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Zehntes Kapitel. Die Aesimse 8 i- Assgerneines. Die Fern: eines Gesimses ist abhängig von dem Material, aus dem es gebildet wird; demzufolge muß das Holzgesimse eine andere Form zeigen, als das Steingesimse, und der Baumeister stellt seiner Phantasie ein Armutszeugnis aus, wenn er ein Steingesims in Holz nachzuahmen sucht. Die Täuschung ist zudem nur von kurzer Dauer, da sich nur zu bald die Eigenschaften des Holzes geltend machen und sich die Natur des Materiales durch Risse und Sprünge bemerklich macht. Man bleibe daher, wie in allen Dingen, so auch hier bei der Wahrheit. In konstruktiver Hinsicht besteht der Zweck eines Haupt gesimses darin, der unter ihm liegenden Fläche Schutz zu gewähren und das vom Dache kommende Wasser vom Ge bäude entfernt abtropfen zu lassen oder in einer Rinne zu sammeln und abzuführen. Dieser Zweck wird um so voll ständiger erreicht, je weiter das Gesimse vorragt, d. h. je größer seine Ausladung ist; aber gerade darin zeichnet sich das Holzgesimse vor dem Steingesimse aus, daß es aus Grund seines Materiales eine weit größere Ausladung zu läßt, während diese beim steinernen Gesimse in ziemlich enge Grenzen eingeschlossen ist. Die große Ausladung ist ein charakteristisches Merk mal der Holzgesimse, wodurch tiefe Schatten entstehen, welche den Gebäuden einen eigentümlichen Reiz gewähren. Die Darstellung der bedeutenden Gesimsausladung ist Aufgabe der Konstruktion, und dieselbe kann nach zwei ver schiedenen Methoden erreicht werden, je nachdem man ent weder die Dachbalken weit genug über die Frontwände hinausragen oder die Dachsparren Überhängen läßt; auch können diese beiden Motive vereinigt werden, wovon Fig. 1 ein interessantes Beispiel giebt. Je nach dem Konstruktionsprincip ist hiernach die Hauptform des Gesimses ausgesprochen, die nun einfacher ^ oder reicher architektonisch durchgebildet werden kann, was durch die leichte Bildsamkeit des Materiales wesentlich erleichtert wird. Die Wirkung wird gesteigert durch Ver- ! Wendung geschnitzter und verzierter Konsolen (Knaggen) unter den vorkragenden Balken, durch Kopfbünder unter den weitausladenden Sparren, durch Zuhilfenahme von Terrakotten und Farben, womit sich außerordentlich reiche Durchbildungen erreichen lassen. 8 2. chesimskonkruktionen. Die zwei erwähnten Hauptmotive der Dachgesims- I bildung sind auf Tafel 74 dargestellt, und zwar zeigen die Fig. 1 bis 4 die Gesimsausladung konstruiert mittels Verlängerung der Sparren über die Mauerflucht, während die Fig. 5 bis 7 eine solche durch das Vortreten der Dach balken darstellen. Die erste Konstruktionsweise ist wohl die einfachste und ihrer Zweckmäßigkeit wegen am häufig sten angewandte, während die letztere seltener zur Aus- ! führung kommt. In Fig. 1 ist die isometrische Ansicht, in Fig-2 der Durchschnitt ab, Fig. 4, senkrecht auf. den Giebelsparren, in Fig. 3 der Durchschnitt durch die Traufe und in Fig. 4 die Giebelansicht dargestellt. Die Dachsparren werden so weit über die Mauerflucht verlängert, daß sie etwa 0,75 bis 0,so iu — horizontal gemessen — über dieselbe Vorstehern Um diese Ausladung auch an den Giebelseiten zu erhalten, im Fall das Dach kein abge- walmtes sein sollte, werden die Dachpfetten so weit über die Giebelmauern verlängert, als es die Unterstützung der zwei bis höchstens drei Sparrenpaare, „Giebelsparren", erfordert. Dabei müssen die Dachpfetten eine solche An ordnung erhalten, daß sie an den Giebelfassaden nicht störend wirken; sind z. B. Lisenen angenommen, so müssen sie auf deren Mitte zu liegen kommen, sowie man sie auch gerne nach Pfeilerachsen und nicht nach den Fensterachsen der Giebelfassade anordnet. Sollten sich die Pfetten jedoch