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Morgen - Ausgabe Bezugspreis: L U? »terieiiadrlich M. 6YIt: sur Bbdeler monatlich M. i.75; durch u»s»r<r «»«»drttaen Filialen lnl Haut gebracht monatlich M. 2LS, viertel- ithrlich M. 6.5Ü: darch dl« Post innerdald Deutschland« ch«,amt-4Iutaad« «»»«tiich M. 2Li, vierleliähriich M. S7S; Moroen-Aulgad« M. Bdend-Buegad« M. V.S0, S»nntaa«-4l»«gad» M. 0L0 mouatltch tauelchlirhlich PostdesteUgedühr). Lauptschriftleiter: Dr. Erich Everth, Leipzig. -^ntsblatt des Rates und des poUreionrLe» der Stadt Leipzig HL. Jahrgang Auzetaenprets: 'LW A^at«» »TAahdrd«, t» amtl. Teil di« Kolonelzelle 8l) P»., au«»». 9S IM: btetu« Bnzetg«, »t« Kolsneizeli« ZU Ps^ answdrl« ZS »«Ichdstdaniet-en mH Vtahuorschriften im Preis« «rhddt. Va«»^»: »elamtaull,« M. 7.— da« Tausend anlschi. Postgedllbr. «tzdat»»»»«r I» Ps. — Suun- und Festtag« lS Ps. zrr»spr^.»«scht»d Mr. I«»N. I4NM „d l««»«. — Poftscheckdouto 72«, «chetsUeltu», und «e,chSfl«fi.Ie: ZohonnitgaNr Mr.». Verlag: Dr. Reinhold L To.. Leipzig. LS18 Donnerstag, de« 4. 3«tt Nr 338 Me SWdemMeii Wen den M ab Sesterr. ungar. Heeresbericht wtb. Wien. 3. Juli. Amtlich wird gemeldet: Gestern am frühen Morgen setzte an der ganzen Piave front von Susecana abwärts heftiges italienisches Geschütz- seuer ein, das sich südlich von San Dona in mehreren Ab schnitten bis zum Trommelfeuer steigerte. Einige Stunden später ging im P i a v e - Mündungsgebiet die feindliche Infanterie zum Angriff über. In erbittertem, den ganzen Tag über währendem Kampf vermochte der Gegner, abgesehen von kleinem Raum gewinn bei Chiesanuova, nirgend einen Erfolg zu erringen. Auch sein Versuch, am Südflügel bei Revedoli unter dem Schutze feindlicher Seestreitkräfte Infanterie an Land zu werfen, scheiterte in unserem Feuer. Ein italienischer UebergangSversuch bei Zenson wurde vereitelt. An der venezianischen Ge- birgSfront war die Kampftätigkeit gleichfalls außerordentlich rege. Westlich des Asolo ne wurde ein starker Angriff durch das be währte niederösterreichische Infanterie-Regiment Rr. 49 im Ge genstoß aufgefangen. Auch nördlich des Lol del Rosfo und bei Afiago wiesen wir italienische Infanterievorftöhe ab. An der Tiroler Westfront mäßiger Artilleriekampf. Wie nachträglich fcstgestellt wurde, war eS Oberleutnant Varwig, der mit Zugführer Kauer als Pilot den vielgenannten italienischen Iadgflieger Major Barcca am 9. Juni abgeschofsea hat. Der Chef des GeneralfiabeS. Graf Czernin bei Kaiser Karl Wien. 3. Juli. (Drahtbericht unseres Wiener Mitarbeiters.) In politischen Kreisen wird die Tatsache, bah in der gestrigen Audienz der gewesene Minister des Aeuhern Graf Czernin vom Kaiser empfangen wurde, lebhaft erörtert. Czernin hatte nach der Audienz eine einstündige Unterredung mit dem Auhenminister Grasen Burian. Politische Kreise ver muten, däh es sich um die austro-polnische Frage sowie um die Frage der Ratifikation des Brester Friedens, die von österreichisch ungarischer Seite noch nicht erfolgt ist, gehandelt habe. Die«, 3. Juli. (Gig. Draht bericht.) Wie ia parlamen tarischen Kreisen verlautet, besteht in den für die auswärtige Politik maßgebenden Stellen die Absicht, -en Friedensvertrag mit der Ukraine schon in der nächsten Zeit fSrnngültig zu erklären. Tatsächlich soll auch der Zusatzvertrag, betreffend die Errichtung eines aus Ostgalizien, -er nördlichen und nordwestlichen Bukowina bestehen den ukrainischen KronlandeS, welchen Vertrag Graf Czernin und Dr. von Seidler unterzeichnet haben, außer Kraft gesetzt werden. Heute vormittag find die parlamentarischen Ausschüsse -er Tschechen und Polen zusammengetreten. Bei -en Polen wird be antragt, die nächste Vollversammlung wieder nach Krakau einzuberufen, dort) dürfte dieser Antrag «-gelehnt werden, da man -en radikalen Ein fluß der Krakauer Umgebung befürchtet. Morgen halten diedeutsch- nationalen Abgeordneten ihre Vollversammlung ad. Die gestrige Audienz des gewesenen Ministers des Aentzern Grafen Czernin beim Kaiser wird lebhaft besprochen. ES verlautet, daß sich Graf Czernin bereit erklärt hat, mit den Polen zu verhaodeln and sie zu veranlassen, wenigstens das Budgelprovisorium Dr. von SeidlerS za bewilligen. Graf Czernin soll auch die Mission übernehmen, AuSgleichSverhaudtungea mit den Polen und Ukrainern einzuteiten, und zwar auf der Basis der Einheit des Kronlandes Galizien. Bekanntlich hatte sich Graf Sarian geweigert, die von den Polen diesbezüglich gewünschten Erklärungen abzageben. Man spricht auch davon, daß GrafLzeraln wieder in das öffentliche Leben elntreke« und sich viel leicht als Botschafter in Konstantinopel betätigen werde. .Pesti Hirlap" meldet: 3« österreichischen politischen Kreisen ver stärkt sich das Ge^cht, -aß GrafBurla« seines Postens akS gemein samer Finanzminister enthoben wird and au seine Stelle Generalmajor von Landwehr, der Präsident d«S gemeinsamen ErnährnngSauS- schafseS, zum gemeinsamen Finanzminister ernannt werd« toll. Laut In formation der Korrespondenten unterstützt di« ungarische Regierung die Kandidatur det Generals von Landwehr. Die heutige Reichstagsfitzung Drahkbericht unsere rBerlin er Echrtftlettung. G Berlin, 3. Juli. Die Gegensätze, die durch die Kühlmannsche Rede an die Oefsentlichkeit getragen worden waren, sind heute noch einmal auf gebrochen. Man war bei der dritten Lesung des Haushaltes, und cs schien stillschweigende Aebereinkunft, sie so kurz und schmerzlos zu machen als möglich. Die bürgerlichen Parteien wollten anfangs überhaupt nicht das Wort nehmen. Rach den beiden sozialdemo kratischen Rednern sollte die Aussprache geschlossen werden. Da hat Herr Scheide mann von neuem an die noch nicht einmal verharschte, nur mühsam verbundene Wunde gerührt und der Re gierung zugerufen: Landgraf werde hart! Zu deutsch: Zivil regierung, wappne dich gegen die Oberste Heeresleitung! Manches von dem, was der sozialdemokratische Redner sagte, mochte, wenn man es so hörte, leidlich scheinen. Man kann in der Tat allgemach zweifelhaft sein, ob, was bei den Fliegerangriffen hüben und drüben erreicht wird, nicht durch das Blut unschuldiger Frauen und Kinder zu teuer bezahlt wird. Kann es für ein erstrebenswertes Ziel halten, auch in diesen Stücken es noch einmal mit dem Wege der Abrede zu versuchen, den wir bei dem Gefangenenaustausch ja schon mehrfach gegangen sind, und sich um Abkommen zu be mühen, die Fliegerangriffe auf friedliche Städte und Siedlungen ganz aus der Reihe der Kampfmittel ausscheiden. Es ist auch an sich nichts dagegen einzuwenden, wenn einmal über die Gegen sätze zwischen Regierung und Heeresleitung ge redet wird. Solche Gegensätze sind natürlich vorhanden. Bei allen kriegführenden Staaten, und darum auch bei uns. Wir mühten Halbgötter sein, nicht fühlende, von Leidenschaften bewegte und darum bisweilen auch irrende Menschen, wenn nach einem vierjährigen Krieg hier alles zugehen sollte wie in einer Bibel stunde von Spittelweiblein. Der Ton macht in diesen Dingen die Musik. Der Ton aber, den Scheidemann wählte, war sehr auf die Agitation, auf die Wirkung draußen vor den Toren berechnet. Scheidemann erklärte dann freilich in einer Replik, zu der er sich nach der Zurückweisung seiner Angriffe durch den Vizekanzler, durch den Grafen Westarp und den nationalliberalen Abgeord neten Thoma verstand, daß er nichts weiter gewollt hätte, als ge wissermaßen der Regierung das Rückgrat zu steifen, sie zu er muntern, daß sie gegenüber der Heeresleitung auf ihrem Recht besieht und feierlich und durch Handlungen vor aller Welt be kunde, daß die Wege der Vaterlandspartei nicht die. ihrigen sind. Wer die Rede unbefangen auf sich wirken ließ, hörte doch mehr und anderes heraus. Der fand vor allem, daß sie, auf offenem Markt vorgetragen, mehr schaden als nützen konnte. Für dergleichen Auseinandersetzungen ist im Kriege die Vollversamm lung des Reichstages nun einmal nicht der rechte Ort. An genommen selbst, die Regierung fühlte sich durch die Oberste Heeresleitung behindert und beschwert, was könnte sie vor den spähenden Ohren einer ganzen feindlichen Welt denn anderes er klären, als daß an dem ganzen Gerede kein wahres Wort sei? Run fühlt sie sich aber, wie sie sagt, tatsächlich nicht beschwert. Herr von Payer, der nach beiden sozialdemokratischen Rednern das Wort nahm, hat nicht bestritten, daß es gelegent lich Meinungsverschiedenheiten gegeben hat, hat viel leicht nicht einmal bestreiten wollen, daß es unter Umständen auch in Zukunft noch zu solchen kommen kann. Aber er hat zugleich das Heilmittel angegeben. Ein sehr einfaches und dennoch das einzig möglich«: Man muß sich zu verstehen suchen. An dieser Verständigung hat es bisher nicht gefehlt und wird es auch in Zu kunft nicht fehlen. Schematische Scheidungen zwischen dem, was der Obersten Heeresleitung an Macht und Einfluß zukommt und dem, was der Zivilleitung gebührt, sind in Zeitläuften wie den unserigen unmöglich. Die Oberste Heeresleitung, die uns Sieg und Frieden bringen soll, muß viel Spielraum haben, auf den sie nach ihren Leistungen Anspruch hat. Aber et ist nicht wahr, daß die Relchsregierung irgend«,o und irgendwie einfach .kapituliert hätte. Die Männer, die heute an der Regierungsbank sitzen, sehen wirklich danach nicht aus. Man hat gegen den oder ienen von ihnen berechtigte Einwände erhoben. Zu dem alten Geschlecht der Kleber gehört keiner. So bleibt von Herrn Scheidemanns Extratour nichts anderes zurück als der unbehagliche Eindruck einer unzeitgemäßen agita torischen Leistung. Herr Scheidemann hat daneben dann noch erklärt, daß seine Partei in diesem Jahr« den Etat ablehnen wird. Das tut sie nicht zum ersten Male im Kriege. Es ist be dauerlich, aber es ist im Grunde doch auch nur eine agitatorische Geste. Graf Westarp hatte so unrecht nicht: wenn man ge nau weiß, daß ein« Mehrheit für den Etat vorhanden ist, ist demonstratives Beiseitestehen ein billiges Vergnügen. Immerhin kann es sein, daß heut« das Band innerhalb der bisherigen Reichstagsmehrheit ein wenig gelockert wurde. Daß sich daraus eine völlige Umgruppierung ergeben könnte etwa nach dem Schema: Hier bürgerliche Parteien, dort Sozialdemokraten, braucht man nicht zu befürchten. Gegen die Massen wird sicher nicht regiert werden und kann im vierten Kriegsjahr auch gar nicht regiert werden. Am Tisch des Bundesrats: von Payer, von Kühlmann, von Ca pelle, Wallraf. Vizepräsident Dove eröffnet di« Sitzung nm 2 Ichr 15 Minuten. Aufwandsentschädigung, für den Reichstagspräsidenten Nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt wird eine Ergänzung zum HauShaltplan, in der dem ReichStagspräsldenten 30 000 Aufwands entschädigung zugesprochen werden. Die Vorlage wird in erster und zweiter Lesung angenommen. Dritte Lesung des Haushaltplanes Ls findet zunächst eine allgemein« Aussprache statt. Abg. Scheidemann (Soz.): Es gibt kaum etwas Abscheulicheres als die Fliegerangriffe auf offene Städte außerhalb der Kriegszonc. Den feindlichen Fliegern ist di« Zerstörung von Munitions lagern und die Beschädigung von Eisenbcchicknotenpunkton in unserem Lande nicht gelungen. Ob es unseren Fllegern gelungen ist, erheblichen militärischen Schaden anzurtchten, weiß ich nicht. Aber ich weiß, daß durch die Fliegerangriffe schon viele Hunderte unschuldige Frauen, Mäd chen und Kinder getötet und verstümmelt worden sind. Was für einen Sinn kann dieses grausame Frauen- und Ktndermordon haben? Die Engländer haben di« Leichen solcher Getölel« zur Schau ge stellt, um die kriegerisch« Stimmung zu heben. Bei uaS wird die Berichterstattung über Fliegerangriffe meistens unterdrückt. Was in Süddeutsch land fortwährend ermordet wird an Frauen und Kindern, das erfahrenste nicht. (Hört, hört!) 3n Mannheim fand erst am Sonnabend ein Flieger angriff statt. Nur einem Zufall ist eS zu verdanken, daß die Bomben nicht auf den Markt fielen und Hunderte Frauen und Kinder verstüm melt wurden. ES ist richtig, daß diu Engländer zuerst den Krieg gegen Frauen und Kinder mit dem Versuch der Aushungerung begonnen haben. Trotzdem sollte die deutsche Regierung dk Initiative ergreifen und eine Verständigung über Fliegerangriffe ver suchen. Wie es möglich gewesen ist, zu einer Vereinbarung über den Gefangenenaustausch zu kommen, so muß es auch möglich sein, hier zu einer Verständigung zu gelangen. ES wird gar nicht viel schaden? wenn wir auch einmal moralische Eroberungen haben. Die Vor gänge nach der Rede des Staatssekretärs von Kllhlmann haben ein grelles Licht geworfen auf die Verteilung des Mochtverhältnisies im Deutschen Reich. Der Staatssekretär hatte einer längst bekannten Ansicht programmatischen Ausdruck gegeben, einer Ansicht, die von allen geteilt wird, die sich in diesen Kriegswirren einen politisch klaren Kopf bewahrt Haden. Ls handelt sich hier gor nicht um grund sätzliche Fragen, sondern um eine Tatsache. (Fortsetzung auf Sette « Die Zukunft der nattonalliberalen Partei Von Dr. Böhme, M. d. R Die unerfreulichen Erörterungen über die Reform des preu ßischen Wahlrechts, die verschiedenen Auffassungen, die dabei inner halb der nattonalliberalen Partei zutage getreten sind, werden manchen eifrigen Anhänger mit Sorge erfüllt haben, wie sich die Zukunft der Partei gestalten wird. Cs soll nicht bestritten werden, daß manche Befürchtungen berechtigt sind, daß vielleicht nicht nur einzelne der Partei den Rücken kehren können, daß die Möglich keit der Absplitterung eines zahlenmäßig nicht bedeutenden, aber sonst einflußreichen Flügels in das Bereich der Möglichkeit ge rückt ist. Dieser Flügel ist nicht ausschließlich, wie es in seiner Presse dargestellt worden ist, der Hauptvertrcter einer starken Kriegszielpolitik innerhalb der Partei, gerade linksliberale Männer, wie die Führer der Iungliberalen, sind die Hauptvor kämpfer einer solchen Politik gewesen, sind innerhalb der ReichS- tagsfroktion haben, das weiß jedes Mitglied, solche Gesichtspunkte bei den Kriegszielfragen noch weniger eine Rolle gespielt. Doch das sei hier nur nebenbei erwähnt. Gewiß werden solche Auseinandersetzungen und Trennungen Schädigungen mit sich bringen, aber keine völlig erstarrte Partei bleibt im Laufe der Entwicklung von Umbildungen und Ausschei dungen befreit. Sehen wir zur Zeit nicht die sreikonservaNve Partei des Abgeordnetenhauses im offenen Kampfe gegen ihre bis herigen Führer, ihre eigentlichen geistigen Potenzen, die Zedlitz, Kardorff und Bredt? Recht erheblich sind bis heute noch die Differenzen in den Kriegszielfragen innerhalb der Fortschritts partei und des Zentrums, in lHtercm außerdem ähnliche Gegen sätze in der Waylrechtsfrage. Di« Sozialdemokratie schließlich ist beretts im offenem Kampfe gespalten. Wohin mir auch blicken, unter dem Druck der gewaltigen Ereignisse überall Kämpse, Um- gryppierungeg, Zukvnftsentwicklnng. Eine einzige Partei macht eine ÄuSnahm«: die Konservative. Ist dicS ein Zeichen der Stärke? Das wird selbst innerhalb der konservativen Partei niemand glauben. Noch nie stand die Partei so isoliert da, waren ihre Zu kunftsaussichten so wenig versprechend. Man bedenke, was beim letzten Wahlkampf die Hilfe des Zentrums für die Partei be deutete, ein Blick auf Schlesien, auf die Wahlkreise ihrer ersten Führer, spricht deutlich genug. Auch die machtvollste Förderung durch die Schwerindustrie würde den Verlust der Zentrumshilsc nicht aufwiegen, denn aus finanziellen Nöten ist der konservativen Partei auch bisher kein Mcnrdat verlorengcgangen, vielleicht haben hier und da sogar allzu reichliche Geldmittel die Wähler stutzig gemacht. Je enger das Bündnis zwischen Schwerindustrie und Großgrundbesitz, den Hauptgewinnern dieses Krieges, desto natürlicher wird der Zusammenschluß der Lastenträger des Krieges, der breiten Masten in Stadt und Land. Die Wahlreform in Preußen, die Vermehrung der Mandate im Reiche werden den parlamentarischen Einfluß der Partei weiter vermindern, ein oder zwei Zusahstimmen sind dabei völlig belanglos. Jeder Konservative, der aufrichtig ist und den Geist der Kriegsteilnehmer kennt, täuscht sich über bas, was kommt, in keiner Weise, die Stimmung dieser Kreise ist wenig zuversichtlich. Vor allem fehlen der Partei die Reserven in den Massen der Wähler, auf dem Lande kann und wird fle nur verlieren, in den Städten, wenn überhaupt, nicht ent sprechend gewinnen. So zeigt der Blick aus die Verhältnisse der übrigen Parteien, daß die Auseinandersetzungen innerhalb der nationalliberaien Partei keinen Anlaß geben zu übertriebenen Befürchtungen für ß ihre Zukunft. Was auch immer kommen mag, ein günstiges Er gebnis steht schon heute fest. Mag die Wahlreform das gleiche Wahlrecht bringen oder ein bis zwei Zusahstimmen, die Einheit lichkeit der parlamentarischen Vertretung zwischen dem Reich und Preußrn erscheint auch in letzterem Fall sichergestellt. Die preußische nationalliberale Landtagsfraktion der Zukunft würde sich auch dann von der Reichstagsfraktion innerlich nicht mehr unterscheiden, eigentliche altnationalliberale Aufastungen werden in beiden völlig bedeutungslos sein. Die starken Gegensätze, die bisber die Partei erschütterten, werden, da der einen Richtung ihr bisheriger parlamentarischer Rückhalt in der Landtagssraklion fehlen wird, sich nur noch gelegentlich auf Parteitagen und aus den Tagungen einzelner Landesorganisationen Lnft machen, bis die völlige Aussichtslosigkeit die Träger der Opposition zum Schweigen oder Austritt veranlaßt. Der ungeheure Gewinn für die Partei wird darin bestehen, daß die politischen Gegner nicht mehr im stande sein werden, die Partei in ihrer Gesamtheit für Aeußcrungen und Reden verantwortlich zu machen, die dann erweislich keinen parlamentarischen Rückhalt in einer irgendwie nennenswerten Gruppe der Fraktionen der großen Parlamente haben. Diese natürliche Entwicklung liegt so zutage, daß es geradezu eine un verzeihliche Torheit wäre, wenn die Freunde des gleichen Wahl rechts eine gewaltsame Entfernung der Wahlrechksgcgner und dis daraus entstehenden Kämpfe auf sich nehmen wollten. Der Führer der RelchStagssraktion, der Abgeordnete Dr. Stresemanv, hat des halb auch nicht, wie ihm nachgesagt worden ist, die Sprengung der Partei angedroht, sondern nur die Entfernung derjenigen — es gibt solche» die das ausgesprochen haben —, die die heutige Re gierung und den langjährigen Führer der Partei,, den jetzigen Vizepräsidenten des Staatsministeriums, stürzen wollen. Es unterliegt ferner keinem Zweifel, daß im Falle einer Auslösung der Preußentag die Wahlparole ausgeben wird, daß nur solche Kandidaten, die sich zum gleichen Wahlrecht bekennen, als Nationalliberale zu gelten haben und eine einheitliche Front der Partei hergestellt werden muß. Auch die Gegner des gleichen Wahlrechts werden zugeben müssen, daß eine andere Steilung der Partei unmöglich ist, daß nicht in dem einen Wahlkreis das gleiche Wahlrecht, im anderen die Zusatzstimme die Parole der national- ffberalen Partei sein kann. Wer die Auflösung durch sein Ver-