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war du» ant dem Dekret von RcimS Wesentliches nicht mehr zu meiden. Ruh« herrschte eigentlich nur zwischen Maas und Mosel, wo sich di« Amerikaner offenbar noch nicht von ihrer letzten 'S6 lappe erholt haben. Hingegen zeigte sich auch in den Vogesen eine ztem-ch rege militärisch« Tätigkeit. Schon am 6. IuU waren stlndllche Vorstöße am Hilsenfirst abgewlefe», und in Kämpfen, die E si. Juli im Svndga» begannen, brachten unsere Feldgrauen nbvdVch von Largitzen französische Gefangene ein, ein Beweis, daß dort, wo Amerikaner stehen, doch immer noch als Korsettstäbe ßr«r^sische Divisionen vorhanden sind. Neuerdings lebte m» ft» den mittleren Vogesen und am Hartmannsweilerkopf die GesechtttSÜgkeit auf. Nächtliche Feindvorftöhe nordöstlich P«t-K-Moufson mrd im Fave-Grund erwiesen, dah hier die «wüsche Front ebenso stark ist wie an den anderen Hauptkamps- äGchnMen. Angriff« also überall Vorstöße von einzelnen Patrouillen b8 zu solchen starker Abteilungen, ja selbst ganzer Divisionen waren überall an der Tagesordnung. Die Nervosität unserer Gegner ist eben begreiflicherweise groß. Der erwartete Schlag wird kommen, und wird überraschend kommen, zeitlich und vrküch. v. lr. - Rach Hertlings Erklärungen Llemenceaus Antwort Genf, 15. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Der .Mattn' meldet: Llemcnceau äußerte am Sonnabend vor seinem Frontbesuch zur Presse und zu Parlamentariern, er vertraue mebr auf die Versprechungen FochS als auf die deS deutschen KanzleS. Er sehe auch in den neuen Auslassungen deS deutschen Kanzlers nicht die geringste Möglichkeit, aus irgendsolche alle)7meinc Redensarten zu Friedensverhandlungen zu kommen. Die französische radikale Presse Im gestrigen Morgcndlatt hatten wir die von Havas verbreiteten Stimmen der französischen RegierungSpresse wicdcrgcgeben. Nach stehend einige Zitate aus der Presse der Anken: Der .Kleine Kreis', sagt der .Radikal', ist eine veraltete Methode, nachdem olle Völker sich erhoben Koben zur Verteidigung des Rechtes. Das Abenteuer Ezernin-Bourbon Earl hat zum Ueberfiuh bewiesen, dotz die Alliierten den Vorteil kabcn, über die Linzelhe'ten des Friedens ohne Rückhalte SffenLch sprechen zu können und daß sie davon Gebrauch macken. .Humanitä' und .Lanterne' sind nicht minder deutlich. Die erstere schreibt: Wenn die Alliierten in Verhandlungen in beschränktem Kreise in geheimer Form cinticten würden, wozu l-'raf Hertlinq sie mit Zustimmung Lvdendorfss aussorderi, so würden sie sich sehr schnell unter dem Druck eines zweiten Brest-Litowskcr Vertrages be- smdeu. Ein gerechter, dauerhafter Friede Ist etwas ganz anderes. Die .Lanterne' fragt, ob Llemenceau recht habe, zu sagen, die Deutschen seien nicht so stark, wie man glaube. Anter diesen Umständen ist os offenbar, daß der Kanzler naiverweise große Furcht verlöt und nicht vor den Völkern verhandeln will. Das .Journal' saßt die Angelegen heit als ein von den Alldeutschen abgcgcoeneS offenes Eingeständnis ihrer Ohnmacht auf. Diele erwarteten nun von Hinterlist und Ver handlungen einen guten deutschen Frieden. Sic stellten fetz': die Lösung durch Gewalt beiseite und stimmten der beiderseitigen Besprechung zu. DaS Blatt fügt hinzu: .Eben weil sie das unbedingte Vertrauen hat, eines Tages den Frieden diktieren zu können, lehnt es die Entente hartnäckig ad, ihn zu erörtern. Der deutsche Generalstab ist trotz seiner Stege der. Zukunft weniger sicher.' Englische Stimmen Haag, 15. Juli. (E i g. Drahtbericht.) In hinein Artikel ec- ksilit der .M anchester Guardian'' Wir wollen den vollständigen Wortlaut der Rede des Grasen Hertling aowarten. Nach dem vor- l»-genden Tert glauben wir aber, daß er den hauptsächlichsten For derungen der Alliierten und namentlich Englands Genüge tut, indem er sich unwider.ufllch verpflichtete Belgien w i e d er h e r z u ste lle n. Dieses Versprechen ist aber bisher nicht bedingungslos abgegeben worden. Belgien wird so recht im Geist der zynischen deutschen StaätSkunst als Pfand für Unterhandlungen sestgehalten. Dagegen sieht der Reichs kanzler Belgien wenigstens als eine völlig unzweideutige Unterlage für die allgemeine Regelung an. Merkwürdig ist ferner seine Erklärung, daß er keine Kompensation verlangt, und gesteht, dah Deutschlands KriegSzlele seht in einer Weise formuliert wordrn sind, daß ste mit der Juli-Resolution deS Reichstages übcreinstimmen. .Manchester Guar dian' führt dann weiter aus, dah man seit dem Februar dieses Jahres deutlich eine Acnderung in dem Tone der deutschen Machthaber ver nehmen könne. Daraus könne man den Schluß ziehen dah die große Offensiv« im Westen keine wesentliche Acnderung in der Gesamttag« herbeigeführt habe und daß für die fetzige Politik wirtschaftliche Ge- sichtüpunkte maßgebend feien. Infolge dieser Red: werd« die Situation wenigstens so wet geklärt, dah ein Grda lkeuauStaufch zwischen d«u StaatSmännein mit mehr Aussicht auf Erfolg stattfinden künu« Wem» man die beiden letzten Reden Lloyd Georges genau beacht«, dann müsse man sagen, -aß mehr negative als positive Worte über die KrtegSziele gesprochen seien. .Manchester Guardian' erinnert zum Schluß daran, dah Lloyd Georg« vor einem Jahre jeh« »tlldßrkch« Annektion eines Gebietes, das die Alliierten besetzt halten, gerügt habe. Trotz mancher Anzeichen, die auf ein« Asnderong htnwelfen, sei eS nichik wahrscheinlich, dah die Zett für ein Eingreifen der Diplo matie gekommen sei. Diesen Zeitpunkt hält das Btrtk für eher ge- konnnen, als das Zusammentreten einer internationalen Konferenz her Arbeiter. Haag, 15. Juli. (Eig. Vrahtbertcht.) Während di« meiste« Londoner Blätter an ihrem alten Standpunkt« festhalten und in der Red« HertltngS kein« Aussicht auf «inen huldig«! Frieden er blicken, vertreten die .Daily News' einen andern Sttnr-punkt. Das Blatt sagt: Hertlings Erklärungen gehen viel weiter, als was bis jetzt durch irgendeinen oerantwortltchen deutschen Staatsmann gesprochen worden ist. Dle abgegebenen Erklärungen näbern sich merklich d«r von Lloyd George ausgestellten Formel, daß die Deutschen erst einmal das Wort .Zurückgabe' buchstabieren lernen müssen. Wenn auch die Rede Hertlings kein« neu« Basis für Unterhandlungen ab gebe, so könne man dock in Ihr den Wunsch offizieller Kreise finden, die Tür für den wirklichen Frieden geöffnet zu halten. Wir wissen nun was der Kanzler sagt«: wichtiger ist uns aber was jetzt die Wort- führer der Alliierten dazu sagen werden. Werden die Friedens bedingungen, die im ReichSkricgskabinett angenommen wurden, jetzt veröffenillckt, und werden die alliierten Regierungen auf dem Verbot einer internationalen Arbeiterkonserenz weiter bestehen? Der gegen wärtige Augenblick wiese diesen Gedankenaustausch auf «ine formelle diplomatische Annäherung, oder die nichtamtlichen Diplomaten könnten jetzt Gelegenheit nehmen, eine fruchtbare Tätigkeit zu entfalten. Die deutschen konservativen Mütter <-) Berlin, >5. IE. (Drahtbericht unserer Berliner Sch riftleitung.s Die Konservativen und die mit chr in der belgischen Frage an einem Strange ziebende Presse bleiben über die Aeußerungen deS Kanzlers fortgesetzt verstimmt. Die .Deutsche Tageszeitung', di« .Post', die .Berliner Neuesten Nachrichten' und die Deutsche Zeitung" kommen, obwohl ste ihr Sprüchlein bereits ge sagt haben, auf die Frage zurück. In der .Kreuzz«itung' setzt sich Graf Westarp in Person nochmals mit der Kanzlerrede auseinander. Sie wäre nicht für das Ausland bestimmt, sondern nur für die Sozialdemo braten oder dock nur für die inneren Verhältnisse im Reichstage. Er jckließl mit einer höflichen Umschreibung deS alten Li ckcuissee: So sind wir der Meinung, daß die Rede des KänzlerS über Belgien nickt er schöpfend Klarheit schafft, sondern wiederum ein« gewisse Wohltätigkeit beweist, die eS uns unmöglich macht, einen Fortschritt zur Klärung der belgischen Frage zu erblicken. Hätten die Sozialdemokraten nicht durch die Verweisung des Kredits an den HauShaltSauSschuß eine erneute Stellungnahme deS Kanzlers gefordert, und häkle man dieser Forde- rung nicht nachgeben zu sollen geglaubt, so wär« He nicht gehalten worden, und das wäre vielleicht das beste gewesen. Uebernahme der Geschäfte durch Hintze G Berlin, 15. Juli- (DrahtberichkunfererBerliner Schriftleitung.) ES ist noch nicht sicher, wann Admiral v. Hintze in Berlin eintrisft, um die Geschäfte zu übernehmen. Im Auswärtigen Amt erwartet man ihn jeden Tag. O O Berlin, 15. Juli. (Drahtbericht unserer Berliner Schrift! eitung.) Ueber die Frage der Neubesetzung der Se- sandtenposten in Christian»« und MoSkau wird «st entschieden werden, wenn der neue Staatssekretär von Hintze sein Amt ange- kreten hat. Dah« sind alle bereits Mutmaßungen gegenstandslos. " /' Die Stimmung in Rumänien Wien, 14. Juli. (Drahtbericht.) Der rumänische Gesandte Jan Earp äußerte sich einem Mitarbeiter der «Renen Freien Presse' gegenüber folgendermaßen über die Lage in Rumänien: Die Stimmung bei trnS ist gedrückt. Immerhin hat da» Unglück der letzten zwei Jahre bei unL belehrend gewirkt. Eigent liche Sympathie für Rußland bestand nie, aber man macht« sich ausschweifend« Vorstellung«» von -er »moiderftehvche» Macht des russischen Kolosses, und bei -er großen Menge der bäuer lichen Bevölkerung wirkte der gemeinsame orchodor« Glaube zu gunsten Rußlands. Da ist nun gründlich Wandel geschaffen. Der rassische Koloß ist zusammengebrochen, und der rumänisch« Bauer der Moldau, welcher die russische Soldateska bei ihrem Rückzug« sengen und brennen sah, hat seine Vorstellung von den orthodoxen Glaubensbrüdern sehr stark geändert. Die russische Revolution und daS Treiben der Bolschewik! wirkte auf unsere bäuerliche Be völkerung abstoßend. Ueber die fron zösischenSympathien dergedildeten Klassen Rumäniens sagte Earp: Manche sind natürlich unbelehrbar. SS gibt auch solche, welche noch immer an den Sieg der Entente glauben. Gelegenheit zum Umlernen haben alle gehabt. Unsere Grundbesitzer zum Beispiel können den musterhaften Zustand, in dem ste ihre Güter in der Walachei, als» unter den Händen der «Hunnen' und ihrer Bundesgenossen finden, mit den Zerstörungen und Verwüstungen auf den Gütern der Moldau vergleichen, wo dle Truppen der Entente wirt schafteten. Die Sozialisten gegen die finnische ReglerungspolMK Stockholm, 15. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Sämt liche sozialistischen Parteien Schwedens und Norwegens ver öffentlichen eine Erklärung gegen die gegenwärtig von der Re gierung und dein Landtage In Finnland betriebene PoUtik. Sie wendet sich in erster Linie gegen die an die Niederwerfung der Revolution sich anschließenden Gewaltmaßregeln gegenüber der Arbeiterklasse, aber auch gegen die Unterdrückung in der Nationalitätsfrage. Der Erklärung bat sich a>:ch die dänische sozialdemokra tische Arbeiterpartei «»geschlossen. Politische Nachrichten * D«r Kaiser an die livländische Ritterschaft. Auf ein Telegramm des Landtages der livländischen Ritter, und Landschaft, in dem sie feierlich gelobt, daß das Land ..Gut und Blut für Deutsch lands Größe und Ruhm hingeben wolle", sandte drr Kaiser an de» Landtag folgendem A: tworttelegramm. .Huldigungsgruß und Treugclöbnis der zum Landtag vcrrintcn Ritter- und Landschaft sind mir eine herzliche Freude gewesen. Ich vrrnittge mich mit dem Land tag im Dank gegen Gott, koß es mir und den siegreich,rn rttuttschscn Waffen vergönnt gewesen tti, deutsches Blut aus Verbannung und Todesgesahr zu erretten, ai,e. deutsche Kultur vor drohendem Unter gang zu bewahren und fre>e 'Bahn zu neuer Blüte zu schaffen. Unter dem stark« Schuß »nd Schirm des Mutterlandes wttd, wie ich zu versichtlich vertraue, gemeinsame zähe und zie'dewußfe Arbeit durch harte Zeit zu Heller, glückliche. Zukunft führen. Wilhelm l. k.' ' Konservative Innen- und Außenpolitik. Wir lsscn in der .Sächsi schen Umschau", dem nationaliiberalen Vcreinsblatt für Sachsen: .Die Stimmung im deutschen Volke haben die VeZhmann-Kühlmann doch nicht allein ncrdorbcn. Daran arbeiten alle diejenigen mit, die heute den inneren Resormcn. insonderheit dem gleichen Wahlrecht in Preußen, widerstreben. Die Sozialdemokiattn im Reichstage motten den Etat ab lehnen. Diese Demonstrationen üadcn sie sich jm W-iiuri rgc schon zwei mal gegönnt. Zmn erstenmal oder Hoden sie den Knegskred't nicht gleich im Plenum bewilligt, sondern seine Verw isung an den Hauptknirschuß beantragt und auch dnrcbgesctzk. Hört ihr's wie der Donner groill? Di« Konservativen hoffen bei einem siegreichen AuSgange des Krieges — den wir gewiß alle ersehnen — uni daS gleiche Wahlrecht h e r u m z u k o m m c n. Line Spekula tion von erschreckender Gefährlichkeit: d.nir sie verweisen die Massen mit der Erfüllung ihrer innccpolikischen Ideale auf die deutsche Niederlage. Die Massen werden drr Versuchung nicht erliegen. Ader ein eigenes Verdienst darum hätte sie nicht.' <D Eine nationalliberale Wahlrechtsoersammlung für die preußische Wahlrechtsreform verdolen. Der kommandierende Genera! des stell vertretenden 21. und 16. Armeekorps, Erzellenz v. Unger in Saar brücken» verweigerte die Genehmigung zur Erörterung der preußi schen W a h l r e ch i s v o r la g c in der für Sonntag, den 14. Juli, ge planten Hauptversammlung der nationaliiberalen Partei des ü仫lhü»ev»f«S Saarbrücken, Ottweiler, St. Wendel. Die Versammlung, in bar di« drei Abgeordneten des Wahlkreises, Major Professor Dr. Herwig (für), LandgerichtSdirektor Geh. Iustizrak Dr. Karl Reck ling und Generalleutnant Exzellenz von Schubert (gegen da^ gläch« Wahlrecht) ihre Stellungnahme zur Regierungsvorlage be gründen und rechtfertigen wollten, fand deshalb nicht statt. * Ministerialdirektor Matthieu s. Heute morgen verschied der Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt Wirkt. Geh. Legakionsral Dr. Theo Matthieu. * AnSgetaaschter Bürgermeister. Wie die .Basler Nachrichten" Mitteilen, befindet sich unter den in der Schweiz aus Frankreich einge troffenen Zivilinternlerten auch Herr Toßmann, Bürgermeister von Mühlhausen, der seit Beginn des Krieges in Frankreich gefangen war. * Französtscher Flieger s. Die Pariser HavaSagentur gibt Zci- ttlngSmeidungen wieder, wvnach der bekannte Fliegerleutnant Beau mont bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Flugzeug getötet worden ist. Englischer HeereSberlchl vom 14. Juli abends. Wir schoben am Morgen durch ein erfolgreiches örtliches Unternehmen unsere Linien östlich vom Dikkebuscher See vor und machten über 26U Gefangene. Der Basar des Glück» Skizze / von Richard Rieh » - Nachdruck vrrdet«. Die Brücke der Kaufleute, die in sonderbaren, barocken Bogen den Strom überw. chcrtc, sand ihre Fortsetzung in einer schmalen Zeile, deren beide Seiten die Stände der Fischverkäufer und Käsehündler füllten. Fauliger Dunst des schlammigen Users, verwesender Fische und des stark riechenden KäseS gaben der Atmosphäre hier aasigen Hauch. Aus den Seitengassen, wo Althändler mit zerlumpten Kunden feilschten, kam, auf gespeichert in mottigen, vom Schweiße der Menschen fettigen Kleidern, di« schwüle Erinnerung zahllosen Leides und giftiger Krankheit. Dle Trambahn, dse hier mürrischer ratterte, schob sich dicht an die Häuf«. Anderes Fuhrwerk sand neben ihr keinen Weg. Florian sprang leicht vom Trittbrette und wandte sich zum Fluß ufer, wo er den Stand des Antiquars Lundsen wußte. Hier pflegte er oft hervmzukramen, vielleicht, daß sich unter den zerlesend, fetzigen Schmökern ein seltener Druck befand, eine wertvolle Handschrift oder die Erstausgabe eine« verstorbenen Dichters. ES war ihm bisweilen schon gelungen, zwischen brüchigem Hausrate eine zarte Köstlichkeit alten SevreS-Porzellans zu entdecken und aus d« Kollektion bemalter Leinwanbstücke ein« talentvolle Malerei zu blättern. H«ut« wurde er enttäuscht. DaS Gewölbe war geschlossen. Florian wollte schon gehen, um sich von der Welle, di« ihn hier herouSgedrachk hatte, ins Meer der Großstadt zurücktragen zu lassen, da fielen seine Blick« auf einen kleinen Laden, den er, so nahe seine schmierige Auslage dem Stande deS Antiquars auch gelegen war, nie mals beachtet hakte. DaS Schild, das die Schaufensterauslagen über querte, nannte nicht den Namen d«S Besitzers. In bunter Schrift, die jedem Buchstaben eine andere, grelle Farbe gegeben hatte, war hier zu lesen: «Der Basar des Glücks.' Florian besah die Auslagen: Zaudergerät« lagen hier zu Pyramiden geschichtet. Dominosteine glotzten aus hundert weißen Augen, Würfel ruhten, die Lederbecher umrahmend, und alle zeigten zu Häupten den sechsfachen Punkt. Bunte Kartenbilder prunkten: Figurenreiche deutsche Spiele und Proben der französischen Weltkarte, die nur Farbe und Wert deS einzelnen BlatteS zeig«. Wie ein untätiger Spring brunnen lag, rund und breit, in d« Mitte des Fensters ein« rote Roulette. In «in« Kassette sah Florian grelle Spielmarken, and auf wachSletnenen SpielladleauS standen hölzerne Bakkarat-Schlitten. Florian betrachtet« daS alles und murmelte: Basar deS Giftes... da er der lockenden Aufschrift all der Herrlichkeiten gedachte. Als sein Auge zufällig zur Seite schweifte, traf eS ein« Gestalt, die eifrig des LadenS Herrlichkeiten betrachtet«. DeS Manne« Augen glübten, und in einem schmerzlichen Lächeln biteben die Lippen halb offen. Als Florian, wohl nur aut Unachtsamkeit, den Stock fallen ließ, schreckte der and«« zusammen und seh mt« Aum«. tu dckw» et« nervifl« Hilflosigkeit stand, «f »o» «drmcheed. »LH H» »W« ansah, als Hm »ohi schickflch dünkte, fühlte « sich zum Worte »«pflichtet und sagte, indem er auf die Auslage bet LadenS deutete: .Schön... wunderschön... nicht?' Florian nickte erstaunt. Nun «st gewahrt« er den Nebenmann. LS war ein schlanker Sechziger von gepflegtem Aeuheren, soweit «S Reinlichkeit und Ordnung ermöglichen. Der Anzug freilich schien nicht eben neu, und an den Aermeln sah man dl« Spuren einer schäden- verbergenden Nadel. DaS Schuhwerk leuchtete vom Glanze einer tadel losen Stiefelwichse. DeS Herrn Kopfbedeckung bestaub in einem eng lischen Zylinder, der trotz seiner Specktgkeit vornehm wirkte. Der Herr lächelte verbindlich, als er Florians Blick auf sich ruhen fühlte. .Sie kennen mich wieder?' fragte er. Florian wußte darauf keine Antwort. .Haden wir uns nicht in Monte Earlo gesehen? Beim Trenke-et-Ouarante? Nein? Alsdann hoben Sie einen Doppelgänger. Ste sind also nicht der Baron Glonner? Zufall, Zufall! Er glich Ihnen aufs Haar, und ich dachte, als Sie den Stock fallen liehen...' Er gebot dem Redeflüsse, den er über seine Verlegenheit Hinwegfließen lieh, endlich Einhalt und lächelte gutmütig. Florian fühlte Mitteid mit dem Verlegenen. Er tat interessiert und fragte: .So... Ich habe einen Doppelgänger?' .Oh, der Baron war ein vornehmer Spieler... ich traf ihn später einmal im Klub .Lapucine' in Pari« wieder. Lr hatte fabelhaftes Glück ... aber er verstand daS Spiel... wissen Sie, den Rhythmus der Karte, mein Herr... Als er seine GlückSserie fühlte, setzte er zweimal hintereinander eine viertel Million gegen die Banque ouverte deS Amerikaners... einem Mr. Patson aus St. LouiS... ich sehr ihn noch vor mir...' Florian empfand, daß der Fremde ihm eine Schmeichelet sagen wollte, indem er seinen angeblichen Doppelgänger rühmte. Er lächelte und sagte: .Sic waren... Eie sind selbst begeisterter Spieler?' Da glühten die Augen d«S alten Herrn: .Ich bin Waldemar Erichberg.' .Aha', machte Florian, aber er »er keineswegs im Bild«. .Ich glaube wohl, daß ich Ihnen nicht unbekannt dtn. Man sprech viel von mir... vor Jahren ... passä... pafft, ab« u>aS schwätz' iich... daS wissen Sie alles selber... St« wissen, daß Waldemar Erich berg binsank, als er nicht mehr gegen Menschen spielt«, sondern sich ver maß, Maschinen besiegen zu wvll«. Da erlagen setu« Nerven... Ja, mein Herr... di« Bank von heute... dl« Rouletts haduu »ich zu- gründe gerichtet... Die Kugel hat kein Blut... Sie ist kalt. Sehen Sie... dort in der Mitte des Schaufensters... daS kleine, gelb« Ding... blöd stiert sie uns an... unschuldig... und trägt doch den Tod ... und ist doch giftig... Ich könnte — manchmal überkommt «S mich so... könnte die Scheib« zerbrechen und die kleine giftig« Kugel nehmen und in den Fluß werfen... da, wo « am tiefsten ist.' Er machte eine pathetisch« Bewegung nach rückwärts und seine Augen glühten. Wie sie noch standen, erschien ein dich« Mansch t» Nah»« dar Tär, augenschetnvch dar Ladochasitzm. SM» BmuosckchM gmMgßa. da» Sptedor tm Mnnch« M w«f*n. Er «Mh*e sich de» vsae M stützsWlmtz» hastig: .DaS ist der Italiener Cresfi... Ihm gehört der Loden... Casanova Tressl nennt er sich . . . er haßt mich ... ich sollte ihm Un erfahrene fangen ... die er dann rupfen könnte . . . beim . . . Corrigcr ln Fortune . . . Sie verstehen? Einmal war ich mit von der Partie ... als ich aber merkte, wie Signor Lressi spielt, da stand ich auf . . . nun haßt er mich . . .' Florian fühlte seine Anteilnahme an dem Fremden wachsen. Er sagte: .Warum stellen Sie sich dann vor seinen Laden, wenn der Be siher Ihnen so zuwider ist?' Da lächelte der, der sich Erichberg genannt hatte: .Ich ... ich lieb' diesen Laden ... ich lieb' ihn, mein Herr ... Ist dieses Bild nicht schön? Wür'fel und Karten ... Da sehen Sie ein Bund Spielkarten . . . harmlos . . . und birgt doch tausend Leidenschaften, tausend Schick sale . . . Glück und höchste Lust und Not und Abgrund. Und dort . . . «in Bae-Schlitten ... Du süßeS Spielzeug . . . (und wieder ernst und schlicht): Spielen Sie niemals ohne Schlitten Bakkarat . . . Der für sorgliche Apparat gibt jeweils nur eine Karte her . . . Da kann man nichts tun ... haha . . . Cornger la Fortune . . . Keine Volte . . . (nun flüsternd): er kann die Volte schlagen . . . Eresst ... er bringt alle ins Unglück damit . . . Kannten Sie den Trödler dort drüben . . . der hat sich vorgestern erschossen , . . ruiniert!' Nun begriff Florian. .Ich will ihn mir einmal ansehen ... den Italiener,' sagte er. Freudig lächelte eS auf im Gesichte Lrichbergs. .Ja . . . kommen Sie ... ich darf Sie begleiten ... Oh dies« Laden . . . dieser Laden . . .' Sie betraten den kleinen Laden, und Florian forderte einen leder nen Würfelbecher. Aber er sollte nicht zum Kaufe kommen. Kaum hatte der Besitzer den Spieler gesehen, als sein bleiches Gesicht sich rötete. Er riß sich die Schiffermühe vom Kopfe und spie dreimal nach hinten. Dann schrie er: .Der Lump da ... der kommt mir üb« die Schwelle! . . . Apagei O Avanti ... Er zerstört mein Glück . .. d« Satan ist er . . . Mumm . . . Mumm . . . Mumm . . . Mumm!' Er gebärdet« sich wie ein Verrückter. Scheu sah Erichberg bald auf den Rasenden, bald auf Florian, der eS schließlich für daS beste hielt, daS Feld zu räumen. .Er haßt mich,' sagt« Erichberg tonlos, als ste am Flußufer standen. Florian verabschiedete sich von dem Fremden und ging langsam zur Brücke, wo di« Haltestelle war. Als er sich umwandte, sah er den Spieler, der mit gierig vorgebeugtem Körper in den Schaukasten stiert« ... in daS Fenster des .LadenS bei Glückes' .. . Alfred Bratt s. Wie unsere Berliner Schriftleituvg drahtet, ist im Alt« von erst 27 Jahren gestern nachmittag der Schriftsteller Alfred Bratt einer Lugenentzündung erlegen. Alfred Bratt, «in geborener Wiener, ist durch den Roman .Die Welk ohne Hunger', d«r vor mehreren Jahren erschien, mit einem Schlage be kannt g«»ord«n. Der Roman behandelt das Probelm der Volks- ernähruug »o« großen Gesichtspunkt aus mit darstellerischer Kraft. * Eduued Morafch s. W« uns ein Drahtbericht aus Stuttgart »^dck. Ist d« Feuilleton-Redakteur des .Schwäbisch«» AWÜtzur' Gft»«rh M»rafch l» Afler von 48 Jahren geftvrb«.