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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.06.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191806162
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19180616
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19180616
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-06
- Tag 1918-06-16
-
Monat
1918-06
-
Jahr
1918
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Sonntags.Ausgabe Bezugspreis: L W." »l,r««>!»d'lich M. 8.00: für «ddsler monatlich M. 1.78/ darch «*!«»« a-zwälliaen Filialen in« Hao« gebrach« monatlich M. »tana«- ,«drllch M. g.80: durch die Post innerhalb Deutschland« Desamt-Antstad« «oaat'l» M. 2.25, „erlellSdrllch M. « 7-: Morgen Au«,ab« M.1^ Ab«nd-Au«gade M. 0.S0, Sonntaa«-4l»t,ab» M. 0,80 manatltch (au«lch>i«b>><d Postbeftellgedahr». Haupkschriftleiter: Dr. Erich Everth, Leipzig. Rr. 302 Hcmdels-IeUuns /Untsblatt des Rates und des PoUreianrLes der Stadt Leipzig 112. Jahrgang eHSMA^M2^GM„OsaeM^mr* ide Dr-eelpzia o. ltinged. dte elntp^^ AUZEigenprets. x,i,n.i,.u. «o Pf.. °. au«-,. ?f.. Ausatgen ». Dehdrd«» Im amtl. Lell di» Kolonelzell« 40 Pf., v. au«:». Si dlatn« Anzeigen die Kolonelzell« .10 Pf., «»«wärt« >5 DefchLsttanzetaen mtt Platzoorlchrlflen l>n Prelle erhöht. Aella^n: Delamtansla,« M. 7.— da« Laufend autlchl. Postgedlhr. Sinieli,ummer 10 Df. — Sonn- und .feftta .« >5 Pi. S«»fp«ch.AnlchI»t,Ar.l««gL 1«»»ä and »««,»»—Postfchechdcnt» 7«a vcheistleitang and Defchtlftlftel«: 2oha»»>«gas,e -ir.it. Verlag: Dr. Reinhold L Co.. Leipzig. 1V18 Sonntag, de« 16. 3uni Oesterreichifche Offensive gegen Italien Gegen Italien! lieber 10000 Gefangene Wlen, 15. Juni. (Drahtbericht.) Aus dem k. v. k. Kriegs- presteqaartler wird unter dem 15. abends gemeldet: Unsere § Armeen sind heute vormittag sowohl auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden als auch über die Piave hinweg in die feindlichen Linien eingebrochen. Bis Mm Mittag lagen Meldungen von über 1 0 000 Gefangene« (Italienern, Engländern und Franzosen) vor. Die Geschütz, beute ist beträchtlich. itc Wien, 15. Juni. Amtlich wird verlautbart: Heute früh steigerte sich das Geschützfeuer in vielen Ab schnitten der SSdwestfront zn großer Stärke. An der albanlschen Front sind gestern neuerliche, unter dem Einsatz von Reserven dorchgeführte Angriffe der Franzosen nordwestlich von Sinapremte gescheitert. Die deutschnationalen Parteien Oesterreichs für einen siegreichen Frieden Wien, 14. Juni. (Wiener Telegraphrn-Bäro.) Die heutige Boll- Versammlung des Verbandes der deutsch-nationalen Parteien nahm nach mehrstündiger Wechselrcde einstimmig eine politische Ent schließung an, m welcher der Verband zunächst die Forderung aus spricht, alle Kräfte zur Erzwingungeinessiegreiche nF r i e - dens zusammenzusassen. Im Verein mit den verbündeten Mächten, sc» heißt es weiter, sind wir insbesondere nach den herrlichen Erfolgen ber deutschen Armeen in Frankreich des entscheidenden Sieges und bal digen Friedens sicher, der wert ist der unendlichen Opfer. Die Enk- schließung bedauert den jüngsten Umschwung auf polnischer Sette, der durch die Häufung unerfüllbarer Forderungen da« Parlament zu ver hindern droht, dem Staate die zur Beendigung des Krieges unentbehr lichen Milte! zu gewähren. Die Deutschen haben das Parlament ge wollt und wellen es heute. Sollte aber in der Haltung der Parteien, zum mindesten aber in der Haltung der polnischen Leitung, nicht unverwcilk eine völlige Aenderung eintrelen, so werde das, was de-- Staat unbedingt braucht, auch ohne Parlament gesichert werden. Mit diesem höheren Rechte und Unterstützung des deutsch-österreichischen Volkes werde der Staat durchhalkcn, bis der Gang der äußeren Er eignisse die Bahn zu einer Verständigung mit den slawischen Völkern frei gemacht hat. Sollte durch Verschulden einiger Parteien die Tätig keit des Reichsrates eine Unterbrechung erfahren, so soll nicht nur die Zwischenzeit von der Regierung und den Deutschen benutzt werden, um vichi nur das zu leisten, waS die Not des Augenblicks gebietet, sondern uin auch die Politik der nächsten Zeit vorzubereiten, die alle Stämme dieses Staates zu gemeinsamer Arbeit und gemeinsamen Erfolgen ver einigt. Der Kampf um Compitzgne V» tb. Berlin, 15. Juni abends. (Amtlich.) Oertliche Angriffe des Feindes nördlich Bethune nnd süd lich der Aisne sind verlustreich gescheitert- * Berlin, 15. Joni. (Drahtbericht.) Dir großen Erfolge der Armee Hutter zwischen Montdidier und Royon haben eine wesentliche Ltnienvcrkürzung und -Verbesserung erzielt. Der Feind ist in den Grund hinadgeworfen, während wir von den eroberten Höhen sein« Stellungen weit übersehen. Die Armee Hutier Kaan ferner heute schon aufs neue die ins Gewicht fallende Schwächung der feindlichenKampfkräftefür sich buchen. Große Mengen fran zösischer Leichen füllen die Wälder und Schluchten des heiß umstrittenen Geländes, dagegen erscheinen unsere Verluste unverhältnismäßig gering. Die Gefangenenzahl muß in Anbetracht des geringen Frontabschnittes ebenfalls als sehr hoch bezeichnet werden. Die Artillerie-, Munition«-, Maschinengewehr- und Moterialverluste des Feindes find sehr bedeu tend. Aufs neue brachte das französische Volk hier ungeheuere Blut opfer vergebens. Diesmal kann die französisch« Heeresleitung die Nie derlage nicht mit dem Reberraschungsmomenl bemänteln, da einwand frei festgestellt wurde und auch in der französischen Presse zugegeben worden ist, daß der geplante deutsche Angriff tagelang vorher dem Feinde bekannt war. Dir strategische Bedeutung von Lompiegne als Dersammlungs- und Aufmarschgebiet zu Angriffen gegen die deutsche Flanke war u n - trennbar verbunden mit dem tzöhenmassiv südwest lich Royon. Dieses ist jetzt völlig in deatscherHand. Da mit verlor das Aufmarschdecken Eompidgne, das unter dem ständigen deutschen Artilleriefeuer liegt, seinen Wert. Die französische Heeres leitung wußte, warum sie ihren Truppen den Befehl gab, in den nun verlorenen Stellungen bis zum letzten Blutstropfen aoszuhol'e«. Zur Wiedererobernng der Höhenstellungen warf sie die besten Divisionen in den Komps Um jeden Preis sollten sie die verlorenen Stellungen wie dernehmen. Division auf Division brannte in den immer anfs neue wiederholten Gegenangriffen zur Schlacke aus. Die Aussagen der «in- gcbrachlen Gefangenen der verschiedenen Truppenteile, im ganzen über 13 000 Mann mit mehr als 400 Offizieren, ergaben einwandfrei, daß die Franzosen vom S. Juni ab mehr als das Doppelte an Trup 7«n in den Kampf warfen, als ursprünglichin der stark de- setzten vorderen Front stand. Die Reste der französischen im Raume zwischen Montdidier und Royon eingesetzten Divisionen dürsten kaum noch al« Rahmen für eine Reuauffüllung in Betracht kommen. Der am 1 l Önni angesetzte Gegenangriff der Franzosen süd- wesllich Ronon überlras an Wucht alles bisher Dagewesene. Mit mehreren eisernen Divisionen, besten Elitetruppen, unterstützt von weit und großen Fluggeschwadern, stieß der Feind um I > Uhr 30 Min. vormittags nach starker Artillerievorbereitung zwischen Courrelles und Mery vor. Roch den Auszeichnungen, die in dem Tage buck eines gefangenen französischen Offiziers gefunden wurden, sollte Lataulc genommen werden und die Tank« sodann bis Livilly d-rch- brecken, MN den Deutschen die beherrschend«» Höhen zu entreiße«. Vie zum Gegenstoß eingesetzten deutschen Truppen warfen den Feind nicht nur zurück, sondern drangen auch bis über dH- bisherige Linie vor. 66 der feindlichen Tanks liegen allein hier zerschossen hinter und vor unseren Linien. Mik erstannlicher Genauigkeit wurden sic von unserer Artillerie in Brand geschossen oder außer Gefecht gesetzt. Die Mehr zahl der Tankwagen liegt östlich und westlich vm, Cvurcellrs, nördlich Bellon und nördlich Cournay. Allein auf der Straße Mcry—Latonle waren nicht weniger als 16 Tanks angesetzl worden. Der Feind hatte allerschwerstc Verluste erlitten. Seine weiteren Angriffe zersclvellten an der Maner der tapferen Division:», die schon nach Ueberwindung der feindlichen Stellung an drn vorherigen Tagen nach vielen Kämpfen immer noch diesen frischen feindlichcn Elitctrnppen überlegen blieben. * * * Haag, l5. Juni. (Drahtbericht unseres Sonder berichterstatters.) Rach einer Reutermeldung berichtet .Daily Mail" aus Paris: ,Compiögne steht infolge der feindlichen Be schießung in Brand." Paris, 15. Juni. (Amtlich.) Grncrol Guillanmal, Ober befehlshaber der Orieniarmee, ist znm M i l i t a r q v u v e r n e u r und Oberbefehl «Haber der Armeen von Paris ernannt wor den. Sein Vorgänger Duboil ist an Stelle Florentins zum Großkonzler der Ehrenlegion auSersehcn. Zürich, 15. Juni. (E i g. Drahtbericht.) .Corriere" berichtet aus Paris: Im ne« eingesetzten Sicherungsausschuß zur Ver teidigung der Hauptstadt gab die Regierung bekannt, sie erachte die Hauptstadt Paris erst bei dem Verlust von Lompidgne für gefährdet. Der Sicherungsavsschuh ist zu einer Registrierung derjenigen Institute geschritten, die im Falle der Gefahr ovs Paris und der Festungszone zuerst fortgeschafft werden sollen. Gens, 15. Juni. (Drahtbericht.) Ein Pariser Havasbericht be sagt: Die Enlenkekriegführung beschloß, Paris im Fall« eines An griffs nicht aufzogeben, sondern seine Verteidigung dis auf das letzte durchzuführcn. Inspiriert von oben, bereiten die Zeitungen das Publikum auf die Beschlüsse vor und weisen namentlich auf die Nol- Wendigkeit der Auswanderung der nicht kämpfenden Bevölkerung hin. Englische Bestialität gegen wehrlose Verwundete Berlin, 15. Imri. (Drahtbericht.) El» neuerlicher Vorfall aus dem Kemmelgebiet beweist wiederum die unmeischliche Grau sam keil englischer Soldaten gegen Verwandele. Am 25. April wurden ein Offizier und fünf Leute des deutschen Infanterie regimentes 1l8 bei ihrem Vorgehen in die englische Stellung om- zingel». Kurz darauf hörte man von der Stelle, wo sie im englischen Graben verschwunden waren, entsetzliche Todesschrei«. Als der deutsche Angriff die Unsrigen über diese englische Stellung vorgetragea hatte, fand man die Leute auf einem Haufen kreuz und quer durcheinander tot daliegen. Rach ihrer ganzen Lage waren sie nicht im ehr lichen Kampfe gefallen. Verschiedenen Leuten waren die Augen ausgestochea. Der dazu benutzte Dolch log mitsamt den Augen auf der Brust des Offi^ers. Die anderen waren in rohester Weise verstümmelt. Jur Abwendung von Fliegerangriffen auf offene Städte Zürich, 15. Juni. (Eig. Drahtbericht.) Die Schweizer Dcpeschenagentur meldet aus Bern: Die Zentralstelle für Dölker- vcreiaigung und Völkervcrsöhnnng, die ihren Sitz In Freiburg (Schweiz) hat. wandte sich an alle kriegführenden Staaten mit der Bitte, die offenen Ortschaften mit Bombenabwürfen zu ver schonen, welche doch keinen militärischen Zweck hätten und deren Unterlassung dazu dienen könnte, mit der Zeit sogar eine gewisse An näherung unter den Kriegführenden herbeizuführcn. Die deutschen N-Bootserfolge an der amerikanischen Küste 28000 Tonnen versenkt Berlin, 15. Zorn. Eines unserer Unterseeboote, Komman- dank Kapitänleutnank Remy (Walker), Hal neuerdings im Atlan tischen Ozean drei Dampfer mit zusammen 28 000 Brntkoregjster- tonnen vernichtet, und zwar -en mit vier 15,2-Zentimeter-Ge- schühen bewaffneten Truppentransportdampfer «President Lincoln' (18168 Br.-R.-T.) und die bewaffneten englischen Dampfer «Beginn' (4646 Br.-R.-T.) and «Carlton' (5262 Br.-R.-T.) Die militärische Besatzung des «President Lincoln' bestand aus 40 Offizieren und etwa 650 Mann der Marine: außerdem be fanden sich 20 Offiziere und Mannschaften der Armee an Bord, die nach Amerika zorürkbefördert werden sollten. Vermutlich ist der größte Teil der Besatzung bei der Versenkung des Schiffes umgekommen. Der Chef des Admirasstabes. -p« Das Auftcuichen deutscher U-Boote an -er amerikanischen Küste hat den Feinden neuen Anlaß gegeben, darin eine Bedrohung der amerikanischen Truppentransporte zu befürchten, von denen die Westmächtc eine Wendung des Kriegsglückes zu ihren Gunsten erhoffen. Bekanntlich genießen die Truppentransportdampfer beim Feind« den Vorzug, daß ste besonders gut geschützt und geleitet werden. Daß aber unsere U-Boote sich durch noch so starkes Geleit nicht in ihrer Angriffslust behindern lassen, ist durch die vielen Versenkungen aus stark gesicherten Geleitzügen hinreichend erhärtet. Seit dem 1. Februar 1917, dem Beginn des uneingeschränkten U-Bootkrieges, sind von unseren U-Booten 39 Truppentransportdampfer aus der Hin- oder Rückreise versenkt worden. Dabei ist zu bemerken, daß diese Zahl nur die mit Sicherheit als Truppentransporter festgestellten und versenkten Schiffe enthält. Bei dem heutigen Stande der U-Bootkriegführuna kann, wie schon ost erwähnt wurde, nur dri einem Bruchteil der versenkten Sckiffe festgestellt werden, welchen Zwecken sie dienen. In diesem Jahre sind voi- '«"ötzeren Truppcntran»rorldampfcrii u a. berei « v> >e K wo , >' Am 23. Januar in 10 900 Tonnen großer Dampfer im Miktelmeer, am 30. Januar der englische Dampfer .Minnetona' (13 528 Br.-Rcg.-To.), am 11. Mai der französische Dampfer ..Sie. Anna" (9356 Br -Reg.-To.,, am 5 Fcbcuar der englische Dampfer .Toscania (!3 3äu Br.-Rcg.-T".) am 23. Mat der englische Dampfer .Moldavia' (9500 Br.-Reg. To.) I nl» I >!,ob e.'st der amerikanische Damp^r .^resident Lmco,'-" Br.-Reg.-T».). Dle drei letztgenannten Dampfer waren zmn Teil ooll- bosetzt m» amerikanischen Truppe«. - Der Kampf um Preutzen WaS von dem einzelnen gilt, daß seine Geschichte sein Charakter ist, gilt auch von einem ganzen Volk, von dem Staa!. den es sich errichtet. Spröde und herb wie sein Boden ist dieses Preußen geworden, dessen Entwicklung sich zwar geradlinig, aber in stetem Kampf nach innen und außen vollzogen hat. Niemals wich die Gefahr, und was eS erreichte, hat eS mühsam einem wider strebenden Schicksal abgetrotzt. Man braucht nur an das erbitterte Ringen der ersten Hohenzolicrn um die Durchsetzung ihres Fürsten- millenS zn erinnern, um das Harle eiserne Gefüge, daS sie er richteten, begreiflich zu machen. Ihr Staat konnte und durfte nicht anders sein, wenn er nicht eine Beute mächtiger Rachhorn werden wollte. Immer wieder mußten sic ihre Kräfte zusammen bollen um ihre Grenzen zu schirmen oder neu erworbene Gebiete auch innerlich ciuzngiiedern. Der Erfolg gab ihnen recht. Das soll man nie vergessen, wenn man von Preußen spricht- Gerade seine Gegner, die so häufig über die Unzugänglichkeit und Rau heit der Preußen jckeiten, haben zum guten Leit dazu beigelragen, daß diese so wurden. Und wie sie, sind übrigens auch die meisten Staaten und Völker der norddeutschen Tiefebene geworden. Ver ständlich genug, da ihr Schicksal so ziemlich das gleiche wurde. Das Preußen Friedrich Wiihems des Großen, ja selbst Fried richs des Großen trug den alten Ekarakter noch unverfälscht an sich. Es war noch im Werden begriffen und ständig gefährdet. Jedes Rachlassen, jedes Aufgeben der Sparsamkeit, der eisernen Unterordnung hätte zu einem Rückschlag geführt, der Preußens ZukunflSmöglichkciten abgeschnitten hätte. Dann aber setzte der große Wandel ein. Was selbst der Weise von Sanssouci noch nicht erkannt hatte, wurde der folgenden Generation klar, daß Preußen nämlich aufgehört hakte ein Einzeldasein zu führen. nnd mehr und mehr zur deutschen Vormacht wurde. Es ist ein eigen- artiger Zufall, daß zu diesem Beruf sich ein Staat entwickelte, der auf slawischem Boden gegründet war und seine ersten Aus dehnungen nach Osten erfahren hatte, das heißt in einer Richtung, die seinem eigenen Wesen entsprach. In dem Matze aber, wie jen seits der Elbe neue Gebiete an das alte Staatsgefüge angegliedert wurden, verwischte sich dieser Charakter. Bevölkerungstcile kamen hinzu, an denen die. französische Kultur nicht spurlos vorüber gegangen war oder die ihrem ganzen Empfinden nach dem so anders gearteten Süddeutschland gehörten. Diese Gebiete wurden zuerst von den Ideen der französisclzen Revolution durchtränkt, und mit unverhohlenem Mißtrauen sah man dort nach Berlin, wo man zu derselben Zeit versuchte, den Geist von Sanssouci durch reaktionäre Maßnahmen niederzuwerfcn. Vergebens- Kein Zu- fall, daß es zwei Richlpreußen waren, die den friderizianischen Staat von Grund ans umqestalieten und aus dem patriarchalischen Volk ein modernes, zukunftsreiches machten. Der nassauische Reichsfreiherr v. Stein und der Hannoveraner Hardenberg. Man kann eS heute als eine feststehende geschichtliche Wahrheit be trachten, daß ohne die Reformen der Jahre 1808 bis 1810 Deutsch- land die Kette der korsischen Zwangsherrschaft niemals zerbrochen hätte. Aber auch schon damals wehrten sich die preußischen Iunkcr gegen jede Neuerung, die ihre alten Privilegien bedrohte. Eine Flut von Beschimpfungen und Verdächtigungen ging über die Heiden Staatsmänner nieder, die es gewagt hatten, an der Vor- Herrschaft des Adels zu rükren. Mit den Freiheitskriegen, mit Leipzig nnd Bclle-Alliancc beginnt Preußens deutsche Sendung. Wohl haben die Regie- rungen diese Aufgabe nicht begriffen. Aber den Völkern hat sie sich sehr rasch in das Bewußtsein gehämmert. Die Jugend träumte nur noch von einer Wiederauferstehung des altcn Reiches nnd Reuerrichtung eines Kaisertums. Für diese Träume, haben die Besten gelitten. Aber erst auf den Schlachtfeldern Frankreichs erstand das Reich, kleiner als einst der Staat der Hohenstaufen, doch in sich geschlossen, kraftvoller, widerstandsfähiger. Und wieder murrten die preußischen Junker. Als im Spiegelsaale zu Versailles der preußische König zum Deutschen Kaiser aus gerufen wurde, stimmten ste nicht in den allgemeinen Jubel ein. Sie hörten vielmehr auch damals Preußens Sterbeglocke läuten. So ist es bis heute geblieben. Wenn der Geist der modernen Zeit irgendein überlebtes Privilegium beseitigen will, beginnt östlich der Elbe jenes Wehklagen, daß nun Preußen endgültig und unwiderruflich ontergehe. Wer die Geschichte verfolgt hat, wird sich dadurch nicht wankend machen lassen. Man kann diesen alten Geschlechtern ruhig das Recht einräumen, um ihre Privilegien zu Kämpfen. Aber den anderen, den Vorwärtsdrängenden, liegt um so mehr die Pflicht ob, diesen Widerstand unter allen Umständen zu brechen. ES ist gleichgültig, wie ein einzelner Verfassungs paragraph lautet, und man kann auch über ein Wahlrecht sehr verschiedener Ansicht sein. Aber bei dem Kampf, der jetzt in Preutzen tobt, handelt es sich nicht mehr um irgendwelche For malitäten, es geht um mehr. Durch die Neichsgrllndung haben sich die Grenzen Preußens gleichzeitig an die Nordsee und an die Alpen vorgeschoben. ES wuchs heraus aus seiner ausschließlich kontinentalen Stellung. Das waren ja auch dle Gründe, die Bismarck mit veranlaßten, seiner Schöpfung ein freiheitliches Wahlrecht zu geben. Und in dem Augenblick, da deutsche Kriegsschiffe wieder das Weltmeer befuhren, deutsche Siedelungen in Afrika und zuletzt selbst in China entstanden, war jene Kontinentalpolitik überlebt, die bis dahin Preußens Schicksal gewesen ist. Das Aufblühen von Handel und Industrie, der Weltverkehr mußte auf das Volk abfärben und bat eS in 45 Friedensjahren auch getan. Doch die staatlichen Einrichtungen Preußens blieben die alten. Die Staatsmafchine ging schwerfällig, wenn auch sicher ihren Gang. Es war, als ob ste von all dem Neuen unberührt geblieben wäre. Und doch konnte kein nüchterner Beobachter mehr bestreiten, daß diese Zustände aus die Dauer unhaltbar geworden waren. Preußens große Vorzüge ge hören seiner Vergangeheit an. Was aber an ihm auch in Zu kunft wertvoll ist, hat sich das ganze Reich von Nord bis Süd erobert. Die preußische Organifationsfähiqkeit ist eine enge, außerordentlich glückliche Verbindung mit dem freieren, leichter bewegten Geist des deutschen Westens und des deutschen Südens eingegangen. .Wir brauchen mir daran zu erinnern, daß die
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