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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.02.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192302274
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230227
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230227
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-02
- Tag 1923-02-27
-
Monat
1923-02
-
Jahr
1923
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s» »» »« ! k>' Lelprlger 1'sgedlstt ua6 HanüelseeftnLg Qle«t»g, S« L7. k«de>« M<rroVrß»an-r kn NLnkgrwknter einmQrschkert E t, euer D«atzt»»rtch1dr» Leipziger r«,edlatte» Essen, 26. Februar. Die Franzosen gehen nun anscheinend dazu über, auch die Orte der neutralen Zone zwischen den Brückenköpfen von Mainz, Koblenz und Köln zu be setzen. Am Sonntag nachmittag ist in König», winter französische Kavallerie und Infanterie ein gerückt, und zwar Marokkaner. Gleichzeitig landete ein Rheindampfer 100 Mann, die das Rat haus, das Zollamt und die Zugänge zum Bahnhoi besetzten. Auf den Protest de» Bürgermeisters hin zog sich di« Kavallerie wieder nach Oberkafsel zurück, doch blieb die Infanterie in Königswinter. In dem kürzlich von den Amerikanern übernom menen Koblenzer Brückenkopf gehen die Franzosen gleichfalls vor. So bezog am Sonntag hart an der Grenze de« unbesetzten Gebiete« eine französische Maschinengewehrabteilung auf einer dem Limburger Bahnhof und da« Lahntal beherrschenden Anhöhe ein Lager und bracht« Maschinengewehre mit Schußrichtung auf die Stadt Limburg in Stellung. Ferner besetzten die Franzosen di« Stadt Montabaur mit etwa 700 Marokkanern. Wie es heißt, wollen die Franzosen durch die Be setzung der Zwischenräume zwischen den einzelnen Brückenköpfen eine gerade Front 30 Kilometer östlich des Rheins schaffen. vochum unter franzSsischem Terror Eigener Dra hl bericht des Leipziger Tage htatte» Bochum, 26. Februar. Seit heute morgen haben die Franzosen das ganze innere Stadtgebiet vollständig abgesperrt. Nur wenige Personen dürfen passieren, in der Hauptsache nur Frauen und Mädchen. Der Verkehr ist so gut wie lahm gelegt, die Geschäfte und die Wirtschaften sind geschloffen. Auch in verschiedenen Werkstätten ruht der Betrieb. Heber die Veran lassung zu dieser Maßnahme der Franzosen sind die verschiedensten Gerüchte im Umlauf. Die einen be sagen, daß die Franzosen erklärt hätten, wenn die Gewerksachften am Sonnabend den Generalstreik ver kündeten, so wollten sie (die Franzosen) dafür sorgen, daß heute die Arbeit ruhe. Ein anderes Gerücht besagt, daß die Franzosen die Geschäfte zwingen wollen, den Boykott gegen die französische Besatzung aufzugeben. Während die am Freitag abend auf den Straßen Bochum« verhafteten Personen zum größten Teil, namentlich soweit es sich um Arbeiter handelte, wieder freigclaffen wurden, sind in der Nacht zum Sonntag etwa 700 bis 800 Personen, die sich nach der auf 8 Uhr festgesetzten Sperrstunde noch auf der Straße befanden, von den Franzosen ver haftet und nach Hattingen abgesührt worden. Die Franzosen gehen nunmehr auch dazu über, Straßenbahnwagen anzuhalten und von den Fahr gästen Ausweise zu verlangen bzw. diejenigen Per- sonen festzunehmen, die schwere Pakete mit sich füh ren. In der Nacht zum Sonntag wurde ein Straßenbahnwagen von einem französischen Kom- man do mit aufgepflanztem Seitengewehr unter Füh rung eine» Offiziers ungehalten. Die Fahrgäste mußten ihre Ausweise vorzcigen. Mehrere Personen mit Handgepäck wurden abgeführt. Lin NeichsLagsabgeordneter verhaftet Essen, 26. Februar. Der französischen Eiscnbahnkoutrolle in Scharn horst vor Hamm ist es gelungen, den Reichstagsab» geordneten Dr. Hugo bei der Ausreise aus dem Einbruchsgebiet aus dem O-Zuge herauszuholen. Er wurde unter bewaffneter Bedeckung zur Wache gebracht, die sich in einem Güterwagen befand. Die Festnahme erfolgte auf Grund eine, französischen Befehls, nach dem anscheinend deutsche Abgeordnete als agents provocsteurs und Funktionäre behandelt werden sollen. Nach eifrigster Durchsuchung de» Ge päck» und nach ergebnisloser Vernehmung wurde Dr. Hugo nach drei Stunden gestattet, die Reise in» un- besetzte Gebiet fortzusctzen. Der Oberbürgermeister von Herne und der Polizeiinspektor wurden vom Besatzungs gericht zu je 6 Monaten Gefängnis und 200 000 Geldstrafe verurteilt, weil sic sich ge» weil sie sich geweigert hatten, französische Befehle auszusühren. Englische Warnungen Eisener De»hivertchtde» Leipziger Lagestat»«» London, 26. Februar. In hiesigen politischen Kreisen beobachtet man mit besonderem Interesse die französischen Maßnah men, die darauf abzuzielen scheinen, die englische Zone von Köln mehr und mehr zu isolieren. Die Westminster Gazette schreibt, es finde in maßgebcn- den Kreisen mehr und mehr der Gedanke Anklang, die britischen Truppen aus Köln zu entfernen und in eine weiter rheinaufwärts gelegene Zone zu ver schieben. Hierdurch würden die Reibungsflächen zwischen französischen und englischen Truppen ver ringert und die Gefahr eines ernsteren Konfliktes vermieden. Im übrigen machen die Londoner Blätter Bonar Law auf die französische Diplomatie aufmerksam, die darauf anszugehen scheine, eine Neugruppie- rung der Mächte in die Wege zu leiten. So warnt der Observcr ganz offen die französische Regie rung, das gefährliche Spiel des Mächtegleichgewichtes zu spielen. Vie Verhandlungen der v§pv mit den Kommunisten gescheitert Drahtbertcvi unserer »resdner «christleituu, Dresden, 26. Februar. Die Verhandlungen der Sozialdemokraten mit den Kommunisten, die unternommen wurden, lediglich un, den Kommunisten die Agitation gegen die Sozialdemokratische Partei zu erschweren, sind ge scheitert. Die Sozialdemokraten haben in den letzten Tagen in ihrer Presse zugegeben, daß die Sozialdemokratische Partei bei ihrem Handeln die kommunistische Taktik berücksichtigen müsse, was nur geschehen könne, wenn die Sozialdemokratie eine noch geschicktere Taktik befolge. Diese bestehe darin, daß man den Kommunisten Konzessionen machen und ver handeln müsse. Lehnten die Kommunisten dennoch ab, dann seien sie vor ihren Wählern in» recht« Licht gesetzt und für die Folgen der Katastrophenpolitik verantwortlich, wie auch dafür, daß die Sozialdemo kraten dann Fühlung bei den Demokraten suchen müßten. Die Sozialdemokratisch« Partei hatte (die von uns am Sonnabend bereits mitgeteilten) Richtlinien ausgestellt, die sie gleichzeitig den Kom- munisten und den Demokraten unterbreitete. Sie enthalten im allgemeinen republikanisch-demokratische Selbstverständlichkeiten, sind an einzelnen Stellen allerdings stark mit sozialistischem Zierat versehen. Der kommunistische Landesvorstand nahm in seiner letzten Sitzung Stellung zu diesen Richtlinien. Nach einer Veröffentlichung der kommunistischen Blätter herrschte volle Uebereinstimmung darüber, daß diese Richtlinien nicht al» Diskussion«» basi» zur Bildung einer Regierung dienen könn ten. Die von der Sozialdemokratischen Partei aus gestellten 10 Punkte blieben noch wesentlich hinter dcm zurück, was die DSPD. im November angeboten habe. Die Konzessionen nach links, die von den sozial- mcokratischen Wählern und ihren Führern verlangt würden, seien zu Konzessionen nach rechts geworden. Dei Kommunistische Partei werden in den nächsten Tagen Richtlinien aufstcllen, die nach ihrer Mei nung allein als Basis von Verhandlungen zur Dil- düng einer Negierung dienen könnten. Deutscher Kutturtag Oie Rot -er geistige« Arbeit mr- -ie Bii-ungslrste Leipzig, 26. Februar. Im Anschluß an die Diskussion, die sich zu dem Thema »die Religion in der heutigen Kultur* ent spannen hatte, sprach Pfarrer Lsenwein (Stutt gart) über die Beziehung zwischen Demokratie und Kirche. Auch in dem Dortrage de» Schulrates Muthesiu« (Weimar) »Religion und Schule* handelt« e» sich um die Stellung, die heute die Re ligion im Leben der Staatsgemcinschaft einnimmt. Nach Muthefiu» sind Religion und Schule durchaus Gegensätze. Das Religiöse steht mit allem, wa» »Lehren* heißt, in Widerspruch. Schon Schleier macher war gegen den Religionsunterricht. Ebenso wenig war Pestalozzi für einen planmääßigen Unter- richt eingenommen. Naumann redete der religions losen Staatsschule das Wort. Muthefiu» kam schließ lich auf da» Goethewort hinaus, alles Theoretisieren weise auf Mangel an Produktionskraft hin. Als letztes Religionsthema wurde von Pfarrer Geibel (dlpollensdorf) »Die Dolkskirche in der Demokratie* abgehandelt. Für den Sonnabendabend hatte die Deutsch- Demokratische Partei eine Dortragefolge, gleichfalls im Großen Saale des kaufmännischen Dereinshauses, anberaumt, die ebenso wie Vie voraufgegangenen Verhandlungen recht guten Besuch aufwies. Al- Einleitung brachte das Schachtebcck-Streich- Qartett das Streichquartett Op. bl, Nr. 1, C-Moll von Johannes Brahms in vollendeter Weise zu Ge hör. In tiefschürfenden Ausführungen sprach Dr. Theodor Heuß (Berlin) über die deutsche Kultur. Er beklagte, daß das deutsche Volk heutzutage, trotz- dem der Reichtum von einst dahin sei, dem Materia lismus in stärkerem Maße verfallen sei als je. Line Rückkehr zur deutschen Kultur fei notwendig, der Kulturtag müsse den Willen zur deutschen Kultur beflügeln. Don der Fragestellung ausgehend: »Was ist deutsch?* bemühte sich Dr. Heuß, eine Definitton der deutschen Kultur zu geben, sie aus den verschiede nen historischen Kulturepochen Deutschlands abzu leiten und zugleich darzulegen, daß die deutsche Kultur mit der Antike stets innig verschmolzen ge- wesen sei. Zn sehr feiner Weise definierte der Dor- tragende den Unterschied -wischen Kultur — Haltung des Lebens, und Zivilisation --- Führung des Lebens. Ueber die schwerwiegenden Probleme unserer Zeit: die Einwirkung der Großstädte auf die Kultur und die Stellung der Jugendbewegung zur Kultur, gelangt« Dr. Heuß zu dem Schluß, daß Kultur mit Staatsform nichts zu tun habe. Bemer kenswert war die abschließende Feststellung des Red- ners, daß die Vorgänge im Ruhrgebiet den Kampf der deutschen Seele gegen die Säbelhcrrschaft be deuteten, daß au« der Tiefe des Volkes heraus um die Schaffung eine» Gemeinschaftsbcwußtseins ge kämpft werde. Das Wissen von der Tragik der Ge- schichte des deutschen Volkes, daß so oft schon die wachsende Macht die Schake zerbrochen habe, möge uns stark machen. Das Auditorium bekundete durch starken Beifall, wie sehr es mit den Ausführungen des Redners einverstanden war. Mit den eindrucks voll gesprochenen Prometheus-Dichtungen Goethes und Dehmels durch Frau Hedwig Goetz und einem Beethovenschen Streichquartett, das von dem Schachtebeck-Etreichquartet meisterhaft gespielt wurde, schloß der gelungene Abend. . Der -weite Tag der Verhandlungen galt der Not der geistigen Arbeit und der D dungskrise in Deutschland. Ueber das Problem des Nachwuchses für die geistige Arbeit referierte Prof. Dr. Wesphal (Berlin), soweit sich die Not der geistigen Arbeit auf Hochschulen und Universitäten bezieht. Er schilderte die außerordent liche Notlage des heutigen Studenten, der selten das Exiftenz-Minimum besitzt, dessen Freizügigkeit unter bunden ist und der gezwungen ist, bisweilen schwer körperlich zu arbeiten, um da» Studium durchführen zu können. Im Interesse de» Studium», aber auch de rGesundheit der Studenten wandte sich Professor Dr. Weitphal prinzipiell gegen das Werstudententum. Der Redner mußte gleichzeitig zugeben, daß auch der absolvierte Student, der die Absicht hat, Lehrer zu werden, schwer unter der Not leidet und ohne einen Nebenberuf nicht auskommt. Trotzdem glaubte Dr. Westphal doch feststellen zu können, daß die aller schwerste Zett hinter un« liegt. Professor Dr. G «Ir land (Jena) vermocht« sich dieser Meinung des Vorredner» nicht anzuschließeu. Er sah vielmehr die Gefahr de» Zusammenbruches jeder geistigen Arbeit voraus. Die Einzelarbett der Gelehrten sei durch die Teuerung auf» schwerste gefährdet, aber auch die Gesamtarbeit. - Di« Herausgabe von Publi kationen sei unmöglich geworden, wissenschaftliche Kongresse könnten nicht mehr stattfinden, und die internattonale Zusammenarbeit fei erst recht unmög lich geworden. Dennoch könne die deutsche Wissen schaft nicht einfach resignieren, da sonst dem deutschen Volksleben ein Zurückfinken in mittelalterliche Zu- stände drohe. Der wachsende Aberglaube und orr blöde Antisemitismus weiter Dolkskreise seien das deutlichste Zeichen der schon einsetzenden Verdummung des deutschen Volke». Man möge sich nicht darüber täuschen, daß mit dem Zusammenbruch der Wissen- schäft auch die Industrie -usammenbrechen würde. Mtt gespannter Aufmerksamkeit folgten die Er schienenen vor allem dem Dorttag« de» Reichskunst, warte» Dr. Red » lob über die ,Erhaltung des produktiven Schaffens in der Kunst und im Handwerk*. Dr. Redslob stellte Vergleiche an zwischen Wissenschaft, Kunst- und Handwerk, und erörterte da« Problem, inwieweit die kulturellen Fragen am Anfänge aller Betrachtungen stehen. Lr erwies sich al» Gegner des »ästhetischen Geschwätzes* und untersuchte unsere ganze dem Spezialismus ab holde Zeit. Er betonte, daß künstlerische Dinge nicht nur Schmuck des Lebens, also Luxus seien, sondern tatsächlich der Urgrund und treibende FFaktor aller Gescheheiffe und Bettachtungen. Wenn noch vor wenigen Jahren die Ueberschätzung des Wissens regiert habe, so gelte heute das Können viel mehr. Das Können müsse auch gefordert werden und muffe in allen Dingen, selbst in den kleinsten Gegenständen des täglichen Leben« zum Ausdruck kommen. Kultusminister Dr. Hellpach (Karlsruhe) be klagte, daß e« keine Bildungsschicht mehr gibt. Sie ist nach dem Kriege untergegangen, nachdem sie un mittelbar vor dcm Kriege chre größte Blütezeit erlebt hatte, wenn auch diese Blüte zum Teil nurscheinbar war, wa» -. B. daraus erhelle, daß Typen wie der Offizier und der Korpsstudent al» die Blüte des deut schen Volke» angesehen wurden, daß also nicht der Bildungsstoff, den man ausgenommen hatte, da» Ent scheidende für di« Beurteilung war, sondern die Hal tung. In Wirklichkeit hatte bereit» in den 70er Jahren die Bildung angefangen ,ihren Raritätswert zu verlieren, seitdem sie ein Gut geworden war, das von jedem käuflich erworben werden konnte. In die Zukunft schauend, erblickte Dr. Hellpach die Rettrmg der Bildung in der Wiederhersteluna ihres Hclten- heitswertes und in der Wiederbelebung schärfster Auslese in den Schulen. »Lasset die Toten ihre Toten begraben. Wer die Hand an den Pflug legt und schauet -urück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gotte«!* schloß der Redner seinen begistert auf genommenen Dorttag, dem sich noch Referate von Dr. Julie Müller (Nürnberg) und Dr. Hans Mühle (Darmstadt) über di* geistige Rot der Jugend anschlossen. Damit endete der Deutsche Kutturtag, der sich aktz eine Veranstaltung erwiesen hat, geeignet dem deut- schen Volke nutzbar zu machende Antriebe zu ver leihen. ft—l- Nach Südamerika Don Raeioil 016»». Spa« isches Sich-auf Spanisch -u verständigen, ist ganz loscht. Fehlt mir schon einmal ein Wort, so nehme ich e» au» einer andern Sprache. Man ist ja polyglott. Zum Beispiel gestern bei Tisch wollte ich gern Butter haben, und cs fiel mir nicht gleich ein, wie man das auf Spanisch sagt. Also wählte ich Ita lienisch. Ich sagte ganz einfach »Burro* zu meinem Nachbar. Da ich noch nicht genau weiß, was »bitte* heißt oder eine ähnliche Höflichkeitsfloskel, so machte ich dabei ein ernstes, würdiges Gesicht und dachte, er wird sie mir schon geben. Aber er gab sie mir nicht, der ungebildete Mensch. Richt, nicht. Links steht auch noch eine Dose voll. Jetzt werde ich aber deutsch reden, die Leute sollen sich nur gewöhnen. Ich wandte mich also zu der Dame, die dort sitzt, und sagte: »Butter*. »Wollen Sie nicht die Liebenswürdigkeit haben* oder so etwas hätte sie doch nicht verstanden. Aber die Spanierin drehte mit sprichwörtlichem Stolz den Kopf weg. Also hab« ich einmal mein Brot trocken gegessen. Nach dem Essen im Rauchsalon war so etwas wie et« luftleerer Raum um mich. Wenn ich irgendwo a« einen Tisch trat, war er schon leer. Merkwürdige Sitten, so einen Fremden von Distinktion zu bc- handeln. Schließlich sah ich den Schiffsarzt auf mich zu- kommen mit ernstem Antlitz, wie zu einer schwieri gen Ltzxxatiou gerüstet. Sr drückte mtt lange die Hand, al» wolle er meinen Pul» fühlen. Dann sah er mir ins treue Auge, als prüfe er meine innerste Seele. Unauffällig schlug er mir mit der Handkantc luttcrs Knie, so daß mein Fuß fast gegen die Decke flog. Schließlich fragt« er mich liebevoll, ob mir «ich g-ttq wohl sei. Ich erwiderte, ich sei seefest. Die Situation drängte nach Aufklärung. Sie kam. al» dem Doktor meine geistige Gesundheit ein- wandfrei festgestellt schien. L» war wirklich peinlich! Kleine Irrtümer, große Wirkungen. .Burro* heißt leider aus soanisch .Esel*. Und statt Butter — der Deutsche sollte sich gewöhnen, sei»« schön« Sprache deutlicher zu akzen- oE«—chaM di« Holz» Spanierin »Putu* ver standen. Was aber das auf deutsch heißt, konnte mir selbst der abgebrühte Mediziner nur errötend mitteilen. (Ls fängt mit H au und kommt öfters in der Bibel vor.) Die gesellschaftliche Lage auf dem »General Bel- grano* ist jetzt wiederhergestellt. Aber vielleicht sollte man Esperanto lernen, bevor man auf Reis«, geht. Schwar-fa hrer Schwarzfahrer gibt es nicht nur auf der Tram bahn in Wien. Sondern auch auf dem Ozean. Sie bevorzugen ihn sogar. Denn dort kommt der Revisor und verlangt das Sechsfache. Das ist dann peinlich und geht ins Geld. Hier aber ist der blinde Passa- gier klug genug, nicht soviel Geld zu sich zu stecken. Das Hineinkommen in das Schiff scheint das Ein fachere zu sein. Zwar kann ich nicht verraten, wie man es macht, denn ich verstehe es absolut nicht. Am Fallreep steht ein Matrose Wache, und die glatte Wand kann man doch nicht hinaufkletkern. Aber es geht offenbar doch, denn immer sind ein paar da, denen e» nicht auf die Passage gereicht hat. Da» Schwierige aber ist da« Hinauskommen. Am richti gen Platz nämlich, dort, wie sie hin wollen. Z. B. aus dem »General Belgrano* stiegen in Vigo drei ein, ohne sich die üblichen Schwierigkeiten gemacht zu haben. In Lissabon wollte man fi« wieder ausschiffen. Aber Gott weiß warum erklärte sich der spanische Konsul desinteressiert. Die portu giesischen Autoritäten wollten auch nicht» mit ihnen zu tun haben. Darum fahren sie jetzt mit nach Bahia. Da« Angelegenheit wird nicht tragisch genommen. Nicht so schwer wie auf der Trambahn in Dien. Schwimmt der Dampfer erst ein paar Stunden, so treibt der Appetit, den die Seeluft erzeugt, den billigen Reisenden aus dem Loch, in das er sich , versteckt hate. Verhungern lassen kann man ihn nicht. Also schält er Kartoffeln oder wäscht Teller und wird dafür ernährt. Schwer ist es nur, ihn rechtzeitig wieder los zu werden. Erwischt ihn die Einwandererbehörde in Buenos Aires, ohne Papiere und Visum, wie er ist, so kostet es der Linie 1000 Pesos, mehr al» di« Ueber- I fahrt erster Klasse. Bringt sie ihn unterwegs nicht los, so muß sie ihn sorgsam bewachen und wieder l «ach Hauße sichren. Die meiste» aber stttb sthäa» genug. Wie sie gekommen find, verschwinden sie wieder, wenn sie Ort und Zeit günstig finden. Natürlich sind di« armen Teufel Irrtümern aus gesetzt. Niemand gibt ihnen richtig Auskunft. Da waren zwei, die wollten zu einem Onkel nach Mexiko. »Mensch! der Dampser geht ja nach Bahia!' sagte mau ihnen. Aber das mache nichts, erwiderten sie. Sie würden das letzte Stück eben zu Fuß gehen. Das sind Reffende! All« Achtung. Einen, der von Hamburg mttgefahren war, er- wischte man in La Loruöa. Der hatte sogar Gepäck mit, «inen großen Koffer. Lin dicker spanischer De- hcimpolizist mtt einem Regenschirm sollte ihn mit- nehmen. Aber gerade vor dem Loch, bei dem es aus dem Schiff herausgeht, gab er dem Auge des Gesetzes einen Tritt vor den Bauch und war um die Ecke. So leicht ist ein einzelner Mensch auf dem großen Schiff nicht zu finden. Rach Vigo kam er wieder -um Vorschein, sich nach dem Koffer umzusehen. Der hatte inzwischen auch anderweitig Interesse erregt. Was war darin? Lr war voll, ganz voll von Spitzen, echten, schönen, geklöppelten Spitzen. Was er denn damit wolle? In Argentinien für gute Peso» verkaufen. Das sei sein Betriebskapital. Zn Lissabon mußte er doch aussteigen. Diesmal war die Polizei nicht so dick und hatte nicht nur Regenschirme. Also zog er ab, den Koffer auf der Schulter. Lin hübscher, blonder junger Mensch, dem man die gute Kinderstube ansah. Natürlich Leutnant a. D. Lr werde schon hinüberkommen, ver- stcherte er zum Abschied. Ls müsse nicht gerade der »Genera» Belgrano* sein. Glückliche Reis«. Deutsch« F rauen vorträg« i» Ehiua. Wie wir er- fahren, halt auch Frau Margarete Driesch, di« ihren Gatten, Prof. Hans Driesch-Lcipzig auf einer Lhinareffe begleitet, dort Vorträge, und zwar sprach fi« vor den Studentinnen der Ratio- nalen Süd-Ost-Universität und dem von amerikanischen Lehrerinnen geleiteten, aber auch nur von Chinesinnen besuchten Ginling^olleg« in Nanking über den Verlauf der. deutschen Frauenbewegung und über bedeutend« brutsche Frauen in Literatur und Kunst. Sse ist aufgefordert worden, über da» gleiche Thema auch in H«ch» E 1tz»Wtze«»», »nd tu Peking zu sprechen. Sie hielt die Vorträge auf englisch, da die größte Zahl ihrer Zuhörerinnen Englisch, ab« kri» Deutsch verstand. Die Deutsche» KrmstroerkstLtteu, di« schon mchrere Verkaufsstellen in Leipzig hatte», haben jetzt tu der Grimmaischen Straße (Nr. 27) eine Anzahl neuer Ausstellungsräume «öffnet. Sie beabsichtigen, hi« durch regelmäßige Ausstellungen prr Verbreitung einer gediegene» Wohnkultur beizuttage». Befände- rer Wert wird auf Einheitlichkeit und Vornehmheit der gesamten Innenausstattung gelegt, Wandbellei, düng, Möbel, Beleuchtungskörper, Textil- und kera mische Arbeiten, Schmuckstücke malerisch« und plastischer Art sollen zu harmonisch« Wirkung M- sammengestimmt werden. D« Münchner Gffchmack, den man sich dabei -um Vorbild genommen, läßt Gutes erwarten, wie die im Erdgeschoß und ersten Stock gelegenen Räume schön jetzt bezeugen. Be- sondere Anziehungskraft werden di« Ausstellungen durch Kollektionen heimischer und auswärtiger Künstler erhalten, die man den Wohnräumen ein fügen will. So zeigt diesmal der bekannt« Leipzig« Bildhauer Andrea» außer zahlreichen Keramiken eine Kampfergruppe, eine groß« Kltngerbüste und einen -art behandelten Mädchenkopf. Alfred Grunenberg (Berlin) hat eine Reihe Figuren bild« und Stiflebeu geschickt, und Eugen Spiro ein paar Proben sein« gepflegte» malerischen Kunst. Wann beginnt der Mensch z» empfinde»? Dozent Dr. Liszt in Graz beschäftigt sich im Archiv für Kriminologie mtt diesem Thema. Manch« Aerzte nehmen an, daß die Lmpstndungsfähigkeit de» Meu- schen schon im Mutterleib«, ungefähr von der Mitte der mütterlichen Schwangerschaft an beginne. Wenn das Ungeborne sich auffallend ost und stark bewegt und dann zugrunde geht, oder wenn mau das Kind schreien hört, bevor es geboren wurde, muß man an Empfindungen schmerzlicher Art denken. D« Ber liner gerichtliche Medizin« Professor Dr. Straß mann meint, daß die Sensibilität de« Ungebornen sehr gering sei. Trust Haeckel hat behauptet, daß dos Ungeborne ebenso wie da» Neugeborn« voll- kommen bewußtlos, »eine reine Reflexmaschine* sei (was bei allem Respekt vor Haeckel negiert werden muß). Im allgemeinen kann angenommen werden, daß das Ungeborne etwa vom fünften Monat an
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