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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.03.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192303043
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230304
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230304
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-03
- Tag 1923-03-04
-
Monat
1923-03
-
Jahr
1923
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Oie Braut des Kapitäns Novelle von Sustav TrVup»! Ende der neunziger Jahre des vorigen Jahrhun derts lag im Hafen von Sidney ein großes Segelschiff mit Ladung nach Hüll in England zur Ausfahrt bereit. Der Kapitän des Schiffes, ein Deutscher, war ein noch verhältnismäßig jugendlicher Mann, der wegen seiner Zuverläsigkett und Treue das größte Ansehen und Vertrauen bei dem Besitzer des Schiffes, ebenso wie bei seinen Kameraden. Engländern und Deutschen, und bei der Mannschaft genoß. Alle wußten, daß man sich auf ihn in jeder Lage verlassen tonnte und daß es bei ihm eine Lüge, einerlei welcher Art, nicht gab. Die letzten Arbeiten auf dem Schiff waren beendet und alles zur Ausfahrt klar, als dem Kapitän ge meldet wurde, daß noch zwei Reisende begehrten, mitgenommen zu werden. Es waren ein älterer, kränklich anssehender Herr, Engländer von Geburt, und seine Tochter. Da ihre Papiere in Ordnung waren, entschloß sich der Kapitän, der Bitte zu willfahren. Man nahm die beiden und ihr Gepäck, das aus mehreren Koffern und einer großen Küste bestand, noch rasch auf, und wenige Stunden später befand sich das stattliche Schiff bei gutem Wind in voller Fahrt auf hoher See. Erst jetzt fand der Kapitan Zeit, sich nach seinen Mitreisenden zu erkundigen. Er erfuhr, daß der alte Herr die ihm angewiesene Kabine nicht zu verlassen wünsche, da er sich sehr schwach fühle, daß aber seine Tochter gern bereit sei, die Bekanntschaft des Kapi täns zu machen und ihm für die erwiesene Freund lichkeit der raschen Aufnahme zu danken. Bald befand sich der im Verkehr mit Frauen be fangene und sehr zurückhaltende Mann einem jungen und schönen Weibe von grotzer Anmut und eigen artigem Reiz gegenüber. Lange, nachdem er die Dame verlassen, verfolgte ihre Erscheinung den Mann, dem bis dahin die See und sein Beruf schönster und höchster Lebensinhalt gewesen waren. Unwillig machte er bisweilen eine Handbewegung, als wolle er ein ihm bis dahin unbe- kanntes Gefühl zugleich mit ihrem Bild, das immer wieder vor seine Seele trat, verscheuchen. Es hals nichts. Immer kam es wieder, wurde stärker und nahm mehr und mehr Besitz von seinem Denken und Fühlen. Er schalt sich einen Narren. Es war doch nicht die erste schöne Frau, die er gesehen. Was war es denn, was ihm an ihr gefiel, was ihn so anzog? War es der jugendliche, schöne Körper, war es die Anmut ihrer Bewegungen, war es der feingebildete Geist, die freie und doch zarte Art des Sich-Gebens, war es die einschmeichelnde Stimme, die ihn zu locken schien, wenn er sie nur von ferne hörte? Er wußte es nicht , wollte es nicht wissen' er wollte überhaupt nicht mehr an all das denken, sondern arbeiten. Mehr als nötig kümmerte er sich um den Dienst auf dem Schiff und, wie und wo er konnte, suchte er sich dem verführerischen Einfluß des lieblichen Mädchen» zu en.ziehen. Aber die Fahrt war lang, der Raum auf dem Schiff begrenzt und ein Ausweichen auf die Dauer unmöglich. Es lag ja auch gar kein Grund dafür vor. Das Mädchen war nicht aufdringlich, aber es ging dem Manne auch nicht aus dem Wege. Als ob sie es fühlte oder ahnte, sie war da, stand vor ihm, immer dann, wenn seine Sehnsucht am stärksten da nach verlangte. So kam es, daß sie sich mehr und mehr näherten, und, indem eines dem andern erst zaghaft, dann immer williger sein Inneres auffchloß, aneinander Gefallen fanden. Sie nahmen die Mahlzeiten ge- mcinfam ein, und gar manche sternenhelle, laue Nacht der südlichen Breiten fand sic vereint auf Deck, im Austausch ernster Gedanken oder in dem Anblick der wechselnden Bilder von Himmel und Wasser ver sunken. — Den Vater des geliebten Mädchens bekam der Kapitän nur einmal zu sehen, als er ihn in seiner Kabine aufsuchte, um in aller Form um die Hand der Tochter anzuhalten. Der alte Herr lächelte ver ständnisvoll — hatte ihm doch Edith so viel und gut von dem Manne erzählt, der da vor ihm stand. Er gab seinen Segen, und nun brach für die beiden jun gen Leute die wundervolle Zeit, die Maien- und Brautzeit, an. Der schlimmste Teil der Fahrt lag hinter ihnen, man hatte den Aeauator schon längst hinter sich, und es ging nach Norden, dem Frühling entgegen. Alles schien sich zu verjüngen: über allem, auch oen einfachsten Dingen, lag der Abglanz ihres Glucks. Ihren Höhepunkt erreichten diese Tage, wenn die beiden unterwegs an Land gingen und die ge segneten Inseln und Küstenstriche durchwanderten, die ihnen dieser schönste Teil der Fahrt darbot, Hand in Hand und im Denken und Wünschen eins ge worden! — Allmählich näherte man sich der Küste Englands, nnd damit trat eine erst nur angedeutete, dann immer ausfälligere Veränderung der Braut ein. Das Mäd chen, dessen silberhelles Lachen den Kapitün so oft entzückt hatte, wurde stiller. Oft laa es wie eine dunkle Molke über der früher so strahlenden Gestalt. Ja bisweilen schien es, als ob sie heimlich geweint hätte. Der Kapitän verfolgte diese Wandlung mit größter Besorgnis. Stundenlang suchte er nach einer Erklärung, erst bei sich, dann bei ihr. Er drang in sie, sich ihm doch zu offenbaren. Er quälte sich und sie mit seinen Fragen. Aber sie wich ihm aus oder suchte durch plötzliche Ausgelassenheit seine und ihre Grillen zu verscheuchen. Gewiß, e» gab ja einen stichhaltigen Grund. Es war schon lange bekannt, und alle an Bord wußten es, daß es dem kranken Manne in der Kajüte immer schlechter ging. Man munkelte schon von seinem nahen Tode. In den letzten Tagen vor der Ankunft in Hüll konnte sich der auf» äußerste beunruhigte Kapitän nicht mehr länger bezwingen. Er wollte Auklärnng um jeden Prei». E« war spat abend». Er war mit seiner Braut allein. Niemand konnte hören, was gesprochen ward, da schlang sie ihre Arme um seinen Hals, drückte den Kopf fest an seine Brust und bekannte stockend und schluchzend, sie hätte ein großes Geheimnis. Die Einzelheiten dürfe sie jetzt noch nicht sagen, später, wenn sie gelandet und alle» glücklich vorüber sei, dann werde sie ihn vom Schiff holen und ihm alles erklären. Jetzt brauche sie seine Hilfe und Verschwiegenheit. Es handle sich um Leben und Ehre ihres Vaters, dessen Krankheit nur eine Täuschung sei. Er müsse ungekannt und unbe merkt an, Land gebracht werden. Sie hatten sich schon alle» ausgevacht. Der Vater „stürbe* noch in Vieser Nacht — für die Leute an Bord. In Wirklich keit sollte er in der geräumigen Kiste an Land ge bracht und statt seiner eine in «in Leinentuch ringe- wickelte Puppe vor den Leuten in die See versenkt werden. Der Kapitän war auf» äußerst« betroffen, er machte sich von dem Mädchen lo», seine Gestalt richtete sich koch auf, und mit fester und eindringlicher Stimme erklärte er ihr, daß er zu einem solchen Be trug nie die Hand böte. Dann brach er zusammen und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen. Er wußte nicht, wie lange er so gesessen, er wußte auch am nächsten Tage nicht mehr, was sich sonst noch ereignet hatte. Er erinnerte sich nur undeutlich, daß die von ihm mehr denn je Geliebte vor ihm auf den Knteen gelegen und mit einer Stimme um Rettung und Hilfe gefleht hatte, der auch ein Gott nicht wider standen hätte. Ls war alles wie in einem schweren Traum und dennoch wurde es Wirklichkeit: mit ent blößtem Haupt stand er auf Deck, als vor allen Leuten und feierlichst die eingehüllte Puppe als die Leiche des in der Nacht verstorbenen Herren versenkt wurde. Al» alles vorüber war, eilte der Kapitän ganz er schöpft in seine Kajüte. Vergeblich suchte er bei sich nach einer Entschuldigung, vergebens nach Ruhe vor einer anderen Stimme, die sich in seinem Innern er hob, erst leise und dann immer lauter, bis es ihm in die Ohren gellte: „Lügner, Betrüger!* — Ein furchtbarer Seelenkampf begann. Aber da» Schiff fuhr rasch, schon sah man die Hafeneinfahrt. E» blieb keine Zeit zum Nachdenken. Er riß sich zu sammen, und halb unbewußt gab er seine Befehle. Er bot eine übermenschliche Kraft auf, um den Dienst bi» zum letzten zu erfüllen. Endlich war e» so weit. Da» Schiff ging vor Anker und es begannen die Formalitäetn der Lan dung. Polizisten erschienen auch an Bord. All?» wurde genau durchgesehen, die Pässe, die Papiere und das Geväck der Passagiere, alles war in Ordnung. Ueber den Tod des an Bord Verstorbenen wurde ein Protokoll ausgenommen. Der Kapitän stand auf Deck oben und sah träum- verloren die Leute sich ausschiffen, sah wie die Kiste mit dem Lebenden an Land gebracht wurde, und sah mit einem letzten verschwommenen Blick, wie dort vom Land eine Hand ihm winkte und eine jugendliche, tief verschleierte Gestalt im Gewimmel der Menschen verschwand. Mit gesenktem Haupt, wie ein Verbrecher, schlich der Mann vom Deck in seine Kajüte und schloß sich ein. Seine Kraft war zu Ende, die mächtige Gestalt zitterte und schüttelte sich und Tränen rollten über die wettergebräunten Wangen. Da fiel sein Blick auf einen Brief, der erst vor kurzem niederg-'schrikben war. E» waren nur wenige Zeilen; sie hatte ihm, wohl zum Abschied, geschrieben. Er überflog sie, wurde leichenblaß und fiel mit einem Schrei bewußt- los zu Boden Niemand hatte den Schrei und Fall in der allgemeinen Unruhe der Landung gehört. So lag er lange. Als er wieder zu sich gekommen war, erhob er sich, zerriß den Brief in kleine Fe^n und schleuderte sie durch die Luke ins Wasser hm'- aus. — Es war ein gebeugter, um Jahre gealterter Mann, der am nächsten Morgen die Kajüte verließ. Und es bedurfte vieler, vieler Jahre, ehe aus dem Gesicht de» schwergeprüften Mannes wieder ein Lächeln er schien. Der Brief aber, der dies alles bewirkt hatte, lautete folgendermaßen: „Leb wohl, hab' Dank. Der Mann, der in der Kiste da»-Schiff verließ, war nicht mein Vater, son dern mein Mann. Er ward« in Australien weaen rwes großen Dankdiebstahl» gesucht und verfolgt. Jetzt sind wir gerettet. Der Mund aber, den ich so ost geküßt, wird schweigen!* Lucian Leuwen Von «Vorx itVNUouruttt Kurz nach der Revolution kommt ein jung« Kavallerieleutnant in eine große Provinzstadt. Lr ist bildhübsch, elegant, glänzender Reiter und Schütze, geistreich und liebenswürdig und noch dazu Sohn eine« schwer reichen Bankt«», der in den Ministe rien über fast unbeschränkten Einfluß verfügt. All diese Eigenschaften müßten dem jungen Offizier im Regiment und in der Gesellschaft eine gute Stellung sichern; aber ein» steht dem im Wege: der jung« Mann stammt au» der Finanzwelt und, noch schlimmer, er kommt au» der Hauptstadt, sein Vater ist mit den neuen Machthabern intim und der Sohn gilt de»halb al» Republikaner, als Anhänger der Regierung, die in der Provinz von der Gesell schaft gehaßt und verhöhnt wird. Lr liest Zeitungen der Linken, während den Offizieren durch Tages- befehl nur die konservativen Blätter gestattet werden; sein Ueberfluß an Geist, sein großstädtische» Benehmen, sein Luru» vermehren die Abneigung der oberen Kreise. Indessen gelingt es dem liebenswürdigen Leut nant dank seinem sicheren Takt, seiner Unterhaltungs gabe, seiner natürlichen Vornehmheit und dem Kredit seines Vaters, alle Widerstände zu über winden. Lr wird sogar in die Häuser des Provinz adel» geladen und darf teilnehmen, wenn man die Geburtstage der Herrschcrfamilie feiert und alles mit den alten Landesfarben und den alten Orden geschmückt der Büste Le» im Exil weilenden Kron prinzen huldigt. Die unzugänglichste, entzückendste Frau wird nach langem Werben die Seine. - Aber die Gegner er sinnen eine plumpe List, spiegeln ihm die Untreue der Geliebten scheinbar überzeugend vor, und ver zweifelt entflieht er nach der Hauptstadt. Er läßt sich vom Heeresdienst beurlauben, wird dank der Allmacht des Paters als vortragender Rat die rechte j Hand des Ministers de» Innern, arbeitet mit vielem -- ! ! IN", 0» » I I Geschick bei den Wahlen fijr die Regierung, leidet allerdings dabei Schiffbruch, weil sein schlauer Plan mißlingt, statt des unbequemen starrköpfigen Re- publikaner» den unschädlichen Vertreter der Rechten zum Regierungskandidaten zu machen. Auch der Vater, der große Finanzmann, läßt sich zum Abgeordneten wählen. Er gründet eine Frak tion, seine Macht steigt ins Ungemessene Uno so rettet er die gefährdete Stellung des Sohpes. Als jedoch ein plötzlicher Tod den alten Lcbenskünstler hinrafft, stellt es sich heraus, daß kein Vermögen mehr vorhanden ist; der Sohn schlägt einen Ver gleich mit den Gläubigern aus und erhält als Almosen die Stelle des zweiten Sekretärs bei der Botschaft in Madrid. Diesen Verlauf schildert ein Roman von zwei Bänden, betitelt „Lucian Leuwen*. Sollte man nicht meinen, er entstamme unseren Tagen, geschrieben von einem Autor, der auf der heutigen Weltbllhne heimisch wäre? In Wahrheit ist es ein SO Jahre altes Werk französischer Erzählungskunst, geschaffen von einem ihrer Größten, von Stendhal, jetzt erst in deutscher Sprache erschienen. Dem Werk fehlt der Schluß (er sollte in Spanien oder Rom spielen) und die letzte Hand, auch ist die Entzifferung des französischen Textes erst spät und unvollkommen gelungen. Stendhal hat ihn in Geheimzeichen ge schrieben, weil er nach lebenden Modellen arbeitete und befürchtete, der Roman könnte ihm seine Stellung als französischer Konsul kosten, wenn die Autorschaft bekannt würde. Schildert er doch darin die Zustände seiner Gegenwart, die Epoche nach der Iuli-Revolution von 1880. Er gab hier, ebenso wie in seinen altberühmten Romanen „Rot und Schwarz* und „Die Karthause von Parma*, Bilder aus dem Leben seiner Zeit, gesehen im Spiegel der unabhängigen Gesinnung des überlegenen Adelsmenschcn. Solch einen stellt er in den Mittelpunkt seiner drei großen Werke, jedesmal als Jüngling auf der Höhe der körperlichen und geistigen Kraft, wagemutig, rücksichtslos, in der Liebe die Fülle seiner Gaben ausschüttend, um die begehrte Frau zu erobern und zu besitzen, solange die Leidenschaft dos Verlangen wachhält. Neben Julian Corel in „Not nnd Schwarz* und Fabrizzio del Dongo in der „Karthause von Parma* tritt nunmehr Lucian Leuwen als der dritte dieser strahlenden Zwanziger. Das große Erlebnis des ersten, in Nancy spielenden Bandes ist Lucians Liebe zu der schönen jungen Witwe Bathildis Chasteler, die allen Angriffen zu trotzen scheint. Wie Lucians Klugheit die scheue Zurückhaltung der frommen, adelsstolzen und dabei höchst leidenschaftlichen Frau überwindet, wie zugleich im Hintergründe die ganze vornehme, eingebildete und beschränkte Gesellschaft Nancys mit armseliger Eifersucht das Wachsen dieser Liebe verfolgt, das zählt zu den großen Leistungen aller Nomandichtung. In der groben Intrige am Schlüsse hat Stendhal sein eigenes Erleben ge zeichnet. Er selbst mußte als Lauscher ebenso Zeuge der vermeintlichen Untreue einer Geliebten werden. Die entzückende Gestalt der Bathildis und Lucians schüchtern-zähes Werben,um sie verklären die nie mit dtm Glück dös Gewährens gesegnete Passion de« Dichters für die ^schone ^ar-onür Mathilde Dombrowska; schon zuvor hat er ihr in dem vwrk- würdigen Buche „De l^amour* ein Denkmal gesetzt. Im zweiten Teil des „Lucian Leuwen*, betitelt „Paris*, fällt der Liebe nur noch eine Nebenrolle zu. Das politische Treiben des Juli-Königtums, der Scheinliberalismus und die Gunstwirtschaft, die rücksichtslose Unterdrückung jeder Oposition und die Nichtigkeit der Herrschenden, an ihrer Spitze Loui» Philipp, „der größte Schurke unt« den Königen*, nicht minder jedoch die beschämende Albernheit der Liberalen, der eigenen Partei Stendhal», erscheinen in wahrheitsgetreuen und mit hoher Darstellung»- kunst gezeichneten Episoden. Lucian nimmt an diesem Tritiben unbedenklich teil. Er ist politischer Amoralist; nur sich selbst will « als anständigen Mann behaupten, überall tun, was unter den einmal gegebenen Umständen zweckgemäß und vor seinem Gewissen gerechtfertigt ist. So leidet er in den Augen der Machthaber Schiffbruch; doch die Liebe des Lesers zu der freien, heiteren, überall durch sicheres Taktgefühl richtig geführten Menschlichkeit Lucians leidet keine Ein- büße und steigert sich am Schluß zur Bewunderung, al» er die schwerste Probe, den Verlust des Ver mögens und der Stellung, so glänzend besteht. Stendhal hat in seiner Zeit nur auf die „wenigen Glücklichen* als Leser gerechnet, die alle hergebrachten Vorurteile abgelegt hätten. Das Reifen seines Ruhmes erhofft er erst von dem Iahrhundertende oder gar noch später, 1620 oder 1S3S, wie er ander- wärts sagt. Diese Voraussage trifft jetzt für Deutschland ein. Nebeneinander erscheinen im Propylaen-V.erlag, bei Georg Müller, im Insel-Verlag und bei Richard Bv n g neue schöne Ausgaben seiner Werke. Gewissenhafte Ehr lichkeit und Treue, phrafenloser Stil, innere Glut und ruhige äußere Haltung, Mischung von Schwärmer und Weltmann, Begeisterung für alles Große, Schöne und Edle, Freiheit und Anmut, unabhängiger Sinn und Farbenreichtum, romantische Männer gestalten und unvergeßlich süße Frauen — wo wäre der Schriftsteller, bei dem all das so wie bei Stend hal zuträfe? Größere Dichter hat es manche ge geben; aber kaum einen, der gerade das in solchem Maße böte, was uns arme Menschen von heute unserem Elend zu entrücken vermöchte. Geschichten von einem Pelzmantel Don Marion hat von ihrem Gatten einen eleganten Pelzmantel bekommen. Damit ging ein sehnsüchtiger, langgehegter Wunsch in Erfüllung. Ä gibt Frauen, deren Wünsche — zumal nach Pelzwerk — man un bedingt erfüllen muß, weil dann ihr Teint doppelt so zart, ihre Augen um so strahlender werden. Und außerdem ist ein Sachwert bei den heutigen Ver hältnissen die beste Kapitalsanlage, an der man über dies immer seine Freude hat. Dies zur Begründung, warum Marion einen Pelzmantel bekam. And nun kommen die Konsequenzen dieses schlich ten Sachverhalt». "* 1. Das boshafte Bonmot A. : Hast du schon gesehen, Frau Marion hat einen Pelzmantel! B. : Ja, alle Welt staunt und fragt sich: woher. Hat sie ihn geschenkt bekommen, oder hat sie sich ihn verdient? A. : Aber natürlich — beide». B. : Wieso das? A.: Sie hat ihn geschenkt bekommen, weil sie sich ihn verdient hat. .,. 2. Andere Zweifel Man trifft sich auf der Straße. Es sind gute Be kannte. Sie reißen die Augen auf, daß sie fast aus den Höhlen treten. Wenn Blicke schneiden könnten — ritsch ratsch —, der Pelz wäre schon zertrennt und das Leder untersucht. Die gute Bekannte: Linen hübschen Plüsch mantel haben Sie da. Es ist doch Plüsch, nicht wahr? (Sie kann sich nicht länger beherrschen und fingert im Pelz herum.) Marion (wird verlegen und errötet): Eigent lich — nein; es ist — Pelz, Biberette. (Darüber sind die guten Bekannten so bös, daß sie den Verkehr mit Marion abbrechen.) 3. Anonymes Di« Steuerbehörde erhielt einen gewissen Bries, auf Grund dessen Marions Gatte zu einer persön lichen Erklärung vorgelaüen wird. 4. Der Knoten schürzt sich Lin netter, lieber Besuch kommt aus Berlin, ein freundlicher, eleganter Herr in den Vesten Jahren. Marion wird mit ihm gesehen. Marion trägt einen weißen Fliederzweig. Aha, das also ist de» Mantels Kern; es ist doch kein Plüsch! 5. Tränen.... Tränen Marion (kommt von einer Besorgung heim, wirft erst den Biberettemantel und dann sich selbst auf die Chaiselongue. Anter Schluchzen berichtet sie dem bestürzten, stirnrunzelnüem Gatten): Denk dir nur, diese Person, die Tegner, geht an mir vorüber, ich grüße sie freundlich, sic schaut mir frech in» Gesicht und reagiert nicht. Was habe ich den Leuten denn getan? Paul, können wir nicht in eine andere Stadt ziehen?! (Paul schüttelt den Kopf, Marron schluchzt, der Biberette, die Ursache des Uebels, schmiegt sich sanft an ihre Wange, als wollte « sagen: Ich bin an allem schuld, aber ich kann nicht» dafür.) 6. Heroismus Das Ehepaar Pellmann trifft Marion, die nicht mehr ausweichen kann, und fühlt sich bemüßigt, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Marion ist, ganz wider ihre Art, verlegen, unsicher, nervös. Mit Angst sieht sie, wie die Blicke der Pellmannsckm ihren Pelzmantel umschnuppern. Jetzt, in der nächsten Sekunde, wird ihre neugierige Frage un vermeidlich herausplatzen. Da kann Marion — die Nerven! — nicht mehr an sich halten und pariert den Hieb, noch ehe er gefallen ist: „Rein, Frau Pellmann, wirklich, es ist nur Plüsch, sehr gut imitiert, und billig war er, spott- biltta . . .* Herr Pellmann (im Weitergehen zu sein« Frau sehr befriedigt): „Siehst du, ich habe es mir gleich gedacht, es ist nur Plüsch Wo sollte «» der Mann auch hcrnehmen, bei diesen Zeiten . . . l* (Linen wirklichen Pelzmantel haben und ihn für Plüschimitation ausgeben — das ist bitter. Es gibt noch heroische Frauen.) 7. Nnd Schluß Frau Marion kommt nach Hause und ist sehr traurig. Sie legt den verleugneten, verleumdeten Pelzmantel ab, streichelt sein weiche«, warme» Fell nnd sargt ihn in der Mottentruhe ein. Nur von Zeit zu Zeit holt ihn Frau Marion uns Tageslicht, zieht ihn an, geht vor dem Spiegel ans und ab und hat ihre stille, wenn auch etwa» «ech- mütige Freud« ganz für sich allein. Daan sargt sm ihn wieder in der Mottentruhe ein. Lin Sachwert ist und bleibt bei d«n heutigen Verhältnissen die beste Kapitalvanlage; allerdings hat man nicht immer seine Freude dran . . . Demi es ist gar nicht so einfach, einen Pelzmantel, und wenn e» auch nur Biberette ist, in der Oefsenklft^ keit einer Provinzstadt durchzusetzen. rvochcnspielplan der Leipziger Theater. Die Ziffern bedeuten «lnsang u. Schluß der «uskübr. Hach« Neu «tnstudir«. V.-V.- vrr«tn»vo,st«Uung. «Wt, rtztMr -KWUi.?.""» o. 7-w'„ »etzspiel «<l sejtt. d«l. Haut, Dl« Metsterstnger von Nürnberg. 0. 1 tNetzsolel Del fest«. »«1. Haus, Don lblooannl. Bei f«stl. d«l. Haus« »In Mam«ndall. 71, «. Metzsot.l «et fest!, bet. Häuf« Rlda. 7-1,-lMs. V«i ses^Äv'sause Lotzonartn m. U.-V. r. F. Madam« Buttersly. 7-«l4 ». L K. Sato m«. L 7—« Mer Itzeater kl. Oessentl. Nachm Vorst. Ros« Bernd. » vr.Metzsplel «utz.Vnrech« Lampenschirm. Lobby. I , Metzsplei Nutzer unrecht LSsar und Cleopatra «—ll 4 M«tzspi«l Nutzer Unrecht Vrmwtota. »Metzsp. Nutzer Rnr. Pl« »«schwtfter. D«r zerbrach. llrug »-W»« Nutz^r^nrecht ttolleg« Crampton 7. «etzspiel Rutz«» »nr«cht »er Lampenschirm. Lobb». «»der Anrecht nranrtoea. 7-/.-I0 ll. «orft ».Der.Dttzd.Vttd»« Dor VIderp«!». »— X. Stutz«« «nrecht ssranzleta. 7>>, - t« 8. »er Zigeunerbaron. » Vrft. s. Vew«rt-V. L.-West. X. Ma»k«nra«sch »—n »«rllebte L«ut«. »->0'1« Fraoqulta. »-» Maskenrausch. e-t> v«rlt«dt« Leute. Fraequita. »-N Maekenrausch. » N ll. Dl« Ian,grätt«. Vorst. s.d.Ortoorb.tvadeleberaor. ä. Dt« d«ld«n Rachttgalwn. 7>i,-lVü --an- tzEmr V Sond«rv«ranst. d. Leipz. Volk»atad. >«. —ll Vorst.f. stlopld»«,: Rod.» Bertr.»^ X. R»»«rt um» Verve»«. 7's, Iromnwin ln d«r «»cht. 7* Roderi und D«rlram 7^ Wa» ihr wollt. Hasemanno Idchter 0 «.». Vüller. 71, Irvmmoln In der «acht. 7>» Dor «HarlaVia. Schaulot«« »n»«»t«n vonRobert Over wog v. 7^. V Vorst.,.NortblldschL-011 Mao lkr woll. Il — ll. 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