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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.02.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192302246
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230224
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230224
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-02
- Tag 1923-02-24
-
Monat
1923-02
-
Jahr
1923
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Blenderungen im Kabinett Donar Law? Der Kölnisch«, Zeitung wird au» London ge- schrieben: Die Blätter wissen zu berichten, daß Bonar Law, der als Herzkranker Mann große Rücksichten Nils seinen (Gesundheitszustand nehmen muß, die An« jrreiigurgen seiner kurzen Regieruugszeit bereits spürt. Das ist darum von mehr als gewöhnlicher Bedeutung, weil da» britische Kabinett, wie e» sich Bonar Law zusammengestellt hat, au» Dlännern be sieht, von denen niemand bisher eine besondere poli tische Begabung auigewiesen hat. (Ls hängt zweifel los mit diesen Mängeln de» jetzigen Kabinetts zu sammen, daß die Behauptung in parlamentarischen Kreisen wie in der Presse austritt, Bonar Law plane gewisse Neubesetzungen einzelner Ministerposten, und zwar beabsichtige er hierbei, auf alte und bewährte Mitarbeiter Lloyd Georges, wie Chamberlain, Sir L. Äorthington-Toans und vielleicht auch Robert Horne, zurückzuareisen. Die hier genannten Männer sind konservativ, gehörten aber gewissermaßen zur Leibgarde Llond Georges und waren zweifellos, wenn das Glück bei den letzten Wahlen dem ehemaligen Ersten Minister günstiger gewesen wäre, so daß er wieder zur Macht gelangt wäre, von ihm wieder in die Regierung berufen worden. Nun zählt aber die Partei Lloyd George» nur 57 Mitglieder, ist damit noch um drei Mann kleiner als die Asquithpartei, und Lloyd George hat daraus die richtige Erkenntnis gezogen, daß seine Gruppe al» Mittelpariei zwischen recht» und link wenig Aussichten hat, daß es vielmehr das beste fei, die beiden liberalen Grupven wieder zu verschmelzen, ko daß man bei der nächsten Wahlaeleaenheit als ein heitliche Partei um die Gunst des Belkes werben könne. Diese entschiedene Linksschwenkung des ehe maligen Ersten Ministers, die sich in den letzten Wochen vollzogen hat, bedeutet nun aber den Bruch mit seinen oben genannten früheren Ministerkollegen, imd damit werden die Chamberlain, Evans und Horne, die alle den Ruf staatsmännischer Begabung besitzen, für eine Perwendung im Kabinett Boimr Laws frei. Boni deutschen Standpunkt aus wäre ihre Rück kehr in die Regierung nur zu begrüßen, da sie namentlich in Finanz- und Wirtschaftsfrngen stets besonnene Ansichten bekundet und Lloyd George die fachmännischen Unterlagen für seine Bemühungen um den Wiederaufbau Europas geliefert haben. Sie würden zu der hochkonservativen Richtung, wie sie von mehreren Mitgliedern im Kabinett Bonar Law» vertreten wird, ein wirksames Gegengewicht bilden. Erkelenz ln London «t-carrDrahlderi»« de» Lei»,»ger Tageblatte« Loudon, LZ. Februar Das Vorstandsmitglied der Deutschen Demo kratischen Partei Abgeordneter Erkelenz, ist in London eingetrosfen, um die Auffassung der eng lische« Industriekreise über die deutsche Frage zu studieren. In einer Unterredung erklärte er gestern, nach der in England verbreiteten Meinung sei die französische Aktion im Ruhrgebiet auf die Nicht erfüllung Deutschlands in Reparationszahlungen zurückznführen. Seiner Meinung nach aber sei es die Absicht Frankreichs, Deutschland zu zrrsplittern und es in kleine Staaten aufzulösen, um so die Sicherheit Frankreich» gewährleistet zu festen. Deutschland habe sich in seinen Verpflichtungen den Alliierten gegenüber keine Verfehlungen zuschulden kommen h.ssen. Tatsächlich sei es allzusehr bemüht gewesen, d e Reparationsstage zu regeln. Bor der Ruhrbesetz-ng sei eine starke Bewegung in Deutsch- land vorhanden gewesen, um di« mit Frankreich schwebenden Fragen zu regeln, sowohl bezüglich der Barzahlungen ak auch der Sachlieferungen. Auch sei mau geneigt gewesen, die größtmöglichen Garantien zu geben, um die französische Sicherheit zu gewährleisten. Bei dem augenblicklichen Vorgehen aber werde Frankreich aicht viel Reparation« er halten. keiu Burgfrieden In den letzten Tagen wurde die Nachricht ver- breiter, daß zwischen der Neichsregierung und den Reichstagsparteicn vereinbart worden sei, vorläufig alle Gesetzentwürfe, die schärfere Gegensätze zwischen den Parteien Hervorrufen werden, unerledigt zu lassen, bi» sich die Verhältnisse im Ruhrbezirk ge- klärt habe«. Au» de» gleichen Grunde sollen auch neue Gesetzentwürfe nicht vorgelegt werden, wie da» Arbeirsgesetz, die Schlichtungsordnung und die Straf- vrozeßreform. Im Interesse einer deutsch« Ein heitsfront soll ferner das Republlkschutzaesetz mild« gehandhabt werden. Hierzu erklärt der «ozialdemo- katiscke Parlament»Vienst: „Wir stellen dazu fest, daß der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion von einer solchen Abmachung nicht» bekannt ist. Mit der sozialdemokra tischen Fraktion ist über eine solche Haltung nicht verhandelt worden. Daher erübrigen sich auch alle an diese Mitteilung geknüpft« Schlußfolge- rungen." DieGehermv«rbünderinRerchsta- DratUberich» unserer Berliner rchrtfiletlung Berlin, 23. Februar. Zu Beginn der heutigen Reichstagssitzunz kam der kommunistische Ak^. Fröhlich noch einmal auf die Enthüllungen der Roten Fahne zurück und gab zu, daß der Inhalt der Mitteilungen unrichtig ge wesen sei. Der Kern der Sache sei aber bestätigt durch die gestrigen Dementis, die im S-Uhr-Abend- blatt enthalten seien, und tu den« zugestanden werde, daß eine Vereinbarung zustande gekommen sei, die verbotenen Verbände bi» -um 31. März end gültig aufzulosen. Es sei doch eigenartig, daß mit diesen Verbänden, die doch durch Gesetz verboten seien, noch formelle Verträge abgeschlossen ward« seien unter Beteiligung des Reichswehrminüleriums. Di« Reichswehr habe sich diese Verbände als Hilfs truppen gemietet, und diese seien nicht» andere» al» eine Art Astermiete des deutschen Söldnerheeres. Die sozialdemokratischen Minister Höllen sich zu diesen Verträgen hergegeben, sie hätten sie anerkannt und nur gefordert, daß die Frist nicht verlängert werden solle. „Wir sind sehr neugierig" — sagte der kommunistische Abgeordnete —, wie diese Formatio nen, ' die di« Gesetze nicht einhalten wollen, den Fetz« Papier, auf den diese Verträge geschrieben find, respektieren werden? Von diesen Verbänden wird der Sturz der Republik und die Gegenrevolu tion in ,Deutschland -vorbereitet." Ein interessanter Presseprozeh Dre»de», 23. Februar Minister Lipinski hatte gegen Dr. jur. Gronau, den Schriftleiter der inzwischen nicht mehr bestehenden Wochenzeitung des Dresdner Bürger rates, Dresdner Bürger-Vorwärts, geklagt. Ver anlassung dazu war ein Stimmungsbericht über die Landtagsverhandlungen nach dem Nathenaumord, iu dem die Haltung des Ministers wegen der Zwickauer Unruhen und seiner Stellungnahme zu dem Rathenauprozeß selbst kritisiert war. — In ver Schöffengerichtsverhandlung wies sowohl Dr. Gronau, als auch sein Verteidiger Rechtsanwalt Em politischer Beleidigungsprozeß «Seaeral Vatter gegen -en Vorwärts Berlin, 23. Februar. Dr«l»e»erich< «aserer Berliner Gchrlfeteitn», Vor dem Schöfseugericht begann heute die Beleidigungsklage de» Generalleutnant» a. D. Walter, der seinerzeit im Anschluß an den Kapp- Putsch den Kampf geg« die Rote Armee des Ruhr gebiets geführt hat, gegen den Redakteur des Vor wärts Viktor Schi fff. Der Kläger fühlte sich durch die Ausführungen des Vorwärts beleidigt, in denen behauptete wurde, er sei Rechtsbolschcwist, am Kapp- Putsch beteiligt gewesen, und hab« an einer geheimen Derschwörersitzung in Karlsruhe teilgenommen. Zur heutig« Verhandlung sind al» Zeugen erschiene« Minister Severing, Abg. Husemann, eia Polizei-Oberinspektor aus Karlsruhe und General Ko bi sch. Prof. Koehnen (Bonn) und Major von Lützow hab« ihre Abwesenheit entschuldigt. Vor Eintritt i» die Verhandlung regt der Vor sitzende eine« Vergleich au unter Hinweis daraus, daß bei der augenblicklich« außenpolitischen Lage die innerpolitischen Auseinandersetzung« zurück treten sollten. Der Vergleich wird aber von beiden Parteien abgelehnt. Hierauf wird in di« Verhand lung eingetreten und der Bericht de» Vorwärts über den Verlauf des Froatkämpfertage», an dem auch General Watter teilgenommen hat, sowie die von General Watter eingesandte Berichtigung verlese«. Auf die Berichtigung, in der sich der General gegen den Vorwurf wendet, er fei Rechtsbolschewist, hat der Vorwärts eine Erwiderung veröffentlicht unter der Uebrrschrift »Ist er dumm oder tut er nur so?" Der Angeklagte Schiff betont, daß er nicht di« all gemeine Intelligenz des General», sondern die poli tische habe in Zweifel ziehen wollen. General Watter erklärt dazu, daß er d« Frvntkämpfertag auf Wunsch von Hunderten von Kämpfern seiner alten Division besucht habe. Die Verteidigung weist darauf hin, daß für Kriegervereine die Teilnahme verboten gewesen fei, weil es sich um eine monarchistisch, Veranstaltung gehandelt habe. Die weitere Verhandlung wandte sich d« Boe- gäng« in Karlsruhe zu. Nach der Darstellung der Verteidigung hat dort im Restaurant Tiergarten am IS. November 1820 eine nur wenigen geladenen Per- sonen zugängliche Versammlung stattgefunden, in der General Watter über die von links drohende Putsch gefahr sowie über das Bestehen einer Roten Armee gesprochen hat. Die monarchistischen Elemente müßt« rechtzeitig organisiert, und es müßte Geld, gleichgültig, woher, für Kanonen und Waffen be- schafft werden. Den Geldgebern könne man auch sagen, daß die Negierung ein solches Unternehmen untestrützen werde. Die badische Regierung habe — wie die Verteidigung darlegt — später vor diesem Unternehmen öffentlich gewarnt, und es sind auch Verhaftungen vorgenommen worden. Watter habe sich der Verhaftung rechtzeitig entzogen. Der General verteidigt sich damit, daß er in der Versammlung nur über die Entwicklung der Kämpfe im Ruhrgebiet gesprochen und betont habe, daß die Regierung gegenüber den Umsturzbestrebungen von links zu schwach sei. Ls hätten sich in Bayern und Norddeutschland bereits Perbände zur Unterstützung der Regierung gebildet gehabt. Für Baden habe er die Lage als besonders schwierig bezeichnet. Die badische Regierung hätte diese Verbände verboten, und er habe erklärt, er werde die Aufhebung dieses Verbotes auf legalem Wege bei der Regierung durchzusehen versuchen. Auf kommunistischer Seite habe, der Plan bestanden, von Mannheim aus von ganz Baden Besitz zu ergreifen. Von Karlsruhe sei er am nächsten Vormittag abgereist, ohne zu wissen, daß er gesucht werde. Von München Habs er dann die unrichtigen Behauptungen der badischen Regie- rung berichtigi. Auf eine Frage der Verteidigung m»ß General Watter zugeben, daß er in dieser Versammlung von Waffenbeschaffung gesprochen hat, die in Bayern organisiert und finanziert werden müßte. General Watter betont aber nochmals, daß er nichts von einer geheimen Versammlung gewußt habe. Polizeioberinspektor Bäcker aus Karlsruhe schildert sodann den Einberufer der Versammlung, Fabrikbesitzer Wisch, als einen Mann, der Balti- kumkämpfer gewesen sei und auch am Kapp-Putsch teilgenommcn habe. In der Versammlung sei de- tont worden, daß 0 Millionen Mark aufgebracht werden müßten, doch sei es unwahrscheinlich, ob das Geld der Waffenbeschaffung dienen sollte. (Die Verhandlung dauert fort.) Kohlmann eingehend nach, daß der Artikel in Form und Inhalt nicht im entfrrnteslen an das heran reiche, was der Minister selbst als Abgeordneter und Minister gegenüber politischen Gegnern an Aus drücken anzuwenden pflege. Die Deweisanträgr, den Minister selbst sowie den Abg. Menke al» Zeu gen dafür zu laden, daß der Minister Lipinski den Rathenanmord politisch auszunutzen beabsichtigte, wurde von hem Gerichte abgelehnt. Das Gericht verurteilte Dr. Gronau zu 5000 .lt Geldstrafe wegen der Behauptung, daß der Minister den Rathenau- mord parteipolitisch habe uusschlnchten wollen. ZurRegierungsbttdunginZachsen Sozialdemokratische RichtUnttn Die sozialdemokratische Fraktion des sächsischen Landtags hat nach Fühlungnahme mit den Parteien und nach Erwägung aller Möglichkeit« für die Regierungsbildung folgende Richtlinien aufgestellt und der kommunistischen und demokratischen Fraktion mit dem Ersuchen um baldige Antwort zugestellt: 1. Die Bildung der Landesregierung erfokzi nackt Dorausgehen der Vereinbarung der Partei« aus ver fassungsrechtlicher Grundlose. 2. Die Regierung hat ihre Tätigkeit im Rahmen der Reichs- und Landesverfassung auszuLben, wobei folgende Richtlinien zu beachten sind: a) Wichtige, von der Regierung und den sozia listischen Parteien an den Landtag zu bringende Gesevesvorlagen und Anträge sind vorher in einer ge rn e i » s ch a s t l t ch e n Sitzung durchzuberaren, b) die planmäßige Bergesellschafiun g der Wirtschaft, wie sie in der Umfielluna der Staats betriebe und Staatsgüter angebahnt ist. ist nach sozia listischen Grundsätzen energisch fortzuführen. e) die Mitarbeit bzw. Mitwirkung der Arbeitncdmcr- vcrtreter im Sinne des BetriebsrätegesctzeS und der Ver treter im Sinne de» BetriebsrätegesetzeS und der Ver treter der Arbeiinehmerorgantsationen an den gesetz geberischen Maßnahmen der Regierung, fowett sie «r- beitnchiner-Lnteress« berühr«, ist durch ein Arbeit- nehmer-Kammergesetz dirrchzustihren, d) demokratische Ausgestaltung der landwirt schaftlichen BerusSvertretung durch weitere Heranziehung des ttleinbauerntiuns, Erweiterung der ztompetenzeu dieser Berufsvertretung in der Richtung des gründlichen Ausbaues der landwirtschaftlichen Pro- rilktton unter Hinzuziehung der landwirtschaftlichen Ge- nossenschaften, e) zur Bekämpfung des Preiswuchers ist ein« Ver brauche r ka in m e r einzuricht« uud aus Grimd des Artikels 4ü ALs. 4 der RV. find landesrech«tiche Prangro- strafen für Wucherer und Schieber einzujühren, f» zur Bekämpfung konterrevolutionärer Bestrebungen dient neben der Geschlossenheit des Proletariats der tveirerc energische Verfolg der RegierungSnmßnahmra zur Ausgestaltung der Landrspolizei in eine zu» verlässige nnd wirksam« Waffe für den rch»ubli«anisch- demokratischen Staat, g) weitere energische Fonsetzlmg der Demokrat» fierungder Verwaltung, h) beim Reich ist die umgeheud« Reform des materiellen Stra frech», de- GtrafdMr^ rechts, des EhcschcidungLrechiö uns der Vorschriften über die Steilung der unehelichen Kinder zu beantrag« und mit aller Energie zu fördern, t) Eintreten für die unbedingte Sicherung de» Ach r- ftundentags, k) bet weiterer Hinauszögrruua «iu« Relchsgefetz- gobung bez. der Trennung von Kirche und Staat jelbständigrs Vorgehen des Freistaates Sachfen. ». Verpflichtung der Regierung, im C-nne dieser GruudfLtze auf die ReichSregterung «tnzuwM«. Uleln« politisch« Nachrichten Jur Beratung der finanziellen Notlage der Kirche wird die II. ordentliche sächsische evangelisch- lutherische Landessynode demnächst zu einer kurzen außerordentlichen Generalversammlung zusammen- treten. Die Wahlen zur 12. ordentlichen Synode werden bald nach Ostern stattfinden. * Die auswärtigen Vertretungen des Reiches find neuerlich angewiesen worden, die Einreise von Aus ländern nach Deutschland nur in ganz dringen den Fällen zu gestatten. Besuchs- und Erholungs reisen sollen in Zukunft nicht gestattet werden. Be suche deutscher Kurorte werd« für Ausländer nur dann möglich sein, wenn sie die Notwendigkeit des Besuches des betreffenden Kurortes glaubhaft nach- weisen können. Oie geheimnisvolle Natur Skizze von -kntsa Ein Eoupö I. Klaffe. Auf dem Diwan aus blauem Samt sitzt halb liegend eine hübsch« junge Dame. Den chinesischen Neisefächer hält Ihre kleine Han- krampfhaft. Eia Pincrnrz fallt jeden Augenblick von ihrem kecke« Näschen herunter, die Brosche auf ihrer Brust be wegt sich auf und ab, wie ein Kahn auf wogendem Wasser. Sir ist aufgeregt. Gc«vnüb«r sitzt der junge Beamte des Gouverneurs, ein Anfänger-Schrift steller/ der seine Novellen aus dem Leben der Aristo kratie im Lokalblättchen veröffentlicht. Er schaut sie mit dem Blick eines Kenners an. Er beobachtete sie will ihre geheimnisvolle, exzentrische Natur kennen lernen, er begreift sie . . . Ihr« Seele, ihre Psy chologie sind ihm klar, er hat sie durchschaut. „Oh, ich verstehe Siel" sagt er und küßt ihre Hand ober dem Armband. „Ihre feinfühlende Seele sucht den Ausgang aus dem Labyrinth . . . Jak Ja! Ls ist eia Kampf .. . Ein furchtbarer Kampf . . . aber verzagen Sie nicht . . . Eie werd« siegen! Ja!" „Beschreib« Sie mich, Woldemarl" sagt die Dame und lächelt traurig. „Mein Leben ist jo voll, so bunt, so verschiedenartig. Aber die Hauptsache — ich bin so unglücklich. Ich bin eine Märtyrerin im Etile Dostojewskis. Zeigen Sie der Welt meine Seele, Woldemarl Zeigen Sie diese arme Seele. Sie sind ein Psychologe! Sie fitz« kaum eine Stund« mit mir in Eoupö beisammen und schon haben Sie mich gänzlich erkannt." „Sprechen Sie. Ich bitte Sie, sprechen Sie" „Hören Siel Ich bin in eineer kleinen Beamten familie zur Welt gekommen. Mein Vater war ein guter, lieber Mensch, vernünftig, aber ein Kind seiner Zeit. Er trank, spreite Karten, nahm Schmiergelder an. Meine Mutter . . . Was soll man da sagen? Not, Kampf ums Dasein. Das Bewußtsein seine» Nichts. Ach, zwingen Sie mich nicht, mich an alles z« erinnern. Eine dymme Erziehung, da» Lrsen leichter Roniane, die Fehler der Jugend, die erst« heimliche Liede. Der Kampf mit der Gesellschaft.,, Furchtbar. Die Zweifel? Der Unglauben an sich selbst! . . . Ach! Sie sind ein Schriftsteller und kennen uns Frauen. Sie werden es begreifen! Ich, zu meinem Unglück, habe eine scöiMche Natur. Ich erwartete Glück, irgend ein Glück. Ich wollte Mensch im wahren Sinne dieses Wortc» sein. Ja! Mensch sein — darin sah ich mein größtes Glück!" „Herrliche!", lispelte der Schriftsteller und küßt ihre Hand -eben dem Armband. „Ich küsse aicht fie, sondern dos ganze menschlich» Leid . . . Erinnern Sie sich an Raskolnikow ... Er hat auch so geküßt!" „Oh, Woldemarl Ich brauche Ruhm. Lärm, recht viel Glanz, wie jede . . . wozu soll ich da» verheim- lieh« . . . außerordentliche Natur . . . Und ... da kreuzte meinen Lebensweg eia alter, reicher General . . . Begreif« Sie mich, Woldemar . . . Das war im gewissen Sinne eine Selbstaufopferung . . . eine Selbstentsagung . . . Sie werden mich ver stehen. Ich konnte nicht ander» handeln. Ich ver besserte die Lage meiner Familie, ich reist« viel herum, war Wohltäterin. Und wie habe ich gelitten, wie furchtbar unangenehm waren mir die Lieb kosung«, Umarmung« diese» Generals, der übrigens, da» muß ich ihm lassen, ein mutiger Streiter . . . Aber es gab Miaut« . . . furchtbare Minuten . . . Aber mich erhielt der Gedanke, daß der Alte, »enn nicht heute, so morgen sterben wird, daß ich dann leben werde, wie ich werde wollen, daß ich mich de» geliebten Manne hingeb«, daß ich glücklich sein werde . . . Ich kenne solch ein« Menschen, Wolde mar. Sehen Sie, e» gibt noch einen Gott!" Die Dame fächelt sich. Ihr Gesicht nimmt einen weinenden Ausdruck an. „Aber da starb mein Alter ... Er hinterließ mir sein Vermögen, ich »ar frank und frei. Jetzt konnte ich glücklich leben, nicht wahr, Woldemarf Da» Glück klopft am Fenster. Man muß e» nur herein lassen, aber. . . nein . . . Woldemar, hören Sie mich an, ich flehe Sie an . . . Jetzt sich dem geliebten Manne hingeb«, seine Freundin, die Trägerin seiner Ideale werden, glücklich sein . . ., ausruhen . . . Aber, wie dnmm, wie schlecht, wie gemein ist alles auf dieser Welt bestellt, Woldemar! Auf meinem Wege steht wieder ein Hindernis! Wieder fühle ich, daß mein Glück weit, weit «tsernt ist , , „Aber was ist denn? Welches Hindernis steht auf Ihrem Lebensweg? Ich bitte Eie, sagen Eie es mir doch! Was denn?" „Ein anderer alter Herr!" Der zerbrochene Fächer verbirgt ein hübsches Ge sichtchen Der Schriftsteller stützt sein Gcsich: auf feinen Arm, seufzt und wird nachdenklich. Die Lokomotive pfeift, die Vorhänge werden von der untergeshnden Sonne rot beleuchtet und der Zug bewegt sich langsam vorwärts... Wiederberufuug eine» deutschen Gelehrten nach Rom. Uns wird aus Rom gedrahtet: Die philo sophische Fakultät der Universität Nom richtete einen neuen Lehrstuhl für griechische Geschichte ein und iibertrug ihn dem deutschen Historiker Professor Julius Beloch. — Professor Beloch, dessen „Griechische Geschichte" zu den bedeutendsten histo risch« Leistungen der letzten Jahrzehnte gehört, wirkte bereit» lange vor dem Kriege als ordentlicher Professor an der Universität in Nom. Nach dem Ein tritt Italien» in die Entente wurde, wie gegen andere in Italien tätige deutsche Gelehrte, auch gegen ihn eine wüste chauvinistische Hetze eröffnet. Da» hinderte ihn aber nicht, auch weiter lebhaft für Deutschland einzutreten. Eine Zeitlang wurde er sogar auf Anordnung der Regierung im Süden Italien» interniert, durfte aber bald wieder nach Rom zurückkehren. Karl-Sraos-Preruiere i» Prag. Uns wird aus Prag gedrahtet: Das Ensemble der Neuen Wiener Bühne wird Ende Februar Karl Kraus' „Die letzte Nacht" im Neuen Deutschen Theater in Prag zur Aufführung bringen. Der diesjährige Btbliothekartag. Die IS. Ver sammlung deur,cyer Bibliothekare, die am 24. und 25. Mai in Regensburg tagt, hat die Lage der deut schen Bibliotheken in der Gegenwart al» Gesamt- thema. Au» der Mufilwelt. Nachdem in letzter Zeit schon verschiedene russische Opern mit großem Erfolge von deutschen Bühnen ausgeführt würden, wird jetzt auch die „Iarenbraut", eine der bekanntesten Opern R im s.ky-K o rso !o w s, in der Großen Volks oper zu Berlin ihre Erstaufführung für Deutschland erleben, . .. .. Sonderkonzert im Gewandhaus Das zweite Sonder-Chorkonzert im Gewandhausc «rächte uns mit dem Hauptwerke des Wieners Lari Prohaska, der vor etwa zehn Jahren mit einem Preise von 12 000 Kronen ausgezeichneten „Früh lings fei er" (nach Klopstock) bekannt. Daß der Tondichter — man muß den „Komponisten" bei ihm schon so übersetzen — Kraft genug hatte, die knapp sechs Oktavseiten Text, die gemeinhin für eine Ehor- kantate gerade noch gelangt hätten, über den Rahmen einer freien dreiteiligen Form von Oraiorien- ausmaßen zu spannen, nötigt, schon ganz äußerlich betrachtet, Hochachtung vor seinem künstlerische n Vermögen ab. Sie wird durch sonstige Werte noch wesentlich erhöht: So stehen ihm eine fruchtbare Phantasie — zwar weniger im Hinblick auf starke Thematik, denn auf beglückenden nachromantischcn Etimmenreichtum und vornehme Raturschildernn- gen — zu Gebote; so ferner ein starker Instinkt sür musikalische Spannungen und Entspannungen, eine so sichere Kunst der Weitung des Melodischen zu großen und größten Bogen, daß der musikbegabte Hörer, sofern sein Geschmack nicht gerade bei Schu mann oder Wagner Haltmacht, bis zum Schlüsse gefesselt bleibt. Der Gesamtstil des Werkes ist ein vornehmer moderner Eklektizismus; schade nur. daß der Tondichter ohne einige forcierte Chromatik (heute schon — wie immer bald jede Manier — stark abgenutzt) nicht anskommen zu können glaubte. Das Werk war von Prof. Karl Straube mit dem Neuen Gewandhauschor vortrefflich vorbereitet worden; nur erschienen di« dynamischen Gegensätze recht oft nicht deutlich genug herausgearbeitet. Besonder» ging man allgemein nicht unter ein mäßiges Piano zurück. Das Soloquartett war mit Cläre Honsen- Ekbultheß, Agne« Leydhecker, Emil Graf und Oscar Laßner gut besetzt. Den sympathisch« Tenor wird man sich für Oratorienpartien nicht allzu großen Formates merken müssen. An der OrAdl leiste:« K. Matthaei zuverlässige Dienste. Der anwesende Tondichter wurde schon mit dem schönen Erfolge de» zweiten Teiles stark gefeiert. — n—. Das neue Lustspiel von Hofmannsthal, in dem Pallenberg die Hauptrolle spiel« wird, heißt »Der Unbestechliche".
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