Drittes Kapitel. Konstruktion der Gewölbe. 8 i. Allgemeines. Unter Gewölbe versteht man eine aus einzelnen (keil förmigen) Steinen zusammengesetzte Steindecke, die vermöge der Gestalt und der Zusammenfügung dieser Steine frei schwebend über dem Raume erhalten wird, unter Voraus setzung unverrückbarer Begrenzungsmauern oder Pfeiler. Die äußere Gestaltung, etwa nach dem Kreise oder nach anderen Bogeulinien, ist daher kein bezeichnendes Merkmal, da ein scheitrcchtes Gewölbe eine ebene Decke bildet und doch als Gewölbe bezeichnet werden muß, während dagegen z. B. die sogenannten griechischen Schatz häuser (des Atreus in Mykenä u. a.) kuppclförmige Decken bildungen zeigen, die jedoch nicht nach dem Prinzip der Gewölbckonstrnktionen, sondern mit Horizontal vorgckragten Steinschichtcn gebildet sind. Fig. 399. Trotz ihrer kuppel Ug. sss. förmigen Gestalt fallen diese Dcckenkvnstruktionen deshalb nicht unter den Begriff der Gewölbe. Zwischen Gewölbe und Bogen ist kein wesentlicher Unterschied, da die Bogen fast ausnahmslos nur kurze Tonnengewölbe sind und Konstruktion und Benennungen dieselben bleiben. Von allen Dcckenkvnstruktionen wirkt das Gewölbe am mächtigsten, indem durch dasselbe die Schwere der Materie scheinbar überwunden ist, weshalb wir es die Krone der Steinkonstrnktivn nennen möchten.') Die Gewölbe spannen sich entweder zwischen geschlossene oder mit Bogen durchbrochene Manern, und man unter scheidet hiernach: a) Geschlossene Gewölbe, wenn der Gewölbcschnb auf sämtliche Umfassuugsmaueru übertragen wird (Kloster, Mulden , Spiegel- und Kuppelgewölbe). k) Halb offene Gewölbe, wenn nur zwei sich gegen überliegende Mauern das Gewölbe aufzunehme» haben (Tonnengewölbe und preußisches Kappengcwölbe). o) Offene Gewölbe, wenn der Gcwölbeschub nur auf Eckpfeiler übertragen wird, so daß die sämtlichen um schließenden Mauern nur raumbegrenzend nnd nicht gewötbetragend sind nnd daher ganz fehlen können. Die für die einzelnen Gewölbcteilc und die zu gehörigen Mauern gebräuchlichen Benennungen sind fol gende (Fig. 400): 1) Widerlager, Widerlagümauern VV sind die Umfassungsmauern, die dem Gewölbe als Stütze diene», nnd die vermöge ihrer Stabilität dem Drucke und dem Seitcnschubc des Gewölbes Widerstand leisten. 2) Stirn- oder Schild mauern heißen die Umfassungsmauern L, die nicht Wider lager sind. 3) Gcwölbestirn oder Gewölbehaupt nennt man die normale Querschnittsflächc 0 eines Gewölbes. 4) Leibung ist die innere oder untere Flüche v eines Gewölbes. 5) Rücken nennt man die äußere oder obere Flüche U des Gewölbes. I) Siche Einleitung S. 1 und Semper, Der Stil, Bd. II, 8 167 ». s.