Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.04.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192404197
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19240419
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19240419
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-04
- Tag 1924-04-19
-
Monat
1924-04
-
Jahr
1924
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
8oua»d«ick. ckeo IS. Lprv Japanisches Enigegenkommen in -er «Emwanverungsfrage Paris, 18. April. Nach einer Havasmeldung aus Tokio l>at der Premierminister Kral Kiyoura in einer Erklärung über die Haltung de» amerika »ischen Kongresses in der Einwnnüerungs- frage einem Journalisten gesagt, daß die Ent scheidung des ameritanischen Parlaments unvermeid lich gewesen sei. Die ganze beschichte Japans be weise, dass Japan vernünftig sei, und das Recht, die Einwanderung gesetzlich zu regeln, den Bereinigten Staaten nicht bestreiten wolle. Es verlange nur eine Konzession und sei bereit, sich mit einem rein nomi nellen Privileg zu begnügen. Die Ablehnung dieser Konzession würde Bedauern erwecken, aber Japan würde niemals die finanzielle Unterstützung und die Sympathien vergessen, die ihm bei dem letzten Erdbeben von feiten Amerikas zuteil geworden seien. * Paris, 18. April. Aus Washington wird qe- nrcidet, der Senat habe beschlossen, die Volkszählung >on 1890 der Absclsiitzung der Einwanderung-.- ontingenle zugrunde zu legen. Washington, 18. April. (Eig. Tel.) Ein osfi- iellcr Bericht aus Tokio besagt, die japanische Ne uerung werde keine Gegenmaßnahmen gegen die Bereinigten Staaten anordnen, sie werde n ich der kriegerischen Haltung der ui'ranationnlisti s-i-en japanischen Presse keine Beachtung schenken. Nach den Berichten des amerikanuchen General kommissars für di« Einwanderung hat die durch schnittliche Zahl der Japaner, die seit Inkrafttreten des sogenannten Gentleman-Uebereintommens. also seit etwa 17 Jahren nach den Bereinigten Staaten emgewandert sind, nur 146 betrag m. Auf diese Weise würde also die vom Kongreß beschlossene Ein schränkung der japanischen Einwanderung in Wirk- lichkeit gar keine praktisch: Vco -> urung haben. (Line Erklärung Ifhiis Parlr, 18. April. Der japanische Botschafter in Paris, B.ron Jshii, erklärte einem Vertreter der Agentur Havas über die amerikanisch-japanischen Meinungsverschiedenheiten, cs sei ein Unding, in der fraglichen japanischen Note eine Beleidigung der Regierung der Bereinigten Staaten sehen zu wollen. Er könne nur der aufrichtigen Hoffnung Ausdruck geben, daß ein Schriftstück, das von einem der wärmsten Bewunderer der amerikanischen Nation im Geiste freundschaftlichen Zusammenwirkens mit der Regierung der Bereinigten Staaten abgefaßt worden sei, eine unparteiische Beurteilung erfahre. Ungarns Sanierung Budapest, 18. April. Die Nationalversammlung hat in einer Nachtsitzung, die, wie angekündigt, um '<1 Uhr eröffnet wurde, die Sanier nnys- Vorlage in 3. Lesung angenommen. Dann vertagte sich das Haus unter lebhaften Kund» gedungen für den Ministerpräsidenten auf unbe stimmte Zeit. Tirpih über feine Kandidatur München, 18. April. Großadmiral v. Tirpitz ächtete im Zusammenhang mit seiner Aufstellung als Spitzenkandidat der Deutschnationalen Volkspartei .tpir den Wahlkreis Oberbayern-Schwaben an die Parteileitung ein Schreiben, in dem es heißt: .Ich mutz meine Lebensarbeit im ganzen als für ».-endet ansehen. Was mir blieb, ist der Wunsch, die inner« Parteizerklüftung des Volkes zu mildern und unablässig auf das gemeinsame Zi«l für alle die, bcnen es mit der Zukunft Deutschlands ernst ist, hin- zuweisen, solange dies mir noch vergönnt ist. Meine Auffassung vom Staat ist aus meiner amtlichen Ver gangenheit zu bekannt, als daß man von mir eine spezielle Tätigkeit als Fraktionsangehöriger er warten kann. Wenn man sich ungeachtet dieser Ein schränkung irgendwelchen Nutzen von meiner Wahl verspricht, so bin ich gern bereit, in di« Reihen des Reichstages zu treten.' Der .Bund deutscher Mietervereine, Sitz Dres den', teilt m-it, daß die von der Presse gebrachte Mitteilung, er stell« bei den Reichstagswahl.m eigene Mieterlisten auf, nicht den Tatsachen ent spricht. Oie Parteien V. Oie Deutsche Bolkspartei*) Kein Parteigebilde ist seit den Reichstagswahlen von 1920 ko starken Wandlungen unterworfen ge wesen wie die Deutsche Bolkspartei. Man könnte sich dieser Wandlungen freuen, wenn sie gleichbedeutend wären mit einer Klärung und Läuterung der Partei. Doch ist selbst jetzt, wenige Wochen vor den Neu- j wählen, die Stellungnahme der Partei auffallend unentschieden und undurchsichtig. Nach wie vor bleibt die Frage offen, welchen Kur» die Deutsche > Volkspartei künftig einschlagen wird. Ist sie gewillt, ! im Rahmen einer Koalition der Mitte sich realpol't.sch ' cinzustellen, oder will sie ihren alten Neigungen zum , Opportunismus wieder nachgehen? Der Wahl- > aufruf der Deutschen Bolkspartei schafft hierüber ' keine Klarheit. Er ist vielfach so unbestimmt und gewunden, daß er die verschiedenartigsten Aus- lcgungen zuläßt. Auch die Reden Stresemanns bitten hinreichend Belege für die eine oder andere Auf- ! fnssung. In ihm liegt ständig der Parteiführer in Widerstreite mit dem Staatsmann. Nichts aber ist notwendiger für eine Partei, die vor ihre Wähler hintrcten will, als eine klare Marschlinie. Für die Deutsche Bolkspartei ist es 1920 ein leichtes gewesen, weite Kreise des Bürgertums in ihren Bann zu ziehe». Ein wirtschaftlich nieder gebrochenes und seelisch zermürbtes Volk ist großen Versprechungen leicht zugänglich. Don der Schwer- ! industrie mit reichen Mitteln ausgestattet, un- i beschwert mit Verantwortung und sorglos in der ! Wahl der Mittel, zog damas die Deutsche Bolkspartei i in den Wahlkampf. Es war bei weitem nicht alles ! gemünztes Gold, was die Volkspareti den Wählern ! durch ihre Agitation verabreichte, ja meist waren es sogar Müiczen schlechtester Legierung, nur merkten es die Wähler zu ihrem Schaden zu spät. Sehr bald mußte die Ernüchterung kommen. Denn mit hoch trabenden Worten läßt sich wohl vorübergehend ein Wahlkampf führen, aber niemals Politik treiben, geschweige denn das Vaterland wieder aufbauen. Gleich nach den Wahlen mußte die Deutsche Volkspartei an sich selber erfahren, was es heißt, zu regieren und Verantrvortung zu übernehmen. Die Entschlußkraft, sich an der Großen Koalition zu beteiligen, fand die Partei aber j erst nach langen Jahren des Schwankens und nach ! schweren inneren Kämpfen. Wie viel besser wäre es heute um das Reich und die Länder bestellt, wenn die Einsicht der Deutschen Bolkspartei früher ge kommen wäre, wenn sie sich rechtzeitig zur Mitarbeit in der Großen Koalition aufgcrafft hätte! Die Staatsautorität stände heut« gefestigter da. Wir hätten stärker und geschlossener im Innern nach außen wirken können. Was in Preußen möglich war, konnte beig utcin Willen auch für das Reich zur rechten Zeit Tatsache werden. Wir hätten di« zahl reichen Wirren und Krisen mit ihren unheilvollen Auswirkungen ganz anders überstehen und über winden können, wenn die Deutsche Bolkspartei mehr Festigkeit gezeigt hätte. Ohne Schwierigkeiten hätte man dem Emporwuchern des Rechts und Links radikalismus zur rechten Zeit Einhalt tun können. Aehnlich liegen die Dinge in Sachsen. Die sozialistisch-kommunistiscde ^lera unter Zeigner hätte uns erspart werden kömren, wenn die Deutsche Volkspartei bei den Landtagsrvahlen 1920 und 1922 staatvpolitischen Sinne bewiesen hätte, anstatt die Zerreißung der Mitte auch hier zu propagieren. Die falsche Einstellung der Deutschen Volkspartei ist unserem Volke zu einem schweren Verhägnis ge- worden. Stresemann selber stürzte als Kanzler schließlich darüber, daß er den Staat, den er führen sollte, in seinen Fundamenten durch jahrelange hemmungslose Agitation unterhöhlt hatte. Strese mann erkennt wähl die Probleme, aber er ist eine allzu biegsame, elastische Natur und unterliegt im Augenblicke großer Entschftdunqen leicht Einflüssen von außen. Der rechte Flügel seiner Partei und seine Mdersacher waren fast stets stärker als er. Die Loslösung des schwerindustriellen Flügels, der „Nation «liberalen Vereinigung', be deutet zwar im Augenblick eine gewisse Entlastung der Deutschen Volkspartei, aber es verbleiben in ihr genug Elemente rückständigen Geistes, die ihr noch zu schaffen machen werden. Nach wie vor gärt es ') Dgl. Nr. 72, 83, 91 und 92. Sterbend« und auferfiehende Götter Don Lic. k-isdiz AL« religiösen Feste, die heutzutage gefeiert wer den, haben ihre Geschichte, so auch die christlichen Fest«, vor allem das älteste unter den christlichen Festen: Ostern. Kinder feiern ein solches Fest anders als Erwachsene, Männer anders als Frauen. Eine Fülle von Gedanken, Lebenswirklichkeitcn, alt hergebrachten Sitten, kommt in der Festfeier zum Ausdruck. Geschichte, Natur, Volkstum, Poesie, Kunst: alles dies wirkt dabei zusammen. Was wäre für di« Kinder das Osterfest ohne den Osterhasen, ohne die Ostereier und die kleinen, gelben Kükchcnl Der Er wachsene ist froh, daß der Wlnter vorüber ist. Sinnend steht er vor dem Wunder der Auferstehung der Natur. Die Christen feiern die Auferstehung Jesu. Falsch wäre es, den ganzen Reichtum eines solchen Festes zu verachten und nun etwa nur eins zu sehen und gelten zu lassen. Freuen wir uns doch der Fülle des geistigen Inhalts unserer Feste. Der nachdcnkende Christ wird in seinen Gedanken, seinem Fragen und Forschen immer wieder zur Auf erstehung Jesu zurückkehren. Er wird fragen: was sagt die Wissenschaft, die Geschichtsforschung dazu? Die meisten haben heutzutage schon von »sterbenden und aufcrstehenden Göttern' gehört. Sie wissen wohl auch, daß es jetzt eine Wissenschaft der Aeligionsgeschichte und Religionsvcrgleichung gibt. Diel Arbeit ist auf diesem Gebiete noch zu tun. An dieser Stelle kann nur einiges von dem geboten werden, was man von denjenigen .sterbenden und auferstehendcn Göttern' weiß, die für die religions geschichtliche Erforschung des Neuen Testamentes b«' sonders wichtig sind. Seit sehr alten Zeiten ist ein Gott namens Tamm uz fder als Monatsname den Juden be kannt ist) in Babylonien als sterbender und auf- erstehender Gott verehrt worden, ebenso der Stadtgott von Babnlon Del-Marduk. In Aegypten ist die Verehrung des sterbenden und aufcrstehenden Gottes Osiris sehr alt, der in der Zeit des ömischcn Weltreiches auch Sarapts hieß. In hönikien war Adonis ein solcher Gott, dessen Name ja bis auf den heutigen Tag geläufig ist, in Phrygien der Gott Attis. In Griechen land war Dionysos und d«r mit ihm verwandte Orpheus ein sterbender und auferstehcnder Gott. Osiris ist eng mit der Göttin Isis verbunden. Lr stirbt am 17. Athyr und steht am 19. auf, also am dritten Tage. Vielfach ist deutlich, daß er das Nil wasser bedeuten soll, dem ja der Aegypter so viel ver- dankt. Auch der „sprossende' Osiris, aus dessen Leibe Blumen sprossen, zeigt den Naturcharakter des Gottes. Ein großer Teil dieser wissenschaftlichen Fest- stellunoen ist bereits in weite Kreise hinausgetragen worden. Rasch ist da so mancher bei der Hand, auch Jesus nun zum Naturgott, etwa zum Frühlingsgott, zu machen und ihn mit allen j«n«n Naturgöttern aus eine Stufe zu stellen. Demgegenüber hat kürzlich Prof. I). L c i p o l d t, der Professor für neutestament- liehe Wissenschaft an der Leipziger Universität, mit Recht sein« umsichtigen Untersuchungen über die „sterbenden und anferstehenden Götter' (Leipzig, Deicl>ert) in dem Satz zusammengeiaßt: „Wie man auch über Einzelheiten urteilen mag: die Geschichte von Jesu Leiden und Auferstehung ist, aufs Ganze gesehen, etwas wesentlich anderes als die Erzählungen von Osiris, Adonis, Attis usw. Gerade durch die Vergleichung wurden uns di« Unterschiede deutlich, die hier vorliegen: die geistige Art de« Christentums, die Gott von der Natur loslöst, um ihn über die Natur zu stellen, und die auf diese Weise den einzigen Weg findet, Frömmigkeit und Sittlichkeit eng mit einander zu verein gen. Wir ve stehen nun religions geschichtlich, warum Jesus den genannten Gestalten sich auf dem Missionsgebiete überlegen erwies.' Daß Jesus eine geschichtlich« Persönlichkeit ist, erkennt man deutlich wenn man da» rabbinische Material zum Vergleich mit dem Inhalt der Evan- gelten hcranzieht. Dann aber gewinnen auch die Ueberlieferungen von seinem Tode und seiner Auf- erstehung ein anderes Gesicht. Es will auch das Einzelne, es wollen die Erscheinungen des Auf erstandenen erklärt sein. Kein Wunder, daß man es da neuerdings auch mit dem versucht hat, was der vielgenannte „Okkultismus' an wirklichen oder vermeintlichen Tatsachen bietet. Dies ganze Gebiet ist freilich noch sehr umstritten und verlangt äußerst« Vorsicht. Um so m«hr ist es berechtigt, wenn die in den Organisationen der Partei, und die Zer- setzungserfcheinungcn werden von Tag zu Tag auch nach außen h.n stärker bemerkbar. Stresemann sucht der Auflösung mit allen Kräften entgegenzuwcrlen, muß dabei aber nach allen Seiten Konzessionen machen. Unter diesem Gesichtspunkte müssen auch die Wahlkundgebungen und der Parteitag in Han nover betrachtet werden. Die Deutsche Bolkspartei st«ht heut« nach manchem Anlauf, den man begrüßen könnt«, wieder vor dem Rückfall in die alte Agitationspolitik. Dies zeigt mit aller Deutlichkeit der Wahlaufruf. In ihm ist vor allem da» rückhaltlose Bekenntnis zur Weimarer Verfassung und zur Republik zu ver missen. Es handelt sich hier aber nicht um einen belanglosen Streit um die äußere Staatsform, son dern um Lebensfragen der Nation. Die Monarchie war schon 1920 das Prunkstück der volksparteilichen Agitation. Diesmal hat Stresemann das Wort ovm „Volkskaisertum' geprägt. Monarchistisch« Pro paganda führt zu Hitler und Ludendorff und treibt uns in das Chaos des Bürgerkrieges hinein. Dann würde auch die deutsche Wirtschaft von neuem ge fährdet sein. Der wirtschaftliche Wi«deraufoau Deutschlands ist daher nur im Rahmen der Republik und auf dem Boden der Demokratie möglich. Die deutschen Unternehmer sind bei der Lösung aller Fragen, insbesondere auch der Reparationsfrag«, auf di« Mitwirkung der Arbeiterschaft angewiesen. Darum müssen aus dieser Sachlage auch politisch die Knsequenzen gezogen werden. Die Arbeiterschaft muß zur gleichberecht gten Mitarbeit und Verant wortung in der Regierung herangezogen werden. Auch auf dem Gebiete der Sozialpolitik sollte, all« deutschen Unternehmer der Arbeitnehmerschaft Ent gegenkommen und Verständnis zeigen. Für scharf macherische Tendenzen ist heut« in unserem Volke lein Raum mehr. Wird den Arbeitern politisch das Mißtrauen genommen, so wird <uuh di« Ver ständigung mit ihnen auf rein wirtschaftlichem Ge biet« leichter sein. Aus alledem ergibt sich, daß allein di« große Koalition auf absehbar« Zeit für uns die gegebene Regierungskonstellation ist. Die Sammlung in einen Bürgerblock bedeutet den Klassenkampf von rechts. Wer aber wie die Deutsche Volkspartei die „Volksgemeinschaft' will, der muß auch die große Koalition mit Einschluß der Sozial demokratie fordern. Kein Zweifel, daß die Sozial demokratie in der Vergangenheit schwere Fehler be- gangen hat, aber mit ihrer Bekämpfung im Stil« der Vorkriegszeit ist es nicht getan. Noch ein Wort zur Außenpolitik! Was wird die Deutsche Bolkspartei diesmal ihren Wäh lern antworten, wenn sie gefragt wird: Wo ist euer Lersner geblieben? Er sollte doch „die völlige Revision' des Versailler Vertrages bringen. Die Antwort wird der Deutschen Volkspartei recht pein lich werden. Lersner, der dem Leipziger Wahlkreise als der „kommende Mann' präsentiert wurde, ist zn den Deutschnationalen hinübergewechselt. Alle Wäh ler wissen, daß sich die Revision des Vertrages von Versailles nicht hat ermöglichen lassen. Warum aber dann der Aufwand an nationalistischen Phrasen gegen die Parteien, die den einzig möglichen Weg der Geduld und des Abwart«,,s beschritten haben? In dem Wahlaufruf der Deutschen Volkspartei heiss es: „Wir waren und sind Gegner derE r f ü l l u n g o- politik.' Dabei wird verschwiegen, daß gerade Stresemann als Kanzler und Außenminister mit seinen Freunden von der Schwerindustrie in einem Ausmaße hat Erfüllnngepolitik treiben müssen, wie kein Kabinett zuvor. Stresemann hat wiederholt ausgesprochen, daß wir nicht darum herumkommen, ein Lösegeld für die deutsche Freiheit zu zahlen. Da- bei macht er sich sogar die rednerischen Prägungen Wirths und Rathenaus zu eigen: „Durch Opfer und ! Arbeit zur Freiheit!' Warum also auch hier dieser ! Zwiespalt zwischen Agitation und Wirklichkeit? Die Deutsche Volkspartei ist sich darüber klar, § daß ihr diesmal eine große Sclmr der Wähler von ! 1920 davonlaufen wird und zwar zum Teil weiter ! nach rechts zu den Radikalen, die es fertigbringcn, noch mehr zu versprechen, als die Volkspartei im Jahre 1920. Ein anderer Teil aber wird sich sagen, daß das, was an der volksparteilichen Politik brauch bar gewesen ist, von anderen Parteien schon seit Jahren viel zielsicherer und folgerichtiger vertreten worden ist. Es wird also zweifellos auch eine starke Rückwanderung zu den Demokraten einsctzen. Wissenschaft gegenüber der für das Christentum und das Neue Testament so wichtigen Tatsache der Auf erstehung Jesu alle diejenigen zur Vorsicht mahnt und erzieht, die mit ihrem abweisenden Urteil mrr allzu rasch fertig zu sein pflegen. Eine kleine Geschichte vom „Blauen Bogel'. Man mußte damit rechnen, daß dos Gastspiel des Russisch deutschen Theaters, Iushnijs und seiner Ge- treuen, zu Dresden, der Stadt, die plötzlich ver- hitlcrt ist wie kaum eine zweit« im nichtbayrischen Deutschland, nicht die rückhaltlose, enthusiastische Aufnahme finden würde, wie in Mailand, Kopen hagen oder Hamburg und Leipzig. Obwohl cs weder Entkleidungen fcstzustcllcn noch Politisches dabei zu hören gibt — cs ist russisch, und das vertragen die Dresdner Nationalistrn schon gar nicht. Di« Nummer der königlichen „Großen Katharina" hingegen schien einem braven Gewerkschaftler zu mißfallen. Er mußte zischen, und Gott allein weiß warum. Da taucht Iushnif auf und hält eine klein«, bekümmerte Ansprache: -Der Härr mißversteht uns . Wir spielen die „Wolgaschleppcr' — wir spielen die .Katharine' Es ist keine Politik auf diesem Boden. Nächste Num mer: „Leierkasten'. Musik von Tschaikowsky. Auch einer von die alte Kultur. Gewidmet: däm HLrrrn! ' Sin veuentdeckte» Meisterwerk Dürers. Dem Direktor der Wiener Gemäldegalerie Gustav Glück ist es gelungen, dem sov-el durchforsch ten Werk Dürers ein neues wundervolle» Gemälde ! hinzuzufügen und für sein Museum zu erwerben. ! Der glückliche Entdecker macht nun über diese» her- , vorragende Kunstwerk in dem von Adolph Donath herausgegrbenen „Kunstwanderer' näher« Mitkilun- gen. Es handelt sich bei diesem Bild, das durch die Erwerbung auf deutschem Boden erhalten werden konnte, um ein Werk ersten Ranges. Die kleine Tafel zeigt da, Brustbild eines jungen Mädchen» auf einem tiefschwarzen Grunde. Die Züge der Dar- gestellt:» sind einnehmend und reizvoll-, besonder fallen die goldblonden Locken und die dunklen Augen auf; sie trägt ein viereckig ausgeschnittene», karmin rote» Kleid mit tiefgrünen Maschen und am freien Halse einen Schmuck aus kleinen Perlen. Da» Bild ist nicht ganz vollendet, denn die Maschen link» find nur untermalt und dem Fleisch de» Halse» wie der Heute macht sich nur di« Partei um das Pater- land verdient, die den Mut hat, dem Volke ohne Umschweife die Wahrheit zu sagen, und sich die Politik des Möglichen zum Ziel setzt. Dir Deutsche Bolkspartei ist noch recht weit von diesen, Standpunkt entfernt. Abbau -es Abbaukommiffars Bürokratische Intrigen in Oesterreich Wie», 18. April. (Gig. Tel.) Der österreichische Ersparungskommiffar Dr. Hornik, der seit M" naten den Abbau der Beamtenschaft uu- nachsichtigt leitete, ist jetzt vom Bämdeskanzlc. Dr. Seipel selbst abgebaut worden. Horniks Tätigkeit, di« ihm die Feindschaft tausender ab gesetzter Beamten zugezogen hatte, war so »aparte, isch und erfolgreich für das österreichische Budget, daß man auch in Berlin auf ihn aufmerksam wurde. Man hatte eine Abordnung nach Men entsandt, um sein Arbeit zu studieren und von ihm Rat schlage für das deutsch« Abbaupro- gramm zu erhalten. Es wird behauptet, daß Hornik gestürzt wurde, weil er allmählich im Abbau von den unteren Be amten zu den höchsten gelangt war und sich jetzt die Gegnerschaft der Hofräte und einiger Minister zugezogen hatt«. Hornik hatte im letzten Kriegs jghre als Oberfinanzrat die Liguidierunq des Kriege ministeriums geleitet und dabei zahlreiche Defran- dationen aufgedeckt. Lchne jede Rücksicht zwang er all« Personen, die sich bereichert hatte:, di« widerrechtlichen Gewinne dem Staate zurüä- zuzahlen. Der Gegensatz zum Bundeskanzler w..r dadurch entstanden, daß Hornik einem höheren Be amten vorwarf, er habe sich ftn Ernährungsminist: rium eine Privatwohnung eingerichtet. Dr. Seipe'. erklärt« jedoch das Vorgehen dieses Beamten im Na tionalrat für korrekt. Der holländische Völkerbunds- kommissar Dr. Zimmermann verliert in Hornik seinen wertvollsten Mitarbeiter. Lohnbewegung in Oesterreich Wie«, 18. April. Gestern faßten di« Tele- graphenangestellten in einer Versammlung eine Entschließung, in der sie schnelle Beendigung de. Verhandlungen über die B e s o l d u n g s r e f o r m verlangen. Falls bis zum Monatsende kein Erfo',> erzielt sein sollte, würden alle Mittel angewandt werden, um den Kampf günstig zu beenden. Buchdruckerstreik in Stuttgart Stuttgart, 18. April. Die Arbeiter der Stuti garter bürgerlichen Zeitungen haben heute bc schlossen, am Sonnabend, den 19. April, weg"» Nichtbewilligung ihrer Lohnforderungen in den Streik zu treten. Die Verleger der bürgerlichen Zeitungen bereiten die Herausgabe einer Not - zeitung vor. Lörrach, 18. April. Nach mehrtägigem Streik haben die hiesigen Buchdruckcrgehilfen die Arbeit wieder ausgenommen. Die Arbeitslöhne bleiben unverändert. Den Buchdruckern ist eine Oster- zulage von 10 zuqestandcn worden. Kein Streik -ei der Berliner Hochbahn Berlin, 18. April. Der ..Derlehrsbund' hat l:r Direktion der Hochbahnqesellschaft mitgcteilt, daß au Grund eines Beschlusses der Funktionäre ein Streik der Hochbahner nicht stattsindcn wirb. Das Abendmahl auf drahtlosem Wege New Port, 18. April. (Eig. Tel.) Nachdem die Verbreitung der qewöhutichcn Eonntagrgottes- dienste durch Rundfunk schon etwas ganz lieblichem geworden ist, sollte heute auch der Rundfunk für de.- Abendmahlsgottesdienstes benutzt werden. Die Prcs biterianische Kirche wird zum ersten Male am Abeui> des heutigen Karfreitags das Abendmahl auf draht losem Wege spenden. Der Prediger, Pastor Heig win, hat für diesen Zweck einen Funksprucki aue- gearbeitet, der die Zeremonie darlegt und empfiehlt, Traubensaft und ungesäuertes Brot zu brauchen, w. es die Kirche benutzt. Brust fehlen wohl die letzten Glasuren. Dabei ist es aber von ganz ausgezeichneter, völlig unberührter Erhaltung und von einer unvergleichlichen Frisch: und Lebendigkeit in Ausdruck und Empfindung. „Pom rein malerischen Standpunkte aus gehört es — bei durchgängiger Sorgfalt der Zeichnung — zu dem schönsten, was Dürer geschaffen hat', so urteil: Glück. Das Bild trägt in der Mitte oben das bc kannte Monogramm Dürers nebst der Jahreszahl 1505. Aus diesem Jahr ist sonst kein Gemälde des Meisters bekannt. Da die Dargestellte der Tracht nach zweifellos eine Venezianerin ist, muß das unschätzbare Werk auf italienischem Boden ent standen sein und gehört zu den ersten Arbeiten, die Dürer auf seiner zweiten italienischen Reise, die er im Herbst 1505 antrat, in Venedig geschaffen hat. Kunstausstellung in Chemnitz. In der Kunsthand, lung Gerstenberger wurde die Ausstellung „Romantik und Biedermeier in der deutschen Malerei und Zeichnung' durch einen Vortrag de» Herrn Dr. Zoege von Man teuffel (Direktor des Kupferstich-Kabinetts, Dres den) eröffnet. Die Veranstaltung zeigt etwa 300 Nummern und erreicht eine Bedeutung weit über Chemnitz hinaus. — Es sind darin vertreten die Nazarener, die Romantiker- und Biedermeicrmaler. Die Ausstellung bringt eine Anzahl der Oeffentlich keit sonst verschlossener Werke. Die Ausstellung dauert bi« Ende Mai. Di« Dus« bei Menzel. Als di« Du sein Berlin ihre ersten großen Triumphe feiert«, besuchte sie Meister Menzel in seinem Atelier, und sie wurte von der Riesenkraft de» kleinen Manne», bi« ihr aus seinen Werken entgegentrat, so überwältigt, daß sie in einer schönen Aufwallung ihres Temperamentes sich plötzlich niederbeugte, die verrunzelt« Hand des Greise» ergriff und mehrmals heftig an die Lippen führte. Da, geschah mit so plötzlicher Lebhaftigkeit und in so hinreißender Schönheit der Bewegung, daß der Altmeister e» ruhig geschehen ließ und nachher verlegen nicht» dazu sagte. Al, die große Tragödin aber fort war, wollte ihm der Vorfall nicht aus dem Sinn er schüttelte imm«r wieder den Kopf, und schließlich meinte er nachdenklich: „Etwas war dalxi nicht richtig. Eigentlich hatte i ch ihr doch wohl bin Hand küssen müssen?'
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)