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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.03.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192303099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230309
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230309
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-03
- Tag 1923-03-09
-
Monat
1923-03
-
Jahr
1923
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§EttM A Nr. A9 > . . I^lprlger DLgedlLtt uad kLackelsLeiluog Kundgebungen für die Reichrregierung Verli», 8. März. Dem Reichskanzler gehen Tag für Tag au« den, ganzen Reiche Kundgebungen zu, in denen unter Protest gegen die französische Gewaltpolitik den deutschen Brüdern und Schwestern an der Ruhr, am Rhein und an der Saar Dank und Bewunderung für ihr treue» und heldenhafte» Aushalten und gleichzeitig das Gelöbnis ausgesprochen wird, daß da» ganze deutsche Volk hinter ihnen steht und lieber jetzt da» Schwere ertragen, als ein Leben unter der Sklavenpcitsche Frankreichs führen will. Auch von zahlreichen deutschen Verbänden im Aus lande wird die Reichsregierung telegraphisch oder brieflich aufgefordert, in ihrem Widerstande zu ver harren. Das Vertrauen des Volkes, das in diesen AeuHerungen zum Ausdruck kommt, ist der Reichs regierung eine wertvolle Stütze in dcsn Kampfe gegen den fremden Unterdrückungswillen. Zur Auflösung üer Reichsfchatzmimsteriums Berlin, 8. Mär-. Zur Auflösung des Reichsschahministeriums ver lautet, daß die bisher von diesem erledigten Arbeiten auf andere Rcichsministerien, hauptsächlich das Reichswirtschaftsministkiium und da» Ministe rium de» Innern verteilt werden. Die von der Industrieabteilung des Reichsschahministeriums ver walteten Vermögenswerte des Reiches sollen auf eine A.-G. übertragen werden. Die Gründung dieser Gesellschaft, die den Namen «Vereinigte Industrie-Unter nehmungen A.-G/ er kalten soll, erfolgt durch das Reich und die vier großen Gesellschaften: die Deutschen Werke, die jLlektro-Derke, die Vereinigten Aluminium-Werke und die Reichskreditgesellschast, deren Kapital aus schließlich dem Reiche gehört. Meine politische Nachrichten Der Prüfungsausschuß des sächsischen Landtags hat beschlossen, der Regierung eine Eingabe des Präsidiums des Evangelischen Bundes als Mate rial zu überweisen, wonach bei der Reichsregierung dahingehend Vorstellung erhoben werden soll, daß durch das bevorstehende Konkordat die Staatshoheit nicht berührt, die Rechte Andersgläubiger nicht beeinträchtigt und der lon- fessionelle Friede nicht gefährdet wirdq. * Nach Warschauer Blättermeldunyen scheint cs sich trotz aller amtlichen Dementis zu bestätigen, daß der Berliner polnische Gesandte Minister Madeyski, über dessen Rückrrittsabsichten schon vor einigen Wochen gerüchtweise gesprochen wurde, seinen Posten niederlegen wird. Als Nach folger wird der bisherige Geschäftsträger in Memel Szarota, vormals polnischer Gesandter in Wien, genannt. * Der französische Kriegsminister Maginot hatte kürzlich in d-^ Kammer behauptet, die Firma Krupp in Essen befasse sich in Rußland mit der Herstellung von Kriegsmaterial. Die Firma Krupp stellt demgegenüber fest, daß sie weder mittelbar noch un mittelbar in irgendeiner Weise oder zu irgendeiner Zeit nach dem Kriege sich mit der Herstellung von Kriegsmaterial in Rußland besaßt habe. Es hätten auch keine Verhandlungen darüber mit der Sowjet regierung oder sonst jemand stattgesundcn. * Die französische Kammer lehnte einen Initiativantrag auf Herabsetzung der Zahl der Abgeordneten, der wegen der von einem Ausschuß ausgcarbeiteten Abänderung des Wahl gesetzes vom Juli 191V eingebracht worden war, ab. * Nach ungeheuren Lärmszencn und gegen die Stimmen selbst der tschechoslowakischen Kommunisti schen Partei hat das Prager Abgeordnetenhaus das Schutzgesctz der Republik in erster Lesung angenommen. Wie aus Kairo gemeldet wird, bedroht ein Erlaß Personen, die sich im Besitze von Explosions- «SSSSSSSSSSSSSSWEWW—SSW—»SS——-S-S- stoffen oder Bomben befinden, mit kriegsgericht licher Verurteilung und Todesstrafe. Au», genommen sind Personen, welche di, in ihrem Be sitze befindlichen Explosivstoffe und Bomben di» zum 8. März abllrfern. Militär und Polizei werden ermächtigt, Hauser und Schiffe zu durchsuchen. Vie Münchner Verschwörung München, 8. März. Wie amtlich mitgeteiit wird, beruht die Nachricht, wonach im Zusammenhang mit der aufgedeckten Verschwörung gegen die bayrische Verfassung auch Graf Bothmer, der frühere Vor sitzende der Bayrischen Königspartei, festgenommen worden sein soll, nicht auf Wahrheit. Eb.enso ist es nicht richtig, daß die Beschuldigten mit Unterstützung einer feindlichen Macht di» Loslösung Bayerns vom Reich angestrebt hätten. Sie sind zwar mit einer Persönlichkeit einer solchen Macht in» Benehmen getreten, es handelt sich aber scheinbar dabei nur um eine Neutralisierung Bayern» bei einer etwaigen B o l s ch e w i s i er u n g des deutschen Nordens. Richtig ist, daß hinter der ganzen Sache keine irgendwie bedeutsame poli tische Persönlichkeit oder gar eine Organisation steht. e» Wie die Münchner Post heute mitteilt, hat der frühere Ministerpräsident Dr. v. Kahr den Vor- Wie bereits gemeldet, wird sich der im Rathenau- Prozeß zu drei Jahren Gefängnis verurteilte Ka pitän a. D. KarlTillessen demnächst zusammen mit mehreren anderen Personen unter der Anklage der versuchten Gefangenenbefreiung zu verantworten haben. Aus der Anklage geht über den gergde-u abenteuerlichen Versuch, die in den sogenannten Ariegsbeschuldigtenprozessen vor dem Reichsgericht zu Gcst.ngnisstrafen verurteilten Oberleutnant» zur See Boldt und Dittmar aus der Leipziger G e f a n g e n a n ft a l t zu befreien, folgende» hervor: Die beiden Seeoffiziere waren nach Beendigung ihrer Prozesse in die Gefangenanstalt II in der Bccthovenstraße in Leipzig ükergeführt worden, da Obcrreichsanwalt Ebermeyer noch keine Verfügung darüber getroffen hatte, wo die beiden Verurteilten ihre Strafe verbüßen sollten. In Kreisen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, deutsche Gefangene zu befreien, die in den besetzten Gebieten von den Franzosen oder Belgiern gefangengehalten wurden oder die auf Betreiben der Entente von deutschen Ge richten verurteilt worden waren, faßte man nun auch den Entschluß, Boldt und Dittmar noch vor Antritt ihrer Strafe aus Leipzig zu entführen. Zu diesem Personentreis gehörte auch Kapitän Tillesien, der zu diesem Zweck nach Berlin gekommen war und hier mit seinen Freunden über die Ausführung des nia.t ungefährlichen Abenteuers beriet. Da man mit Ge walt nichts ausrichten zu können glaubte, und da zudem schnell gehandelt werden mußte, entschloß man sich, unter amtlicher Maske Boldt und Dittmar ans dem Leipziger Untersuchungsgefängnis herauszuholen. Von der inzwischen aufgelösten «Hundertschaft z. b. V." in Berlin, die be kanntlich in der Schloßkaserne in Lharlottenburg untergebracht war, verschaffte man sich einen starken Personenkraftwagen mit ausreichender Ersatz bereifung, ferner Offiziers- und Wachtmeister uniformen der Schutzpolizei, Revolver, Karabiner und Ausrüstungsstücke. Tillesien und seine Freunde legten die Uniformen an und gewannen auch einen zuverlässigen Thaffeur, der ebenfalls in Uniform ge steckt wurde. Kurz nach Verkündung des Urteils in Leipzig rief Tillesien von Berlin aus telephonisch die G - fangenanstalt II in Leipzig an, meldete sich dort als Offizier des Kommandos der Schutzpolizei in Berlin und teilte dem Direktor der Strafanstalt mit, daß in höherem Auftrag die beiden Gefangenen am nächsten Tage durch ein Berliner Auto der Schutzpolizei ab geholt werden sollten, da in Leipzig nach Mit ¬ fitz der vaterländischen Verbände nirdergelcgt. Das Blatt bringt diese Nachricht im Zusammenhänge mit der Meldung über di, Münchner Verschwörung. Wie wir erfahren, datiert jedoch der Rücktritt d«s Herrn v. Kahr schon Monat« zurück. „Hectors Abschied" Slge»er Drahtderich» de» Keipzi»«r Tasedlntte» Saarbrücken, 8. März. Die Schlußverhandlung im Prozeß Dr. Hector argen den politischen Redakteur der Saarbrücker Zeitung Franke war nur von kurzer Dauer. Den als Zeugen geladenen Beamten, dem Generalsekretär Piaurtc« und Inspektor Hretzler, wurde vom Präsi denten der Regierungskommission die Erlaubnis zur Aussage nicht erteilt. Hector hat seinen Straf antrag zurückgezogen; diese Erklärung löste im Saale eine starke Bewegung cuns. Der dritte Brief, der eine neue Ergebenheitserklärung Dr. Hec tor» Frankreich gegenüber enthielt, ist aufgefunden worden. Dir Kosten einschließlich der Verteidigung Frenkes gehen zu Lasten Dr. Hectors. Die Verteidi ger des Angeklagten Franke konnten zum Schluffe noch hervorheben, daß er den Saal in dem stolzen Bewußt sein verlasse, dem Deutschtum und der Saarbevölke- ruug einen großen Dienst erwiesen zu haben. teilungen der politischen Behörden kommunistische Unruhen drohten und deshalb die Sicherheit der beiden Gefangenen gefährdet sei. Die Direktion der Gefangenanstalt H schöpfte jedoch Verdacht und wandte sich an Oberreichsanwalt Ebermeyer m:r der Frage, ob ihm von der Ueberführung Boldts und Dittmars nach Berlin etwas bekannt sei. Der Oberreichsanwalt verneinte das und gab sofort An weisung, alle notwendigen Maßnahmen zur Ver hütung etwaiger Befreiungsversuche zu treffen. Daraufhin erhielt die Strafanstalt in der Beethoven- straße einen besonderen Schutz durch ein starkes Kommando der Landespolizei. Am Vormittag des folgenden Tages suhr am Portal der Anstalt auch richtig ein Kraftwaaen der Berliner Schutz polizei vvr, in dem sich außer einem Offizier mehrere .Beamte" in Uniform und mit Karabinern bewaffnet befanden. Der Offizier — es war nie mand anderes als Karl Tillesien selbst — stieg aus und läutete am Portal. Als der Pförtner zunächst die Tiirluke öffnete, meldete ihm der Offizier, daß das Berliner Auto zur Abholung der Oberleutnants Boldt und Dittmar zur Stelle sei. Der Wärter war inzwischen von der Direktion verständigt und gab, anstatt die eisernen Torflügel zu öffnen, ein ver abredetes Zeichen nach dem Gefängnishof. Tillesien sah durch die Türluke, daß plötzlich aus dem Ge fängnis selbst zahlreiche Beamte der Landespolizei auf den Hof eilten und dem Portal zustrebten. Er erkannte sofort, daß sein Plan durchschaut sei, sprang mit seinen Begleitern in den Wagen- dessen Motor noch immer lief, und rief: „Los!" In voller Fahrt sauste das Auto davon und war den Blicken der -z u spät auf die Straße kommenden Landes polizisten in wenigen- Sekunden entschwunden. Im Verlauf der Ermittlungen gegen die Rathenau-Mördcr gelang es dann festzustellen, daß Tillesien auch hierbei die Hand im Spiele gehabt hat. Bekantlich sind Boldt und Dittmar kurze Zeit danach — der eine aus dem Hamburger, der andere ans dem Naumburger Gefängnis — befreit worden. Die „Hundertschaft z. b. D." wurde später aufgelöst, ohne daß man für die Auslösung damals den wahren Grund kannte, der zweifellos zum Teil in der Mitbeteiligunq an diesem Ent führungsversuch zu suchen ist. Die Verhandlung wird, wie bereits gemeldet, voraussichtlich vor dem Schöffengericht in Leipzig stattfinden. Neben Tillesien werden sich ein Student Wegelin aus München, ein Kaufmann Sün derin ei er aus Königsberg, ein Kaufmann Kreb» au» Krefeld und noch mehrere andere Personen wegen versuchter Gefangenenbefreiung zu verantworten haben. ' Tillessens Abenieurerfahri „«Leipzig Wie Boldt und Dittmar entführt werden sollten Unsicherheiten Don p»ul Sekloslnxsr Berlin, im Mürz. Als ich vorgestern abend meine durchaus nicht abseits gelegene Wohnung aufsuchte, fielen kurz hintereinander vier Schüsse, dann noch zwei, dann noch einer. Dann war es stumm. Gar so weit kann die Geschichte nicht gewesen sein, viel leicht dreihundert Dieter. Natürlich näherte ich mich nicht dem Orte so grauscr Taten, sondern ging friedbürgerlich nach Hause, in der Hoffnung, wenigstens am nächsten Abend in der Zeitung zu lesen, was los war. Meine Erwartung wurde getäuscht. Kein einziges Blatt nahm von dem Vorfall Notiz. Die Unsicherheit ist eben heute eine doppelte. Niemand weiß, ob er nicht abends mit durchschossener Brust vom Abcndtrunk heim kehrt. Aber selbst wenn man erschossen wird, ist es durchaus nickt sicher, baß er am nächsten Tag in der Zeitung steht. So stirbt man, und erfährt nie, woran. Immerhin, Man macht sich seine Gedanken, und ich tippe darauf, daß ich im nächsten Winter erfrieren werde. Natürlich nicht ich allein, son dern sämtliche Insassen meines Hauses. Im Dezember hätten wir noch die Heizversorgung des ganzen nächsten Winters mit einer knappen Mil lion sicherstellen können. Jetzt müßte jeder ein zelne Mieter anderthalb« zahlen. Das können wir nicht, wir haben es nicht dazu. Einige kön nen es wirklich nicht — aber die, die es könnten, saaen: wir werden doch nicht für diese nicht- zahlenden Schlucker die Heizung zahlen. Lieber erfrieren wir selbst. Dieser Entschluß ist nicht nur heroisch. Er ist sogar begreiflich. Aber das unbegreiflich« ist: warum haben wir nicht schon im Dezember Kohlen gekauft, wo es doch noch einigermaßen erschwinglich war? Aus einem sehr einfachen Grunde: weil wir den stillschweigenden Entschluß gefaßt haben, uns nicht um unsere eigenen An- Gelegenheiten zu kümmern. .Namentlich dann nicht, wenn andere Leute auch was davon haben. Natürlich — das gilt nicht nur für die Mieter unseres Hauses, so steht es in ganzen Berliner Stadtvierteln, so in ganzen deutschen Städten, so im ganzen Deutschen Reich. Wir sind so eine wundervoll unsichere Nation geworden. Der deutsche Charakter (um 1923) ähnelt sicher am meisten dem des Neapolitaners. Ich war zwar noch nicht in Neapel. Aber ich stelle mir das so vor. Heiter und genügsam. Wir denken nicht daran, an morgen zu denken. Gott hat ja doch immer geholfen. Uns lacht ein blauer Himmel, die Makkaroni wachsen wild, und wenn etwa unser Vesuv anfangen wollte, zu rauchen, so erinnern wir uns an unsere preußische Vergangenheit und sagen: Hier ist Nichtraucher. Dann soll er mal was machen. So kommt es auch, daß wir unserer heiteren Genügsamkeit zuliebe nur noch in Operetten und Lustspiele gehen. Wir haben uns ausgeweint, wir wollen nicht mehr. Ls ist jetzt eine ungeheure Ehance für Humoristen. Und die Theater wissen schon gar nicht mehr, was sie tun sollen. Den verzweifelten Ausdruck unserer Zeit will Publi- kus nicht haben. Uebrigens hat ja unsere Zeit gar keinen verzweifelten Ausdruck. Wer ist oeiuweifekt? Wir sind doch heiter und genügsam. Und nur ein bißchen unsicher. In diesem Sinne find unsere Theater augen blicklich damit beschäftigt, den Naturalismus der neunziger Jahre wieder auferstehen zu lassen. War denn nicht in „Datermord" und „Trommeln in der Nackt" allerhand, was an jene Zeiten er innerte? Also gibt man nun schon Vas zweite Stsick des braven, ach nur so braven Geo^ Hirschseld. Das Lessinatheater spielte seine „Mutter', und man erlebte mit Erstaunen wie der, was wir vor dreißig Jahren mit Hoffnungen begrüßten. Man spürt die leise Auflehnung gegen Vorurteile, die heute längst über den Hau- fen gerannt sind) und erlebt im übrigen die etwas rührselige Bravheit des allzu braven Hirschfeld. Nur ein Wort läßt der Dichter ahnen. Als die eine der Mütter Anwürfe gegen ihren Sohn abwehrt, sagt sie im mittelalterlichen Voll gefühl das eine Wort: „Quatsch". Dieses eine sparsame Wort steht wirklich im Mittelpunkt eines zerfahrenen Stückes, das nur in einem Punkte noch in unsere Zeit paßt: in dem der Un- sicherheit. Diese aber macht sich auch anderwärts im Theaterleben bemerkbar. Sogar das Schiller- theater, von dem man glaubte, es habe mit „Alt-Heidelberg", „Fünf Frankfurter", „Weißem Rößl" für seine Abonnenten auf alle Zeiten vor- gesorgt, fängt an, die ewige Gültigkeit seines Spießerspielplanes zu bezweifeln. Lange Jahre bat man den fördernden Geist seines Gründers, Raphael Loewenfeld, bei den Akten schlafen lassen, dtun aber reibt man sich die Augen, und sucht sogar Anschluß an das immer noch modernste Berliner Theater, das staatliche Schau spielhaus. Noch weiß man nickt, was aus dieser Annäherung werden soll, und schon wird das ernste, das heilige „Deutsche Theater" von der Angst ergriffen, „Alt-Heidelberg" könne etwa durch die Verjüngung des Schillertkeaters aus dem Berliner Theaterleben verschwinden. Also wirklich: das Deutsche Theater hat „Alt. Heidelberg" herausgebracht, natürlich in einer sehr sauberen und zuweilen interessanten Auf führung: Werner Krauß spielte den Prinzen, erzieher. (Es sei nicht verheimlicht, lieber Herr Sltna, daß der Verein „Berliner Presse" diese Aufführung veranlaßt hat. Dies ist bei allen Unsicherheiten eine traurige Gewißheit und selbst bei äußerster Genügsamkeit eine beschämende Armut. Die Redaktion.) Aber niemand nimmt es Felix Holländer übel, daß er den Gchritt zum Kassenschmarrn mitten im Winterspielplan getan hat. . Warum sollte man auch? Dir verzeihen uns ja längst gegenseitig alles. Wir sind so heiter und genüg- sam. Und selber so unsicher. kretlLg, äeu 9. ZLLrr Sächsischer Landtag Drah,d»rtch« »viere, Dresdner schrillte»««», Dresden, S. März. Di« TageLordnung heul» west» IS P»ave aus. Ar> erster Stelle 10 Kapitel oder Titel des ordentlichen und aubero «deutlichen Nachtragsetats. Für di« Staats- 1 brat er wurde die Nacvrrag-etnstelluküz in Höbe von 4 46SVÜD.» genehmigt und bcfcküoffcn, uubeschadc« einer etwaigen Aenderung des Vertrages zwischen dem Smar und der Stadt Dresden wegen der StaatAtheater fomende Bestimmung zu »ressen: .Für die Abgeordneten de! Land" tages werden im Overichause L> und im Lchaustnclhau» 1L Plätze zur Verfügung gestellt. Die Bestimmungen ichr, deren Bcnuvung »risst der Landtag." Adg. Liebmann (Lor ) bemängelt die hohen Zuicvu»" sorderungcn, die sich im nächsten Zähre aus LüO Millionen Mark stellen würden. ES müsse mehr gespar« werden. Zm Perlmutt sei eine Uebervcfetzung vorhanden, und die guten Plätze seien im Verhältnis zu denen M städtischen Tdeaiern zu billig. Avg. Dr. Eberle (Dnatl.) bittet, die Deutschen Nord- böhmenS beim Besuche der Theater nicht den Ausländern glcichzuslellen, sondern ihnen in diesem Punkte ein wenig Dank zu erweisen sür den Glauben an die Zukunrs des Veraschen Vaterlandes. Adg. Schneller «Komm.) kritisiert unter dem Wider- spruch der Rechten den angeblichen nationalen Rumoret an den Dtaarstheatern bet den letzten Vorführungen »es „Lohengrin" und .Wilhelm Tell". Lhne wesentliche Aussprache werde« der Vortag« ge- mäst erledigt dte Kapitel: Kunst zwecke in» allgemeinen, Landgericht, Amtsgericht und Staatsanwaltschaften sowi« Straßen- und Wasserbauverwaltt^rg. Weiter steht zur Beratung ein Antrag Börner u. Gen-e di« Regierung zu ersuchen, das Obst an den StaatSstrast«»- wenigstens dasjenige im Kreise Leipzig, in diesem Zähre wie srüher nur im Wege öfsentticher Versteigerung an dazu bcrusen« zuverlässige Pächter zu vergeben, die das Obst der einheimischen Bevölkerung zuzusühren haben. " Avg. «laus (Dem.) bemerkt dazu, der vorliegende Antrag richte sich »gen di« Uebernahme des Obstes der Srratzur in gemeindliche Regie. Diese Uebernahme sei aber nur gelcdchcn, um dem Ö-bstwucher entgegenzutreien. Än Leipzig sei das Obst am lehren Tage billiger gewesen alö in sämtlichen deutschen Obstzentren. Wenn der Staat den Gemeinden entgegengekommen sei ,so habe er nur jein« Pslicht geian. Minister Heldt erklärt, die Regierung habe die Absicht, aus dem im Vorjahre in Leipzig eingeschlagenen Wege auch in anderen Städten und Industriezentren Wetter Zusehen. Sine Ausscbukberatuna des Antrages wird abgelebnt. Bewilligt werden die Einstellungen in die Titel des ariszerordentlicven Etats betr. Kapitalvcdars der Porzellan manufaktur Meiden und des Blaujarbenwerkrs Oder- schlema. Abg. Dr. Reinhold (Dev.) erklär» dazu. Last bet der Umstellung deS Bluusardenwerkes es sich um «inen seit langem vorbereiteten Plan handele, der nicht unvorHer- gesehen ausgetreten sei. Seinen freunden falle es deshalb icvwer, dem Minister ihre Zustimmung zu erteilen. Er beantrag« daher Verweisung des Titels an drn Ausschuß. Eine lcbbaste Aussprache entspinnt sich zwischen dem Finonzmimster und den Abgg. Dr. Eckardt (Dnatl), Li«-- verasch (Komm.», Berg (Dnatl.) und Dr. Eberle lDmttl.) über den gegenwärtigen Streik tnder chemische« Industrie. Die Zurückverweisung wird gegen 42 Trimme» abgtlehnt und die Einstellungen werden be willigt. Sc-dann bnngt bei Titel S d«s Nachtrags zum crutzer- ordentlichen Staatshaushaltspläne für 1922, Kapitalbedarf ln städtischen EtcktrizitätS Unternehmungen, '* Adg. Gran-, (Komm.) verschiedene Bedenken zum Aus druck über die Einführung gemischiwtttschastticher Be triebe. Es dürfe jedenfalls keine versteckte Prositwirtschast in den einst nur staatlichen Werken einsetzen. Abz. SZlüher (Dt. Vpt.) erklärt, Latz seine polnischen Jreunde gegen den Aitel sriuuuen würden, well fie Mit der Politik der LändeStlekrizNärSverwaltttng nicht etu- verstauden seien. - : - . SövanzMinister Heldt erwidert, daä gemeinsam« Ar beiten roerde durch verschiedene Bürgermeister erschwert. Er fordert den Abg. Blüber auf, nachzuweisest. welche Neubauten bet Elektrizitätswerken ohne Genehmig«»« »es Landtages begonnen worden jeien. Adg. Dr. Reinhold (Dem.) erklärt dle Zustimmung seiner Pa riet freunde zu den Einstellungen, obgleich auL sie nicht den Zwiespalt zwischen den staatlichen Elektri zitätswerken und den Gemeinden sördern wollte«. Hierans werden die RachiragSsorderuugen genehmigt, lieber die KapitalSabgabc und Zuwetsq«- gcu berichtet Avg. Blüher (Dt. vpt.). Ohne Aussprache wird der Punkt antragSgcmäb erledig,. — Den letzten Berat,mgsgegenstand bildet der Antrag Voigt u. «len. aus Slnsührung der Sommerzeit am 1. A p r t l. Abg. Voigt begründet seinen Antrag, bei der Reichs- regiernng auf Einführung der Sommerzeit vorstellig zu werden, mit dem Hinweis auf Li« großen Kohlenerlpar- nisfe. Der Antrag Wird dem Hausvaltausschuß B über wiesen. die übrigen Punkte werden von der Tages ordnung abgefetzt. Nächste Sitzung: Dienstag, den IS. März, 11 Uhr: Ge währung eines Darlehens an die LandrSbrandverstche- rungsanstalt und Beschwerden. . . Die Tragödie de» Bismarckerben. Die Er innerungen des kürzlich verstorbenen Fürsten Philipp Eulenburg, drs früheren Freunde» Wilhelms II., werden demnächst erscheinen. Die Vossische Zeitung bringt morgen einen Abschnitt dar aus, der ein ganz eigenartiges, neues Licht auf den Lharakter des Fürsten Bismarck und sein Berhältnis zu seinem ersten Sohn, Herbert, wirft. E» ist die Liebestragödie Herbert Bismarck» mit der Fürstin Elisabeth Ta ro l a tH-B eu th en, einer Tochter des Fürsten Hatzfeld-Drachenberg, die in den vertrauten Briefen Herberts an Eulenburg aufgerollt wird. Herbert hätte die Fürstin Elisabeth, die sich von ihrem Manne, dem Fürsten Carolaih scheiden lassen wollte, gern geheiratet, stieß aber aus den unüberwindlichen Widerstand seines Paters, des eisernen Kanzlers. Zwischen Bismarck und dem alten Fürsten Hatzfeld, dem Vater der Prinzessin, be stand eine alte politische Feindschaft, und oer große Kanzler Bismarck konnte diese Feindschaft so wenig verwinden, daß er da» Liebesglück seine» Sohnes Herbert deshalb lieber zerstörte. Herbert war ihm der liebste von seinen Söhnen und die Hoffnung seines Alters, und er konnte es nicht er trugen, daß eine Hatzfeld den Namest Bismarck führen sollte. In den erschütternden Briefen Her berts an Eulenburg ist mehrmals davon die Rede, daß Bismarck seinem Lohnt mit Selbst, mord drohte, wenn dieser die geplante Heirat schlösse. In einem Briefe spricht der alte Bismarck zu seinem Sohne davon, daß ihm seine ganze Lebens arbeit, das ganze Deutsche Reich gleichgültig s« gegenüber dem Gedanken an diese Heirat. Herbert verrichtete unter dem Einfluß des Vaters auf dte Ehe, verlor dadurch dte Achtung der geliebten Frau und ging unter tiefen seelischen Erschütterungen zugrunde. Da» war di« Tragödie de» Bipmarckerden. »«» dr« Theaterburea«» (Städtische Bühnen). Wedekind» .yranzt Oka" wird nunmehr Sonnabend, den 10. MärZ, wieder in den Svielplan a»ttgrnomme» und Sonntag, den U. März wiederholt. Beide Vor stellungen liegen nick« mehr im Rahmen de» Meflever« anstttwngcn und stnden zu den «ewühntichen Preise» statt. Dasselbe gilt sür die Sonntag, de« 1j. Mär,» nachmittags staitfind.nd, ölst-utticks Botttellnrig: . Der Bibervekz. — Sonntag nachmittag den 11. Mär», ge langt »m «Iren Tbearrr als öffentliche Vorstellung und »ulil.i v «nrccküsvorstelluna sür den Verein Deutsch« DÜhm „Der Bwerpelz- zur Aufführung.
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