Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.03.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192303043
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230304
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230304
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-03
- Tag 1923-03-04
-
Monat
1923-03
-
Jahr
1923
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Seite 2 Nr. 64 uiiti NLLcieit»Le»tui»g tLLL 4. MLLL funden ist. Die Lage der Industrie gebe auch zu solchen Vorstellungen der Industriellen leinen Anlast. Weiter meldet der Berliner Vertreter des Jour nals, Staatssekretär Dr. Trendelenburg habe zu einer politischen Persönlichkeit geäußert, daß die w rt- schastliche Lage Deutschland» in spätesten, 3 Wochen zu Verhandlungen mit Frankreich zwingen werde. Der Staatssekretär erklärt hierzu, daß auch diese Behauptung frei erfunden ist. Der verdächtige Völkerbund Ein Vortrag Robert Cecils an der Sorbonne verboten ' Innerhalb der französischen Neuerung muß die Angst, daß der Völkerbund in der Ruhrfrage vermitteln könnte, sehr groß sein. Anders ist es wohl nicht zu erklären, daß einem so guten Freunde Frankreichs, wie es der britische Staatsmann Lord Robert Cecil ist, vom Kultusminister Löon BSrard verboten wurde, in der Pariser Universität einen Vortrag Uber den Völkerbund zu halten. Dieses Verbot, das die Oeuvre der Ocsfentlichleit mittcilt, ist um so unbegreiflicher, als die Unioersitätsgruppe für den Völkerbund, in der Lord Robert Cecil sprechen wollte, vom Rektor der Sorbonne Appell gegründet ist und in der Versammlung Viviani, der frühere Kriegsminister, den Vorsitz führen sollte. Der Naub -er 13 Milliarden Travthcria,« uuscrrr Berlinrr rchrisilcUung Berlin, 3. März. Dir Verhandlungen zwischen der R-ichsbank und General Degoutte wegen der in Hengstey be> schlagnahmten iI2L Milliarden Mark Reichsbank» gclder baden damit geendet, daß der französische Oberbefehlshaber die Beschlagnahme auf- rechterhält. General Degoutie erklärte, die Be- schlognahme sei erfolgt, weil die Rcichsvcrmögens- verwaltung seit dem 13. Januar nicht den Anforde. ruugen entsprochen hätte, zu denen sie nach dem Ahclnlandabkommen verpflichtet wäre. Die »Gesetz. Mäßigkeit" einer solcyen Beschlagnahme sei der Neichabnnk schon am 1V. Februar mitgcteilt worden, als es sich um die Beschlagnahme vcn Reichsbank» geldern in Aachen durch die Belgier handelte. v^r Republikanische Nrchterbund Deutschlands an -re Richter der Welt Der Republikanische Nichtcrvund verbreitet fol- gcnden Ausruf: Unter den Formen des Rechtes werden zurzeit unsere Volksgenossen Westdeutschlands durch fremde Militärgerichte abgeurtcilt, wett sie den Wellungen der deutschen Republik gehorchen, wie das Gefrtz es befiehlt. Gegen diese Justiz legen wir freiheitlichen Richter der deutschen Republik vor der ganzen Kulturwelt feierlich Verwahrung ein. Wir fordern die Anerkennung folgender Grund- sotze: Im Fall der Okkupation darf kein Staats- bilrger zu feindlichen Handlungen gegen sein eigene» Land gezwungen werden. Kein Gericht darf sich als politisches Machtinstrument seine» Staates miß brauchen lassen. Kein Gläubiger, selbst in eigener Rot, hat das Recht, den Schuldner dis aufs Blut zu pressen. Wie der Schuldner nach Treu und Glauben leisten muß, so darf der Gläubiger nur in den Schranken von Treu und Glauben heischen und erzwingen. Wir appellieren an die Richter der Welt! Der- wendet euren Einfluß auf Völker und Regierungen! Letzt euer Ansehen ein für den unbesiegbaren Ge danken des Rechtes, die wichtigste Grundlage wah ren Dölkersriedensl Rummel im Meßamt Aufzeichnungen eine» Gelegenheitsarbeiters Es ist erstaunlich, was ich in den letzten Se- mestern gelernt habe: In meinem fünften Semester lernte ich Margarine essen. Im sechsten brachte mich raffiniertester Epikuräismus zu der Erkenntnis, daß mehr als zwei Mahlzeiten pro Tag den Genuß des Lebens schwer beeinträchtigten. Und jetzt, im sieben ten Semester, hat sich mir der letzte tiefste Sinn und Gehalt des Zuckerhonigs erschlossen. Uebrigcns entwickelte sich plötzlich bei mir eine steigende Anti pathie gegen dieses Kompromiß zwischen Zucker, der kein Zucker, und dem Honig, der kein Honig ist. Aus diesem Grunde wurde ich Gelegenheitsarbei ter. Im Meßamt. Als der wirklich liebenswürdige Personalchef meine Schriftprobe zögernd betrachtete, sprach ich von der kalten Witterung und meinen steifen Fingern. Und ich wurde akzeptiert. Man fragte mich, ohne irgendeinen Witz machen zu wollen, nach meinem — Steuerbuch. Da hat der Prinz zum crsi.nmal gelacht' Jedenfalls solle ich mir besagtes Briefmarkenalbum besorgen. Was ich zu tun versprach. Dann unterzeichnete ich den Kontrakt, ohne ihn durchgelcsen zu haben. Und darauf erhielt ich von Gott da» meinem Verstand entsprechende Amt. Also, stellen Cie sich vor: Si- kennen natürlich die Ladcnräume des Meßawtcs? Nein? Dann kommen Sie morgen ja mal hin! Ich werde Ihnen von der Galerie aus zunickeu. Verlassen Sie sich darauf! Ich sitze nämlich auf der Galerie. Zu meinen Füßen — welch ein Gcwimmell »Ein Zimmer mit zwei Betten!" schreit ein Herr mit Glatze. »Zwei Karten erster Rang für den »Rosenkavalier" bestellt ein Hotelboy. »Sech» Mctzabzeichen und zehn Busstellcrkarten für die Mädler-Passage!" verlangt ein Fabrikant künst- kicher Christbäume. »Hollen Sie mich ftve Dollars wechseln?" buchstabiert eine amerikanische Bohnen- stange. »Meßinserate eine Treppe hoch!" ruft ein Angestellter. »Dreimal zweiter Klaffe Prag?" fragt ein anderer. »Fünf Meßadreßbllcher!" schreit der dritte. Währenddem klingeln zehn Telephone in verschiedenen Stimmlagen. Ein Globus i» Schau fenster dreht sich auf elektrisch. Und wir sitzen indeffen auf der Galerie. — Galerie schöner MLnnerköpfel — Und schreiben Adressen. Denn wir bewältigen, sozusagen, den Versand der Meßabzeichen. Oder exakter: Dir be wältigen ihn nicht! — Da» ist ganz einfach! Man hat einen Stapel Anträge neben sich; eine Preis tabelle vor sich; eine abHrbende Wand ganz dicht hinter sich-, den Radau unter sich: den Vorgesetzten über sich; und die Neben Kollegen und dick« Luft ms Neue Verschleppung -er Regierungskrise Dratztbeeicht unserer »resdnrr «chrtstlett»»» Dresden, 3. LUirz. Di« Kommunisten haen einaesehen, daß durch die Ablehnung ihrer Richtlinein seitens der BSP. die Möglichkeit gegeben ist, für die Arbeiter di« Schuld an dem Scheitern der Verhandlungen al» bei den Kommunisten liegend anzusehen. Sie haben sich des halb zu einer neuen Taktik entschlossen. Der linke Flügel der Sozialdemokratischen Partei in Sachsen kommt ihnen durch seine Haltung dabei sehr ent gegen. Die Kommunisten sind jetzt wieder dazu iibergegangen, die Einberufung eines sächsischen Be - trieb srätekongresses zu fordern und finden damit Unterstützung innerhalb der Sozialdemo, ratischen Partei. In den Organen beider Parteien wurde über diese Fragen de» lanac-en und breiteren gestritten. Die Kommunisten haben sich jetzt bereit erklärt, auf folgenden Richtlinien mit den Sozialdemokraten weiter zu verhandeln: „Gemeinsame Einberufung eine» fach- fischen Be triebrrätekongresses durch den Ausschuß des Allgemeinen Deutschen Gewerk- schaftsbundes, der DSP. und der KPD. mit der Tagesordnung: Die politische Lage in Sachsen. Beide Parteien sollen Referate zu dieser Tages- vrdni'ng stellen. Die Kommunisten sind bereit, für den Fall, daß sich dec Kongreß wider Erwarten gegen die Unterbreitung aller Gesetzesvorlagen der Arbriterregierung an da» ExekulMorgan des Lande»betricb»rätekongrcsses sowie gegen die Bildung von Arbeiterwehren aussprichl, auf den Eintritt in die Regierung zu verzichten. Durch die Uebernahme der Verpflichtung aber, das politische Programm des Kongresses zu unterstützen und durchnlsührcn, sei für die Kommunisten die Unter stützung auch einer sozialdemokratischen Minder heitsregierung gegeben." Mit anderen Dorten heißt das, die Kommunisten wollen auf die Angebote des linken Flügels der Sozialdemokraten eingehen und auf einem Umwege über den Betriebsrätekongrcß, der die Vorlegung der Gesetzesvorlagen ablehnen wird, sich wieder zu einer Unterstützung einer sozialdemokratischen Minderheits regierung bekennen. Dem radikalen Flügel der Sozialdemokratie ist mit dieser Lösung natürlich außerordentlich gedient; der rechte Flügel der Partei sträubt sich dagegen, den unwürdigen Zustand der Abhängigen von den Launen der Kommunisten er- ne»t zu schassen. Es ist aber fraglich, ob diese ge mäßigten und einsichtigen Leute auf dem Parteitag am Sonntag durchdringen werden. Die heutigen Verhandlungen zwischen den Sozialdemokraten und den Demokraten Haven in Ansehung dieser neuen Lage nur informatorische Bedeutung. Nbschub der Münchner.NuhrflüchtUnge' Eiocne.Trohtbrriqr des Leipziger TaarblanrS München, 3. März. Die sogenannten Flüchtlinge von der Ruhr, die sich in den letzten Tagen in München hatten Aus schreitungen zuschulden kommen lasten, wurden gestern nachmittag unter polizeilicher Bewachung in drei Panzerautos zum Hanptbahnhof gebracht, um na chFranksurt abgeschoben zu werden Die jungen Leute haben sich unter allen möglichen Vorwänden dem Abschub zu entziehen gesucht. Siebzehn von ihnen, die an dem Angriff auf die Münchner Post beteiligt waren, wurden wegen Landsriedensbruchcs dem Gericht übergeben. Dir Münchner sozialdemokratische Post behauptet, neue nationalsozialistische Drohun gen erhalten zu hoben, und zwar soll der Vorsitzende der letzten nationalsozialistischen Versammlung m seinem Schlußwort behauptet haben, daß der Tag der Ver geltung nicht mehr fern sei. Das Blatt glaubt be gründeten Anlaß zu der Annahme zu Haben, daß dimit der 12. März gemeint sei. Gleichzeitig er- hielt das Blatt einen Drohbrief, der mit dem Inhalt jener Andeutungen übereinstimmt. Der Fall vartholomey Dratztbericht unserer Dresdner Schrtftleitung Dresden, 3. März. Dor dir Dresdner Disziplinarkammer fand gestern die Verhandlung gegen den Studienrat Vartholomey au» Annaberg statt. Dartholo- mey hatte als Vorsitzender de» Bürgerbundes von Annaberg eine Erklärung gegen die Religionserlasse Fleißner» veröffentlicht, in der sehr scharfe Aus- drücke gegen die Negierung enthalten waren. Bar- tholomey wurde daraufhin vom Amte ferngchalten, und Minister Fleißner stellte den Antrag auf Dienstentlassung. . Die Disziplinarkammer hat diesen Antrag abgelehnt. . In Stockholm ist der ehemalige demschs Stud-nt Hans Hemau von Behr im Zusammenhang mit seiner beabsichtigten Ausweisung verhaftet worden. Er behauptet, daß er an oem Attentat auf Scheidemann und Rathenau beteilig! gewesen sei. Die Stockholmer Polizei hat sich wegen dieser Angaben mit den Berliner Behörden in Ver ¬ bindung gesetzt. Man hält es für möglich, daß v. Behr sich als politischer Verbrecher hinstellen will, um der Ausweisung zu entgehen. . - Meine politische Nachrichten Der Dildungsausschuß des Reichstages beriet am Freitag unter anderen Petitionen den Einspruch gegen die bekannten Verordnungen des sächsischer: Kultusministeriums betreffend Schulbesuch an Feiertagen und Religionsunterricht. Auf Wunsch der Rcichsregierung wurde die Beratung mit Rücksicht auf dr- schwebenden Verhandlungen mit der sächsischen Regierung vertagt. Im Namen der Reichsregiernng hat der Reichs kommissar für die besetzten Gebiete Fürst vonHatz- feldt-Wildenburg bei der Rhcinlandkommission gegen die immer weitergehende Erdrosselung oer deutschen Presse eine Protestnote gesandt. In Rosenheim kam es zu Ausschreitungen gegen italienische Arbeiter, die als Streikbrecher in das Nuhngebiet reisen wollten. Die Menge fiel über die Italiener her und v-rprügelte sie, , * . El.-" Die polizeiliche Untersuchung gegen den Schrift steller Walter Oehme wegen Verdacht» des Landes- verrat» ist abgeschlossen. Die Akten sind dem Reichsgericht zur Erhebung der Anklage zu gestellt worden. Der Partei-Ausschuß der Deutschen Demokratischen Partei, der alljährlich im Frühling zusammentritt, ist auf den 8. März vor mittags UM Uhr im Reichstag zu einer Sitzung einberufen. Auf der Tagesordnung steht die Erörte rung der politischen Lage und das Ncichsschul- kompromiß. Vor der Parteiauoschußsitzung findet eine Dorsrandssitzung mit derselben Tagesordnung Aas Rio de Janeiro wird gekabelt, daß Senator Ruy Barbosa gestorben ist. Er war einer der Gründer der Republik in Brasilien und Mitglied des Internationalen Schiedsgericht» im Haag. Wäh rend des Krieges bat der Verstorbene leidenschaftlich gegen die Neutralität gekämpft. sich. — Und da geht das nur so! Adresse! Nach nahmegebühr in Zahlen und in Buchstaben! Post- scheckformulare! Buchungsvermerk! Fertig! Der nächste Briefumschlag fertig! Der nächste .... Das treibt man so acht Stunden lang, ohne blöd- sinnig zu werden. Begreifen Sie das? Ich nicht! Wir schreiben Adressen. »Wir" — solch Dort ist wie eine Wundertüte! Was da alles drin ist! — — Da ist zunächst der »fliegende Mensch". Sraunen Sie immerhin! Er hing wahrhaftig früher hoch oben am Trapez; Saltomortale; hoch in der Kuppel des Zirkus! Pis er stürzce! — Wohin? Auf die Galerie des Meßamtes, mitten unter Perge von Adressen und Postbüchern! Dabei ist das eine Bein so kurz geworden, daß er wie ein Fabelwesen auf einem einzigen Beine steht; das andere hängt, viel zu kurz, daneben. Wenn irgendwo Jahrmarkt ist, bäckt er Makronen, hängt sich einen Korb vor den Leib und verkauft humpelnd seine Waren. Gr hat übrigen» einen Gewerbeschein. Er wollte mir kürz lich sein Makronenrezept anvertrauen; aber ich dränge mich nicht in fremde Geheimnisse. Dann ist da ein ehemaliger Schauspieler; Bonvi vant, wissen Ei»; markante Züge. Etwas zu markant. Dann war er an dcr Eisenbahn. In Mecklenburg. Bis man ihn entließ. Nach der Messe will er ins Bergwerk. O, er wird schuften! Und Geld verdienen; viel, viel Geld .... Seine gesparten Tausender trägt er stets bei sich. Und hat sie mit kreuzweis geklebten Papierstreifcn zu sammengebunden. Da überlegt man sich nämlich das Geldauogeben genauer, verstehen Sie? Seine Familie lebt bei der Schwiegermutter. Aber er gibt natürlich von seinem Verdienst ab. »Denken Sie sich," sagt er zu mir, »gestern mußte ich mein Paket mit den zwanzig Tausendern aufmachen I 1500 für ein Brot und ein Viertel Margarine. Ist dos nicht ärgerlich? . . Und dann plötzlich: »Was glauben Sie, was ein Oberhemd kosten mag? Sehr teuer? ... Ja, im Bergwerk . . ." Dann sitzt da ein älteres Fräulein. Im Kriege war sie Oberschwester im Felde. Und ist nun Rentenempfängerin; hundert Prozent Rente: nervös zum Verzweifeln. Für uns! Sie spricht und lacht und fragt und antwortet und schließt da» Fenster, weil es zieht, und öffnet da» Fenster, weil es so heiß ist. — Und do ist ein Herr mit einer weißen Krawatte. Und alle nennen ihn: »Herr Doktor", auch die Vorgesetzten. Und er ist tatsächllch ein Doktor. Und redet leise mit sich selbst, wenn er seine Adressen schreibt. Und wenn er wieder etwas falsch gemacht hat, zankt ihn der Dentist aus. — Ja, der Dentist! Da» ist unser Vorgesetzter. Wenn er abend» nach Hause kommt, zieht er gähne. Tagsüber aber ist er Vorgesetzter; gibt mir eine Adresse zurück und samt: «Da» soll ein »o" sein? Wie? Da, ist doch nicht Ihr Ernst! — Wenn Sie nicht besser schreiben, kündigen wir Ihnen ... hat der Direktor gesagt! — Wir können doch den Kunden keine Adressen schicken, von denen sie denken, das haben wohl kleine Kinder geschrieben?" Er ist immer unterwegs. Aber er kann, weiß Gott, nicht alles allein machen! Nicht? Es müßte eben alles anders organisiert werden. Wenn es nach ihm ginge — sagt dcr Dentist. Und dann ist ein Student da, mit Schmissen jen seits der Temporalis. Und er klappt mit den Hacken, wenn er »Mahlzeit!" sagt. — Und ein schwerhöriger Alter. Er versteht immer etwas nicht. Und wenn man ihn anbrüllt, lächelt er ein wenig dumm. — Und ein paar Witwen; die Kinder gehen noch zur Schule. ... — Und ein liebenswürdiger alter Herr, manchmal liest er mit der Lupe; er kann auch ironisch sein. Aber meist sitzt er über seine Postille gebückt. Und ich könnte ganz leicht »Groß vater" zu ihm sagen. Ja! Das ist unser Ruritatenkabinettl — Und alle Hetzen wir mit der Feder über die Umschläge.— Wir hoben dreitägige Kündigung. — So sitzen wir acht Stunden, bis „Großvater" sagt: „Feierabend! Punir und Streusand!" Dann gehen wir müde fort und wünschen einander „Guten Abend", ganz ohne Spott. Am nächsten Morgen sagt der Dentist: »Heute ist der letzte Tag mit billigem Porto. Verstanden?" Wir verstehen: Acht Stunoei: Selbstmord. Also los! Und die Federn Hetzen . . . Fertig! Der nächste Brief! . . . Fertig! Der . . . nächste. . . . Bon unten lächelt rin Mädchcngesicht. Ja, ich erkenne dich wieder. . . . Freilich, vorigen Sommer war es anders ... Ich weiß . . . tandaradei . . . Fertig! Der nächste! . . . Fertig! Der nächste! Dringende Telegramme: Do bleiben Meßabzcichcn? Dringend schicken! Kann sonst nicht weg! . . . Ein Berg Telegraipme. Wir schreiben. Schreiben .. . Fertig! Der nächste! . . . Was kümmern uns jetzt die Fragen nach der De- deutung der Schilddrüsen oder nach dem Unter schied zwischen subjektivem und objektivem Recht oder nach der Verneinung des Willens! Oder das Makronenrezept! Wir schreiben . . . Fertig! Der nächste! . . . Denn draußen beginnt der große Jahrmarkt der Welt! Angebot und Nachfrage! Dollar und Mark! Statistik und Stabilisierung! . . . Fertig Der nächste! .. . Die Hauser stecken schon ihre zahllosen bunten Visitenkarten au» den Wanden: Kinderschnßwaffen und Grudeöfen! Dynamos und Korsetts! Apoldaer Strumpfwirker und Frankfurter Würstchen! . . . . Hereinspaziert in die Menagerie! . . . Fertig! Der nächste! . . . Hier sehen Cie den Jahrmarkt der Welt! . . . Fertig! Der nächste! Aves fertig! » Der ausführlichen Vesrtkn« duna de» vorstehende» Vs« fcblusseS entnehme» wir: „Daß der Artikel in der Nummer der Leipziger Reueste« Nachrichte« vom 4. Februar 1923 und die den gleichen Inhalt tragenden, in den Ge schäftsstellen der Antragsgegnerin auS- hängenden Plakate zum Zwecke de» Wettbewerbs veröffentlicht worden find, erscheint nach den diesem Artikel zuvorgehenden Veröffentlichungen der Antragstellerin in ihren Zeitungen vom vom 2. und 3. Februar 1923 zweifel los, da diese Artikel unzweifelhaft ebenfalls zu Zwecken des Wettbewerbs erfolgt find. Ob in den Veröffent lichungen der Antragsgegnerin ein un lauterer Wettbewerb im Sinne von 8 14 des Wettbewerbsgesehes zu finden ist, hängt davon ab, ob die Antrags gegnerin in dieser Veröffentlichung die Behauptung ausgestellt oder verbreitet hat, daß durch die Beteiligung der Firma Mercy L Sohn in Prag „tschechisches- Kapital an der Antrag stellerin beteiligt sei. Denn würde dies in den Veröffentlichungen der Antragsgegnerin behauptet oder ver breitet sein, so wäre dies sicher eine Tatsache, die geeignet wäre, den Be trieb der Antragstellerin zu schädigen und die auch nicht wahr wäre. Denn unter eine Beteiligung von »tschechi schem Kapital- an der Antragstellerin kann nicht verstände« werden, daß an der Antragstellerin lediglich das Kapital eine» Angehörigen eine» ausländische« Staate» beteiligt ist, sondern dies muh so aufgefaht werden, daß an der Antragstellerin das Kapital eines Angehörigen eines dem Deutsch tum durchaus feindlich gesinnten Volks stammes beteiligt ist.- Sigene Anmerkung: Wir veröffent lichen den gerichtlichen Beschluß, der nach mündlicher Verhandlung zu- standegekommen ist, nicht au» dem Grunde, um uns zu rechtfertigen; unsere Position ist so sauber, daß wir Verdächtigungen ruhig vom zuständigen Gericht bestrafen lassen können; sondern wir veröffent lichen ihn deshalb, weil ein paar Klein- stadtblätter die unwahren Behauptungen au» Konkurrenzgründen nachgedruckt haben und wir sie in ihrem eigenen Interesse vor Wiederholungen warnen müssen. Beschluß vom 27. Februar 1S2S tn Sachen der Leipziger Berlagsdruckerei, Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Leipzig, — Prozenbevollmächtigter: Rechtsanwalt 1)r. Uh le in Leipzig, Antragstellerin gegen die Firma Edgar Lerfurth L Co., Kommanditgesellschaft tn Leipzig, PeterSsteinweg 19, — Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Ur. Rud. Zuughann« in Leipzig, Antragsgegnerin wegen Erlassung einer einstweiligen Verfü gung: 1. Der Antragsgegnerin wird durch einstweilige Verfügung aufgegeben, bei Vermeidung einer Geldstrafe bi» zu 1599 Ml. oder einer Haststrase bi» -« S Mo nate« für jeden Fall der Zu widerhandlung es zu unterlassen, in irgendwelchen Druckerzeug nissen oder schriftlichen Mittei lung oder sonstigen Veröffent lichungen zu verbreite«, an der Antragstellerin und in den in ihrem Verlage erscheinenden Zei tungen : Leipziger Tageblatt und Nene Leipziger Zeitung sei tschechische» Kapital beteiligt. Die Antragstellerin hat die An tragsgegnerin binnen zwei Wochen zur Verhandlung über die Recht mäßigkeit dieser einstweiligen Ver fügung vor das Gericht der Hauptsache zu laden. 2. Im übrigen wird der Antrag der Antragstellerin auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin znrück- gewleseu.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)