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117. jLdrgsng 8)nnLden6, 6en 10. kedruar 1923 k!r. 35 ' 'MW Ni', .Post »nncrbalb Dcutskülandt! «ret tn».tz>o»r «elieien: liioiiariicoM.1100- und Bcliellgkbühr. AuSlandSvcrland: monalltch M. ein,chl. Druck,achen-Porlv. - Tas Lcipzigrr Lag-bla,t erichein, läali« morgens, autzer nach Sonn- und Fcirnagcn -ltchierscheinen «m »einer. Nummern infolge botzerer Sictvalt. Streik. Ans- kverrung, Betriebsstörungen berechtigt den Vroeber nicdt ,ur Kürving de? BeruaSpretse« oder rum «niprucki auk u. Ävonnemcnts d«e«<»a»t,<Ltad».u.PoN-M«fla«e: ««»eigenpreis. die etnsp. 21 mm vr mm.ZeUe M 100 ,ur ausw. Jnseren«. M ISO —. Sonverprrtle: yamUtenan,. v. Vriv. die wm-Zetie M. itv.-. Äetegenheits Lnieigen «prtv. Naiuri und Ticoenangebol«. die mm-ZeUe M. öO.- . Stell'" 'suche die wm-Zetle M. 40—.am,t. Bekanntmachung.n, Toppe!-, w-Z nie M. 200.-, für ausw. M.S60.Neklame72 mm orett. dte mm^>.,.e M- -Ott -, Mr aus - wZr «ge -c. r>00 —. AuSlandSanzetgen mo Daluia Auslchlag. Bet Dtederbolung Nachlah. 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Februar Nach der Abschnürung des größten deutschen Steinkohlenreviers, des Ruhrreviers, ist die Frage: Wie schaffen wir dem nichtbesehten Gebiet Deutschlands Ersaß für die ihm von dort bisher gelieferte Steinkohle? Millionen Tonnen gab das Ruhrrevier an das unbesetzte Deutsch land jeden Monat ab. Da uns außer ihm nur der Rest des oberschlcsischen Vorkommens mit einer Vlonntsförderung von 800 000 Tonnen, des niederschlesischen (Waldenburger) Reviers mit einer solchen von 480 000 Tonnen, der beiden kleinen sächsischen mit dreimal 140 0,10 Tonnen und der sonstigen Heineren Vorkommen mit un gefähr 100 000 Tonnen zur Verfügung sichen, wozu allerdings noch die Gruben des unbesetzten Ruhrgebiets mit ungefähr achtmal 100 000 Tonnen hinzutreten, so lenken sich die Blicke auf den Ersatz der uns entgehenden Steinkohle durch Braunkohle. Ein solcher Ersatz ist durchgängig nicht mög- lich. Zur Kokshrrstellung läßt sich Braunkohle nicht verwenden, ebensowenig zu der von Leucht gas, sofern man dieses nicht auf kostspielige Weise stcrk karburieren will. Braunkohle ist auch sür Schmiedezwecke nicht zu verwenden. Im übrigen hat die moderne Hciztechnik es fertig gebracht, mit Braunkohle auch höhere Tempera turen hervorzubringen, so daß die keramische sowie die Glasindustrie sehr wohl in der Lage sind, Braunkohle im weitesten Maße zu ver wenden. Ist doch der größte Teil der thürin gischen und die ganze Lausitzer Glasindustxie ebenso wie ein Teil der sächsischen auf die Ver wendung von Braunkohle eingestellt. - Im übrigen findet sie vorwiegend Ver wendung für Kefselheizüng und als Hausbrand. Für letzteren kommt die meist mulmige Braun kohle Les mitteldeutschen Braunkohlenrcviers in der. Form der Briketts (Preßkohlen) zur An- Wendung. Durch das Brikettieren erlangt die Braunkohle eine wesentlich höhere Heizkraft. Der starte Wassergehalt wird ihr größtenteils entzogen, und sie nähert sich dem Brennwert dec Steinkohle, wenn das Braunkohlenbrikett hinter diesem auch noch wesentlich zurückbleibt. Das mitteldeutsche Braunkohlenrevier hat eine Monatsförderung von reichlich 8 Millionen Tonnen, wozu noch die der bayrischen Braun kohlenvorkommen und des Bergreviers Kassel mit zusammen etwa A Millionen Tonnen Monatsproduktion im unbesetzten Gebiet hinzu treten, während im besetzten Gebiet vor allem das wichtige Braunkohlcnvorkommen bei Köln zu nennen ist, welches eine monatliche Förderung von über drei Millionen Tonnen ausweist und einen wesentlich höheren Brennwert als dis mitteldeutsche Braunkohle besitzt. Auf ihrer Verwendung ist nahezu der gesamte deutsche Kalibergbau und die Kaliaufbereitung aufgebaut, ebenso der größte Teil der deutschen Erzeugung von Stickstoffdünger; so wird das größte deutsche Etickstoffmerk Leuna bei Merseburg ausschließlich mit den direkt aus dem dortigen Tagebau stam menden Braunkohlen betrieben. Das gleiche gilt von dem Kalkstickstoffwerk bei Pisteritz, so daß also die Versorgung der deutschen Landwirt schaft des unbesetzten Gebietes mit Stickstoff wie mit Kali auch nach der Abschnürung des Ruhr reviers gesichert ist. Unmittelbar an den Förderstellen der Braun kohle liegen auch die gewaltigen elektrischen Ueberlandzentralen Golpa, Tschornewitz und die des Senftenberg.Hoyerswerdaer Reviers, die den größten Teil Groß-Berlins, Leipzigs und Dres- dcns mit Strom versorgen. Nicht jede Kesselfeuerung läßt sich mit Braunkohle betreiben. Die, die auf ausschließ liche Verwendung von Steinkohle eingerichtet ist, muß mit dieser weiter beschickt werden, wenn es nicht gelingt, die Steinkohle mit Braunkohle zu strecken, was in sehr vielen Fällen möglich ist oder durch Anbringen anderer Roste oder auf sonstige Weise die Feuerung für die Verwen dung von Braunkohle anzupassen. Da die indu striellen Unternehmungen meist über mehrere Kessel verfügen, von denen meistens einer still- steht, so läßt sich die Umwandlung der Feuerung auf die ausschließliche oder Mitverwendung von Braunkohle in verh iltnismäßig kürzester Zeit bewirken, wie das bereits in den letzten Jahren in umfangreichem Maße geschehen ist. Die Möglichkeit, unsere Braunkohlenförde- cung zu steigern, ist vorhanden. Braunkohle »nrd überwiegend im mitteldeutschen Revier Ein Erfolg der Franzosen Drei Kohlenzüge nach Frankreich und Belgien ahgegangen «igener Trahttzrrtcht de» Leip ziarrTasrtzlaHrO Pari-, 0. Februar. Die BlÄter ber'chle», bah nunmehr die ersten Kohlenzüge aus dem Ruhr gebiet auf dem Wege nach Frankreich und Belgien sind. Der Petit Parisiea macht hierüber in seinem Leitartikel folgende Ang.ben: Tie OrganlsalionSbeflredungen, die im Ruhrgebiet trotz det deutschen Widerstandes weiter verfolgt werden, haben die ersten Ergebnisse gezeitigt. Am gestrigen Tage konnte eine Anzahl von Kohlenzügen aus dem Ruhrgebiet nach Belgien und Frankreich geleitet werden. . sim Verlaufe des Nachmittags hallen drei Züge, jeder za 750 Tonnen, Aachen erreicht, von denen der eine nach Belgien und die beide« anderen nach Frankreich geleitet wurden. Anderseits signalisiert man eine Anzahl von Zügen, dir sich mit 500 Tonnen aus dem Wege nach Aachen vom Ruhrgebiet befinden, außerdem zwei Schiffe von einer Gesamltonaage von 1000 Tonnen, die von Duisburg nach Antwerpen adzegangen find. 20 000 Tonnen Kohle, di« sich auf den Rhein Herne-Kanal be findet, soll heule auf belgischen Schiffen nach Anlwerpen transportiert werden. Dieser erste Erfolg wird sich vergrößern, sobald die 4525 Transportarbeiter an Ort und Stelle angekommrn sind, deren Abreise heule gemeldet wird. Der Petit Parisieu hebt hervor, daß sein Son- derberichterstatter trotz allem ernsthafte Schwierig, keilen nicht verkennt, daß ferner die industrielle Tätigkeit im Ruhrgebiet täglich langsamer wird. Da der deutsche Widerstand nicht nachläßt, schreibt das Platt weiter, muß man auf baldige Anwenouug neuer bedeutender Mittel rechnen. Die ersten dieser Maßnahmen werden ohne Zweifel darin bestehen, daß man der Blockade der Kohl« auch die Blockade der technischen Erzeugnisse hinzufugt. Das Blatt teilt mit, daß Le Trocquer heute nach Brüssel gereist ist, wo er in dieser Frage mit den Mitgliedern der belgischen Regierung konferierm wird. Der belgische Minister des Aeuhern Zaspar wird voraussichtlich am Sonntag nach Paris kom men, um Poincarö zu treffen.' Dieser neue Meinungsaustausch zwischen Paris und Brüssel, schreibt der Petit Parisien, läßt sicher niue Initia tiven voraussehen. Der Güterverkehr nach -er Schweiz gesperrt Eigener Draht»er ich«de» Letpzt-erragedlotle» Frankfurt a. M-, 9. Februar. Seit gestern nachmittag sind die badischen Bahn- Höfe in Basel und der Bahnhof Waldshut für den Güterverkehr mit der Schweiz gesperrt. Die Eisen- bahndirektion Karlsruhe hat alle deutschen Sta tionen angewiesen, für diese beiden Uebergangs- stationen keine Güter anzunehmen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Sperre auch auf andere Uebergangsstationen ausgedehnt wird. Die Verhandlungen mit den Eisenbahnern im Mainzer Bezirk sind von französischer Seite ab gebrochen worden. * Die französische Pesatzungsbehorde hat für eine Flugzeughalle auf dem „Großen Sand" bei Mainz die Summe von 100 Millionen Mark an- gefordert. FranzSstsche Suversicht Paris, 9. Februar. Eigener Drabtdertcht de» Leipziger Tageblattes Poiucare hatte gestern abend mit dem Kriegs- minilter Maginot, dem Minister Le Trocqucr und General Foch eine Besprechung, über deren In halt jedoch nichts verlautet. Einem Mitarbeiter de» Echo de Paris erklärte ein Minister, cs wäre am besten,' wenn alle Essenbahner im Ruhrgebiet streik- tcu, denn dann könnte man die sher zur Lebens« mittelbeförderung benützten Züge zu anderen Zwecken benützen/ Trotz allen Anstrengungen Deutschlands bekomme mau jetzt allmählich das ganze Bahnnetz des Ruhrgebiets m die Hand. Wie dem Matin aus London gemeldet wird, hat die englische Regierung, da gestern kein Ministcrrat stattfand, keine endgültige Antwort auf das Ersuchen Poincares feststellen können, der verlangt hat, daß die Kohlcnzüge aus dem Ruhrgebiet nach Frankreich d e englische Desatzungszone durchqueren dürften, und daß für den Fall eines deutschen Transportarbeiter streiks diese Züge geschützt würden. Gutinformierte Londoner Kreise erklären jedoch, dem Matin zufolge, daß, wenn die englische Regierung zu der Schluß- folgerung gelange — was sehr wahrscheinlich sei —, daß sie dieser Aufforderung Poincarcs nicht nach kommen könne, sie zweifellos geneigt sei, Frankreich einen der beiden Zipfel des englischen Besetzungs gebietes abzulrrten. . » Die deutsche Kolonie von Barcelona fcndei der Reichskanzlei als erste Rate ocr Sammlung kür die Ruhrhilfe 4000 Pesetas (ungejähr 20 Millio nen Mark). durch Tagebau gewonnen. Es bedarf also keiner Schachtanlagcn, die mehrere Jahre erfordern, ehe sie in Förderung kommen, wie bei der Stein kohle. Allein durch Verlängerung der Arbeits zeit, zu der sich die Belegschaften bereit erklärt haben, und durch intensivere Arbeit wird es möglich sein, die Braunkohlenförderung um ein Drittel bis die Hälfte in kürzester Zeit zu stei gern. Haben sich doch auch die Belegschaften der Braunkohlenwerke bereit erklärt, selbst Sonn- tags zu arbeiten. Schließlich kann man auch die Abraumarbeiten zeitweilig etwas einschränken und dafür den Abbau der Kohle verstärken. Die Drikettfabrikation wird sich allerdings nicht ent- fernt in dem gleichen Maße steigern lassen, und man wird zufrieden sein müssen, wenn sie um fünfzehn Prozent erhöht wird, was möglich er- scheint, ohne neue Anlagen dafür zu schaffen, was nicht in wenigen Monaten durchzuführen ist. Wir sind indessen nicht allein auf eine Ver mehrung der Draunkohlenförderung angewiesen, sondern können eine solche sehr wohl auch bei den im unbesetzten Gebiet liegenden Steinkohlen gruben erreichen, und zwar um mindestens eine halbe Million Tonnen Steinkohle. Allein aus der Mchrlördetung an Steinkohle und Braun- kohle können wir also mindestens mehr als die Hälfte dessen decken, was wir im unbesetzten Ge biet bisher aus dem Ruhr- und dem Saarrevier (von letzterem nur hunderttausend Tonnen) monatlich bezogen haben. Im übrigen «erden wir versuchen müssen, die Kohlen- und Koks einfuhr au- England, Polnisch-Oberschlesien und der Tschechoslowakei zu steigern, was aber keines- wegs in dem von vielen befürchteten Umfang notwendig ist. Um den Ausfall aus der Ab schnürung des Ruhrreviers zu decken, brauchen wir aus den genannten drei Ländern monatlich nur 1,2 Millionen Tonnen mehr einzuführen als im Jahresdurchschnitt 1922 und nur viermal chundertfünfzigtausend Tonnen mehr gegenüber der Oktobereinfuhr. Dabei ist zu bemerken, daß die letztere stark zur Dorratsbildung gedient hatte, und dank des milden Winters sind wir recht reich mit Kohlenvorräten versehen. Man wird annehmen können, daß Eisenbahn, Indu- strie und Gaswerke durchschnittlich über einen Vorrat von zwei Monaten, zum Teil sogar er- heblich mehr, verfügen. Und da wir bet den Eisenbahnen, infolge der Verkehrseinschrän» kungen, bei Heizung und Beleuchtung angesichts der länger werdenden Tage und des kommenden Sommers mit einem geringeren Verbrauch zu rechnen haben, so können wir die Kohlenoer- sorgung trotz der Ruhrabschnürunq als gesichert anseh?n. Wir können, ohne befürchten zu müssen, daß wir mit Industrie und Heizung in schwer, wiege de Unoeleqenhiiten kommen, Jahr und Tag, wenn nicht Jahre, durchhalten, und die Rechnung der Franzosen, daß wir aus Brenn- ftoffmangel bald kapitulieren müßten, tst jeden, falls eine falsch« Rechnung. poincares Stellung bedroht? Son unterem Variier Mitsui teile» p. Paris, 7. Februar abcno->. In den Wandelgängen des Palais Bourbon fiel vor einigen Stunden eine Gruppe leohaft diskutierender Abgeordneter auf, in deren Mitte sich Andi>- Tardieu geräuschvoll bemerkbar machte. Es war kurz vor dem Zusammentritt des Auswärtigen Kammerausschusses, und bald wußte man auch, was eigentlich beabsichtigt war: eine Offensive gegen Poincarc. Der Abbruch der Konferenz in Lausanne, der, wie man hier versichert, nur England zugute kommen kann, bas tausend wirtschaftliche Möglichkeiten hat; mit den Türken ins reine zu kommen unter Umgehung Frankreichs; der Zwischenfall in Smyrna, der erst in später Abendstunde be kannt wird und auf den Boulevards eine unge heure Erregung ausgelöst hat, die zu beschwichti gen der offiziöse Teinps in einem E^traanschlag sich ziemlich vergebens bemüht; die unleidliche Geschichte von Me.nel. die, wie immer sie auch ausgehen mag, für Frankreich einen empfind- lichen Prestigeverlust bedeuten wird; endlich die unbefriedigte Lage im Ruhrgebiet, die, wie ich zuverlässig vernehme, zu einer Eingabe der In- oustciellenverbände an die Regierung geführt hat wegen des zur Katastrophe sich ausw-chsenden Kohlen- und Koksmangels; dies alles hat eine Atmosphäre geschaffen, wie sie nervöser nicht ge dacht werden kann. Herr Tardieu ist ohne Zweifel der Ansicht, daß der Augenblick zu ein«, ernsthafter^ Offensive gegen PoincarS.gekommen ist. Ob seine Rechnung stimmt, ist jedoch sehr zu bezweifeln. Der ehemalige Mitarbeiter Poin- carLs leidet an einer für den Politiker gefähr lichen Krankheit: an einer chronischen Selbstüber schätzung. Es wäre.vielleicht möglich,, daß bei der jetzigen Stimmung Poincar« gestürzt werden könnte: wenn ein anderer als Tardieu die Schlacht eröffnete. Die Sensation des Abends ist denn auch der - Aufmarsch Brian ds. Bei allen bisheri gen Abstimmungen hat sich der Vorgänger Poin- car^s entweder der Stimme enthalten oder seinem Nachfolger das Vertrauen ausgesprochen, und in seinen seltenen Reden war kaum ein Wort der Kritik zu hören. Ls wäre natürlich weit gefehlt, wollte man daraus entnehmen, daß der ehrgeizige Mann das hinterlistige Spiel ver gessen tsaHe, 'das während seiner Abwesenheit Poincarö mit dem Minister Darthou getrieben hatte. Briand wartet auf seine Stunde, er weiß, daß sie einmal schlagen wird. Seine Haltung . mährend des abgelaufenen Jahres zeigt nur, daß ihm darum zu tun ist, das Vertrauen der ge samten republikanischen Linken miederzugewin- nen. Niemand weiß das besser als Daudet, der kaum einen Tag vorübergehen läßt, ohne in seiner gewalttätigen Art die „Bastonnaöe" für Briand zu verlangen, den er nicht anders nennt als „den Verräter". Als nun plötzlich in der Ausschußsitzung Briand sich erhob und die Punkte präzisierte, über die Poincarö sich zu verantworten hätte, da horchte alles auf. Die endgültige Fassung des „Fragebogens", den der Vorsitzende Leygues Herrn PoinearS über mitteln wird, rührt denn auch von Briand her — seit einem Jahre zum ersten Male, daß er handelnd auf irgendwelche Weite eingreift. Was wird Herr Poincarö tun, um den« mög lichen Ausbruch des Sturmes zu begegnen? — Es ist, wie gesagt, äußerst unwahrscheinlich, daß die Stellung des Ministerpräsidenten irgendwie erschüttert werden kann, wenn Tardieu den An« griff führt. Es werden sich wenige Abgeordnete der Linken und des republikanischen Zentrums finden, die darauf Wert legen, sich in einer solchen Gesellschaft zu kompromittieren. Die Tatsache, daß Briand hervortrat, erklärt man so, daß es Briand von vornherein darum zu tun ist, den Stoß der Elemencisten zu parieren, da- mit nicht dem Uebel das größere Uebel folge. Im Auftrage Briands soll denn auch schon in dieser Stunde Poincarü von dem Beschluß der Abgeordneten unterrichtet worden sein, so daß er schon morgen oder übermorgen in der Lage sein kann, befriedigende Erklärungen abzugeben. Deputierte der Opposition, mit denen ich sprach, sind der Ansicht, daß der Augenblick noch nicht gekommen sei, wo der Sturz Poin« car^s eine wirkliche Erleichterung bedeuten würde. Sie versichern im Gegenteil, daß seine Erben die Dinae noch schlimmer treiben würden. „Die Frucht ist noch nicht reif, die Mißerfolge der gegenwärtigen Politik noch »icht offenkundig