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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.08.1918
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1918-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19180831017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1918083101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1918083101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-08
- Tag 1918-08-31
-
Monat
1918-08
-
Jahr
1918
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Morgen-Ausgabe vezugsprei,: L W» »««tellLhrltch M. SM: s»r Abholer «oiraillch M. LL0: dorch o«l«r, «»»artig«» Filialen I*« Hanl -«»rächt monatlich M. 2.LS. »i«rt«l- IlhrUch M.7M durch dl« Dost innerhalb Deullchlandt <8«lamt-A«tgad» „nailich M. 7.7S, ol«ri«llahrl»ch M. SLS; Moraen-Ani-ad« M. I^li, At«»d-A»«gaS« M. IM, Sannlaal-Antgad« M. l>,80 monatlich (autschlietzlich Postdestellgediihr). Haoptscbriftletter: Dr. Erich Everth, Leipzig. Amtsblatt des Rat« und des pollreiarntes dreStndt teipzi- 11L. Jahrgang Anzeigenpreis:VA! Anzeigen ». vehtrden Im amtl. Teil dl« Kolonelzeli« 8V Vf, ». ««»» gi Pf.: klein» Anzeigen dl« Kolooelzeil« liü Pf,,an«war» 35 Pfg Deschastlanzeigen mit Piatzvorlchriften im Preis« erhöbt- B«iiag«n: ipesamlanslag« M. 7.— Kal Lausen» aulschl. Pastgeklhr. «i»1«i»,»».r i0 Ps. — Saun- und Festtag» >S Pf. S—fstrech Aalchl.stAr.Iiair. ««« und lioot.-Posts»e»»»n«a7r0L Schrisll«it»»g and iveschSftlstele: Zohonnitgass« Rr.8. Verlag: Dr. Reinhold Sc To., Leipzig. Rr. 44S Sonnabend, de« S1. August 1S18 Erneuter englischer Durchbruchsversuch Abendbericht > vtd. Berlin, 30. August, abends. (Amtlich.) Drohe englische Angriffe auf breiter Front südöstlich von ArraS find gescheitert. Oertliche Kämpfe nordöstlich von Noyon und an der Arlette. * vtd. Berlln, 3V. August. (Drahtbericht.) DiegroheSchlachl «oischen Arras und Solffon« wird von Franzosen und Engländern ohne Unterbrechung wettergeführt, ohne dem Feinde bisher irgendeinen entscheidenden Erfolg gebracht zu haben. In ihr sind vom 21. bis zum 28. Angust zwischen Arras und Avre 28 englische Divisionen, davon etwa zehn mehr als einmal, und zwischen Avre und Aisne 40 französische Divisionen, von ihnen etwa fünf zweimal, eingesetzt worden. Mit Hinzurechnung der beteiligten feindlichen Artillerie formationen und der Heeresgruppen sind rund anderthalb Millionen Mann innerhalb einerWoche gegen die deutsche Frontangerannt. All diese Divisionen traten voll auf gefüllt und ausgeruht in den Kampf. Sie waren den besten Verbänden der Entente entnommen. Auf englischer Seite waren es besonders die erprobten kanadischen, schottischen und neuseeländischen Truppen sowie die Garde und die 163. Marinedivision, die immer wieder in das deutsche Feuer vorgeschickt wurden. Seil dem 28. August hat die feindlich« Führung zu ihren bisher stets vergeblichen Durchdruchsoersuchen zwischen Ailette und Aisne Amerikaner zu Hilfe geholt. Diesmal konnte auch deren Einsatz den Franzosen keinen Erfolg bringen. Am 20. August wiederholten sie abermals mit Unterstützung der Amerikaner am ganzen Tage unter Einsatz dichter Massen von Infanterie, Kampf- und Flieger geschwadern bir, m 50 Einheiten ihre Durchbruchsoersuche. Unter un gewöhnlich hohen Verlusten brachen hier die feindlichen Mastenstürme nach heihem Ringen um jeden Geländegewinn zusammen. So wurde der Abwehr und Angriff zugleich lDrahtbertcht unseres Kriegsberichterstatters Westen, 30. August. Die letzten Funksprüche geben neben den Errungenschaften deS von uns freiwillig geräumten Geländes verschiedene örtlich durch unsere Gegenstöße erzwungene Rückschläge zu. Unsere Abwehr gegen die Uebermacht an Menschen und Material hat sich ihren offensiven Cha rakter auch weiterhin bewahrt, ja er krllt seit den letzten Tagen der zroßen Schlacht noch offensichtlicher in Erscheinung. Eine direkte und indirekte Folge ist, daß Englands Kerntruppen seit dem 8. August über die Hälfte ihres Bestandes verloren haben. Wenn er auch, wie nach den Märztagen, wieder nachgefüllt wurde — heule sieht der Ersatz ganz anders aus. ES sind das überwiegend junge Bergarbeiter, meist unter 20 Jahren, deren schon verschiedentlich angedrohte Aushebung jetzt schnellstens wahrgemacht ist. Diese Maßnahme hat sich inzwischen in der Heimatindustrie bereits als äußerst unvorsichtig erwiesen. Desgleichen aber auch an der Front. Die Gefangenen erzählen, wie unwissend sie gewesen seien, als man sie in der zweiten T.clle des Sturmangriffs eingesetzt habe, wie sie sich plötzlich zwischen den Leichenhausen der vordersten Linie befunden hätten, Deckung suchen muhten gegen unser niedermähendeS Maschinengewehr feuer und der Vernichtung unserer Artillerie, bis sie dann unser Gegen stoß abwies. Auch der gestrige Tag brachte wiederum schwere Kämpfe, nach dem der Abend und die folgende Nacht keine Erneuerung der ab gewiesenen Angriffe beiderseits der Heerstraße ArraS—Eambrai gebracht halten. BiS in die Dunkelheit der Nacht hinein war daS Dorf Thilloy der Brennpunkt des Kampfes gewesen. Nördlich der Scarpe unterdrückte unser vorzüglich flankierendes Artilleriefeuer einen starken feind lichen Ansturm, der mittags erneut beiderseits der Heerstraße vor brach, um nachmittags zum Teil noch im Vorfeld blutig abgeschlagen zu werden. Ilm Boiry, Remy und Henecourt wurde besonders er bittert gekämpft, ohne daß es irgendwo zum Durchbruch durch unsere Hauplwiderstandsllnien kam. Weiler« Einzelheiten von der Besetzung Morys werden noch be kannt. So hat sich ein Hilfsarzt Rehfeld am 26. abends mit 35 Mann eines Grenadierregimentes, darunter Schwerverwandete, obwohl fett 25. früh ohne Verpflegung, durch den Feind hindurchgeschlagen. Zu den Kämpfen an der Beste und Mr Erstürmung des FlS - mette erfahre ich, daß hier nicht nur Fronttruppen, sondern auch fchwere Artillerie, die Intendantur, die Etappe, rein amerikanisch sind. Die durchweg jungen Mannschaften stammen aoS den Staaten New Bott» und Massachusetts, Industriearbeiter, kleine Händler, Hand werker der Großstädte. Bei einigen Patroulllenanlernehmungen waren die Amerikaner nur mit dem Eddystone- oder Springfield-Gewehr, auch mit Schrotflinlen ausgerüstet. Bezeichnend für die amerikanische Frei heit ist die strenge Briefzensur bei den amerikanischen Truppen. Jeder Brief wird von einem Offizier geprüft oder muh in besonderem Um schlag der PostüberuxrchunoSstelle der Zensur eingeschickt werden. Alfred Richard M e y e r, Kriegsberichterstatter. Hindenburgsche Kriegführung Schweizer Grenze, 30. August. (Eig. Drahtbericht.) In Besprechung der gegenwärtigen Schlacht in Frankreich sagt der militärische Mitarbeiter der .Baste, Nachrichten": Die Schlacht auf de« westlichen Kriegsschauplatz dauert an, ohne daß sie in den letzten Tag« den Eharakter geändert hätte. Die Deutschen geben immer noch langsam Gelände preis, allerdings nicht ohne scharfe Gegenstöße zu machen. ES entspricht dies ganz der Hindenburgsche» Kriegführung. Der Zweck de« Kampfe« ist im feindlichen Land immer nur die Zer- trümmernng der feindlichen Streitkräfte, niemals aber Raumgewinn, der unter allen Umständen anbequem oder sogar schädlich sein kann. Die deutsche Offensive vom 15. Juli in der Cham pagne ist bekaunlllch verraten worden, und so konnten die Franzosen da« schon mehrmals vorher von den Deutschen angewandte Verfahren eiaschlagen, einen Geländeflreifen vor ihren Hauptstellangen nur ganz schwach besehen und den Gewalthaufen ihrer Kräfte weiter rückwärts außerhalb d«S Bereiche« de« deutschen Vorbereikung«feuer« bereit stellen. Sehr richtig haben di<- Deutschen auch in diesem Fall ihre An- griffe in der Champagne -gellt, sobald sie di« wirkliche Lage er kannten. Ein monatelang«« Abringen, wie au der Somme 1916 oder in Flandern 1917, wäre fa auch in der Picardie möglich gewesen, aber alle KttegSerfahrungen, auch dte de« jetzigen Kriege«, zeigen doch, daß etwa« Entscheidende« nicht iw zähen Kampf nm Stellungen, sondern nur la der Bewegung erreicht werden kann. Hqqg, 30. Aagast. (Eig. Drahtbericht.) General Ma,- llßrz« der au der West front war and im .Daily Chronirle" «der seinen 29. August zu edier schweren gemeinsamen Niederlage der zahlenmäßig weit überlegenen Franzosen und Amerikaner. Die Zurückverlegung unserer Front in die Linie östlich Bapaume, nordwestlich Peronnc, wurde entsprechend einem bereits seit längerm gefaßten Beschluß planmäßig und ohne feindliche Einwirkung durchgefüyrt. Dem nur zögernd folgenden Gegner fügten unsere schwachen Nachhuten und aufmerksamen Batterien aus vorbereiteten Stellungen empfindüche Verluste zu. * * * Englischer Bericht vom 29. August, abends. Die erfolgreichen An griffe der 4., 3. und 1. englischen Arme« seit dem 8. August haben die feindlichen Stellungen auf dem allen Sommeschlachtfelde unhaltbar ge macht. An der ganzen Front von Bapaume südwärts ist der Feind gezwungen, das von ihm mit so bedeutenden Kosten im März und April dieses Jahres gewonnene Gelände mit großen Verlusten an Ge fangenen, Geschützen und Kriegsgerät sowie an Toten und Verwun deten aufzugeben. Mir haben das Westufer der Somme gegenüber von Briey und Pöronne erreicht und diese Orte genommen. Nördlich von letzteren Orten gehen wir an der allgemeinen Link Combles—Morval—Beaulenzourt—Frömicourt vor. Einscharfer Kampf fand im Laufe des Tages an dieser Front statt und viele Verluste wurden den deutschen Jnfanteriekörpern zugefügt, die unseren Fortschritt aufzuhalten versuchten. Heute morgen nahmen neuseeländische Truppen Besitz von Bapaume, indem sie feindliche Nachhuten heraustrieben. Im Abschnitt nördlich von Bapaume bemüht sich der Feind noch immer, seine Stellungen zu halten. Unsere Truppen machten nach Harken Kämpfen In der Gegend von Menin Fortschritte und brachten zahlreiche Gefangene ein. Nördlich der Scarpe setzte eine erfolgreich durchgeführte Unternehmung unsere Truppen heute instand, In den Stellungen auf dem Grönlandhügel wieder fest Fvh zu fasten, von wo sie durch die feind lichen Gegenangriffe am 27. August zurückgeworfen worden waren. Wir gewannen weiterhin Boden während des TageS beiderseits de« Lave- bacheS, nördlich Bökhune sowie östlich des NleppewaldrS. Besuch geschrieben hat, gab auf ein« Anfrage folgende Antwort: Der vollständig« Sieg im Westen ist sicher. In rot« langer Zett er erzielt werden kann, hängt davon ab, ob e« uns möglich ist Amerika mit genügend Schiffen und Hatg mit genügend Mannschaften zu ver sehen. ' LitauischeAbordnung beiHerrn v. Hintze G Berün, 30. August. (DrahtberichtunsererBer- llner Schriftlettung.) Die litauische Abordnung, an deren Spitze der Präsident der Taryba, Smetona, steht, ist heute mittag vom Staatssekretär -es Auswärtigen Amtes empfangen worden. Bekanntlich fährt Smetona heute abend nach der Schweiz, um dort mit den Vertretern der in Amerika lobenden Litauer in Verbindung zu treten. Der Umstand, daß der Staats sekretär den Präsidenten Smetona unmittelbar vor seiner Reise empfangen hat, zeigt wohl, daß zwischen beiden Stellen ein Ein verständnis besteht. Zum deutsch-spanischen Zwischenfall Amsterdam, 30. August. (Eig. Drahibericht.) Nach Madrider Meldungen an die Pariser Presse sanden zwischen dem Minister de« Neußer», de« Innern, des Unterricht« und der Justiz leb- hafte Besprechungen stakt. Die Minister werden sich nach San Sebastian begeben, um mit dem König und Maura zu beraten. König Alfon« arbeitet fieberhaft an der Erledigung der StaatSgeschäfte. Haag, 30. Augnst. (Eig. Drahtde richt.) Die .Time«" er fahren au« Santander, daß die spanische Regierung noch keine Berichte bezüglich ihrer Rote an Deutschland veröffentüchk hak. Die Zensur ist sehr streng, worüber die öffentliche Meinung un zufrieden ist. E« sind Anzeichen dafür vorhanden, daß eia Aeberein- kommen zwischen Deutschland und Spanien erzielt werden wird. Großer Sieg der Sowjettruppe« Berlin, SO. August. (Drahtbericht.) Die Petersburger «Prawda" vom 28. August schreibt: Ein glänzender Sieg der Sowjet trappen qm Asfurt. Ganze Abteilungen Tschecho slowake«^ Engländer, Fraazosea «und Japaner find geschlagen und zum Rückzug gezwungen worden. Im A«chabad- Gebiet ist der Gegner ebenfalls geschlagen. Wir haben die Städte Tadschen und Merw deseht. Die dritte Armee geht erfolgreich vor. Da« befefkgte Gebiet der Hauptliai« Beru—>l«k ater in endarg ist in unserer Hand. Bei den Sylwinsk-Werke« geht der Gegner, von Panik ergriffen, zurück. M Ha«L 30. August. (Eigener Drahtbericht.) Hier macht flch starke Nachfrage nach russischen Staats fonds geltend, im Zusammenhang mit Gerüchten, nach denen die Ukraine 20 Prozent der früheren russischen Staatsschuld übernehme» will. Oesterreichisch - ungar. Heeresbericht Wien, SO. August. Amtlich wird mttgetellt: Italienischer Kriegsschauplatz. Südlich von Merii überfielen Kavallerie-Sturmtrupps eine« feindlichen Stützpunkt und hoben einen Teil der Besatzung ans. Aach im Loncei-Tal betätigten flch ansere Sturmtrupps mit Erfolg. Auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden lebte die Ge- fechlstätigkeit beträchtlich ans. Bei Aflago - d nördlich des Lol del Rosso unternahm der Feind nach heftiger Artillerievorbereitung mehrere Vorstöße, die teil« durch Feuer, teil« im Gegenstoß zuräck- geschlagen wurden. Gestern frtih griffen unsere Großflugzeuge den Bahnhof Monte Belluna an und belegten ihn mit SO Bomben. Albanien. Keine größeren Kampfhandlungen. Der Lhef des Generalstabes. (ZF. K.-A.) Zur jüngsten Wendung in der polnischen Frage Von geschätzter Seite wird uns geschrieben: Die polnische Frage ist wieder aktuell geworden. Die Nach richten in der deutschen Presse häuften sich, und die endgültig« Lösung des Problems schien schon unmittelbar bevorzustehen. Freilich wiegelte die polnische Regierung bald ab, indem sie amtlich betonte, daß die Reisen der beiden Beauftragten, des Prinzen Nadziwill und des Grafen Ronikier, nach dem deutschen Haupt quartier und nach Wien nur informatorischen Charakter hätten. Für die Zurückhaltung der polnischen Negierung dürfte aber der Umstand mit maßgebend sein, daß ihre Stellung, gestützt aus die Knappe künstliche Mehrheit im Staatsrat, nur schwach ist und sie entscheidende Schritte in der polnischen Frage ohne eine gewiße Rückendeckung nicht wagen kann. Immerhin scheint eines fest zustehen: Zn der polnischen Frage weht vom deutschen Hauptquartier her ein neuer Wind, und diese neue Wendung würde vielleicht noch weitere und raschere Folgen haben, wenn die Verständigung mit Oesterreich-Ungarn nicht besonderen sachlichen Schwierigkeiten begegnete. Die neue Wendung bedeutet zweifellos einen politischen Fortschritt. Die bisher allem Anschein nach verfolgte Ab sicht, Polen durch konkurrierende Nandstaatcn und territoriale Beschneidungen nicht aufkommen zu lassen, war ein au'Ssichtsloser Dilettantismus und zudem unvereinbar mit dem durch die Akte vom 5. November 1916 und 12. September 1917 feierlich in Aus sicht gestellten Kurs. So reich an Freunden in der Welt sind wir nun doch nicht, daß wir mit tödlicher Sicherheit das stärkste der östlichen Nachbarvölker jeder feindlichen Koalition in die Arme hätten treiben können. Allerdings gewährleistet uns auch die jüngste Wendung unserer auswärtigen Polenpolitik noch nicht die entsprechende Umstellung der polnischen Volksgesamtheit. Nehmen wir an, daß unser neuer Kurs ausgeht von dem Verzicht aus bc- deutendere Grenzberichtigungen und dem Zugeständnis weit gehender politischer und wirtschaftlicher Bewegungsfreiheit Polens, so ist dies immer noch ein Angebot, das eine starke Selbstbescheidung auch der gemäßigten aktivistischen. Kreise in Polen nach ihren früheren Erklärungen erfordert, und von heute auf morgen wird die in manchem unerfreuliche Geschichte unserer Beziehungen zu Polen und zu den Polen, wie sic sich vor dem Kriege und im Kriege gestaltet haben, sich nicht auslöschen lassen. Viel Geschick und Geduld wird unserseits erforderlich sein, um die Früchte einer wirklichen deutsch-polnischen Verständigung zur Reife zu bringen. Beides haben unsere verantwortlichen und leitenden Stellen sowie ein großer Teil unserer Presse bisher nicht besessen. Leicht wäre es, ein Register im polnischen Okkupationsgebiet begangener Ungeschicklichkeiten aufzumachen, an dem die verschiedensten Stellen Anteil haben; doch ist der Augenblick dazu nicht geeignet. Aber die Bemerkung darf nicht unterdrückt werden, daß das zeit liche Zusammenfallen der, sagen wir kurz, polenfreundlichen Wen dung mit dem schweren Ansturm der Gegner an der Westfront wieder einmal einen großen diplomatischen Fehler verstellt. Die großen Grund- und Richtlinien der Politik, die man überhaupt treiben kann, müssen natürlich gewisse Voraus setzungen realer Macht haben; aber auf jede leise Schwankung der Machtverhälknlsse etwa mit einem diplomatischen Kurswechsel in wichtigen Fragen reagieren oder reagieren zu scheinen, würde heißen, daß eine solche Diplomatie überhaupt eine Opportuni tätspolitik ohne System und Charakter wäre oder zu sein scheine. Und diesem Verdacht setzt uns der Kurswechsel in der polnischen Frage leider aus. Gleichzeitig verstärkt sich damit die Befürchtung in der Hin sicht, ob die neue Stellungnahme zur polnischen Frage auch die er forderliche Konsequenz, Kaltblütigkeit und Dauerhaftigkeit aufweisen wird. Man muß sich einmal in das historische und politische Empfinden der Polen hlneinversehen, um zu verstehen, welche Schwierigkeiten einer deutsch-polnischen Annäherung ent gegenstehen, von den wirtschaftlichen Bedürfnissen des neuen StaatSgebtldes ganz abgesehen. Wo diese Schwierigkeiten zum guten Teil Kegen, zeigt sich u. a. in der Bemerkung eines Mit gliedes de« polnischen Skaatsrakes bei der Beratung über ein« Denkschrift der Deutschen in Polen: .Wir sind gern bereit, den Deutschen in Polen alle die Rechte zu gewähren, die die Polen in Deutschland haben.' Gewiß werden die Polen bei ihren Be strebungen and Ansprüchen, wie Graf Lzerntn im österreichischen Herrenhaus richtig bemerkte, noch viel Wasser in ihren Mein gießen müssen. Wenn man aber auf unserer Seite alle die Im ponderabilien der Gegenseite außer acht läßt und womöglich auf jede Aeußerung radikaler Forderungen irgendeiner Zeitung oder Partei mit einer verschärften Ansiedlungspolitik droht, dann wird der neue Kur« bald kläglich Schiffbruch leiden. Nur eine ge duldige, jahre- und jahrzehntelange, ohne Sen timentalität, aber auch ohne Empfindlichkeit betriebene Politik, die da« neue Königreich Polen in der Anlehnung an Deutschland reale politische und wirtschaftliche Werte erkennen läßt, kann ein so schwieriges Problem lösen. Vorderhand sind wir freilich noch von den Grundlagen einer Lösung der polnischen Frage entfernt. Cs ist bedauerlich und be zeichnend, daß bei uns von den realen Einzelfragen die Be setzung des polnischen Thrones an erster Stelle steht, während die notwendige Voraussetzung dieser Krönung des polni schen StaatSbaues doch — eigentlich selbstverständlich — Klarheit über Basis und Konstruktion dieses Baue« sein mühte. Polnisch« Blätter aktivistischer und monarchistischer Richtung haben mit Recht hervorgehoben, daß die KünigSfrage für sie gegenüber der FragederGrenzen ein Problem zweiten Range« fei. Bel der Grenzfrage handelt eS sich allerdtng« nicht nur um die West-
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