Fünfter Brief. Uber die Jonische Ordnung. Nachdem wir nunmehro die Gattungen der Tempel, so wie Vitruv sie uns nach ihren bedeutenden Verschiedenheiten aufstellt, durchgegangen und zu erläutern gesucht haben; so erlauben Sie mir in derselben Materie sogleich noch einen Schritt weiter zu gehn und Ihnen meine Bemerkungen über seine Construction der Säulen Ordnungen mitzutheilen, da er selbst sie hauptsächlich in Hinsicht auf den Tempelbau entwickelt. Auf den ersten Anblick möchte es wohl scheinen, als nähme Vitruv vier ver schiedene Ordnungen an: die Jonische, die Korintische, die Dorische und die Toscanische. Allein genauer betrachtet, so hat fürs Erste die Korinthische nichts Eigentümliches oder Characteristisches aufzuweisen, aufser allein das Kapitell, welches für sich wohl die Säule selbst auszeichnet, auf keine Weise aber eine besondere Ordnung zu constituiren vermag: als wozu vor allem eine eigentümliche Construction des Gebälks erforderlich ist. Auch betrachtet Vitruv beide, das Korintische wie das Voluten-Kapitell, durchgängig als einer und derselben Ordnung zugehörig. Beim Gebrauch des Korinthischen Kapitells behält er alle andern Theile der Jonischen Ordnung bei, ohne sie weder der Gestalt noch den Dimensionen nach im geringsten abzuändern: ja sogar die Höhe des Säulenschaftes bleibt in den Verhältnissen der Jonischen Ordnung, so dafs nur die totale Säulenhöhe durch das höhere Kapitell, jedesmal um zwei Drittel der Säulen dicke, gröfser wird als wo er das ältere Jonische oder Voluten-Kapitell anwendeta). Sodann beweisen auch die Worte, mit welchen er die Beschreibung des letztem anhebt: capitulorum ratio, si pulvinata erunt, his etc. — b) „wenn es Volu t en-Kapitelle seyn sollen“ — dafs er in derselben Ordnung beide Ar- a) Siehe I,ib. IV. Cap. I. gleich Eingangs. b) Lib. III. Cap. in. p. 71.