen und von ihrem Gatten Abschied zu nehmen. Auch ihre Bitte sic erst nach Meisenheim zurückzubringen, damit sic wenigstens ihre Kinder im Alter von zwei, vier und sechs Jahren abholen könne, fand kein Gehör. Sie wurde vielmehr sofort in einem Auw über die Grenze des besetzten Ge bietes gebracht. Die Rh oinlandkom Mission hat in den beiden letzten Tagen im altbesctzten Gebiet über 250 Personen, vdr allem Post- und Zoll beamte ausgewiesen. Die Zahl der Ausgewiesenen stellt sich nach den letzten vorliegenden Nachrichten auf 035 im altbesctzten Gebiet. Die Familie des vor drei Wochen aus Düsiel- dorf ausgewiesenen sozialdemokratischen Regierungs präsidenten Grützner hat heute ebenfalls den Ausweisungsbefehl erhalten und muß das besetzte Gebiet bis -nm Sonnabend dieser Woche verlassen. In der Verhandlung des belgischen Kriegsgerichts in Trefeld erklärte gestern ein Richter: „Die Zeit der Milde ist vorbei." Das Gericht fällte dem- entsprechend harte Urteile. Es standen tt. a. sechs Journalisten vor dem Gericht, die zu Strafen von ISS 000 Mark Geldstrafe bis zu 0 Monaten Gefäng nis und 100000 Mark Geldstrafe bei sofortiger Ver haftung bestraft wurden. In einem Falle wurde als strafverschärfend die Weigerung des Angeklagten be trachtet. den Namen des Verfassers eines Artikels anzugeden. Das Gericht erklärte. Kriegsrecht breche Presserecht. Landesverrat aus Profitgier Berlin, S. März. Es sind weiter die Namen folgender Firmen mit zuteilen, die trog der deutschen Warnungen mit den in französischem Interesse arbeitenden Ein- und Aue- suhrstellen Verbindung gesucht haben: Herrmann Jordan, Altmetall und Rohprodukte, WormS, ttümmererstrabe 6S. — Jos. Hünteler, Jmpon — Export Geisenheim a. Rh. — Wtrtwe E o.. synrd. Rodstetne, Idar Rahe. Haupisrratze 47. — Allgemeine LranSpongesellkvasl, vorm. Gondran» Mangil«, m. v. H.. Frankfurt a. M-, Kaisers lautern. — Chemische Fabrik Opladen, G. m. d. H., Opladen «Rhrinl.). — Ttandard- V r o n z e f a r b e n-W « r k e, Earl Eckart, Fürth «. «. - Peter Lamd « r», »r-tzyörUeeret, »tter a. y. Mosel, Gt. Marien. — Gerh. 8«uu,r». Gchuetyer» mrtstrr, M.-Giaobach, Gastyau«ftrad« SS. — Peter erst. Inh. Paul Gerft, «enrralvenrrier der Püh- Maschinenfabrik Gripner, «-P-. Durlach, «ach»», suchet 17 - .Neptun «', Ervedlti«, un» «ck-tssahr,, Mayener sspricd Main;!», Wiesbaden. — West- d»»1sch» Holjtnduftrle. ». H„ Sitz- n»d»l- «n» rischsabrtk Köln-BMUnSseld, Maar» v«> ISS. - Berthold KSYr 4» »«.. G. m. ». Stroh- u»d gilzhursadrik, WirSWweu. — Jacod Utntz, Buch und Steindrucke»«. Brie,. — I. B. «ltskv Deinkommission, Wietzbade», Franten- stratzc 22. — AuEuft Leeli», Aachen. Eine der bereit» genannten Firmen führt Klage darüber, daß ihr durch die öffentliche Brandmarkung das gesamte Leipziger Meßgeschäst verdorben sei. Es ist da» ein schönes Beispiel dafür, daß die Kauf mannschaft, insbesondere auch die des unbesetzten Ge bietes, Solidarität in dem un» aufgezwungenen Ab wehrkampfe wahrt. Wer verbotenerweise mit den französischen Behörden Außenhandelsgeschäfte mo wird da» Mehrfache der dabei erzielten Gewinne ein büßen, weil er seine übrige Kundschaft verliert. Vie Lüge von Ler Munitionrherstellung in Nutzland Dmhtberlcht unserer Verlt»»» Pchristlet,»»« Berlin, 9. März. - Französisch» und englische Blätter haben be haupte«. Krupp, Stinnes und Otto Wolff bereiteten auf Grund ihrer Verträge mit Rußland tu den Putilow-Werken Kriegsmaterial qor, da» später einmal Verwendung gegen Frankreich finden solle. Demgegenüber ist festzustellen, daß der russische Vertrag von Otto Wolff ein reiner Hgndrlovertrag ist, während Hugo Stinne», der nach der Entsendung seine» ersten Schiffe» nach Rußland in einen Konflikt mit der Sowjetrrgie- rung geraten war, jede weitere Verbindung mit Sowsetrußland abgeiehnt hat. Stinne» ist an industrielles Unternehmungen in Rußland über haupt nicht beteiligt. Der .Vertrag Krupp» end lich mit der Sowjetregierüng stellt eine rein land- wirtschaftliche Konzession dar. Der geistige Urheber diese» Vertrage» ist der ehemalige Krupp-Direktor und jetzige Botschafter in Washington W i e d^ feldt, der arundsätzlicb Pazifist ist und auch die völlige Umstellung der Kruppwerke auf reine Frie- denserzeugung durchgeführt hat. Dieser Kruppsche Vertrag mit Rußland ist in England finanziert worden, und eine englische Gesellschaft mit dem Sitz in London besitzt 75 Prozent de« Kapital». Schließlich ist es jedem Kenner der gegenwärtigen Wirtschastsverhältnisse Rußlands klar, daß die Her stellung von Munition in größeren Mengen äugen- blicklich in Rußland vollkommen unmöglich ist. Es gibt kein Eisen, keiye Transportmöglichkeiten, und es fehlt auch jede Möglichkeit, Unternehmungen, die für die Herstellung von Kriegsmaterial geeignet wären, auszubauen. Nie Verschwörung in Bayern Do stecke« die Orahizieher? Zu den bayrischen Putschpläaen wird un» von wohlinformierter Seite au» Bayern ge- schrieben: Die öffentliche Aufdeckung neuer bayrischer Putschpläne ist nur »ine Episode in der gefährlichen Entwicklung der verbrecherischen Bestrebungen, die in gewissen Kreisen bayrischer Katastrophenpolitiker seit langem gepflegt und bis aus diesen Tag weiter betrieben werden. Ganz offensichtlich hat man diesmal nur eine Anzahl Geschobener gefaßt, Schauspieler, G'schaftl- buber, harmlose Leute, die al» Einzelpersönlichkeiten ganz ungefährlich sind. Aber die offiziöse Deschwich- tigungsnote, daß alle jetzt Abgefaßten keinen partei politischen Organisationen angehören, ist, gelinde gesagt, irreführend. Denn jedes Kind in Bayern wciß, daß hinter diesen Geschobenen sehr potente, einflußreiche Männer stehen, unter denen Lylan- der und Ludendorff die bekanntesten sind. Die Bestrebungen gehen auf Losreißung Bayerns vom Reich und Vereinigung mit Tirol hinaus. So wird augenblicklich wieder ein „großer Schlag' für nächste Woche angckündigt. Bewußte Uebertrribüngen und falsche Gerüchte sollen die allgemeine Nervosität steigern. Natürlich könnte die bayerische Regierung mit einem Male Beruhigung schaffen, wenn sie sich zu einer ganz klaren Stellungnahme und zu rück sichtslosem Durchgreifen gegen dir Geheimbündelei rntschiießen wollte. Don unserer Berliner Schriftleitung erfahren wir hierzu noch: lieber die Angelegenheit de» Münchener Ver schwörung sind heute einige Meldungen über die neuen Untersuchungen der bayrischen Polizei ein getroffen. Danach verfolgt die bayrische Polizei jetzt mir großer Aufmerksamkeit alle Zeichen, die auf die Spuren der Hintermänner der Verschwörung führen könnten, und es stehl bereits fest, daß hinter der Ver schwörung französische Persönlichkeiten gestanden haben, vor allem der ehemalige französische Gesandte in München, AllizS, und natürlich auch der jetzige französische Gesandte in München Dard hat um diese Sache gewußt. Dagegen hat die, polizeiliche Vernehmung des Grafen Dothmer bisher keine An haltspunkte für dessen Beteiligung oder dessen Ver mittelung ergeben. Man wird dar Ergebnis der Untersuchung ab warten müssen um feststellen zu können, inwieweit die Verschwörer auf eine Unterstützung Frankreichs gerechnet haben. Heute ist eine neue Verbaftung er folgt, und zwar die Verhaftung des Kohlengroßhänd lers Munk, eines Mannes tschechoslowakischer Her kunft. Wie schon gemeldet, sollen die Verschwörer für den Fall einer bayrischen Separation auch aus der Tschechoslowakei Rückenstärkung in der Kohlenver- sorgung gesucht haben; dazu verlautet noch, daß die Aufdeckung des ganzen Komplotts von dem Kohlen syndikat ausgegangen ist, das von den verdächtigen Kohlenverhandlungen der Putschisten Kenntnis er halten hatte. politische Gernegrohe rratzibericht «vserer Berttver «chrtftleituui Berlin, S. März. Die DeutfchvSlkische Freiheitspartei Hot wieder einmal eine „Fahnenübergabe' ver- ' onstaltet, die mit dem üblichen rassereinen Patriotis mus verlief. Frau Marie Diers bewährte sich al» Dibelausleqerin und machte den deutschen Frauen und Mädchen klar, daß Jesus ja nicht nur die Worte „Liebet eure Feinde' gepredigt habe, sondern auch das andere Wort: „Bringet meine Feinde her und erwürgt sie vor meinen Augen.' Der Major a. D. Henning stellte die mammonistische jüdische Welt anschauung der idealistischen germanischen gegenüber und wies in einem „geschichtlichen' Rückblick nach, daß olle Kultur von den Germanen befruchtet worden und daß auch Christus ein Germane gewesen sei. Dann proklamierte er die neue „Hermannschlacht', die auch ohne Wehr geschlagen werden könne. Aber vorher will Herr Major Henning noch Deutschland von allem Schlechten und besonders von dem inter nationalen Judentum säubern, und dann „wollen wir un» wieder unseren Hindenburg und unseren Luden- dorff Halen'. kLang anhaltender, stürmischer Beifall.) Lin Toter und ein Halber Rentnerschicksal von Hnckrau« Im Hotelzimmer, unmittelbar anstoßend an das meine, nur durch die übliche, notdürftig verbarri kadierte Verbindungstür von mir getrennt, ist ein Mensch unbemerkt an meiner Seite — verhungert. Derartige Fälle sind längst keine Seltenheit mehr in Oesterreich und Deutschland; die Zeitungen haben nur zwei, drei Zeilen übrig für Selbstmörder, tue vor Nahrungssorgen den Schutz im Tode suchen, und der vielen, die in Armenhäusern, Invaliden- und Altersheimen an der Unzulänglichkeit ihrer Pfrün den, Renten und Stiftungen zugrunde gehen, wird gar keine Erwähnung mehr getan. Es ist klar, daß die Menschen, die ihr Alter auf Grund des früheren Geldwerte» versorgt hatten, und mit einem Tages budget von »in gen Kronen oder Mark schön fried lich dem Tode entgegenzuwelken dachten, heute nicht einmal ein einzige» Scheit Holz in ihren Ofin schieben, nicht einmal eine Scheibe Brot sich täglich leisten können. Wie die Fliegen im Herbst kühlen sie ihre Kräfte schwinden, torkeln, solange es irgend geht, als Bettler durch die Straßen und werden dann auf einem trabenden schwarzen Wagen, der e» lehr eilig hat, hinausgefahren und zornig verscharrt; denn jede solche Beerdigung bedeutet einen Minus posten im städtischen Haushalt, und man liebt die Menschen nicht, die ihren Zeitgenossen selbst in Tode nock znr Last fallen. In einem besseren Stadthotel aber, wenige Schritte weit vom Restaurant, das seine Düfte durch alle Etagen ziehen läßt, nur mit unsichtbaren Willens fäden sich an» Bett hinbindcn, und seine Absicht am zwölften Tage erst verraten, da keine ärztlich« Kunst sie mehr vereiteln kann — diese heroische Art sich zurückzuziehen, verdient einen Nachruf, auch wenn der Verhungerte nicht mein Zimmernachbar gewesen wäre. Keinen Todfeind hätte der alte Herr mit gleicher Unerbittlichkeit leiden und zugrunde gehen lassen al« sich selbst — und doch hat er es sicherlich mit nie mandem besser gemeint, als seinem eigenen Ich. Die Erklärung ist: daß sein» Phantasie das Schicksal, da» ihm bevorstand, und dem er sich entzog, schreck ¬ hafter ansmalte, als das Verhungern, seine Angst vor der Armut weit größer war als seine Furcht vor dem Tode. Diese Krankheit, von den Aerzten .Rentnerpsychose' genannt, hat in diesen- Nachkriegsjahren wie eine Seuche das Alter über fallen, das durch die Geldentwertung sich um den Sinn seines Leben» betrogen sieht. Tag für Tag die nöligen Banknoten der Brieftasche entnehmen, im ruhigen Bewußtein: daß die gepflückten Früchte pünktlich nachwachsen, wie Abfluß und Zufluß im Decken eines Springbrunnen», Verbrauch und Zinsen zuwachs sich genau die Wage halten, da» ist .Rente', das geheiligte Ziel jedes Bürgerdasrin», dre», und nur die» ist „Ordnung', versorgte» Alter, Sicherheit. Für diese Menschensorte war der alte Herr, dessen Hungertod gleich einer Fackel in die Abgründe der Rentnerpsychose leuchtet, eia Schulbeispiel. Gr besaß drei große Hauser in Wien, die ihn bi» 1218 gut ernährt hatten, seitdem ober al» Lebensunterhylt gar nicht mehr in Frage kamen. Durch Arbeit di« Einnahmen mehren konnte der siebzigjährige, stock taube Mann nscht; blieb die zweite Lösung:' eine» der drei Häuser verkaufen und den Ertrag in Tage»- rationcn geteilt langsam verbrauchen; für einen Siebziger ohne jeden Anhang wahrlich keine uner trägliche Perspektive, wenn man sie nicht mit Rent neraugen sieht. Da» wäre aber ein Anschneiden des Kapital», und da» ist für einen Mensch«», der im Glauben an dessen Unantastbarkeit ausgewachsen, ein Umweg nur zum Hungertod, der Anfang vom Ende, keine Lösung, sondern eine Galgenfrist, eia wahn sinnig selbstmörderische» Unternehmen, wie da» Be nutzen einer Lawine al» Verkehrsmittel. Er ver suchte e» also mit dem einzigen Dege, der für ihn gangbar war: er tat alle», um da» Budget seinen Einnahmen anzupassen, mit einem Zwanztgtausendstel seiner Friedensbebürsnisse sein Au»kommea zu fin den. Wie ein« tolle Meute kreiste die Teuerung ihn immer enger ein, fraß ihm da» Abendessen weg, dann auch da» Frühstück, reduzierte die einzig« Mahlzeit de» Tage» aus »ine Portion Kartoffeln, zwang ihn, an kaltes Tag«a Im Bett zu bleibtn, um da» Heiken zu sparen, zog da» Nachthemd von dem schlotternden Knochenleib, weil auch der Wäscher sich zu de» Tod feinden gesellt«. — — Welcher Kamps vier Jahre lang, welche» Wüten gegen da» eigene Ich, bloß um den heiligen Stamm, oer die Zinsen trägt, nicht an tasten zu müssen! . . , Als man die gewichtlose Leiche mit der in Gast höfen üblichen Diskretion aus dem Hause schmuggelte, stand in der Dunkelheit ein zerlumpter Mann vor dem Hoteleingang, den langen grauen Bart mit Eis perlen besät, zitternd in seiner mangelhaften Klei dung. Seit Monaten steht dieser Bettler allabend lich an der gleichen Stelle, in Erwartung von Orts fremden, die, verblüfft über das merkwürdig kulfi- vierte Gesicht, ein außergewöhnliches Almosen sich entreißen lassen. Denn die Stadt selbst, die dieses Gesicht in der Freude gekannt, den Bettler im eigenen Auto durch die Straßen rollen gesehen hat, ist an den Anblick schon gewöhnt. Man erzählt es »7 en, daß der Mann an der Ecke Besitzer eine» ansehn lichen Industrieunternehmens gewesen war, das er 1919 gegen »ine schöne Lebensrente verkauft hatte, um sich ganz dem Glück widmen zu können, da» ihm eine zweite, mit 60 Jahren geschlossene Ehe ver sprach. Die Rente geht auch pünktlich ein und reicht gerade au», um ihn und sein Weib einmal im Jahre zu sättigen. Für die restlichen Tage muß er die Nahrung zu erbetteln suchen. E» war ein nachdenklicher Augenblick, als der freiwillig Verhungerte an diesem lebendig Toten vorbeigetragen wurde — zwei Schicksale, die sich er gänzten! Denn einzig die Angst, solch ein Bettler zu werden, hatte den armen- Hausbesitzer 'N den Hungertod getrieben, und di» schlotternde Jammer gestalt vor dem Tos« ist seine Rechtfertigung So eilt Wohlstand an hohlen Händen vorbei. Statt zur Freigebigkeit zu reizen, wie «» seine Absicht, regt der verarmte Rentner die ängstlich, Ichsucht der Passanten an; sie betasten liebevoll die Brieftasche an ihrer Brust, noch eifersüchtiger auf ihren Besitz, al» hätten sie eine Warnungstafel gesttrist, di« ,» nicht vergessen läßt, daß der Mensch nur eine Bruch zahl ^st^ienieden, mit der Summ« seine» Vermögen» So hatte auch der alt« Mann, der lieber an seinem Leben al» an seinem Kavital sich vergriff, am frem den Elend sich vorbeigrdrückt em ganze» Rentner dasein lang. Er blieb konsequent, solidarisch mit seinem Kapital auch gegen sich selbst; opferte stch für die Erkaltung seiae« Vermögen», ehe er 0a» Vermögen für seinen Unterhalt opfert«. Der andere an der Ecke ist «in trauriger Deserteur, bereit, sein Eigentum zu überleben, also kein echte« Rentnerblur dem Besitz und Leben untrennbar sind. 6«» 10. LLrR Meine politische Nachrichten In einem Schreiben an den Direktor de» Meß amt» Dr. Köhler sagt der Reichspräsident Ebert über die Leipziger Arühjahr»»esse 1928, die dort erhaltenen Eindrücke hätten ihn von neuem in der Ueberzeugung bestärkt, daß dl« deutsche Wirtschaft auch über die gegenwärtige, von außen in uns hineingetragene Krise Hinwegkommen wird, und daß gerade in Zeiten wie der gegen wärtigen sich die Bedeutung der Messe im In- u iü Auslande in besonderem Maße zeigt. * Der Bayrische Landtag genehmigte am Freitag mit den Stimmen der bürgerlichen Par teien in namentlicher Abstimmung mit 92 gegen 26 Stimmen die Vorlage der Staatsregierung be treffend Abfindung des Königshauses. Präsident Königbauer gedachte unter dem Beifall der bürgerlichen Parteien nach der Abstimmung de» Wirkens der Wittelsbacher für Volk und Land. * Durch die Stillegung des Eisenbahn betriebe» in der Pfalz ist der Güterverkehr vollständig lahmgelegt worden. Eine der unange nehmsten Folgen ist die, daß die Kohlenvorräte stark zur Neige gehen und dadurch die Pfalzwerke, die die gesamte Pfalz mit elektrischer Kraft und elektriimem Licht versorgen, stark in Mitleidenschaft gezogen sind. * . Die dänischen Sozialdemokraten haben beschlossen, anstatt der ursprünglich in Aussicht genommenen 1000 Kinder jetzt 2000 Kinder au« dem Ruhrgebiet auf die Dauer von drei Monaten in Dänemark unterzubringen. ' Eine Verordnung der schlesischen Woiwodschaft verfügt die Einführung der polnischen Mark als zweites Zahlungsmittel in Polnisch - O b e r - schlesirn. , . * Ein Dries Lloyd Georges erregt in London Aussehen, in dem er versichert, er beabsichtige nicht die Bildung einer neuen Zentrumspartei, und ferner Asquith «inlädt, gemeinsam mit ihm über die besten Methoden einer Wiedervereini gung derbeiden liberalen Parteien zu beraten. Zn Brüssel ist man einem kommunisti schen. Komplott gegen die Sicherheit des Staates auf die Spur gekommen, lieber 40 Führer der Kommunistischen Partei, darunter zwei Frauen, sind in Brüssel, Antwerpen, Lüttich, Charleror unä Gent festgenommen worden. * Die britische Regierung hat ein Blau- buch über die Lausanner Konferenz veröffent licht. - ' . ", * . >7.7^ Wie aus Nizza gemeldet wirb, ist der Zustand der Königinwitwe Mylena vou Monte negro hoffnungslos. Exkönigin Mylena, die jetzt 76 Jahre alt ist, war seit 1860 die Gattin de» König» Nikolaus. 1916 mußte sie zusammen mit ihm in« Exil gehen, zuerst nach Italien und dann an die Riviera. O Die Aussichten für die Bildung eines neuen Block» der polnischen Rechtsparteien scheinen gesichert, und es bandelt sich augenblicklich nur noch um die Personensrage. Wenn diese Kom bination wirklich zustandekommen sollte, würde der Sturz de» Kabinett» Sikorski nicht mehr aufi zuholten sein. 2 ! In Jugoslawien werden sechs Stationen drahtloser Telegraphie für den Verkehr mit Europa errichtet. Ei» Lehrstuhl für Dramaturgie in Jena. Dem Professor an der Universität Jena und Theaterinten danten a. D. Dr. H. Dinger ist von der thüringischen Regierung ein Lehrauftrag für Dramaturgie (Theaterwissenschaft) erteilt worden. Der Genannte ist der erste Universitätsdozent gewesen, der seit Be ginn seiner Lehrtätigkeit unermüdlich für die Gleich berechtigung der dramatischen Kunst mit den anderen Künsten eingetreten ist und sie auch praktisch lehrte; sein Werk: „Dramaturgie al» Wissenschaft' ist grund legend für diese Forderung. Professor Dr. Dinger hat auch seinerzeit die Hochschulkurse für dramatische Kunst in» Leben gerufen, die nach dem Kriege erfolg reich wieder ausgenommen worden sind und vom thüringischen Ministerium für Volksbildung gefördert werden; auch der Deutsche Bühnenverein, die Ge nossenschaft deutscher Bichnenangehörlger und die Vereinigung künstlerischer Bühnenleiter haben d,e Kurse von Ansang an unterstützt, die mit bedeuten den Erweiterungen fortgesetzt werden sollen. Tb« Lueüsn Kovlose. Unter diesem Titel er- scheint in Jena eine Monatsschrift in englischer Sprache. Ihr Ziel ist, als Organ des vor einigen Jahren gegründeten Eucken-Bunde», im Geiste unv mit Hilfe der Euckenschen Philosophie an der Lösung der Lebensprobleme der Gegenwart, unv zwar nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika, Ostafien und Indien teilzunehmen. Herausgeber der Zeitschrift ist Dr. G. Meyer-Lingen in Jena. Si»u«»üb«u-. Der Herr Schulrat kommt In eine untere Klaffe einer Volksschule zur Besichtigung, so erzählt Martin Proskauer in seiner Humoresken- sammlung „Ich diktiere meiner Frau.' „Pflegen Sie auch die Beobachtungsgabe der Kinder?' fragt er die Lehrerin, Da« Fräulein muß die Achseln zucken. „Das ist überaus wichtig,' sagt der Schulrat. „Die Sinne müssen geübt werden. Ich werde Ihnen das an einem Beispiel zeigen!' Run wendet er sich an die Kinder: „Also macht mal eure Augen fest zu — und dann fitzt ganz still.' Dir Kinder kneifen die Augen zu. Der Herr Schulrat stößt einen kurzen Ton au», halb ein gischen und halb ein Pfiff, und fragt triumphierend: „Wa» habe ich eben gemacht?' Die Kinder reißen die Augen auf und sehen verwundert drein. Da meldet sich »in Kerlchen von der letztes Dank: „Sie Ham det Frollrin 'n Kuß gegeben.'
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