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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.02.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192302161
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230216
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230216
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-02
- Tag 1923-02-16
-
Monat
1923-02
-
Jahr
1923
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Leit« 2 !«r. 40 folgen der Teuerung Esse», 15. Februar Die bisher geschlossene Abwehrfront von Arbeit gebern und Arbeitnehmern im Ruhrgebiet hat in- sofern eine Schwächung erfahren, al» der gesamt« Arbeiter- und A n g e st « l lte n rat der Stinneszechen eine Resolution gefaßt hat, ta der die Gewerkschaften aufgefordert werden, fol gende Forderungen an maßgebender Stelle auf schnellstem Wege vor-utragen und auf deren Durch- sührung mit allen Mitteln zu dringen: Erstens soll die Ernährung und Entlohnung der Ar- beiterschaft des Ruhrgebietes für die nächste Zeit sichergestellt werden (in der vergangenen Nacht sind kommunistische Plakate angeklebt wor den, in denen Zweifel in die Leistungsfähigkeit de» Reiche» ausgedrückt werden, den Arbeitern de» westfälischen Industriebezirkrs den Lohn auf Wochen hinaus -u bezahlen). Ferner wird verlangt, daß eine sofortige Wirtschaftsbeihilfe in Höhe von mindestens 100 006 <4t pro Person ge zahlt wird. Außerdem soll kein Lohnabzug für Steuern mehr vorgenommen und unbedingt am Achtstundentag und an der Siebenstundcnschicht fest- gehalten werden. In dem Straßenbahnverkehr, der bisher noch die großen Städte von Köln bis nach Bochum und darüber hinaus wenigsten» einigermaßen verband, ist durch den Streik der Duisburger Straßenbahner eine empfindliche Lücke gerissen worden, und der Verkehr über Düffeldors ist deshalb unterbrochen. Es ist unmöglich, von Esten aus über Dortmund und Unna und von da aus über Elberfeld nach Düffeldorf zu gelangen. Bei dem geringen Per- sonenzugverkebr ist eine Reise nach Düffeldorf und zurück von Esten au» in einem Tag fast unmöglich. Die Duisburger Arbeiter haben verlangt und be- willigt erhalten pro Arbeitstag 11500 Lohn, 2000 .ss Familienbeihilfe für den Verheirateten und :tOO .4t pro Kind, so daß also der verheiratete Straßenbahner vom Fahrpersonal 14 100 pro Tug erhalten würde. Die Vertrauensleute waren mit dieser Bewilligung einverstanden, aber die Straßen- bahner haben in einer Vollversammlung diese Summe abgclehnt und sind weiter im Streik ver- blieben. Der Geist Bayerns Et»e»erDrahtderia,tdeSLri»zigrera«eb1a«te» Müuchea, 15. Februar. Amtlich wird mitqeteilt: Der Polizeidirektion ist vor einigen Tagen bekannt geworden, daß sich in den ersten Tagen des Februar» ein hier wohnender, noch nicht 17 Jahre alter Oberrealschüler ernstlich mit dem Gedanken getragen hat, den Abg. Ehrhardt Auer um» Leben zu bringen. Der junge Mann, der flüchtig ge gangen war, konnte am 8. Februar festgenommen werden. Die eingeleiteten umfastenden Erhebungen haben ergeben, daß der Fcstgenommene, der ver schiedenen rechtsgerichteten Organisationen, unter anderem auch einem erst jüngst ins Leben gerufenen »Politischen Stammtisch', angehörte, den Entschluß, die verbrecherische Tat auszuführcn, ohne Einwirkung anderer Personen gefaßt hat. Dagegen konnte fest gestellt werden, daß mehrere Angehörige des »Poli tischen Stammtisches' von dem gefährlichen Vor haben des jungen Menschen gewußt, aber gleichwohl dis Behörden oder den bedrohten Abgeordneten nicht verständigt haben. Der Vorsitzende des Stammtisches ist ein 33 jähriger Mann mit ziemlich bewegter Ver gangenheit-, er hat sich dem jungen Mann sogar au- geboten, ihm nach vollbrachter Tat zur Flucht behilf lich zu sein. Von den vorläufig Festgenommenen, insgesamt neun Personen, wurden vier Personen dem Volksgericht in München unterstellt. Nachdem erst vor wenigen Tagen der Kultus minister bei Besprechung des Kultusetats hatte zu geben muffen, daß in den Mittelschulen immer noch politische Propaganda gefährlicher Art getrieben wird, erhellt dieses Vorkommnis blitzartig die Zu- stände in den Anstalten, die nur dem Lernen ge widmet sein sollten. Oer Herr im Fenster Von SUnIttvr »Verzeihen Sie bitte! Hinauslehnen wcHrend der Fahrt verboten! Nicht öffnen, bevor der Zug hält!' sagte ich und tippte dem Herrn mit dem graumelierten Schnurrbart auf die Schulter. Er hörte cs nicht. Ich zwängte meinen Kopf neben ihm aus dem s).Wagen-Fenster und schrie gegen den W!nd, der mir fast das Haar vom Kopfe riß: »Hinauslehnen während der Fahrt verboten!' Er drehte den Kopf halb zu mir hin, sagte »danke vielmals' und beugte sich nach wie vor bis zum untersten Westenknopf zum Fenster h'.naus. Und dann geschah das, was ich schon lange gefürchtet — oder nein, seien wir ehrlich: nicht gefürchtet, aber erwartet hatte. Don An- sang an hatte er mich mit seiner Zappligkeit, sei- nem ewigen Hin- und Herhüpfen und -klettern ärgerlich und nervös gemacht. Und ich hatte tatsächlich im schwärzesten Grunde meines Her- zcns gewünscht, er möge — Also kurzum, es ge schah: er beugte sich weiter vor, einen Moment zappelte er mit den Beinen in der Last, dann verlor er das Gleichgewicht und fiel hinaus. Tas alles lautlos, in zwei, höchstens drei Sekun- den. Ich h. tte ja nun wohl, als immerhin doch Mitbürger, die Notbremse ziehen muffen, oder wenigstens zum Fenster hinaussehen, um die Schwere des Unglücks festzustellen. Aber nein, wie ein Stück Blei klebte ich auf meinem Polster. Um Gottes willen keinen Alarm schlagen! Man h tte den Zug halten lasten, ihn wieder in mein Abteil geschafft, er hätte entweder fortwährend »O' und »Au' gesagt oder aber — sich wieder aus dem Fenster gelehnt. Ich wagte nickt, mich zu ruh en. Hatte ein anderer Mitreisender den Ung ücksfall bemerkt, so mußte jede Minute der Zug halten. Wenn der Schaffner kam, um die Karten zu kontrollieren, wollte ich sagen, der Herr sei eben mal — Ich muß gestehen, daß die Bache des Hinausgefallenen schrecklich war: Seit dem er nicht mehr da war, war ich erst recht ncro.s geworden. Wie lange würde ich diese I-e!pr!ger l^gedlott aack Sachsen vor dem Reichstag Uevertriebene üeutschnationale Angriffe — Eine vertei-igun-rre-e LipinsNir Verlia. 15. Februar. »eabtSertcht »ns«««« »e,It»rr «chrttileU»»» Der Reichstag setzte heut« die Beratung über den Etat des Reichsministerium, des Innern fort. Abg. Bartb (Dnatl.) richtet« scharfe Angriffe gegen die sächsische Regierung und gegen die Sozialdemokratische Partei. Der Redner be dauerte, daß zwischen den Worten und den Taten s«ztaldemokratisch«r Politiker, wo sie die Macht haben, ein ungeheurer Liderspruch klaffe. In Mitteldeutschland und speziell in Sachsen sei r» direkt zur Lhristenvcrfolgung gekommen. (Gelächter links.) Zum Beweis dafür zitiert er die Aeuße- rungen eine» jüdischen Dr. Freund in der Doffischen Zeitung. Obwohl die Reichsverfaffung die Soim- und Feiertage schütze, dekretieren die sozialdemokra tischen Mebrheiten in den Ländern, wo sie die Macht in der Hand haben, einen Feiertag nach dem anderen weg. Auf keinen Fall wolle man an solchen Feier tagen eine Sckulbefreiung gewähren. Da sei doch das alte Preußen, das die Sozialdemokraten so schmähen, viel toleranter gewesen. In diesen Zeiten schwerster Not habe man in Thüringen und Sachsen den Kirchen in schnödester Weise die finanziell« Grundlage entzogen. »Misten Eie denn nicht, — fuhr der Redner fort, — daß die Geistlichen in Masten in Fabriken und Bergwerke gehen muffen, um ihr Leben zu fristen? Theoretisch ist der Beamte in Deutschland allerdings gleichberechtigt mit den anderen Staatsbürgern und kann sich poli tisch betätigen, aber in der Praxis ist es ander». So hat der sächsische I u st i z m i n i st e r Dr. Zeigner den höheren Beamten sogar mit dem Druck auf den Magen gedroht. Dabei hat die Reichs regierung bei der Beratung der Verfassung erklärt, dag nur wenige Beamte als politische Beamte be trachtet werden sollen und den übrigen ihre Ge sinnungsfreiheit gelosten werden solle. In Sachsen aber hat man bei den Ausführungsbestimmungcn zu dem Gesetz über den Schutz der Regierung ein Verzeichnis von den Beamten ausgestellt, die zu den politischen zu rechnen sind. Danach sind auch die Drzirksschnlinspektoren, die sämtlichen Oüerstraf- anstaltsinspektoren, der Vorsitzende des Landes wohnungsamtes, die Beamten der Kriegsfürsorge ämter, der Präsident des Staatsrechnungshofcs und drr Landesversicherungskammer als politische Beamte bezeichnet worden. Ich kann das sehr gut verstehen, denn es gibt noch eine Anzahl christlich gesinnte Be zirksinspektoren, di« man durch acheistische Lehrer ersetzen möchte. Man sieht also, wie es in der Praxis aussieht. Roch niemals hat das Denunziantentum so große Triumphe gefeiert wie jetzt. (Lärm links.) Dir Reichsverfaffung ist kaum das Papier wert, auf wel ches ihre Bestimmungen geschrieben worden sino. In Ehemnitz hatte ein Rechtsanwalt nach dem Ratbenaumord auf der Straße gelächelt. Daraufhin hat jemand eine anonyme Auzecgr g^aer, ihn er stattet, und die Polizei hatte nichts Eiligerer, zu tun, als eine hochnotpeinliche Untersuchung einzu- leiten. Auf wie schwachen Füßen st-ht allo in Deutschland die persönliche Freiheitl Sie kann sich neben der Praxis der mittelalterlichen Hexcnrichter sehen lassen (Huhu bei den Soz.). In Sachsen herrschen geradezu bolschewistisfche Zustände und die Industriellen haben die Reichsregierung in einer Schrift dringend um Schutz gegen den Terror bitten müssen, weil die sächsische Regierung sie nicht schützt. 47 Fälle sind aus den zahlreichen Terror akten in dieser Schrift eingehend behandelt, aber in keinem einzigen Falle ist gegen die Uebeltäter ein geschritten wordem Wo «in Verfahren «ingeleitet wurde, da ist es entweder von der Staatsanwalk schaft oder vom sächsischen Justizministerium wieder unterdrückt worden. Zur Aburteilung ist es jeden falls in keinem Falle gekommen. Die radikalen Kreise in Sachsen erlauben sich die größten Aus schreitungen. So sind die Leiter des Zwickauer Einsamkeit genießen dürfen? Wen würde mir das gehässige Schicksal womöglich an der nächsten Station als neuen Fahrgast ins Abteil senden? Ach, es ist so entsetzlich, vierzehn Stunden in einem kleinen Eisenbahnabteil mit Leuten zu- sammen zu Hausen, die gerade hier, gerade in diesen vierzehn Stunden Ihre seltsamsten Eigen- arten sich auswirken lassen. Hier wird von Er furt dis Darmstadt in der Nase gebohrt; dort liest einer das Hamburger ffremdenblatt (im Format eines Etnsegnungskleides) und blättert alle zwei Minuten um: drüben ißt jemand ein Pfund gebrannte Mandeln, die so herrlich knacken und immerzu erwarten lassen, daß ein paar gihne in die Tüte fliegen; daneben aber gibt cs Brötchen mit Schabefleisch, und die Zwie beln werden frisch und saftig geschnitten und künstlerisch darauf dekoriert. Wen, o Schicksal, hast du mir bestimmt? Einer flog zum Fenster yinnus. Und der Nächste? Die Tür zum Abteil wurde aufgcschoben. Der Teufel tcat ein. der Teufel in Gestalt jenes Herrn mit dem graumelierten Schnurrbart, der soeben zum Fenster hinausgefallen war. Er klopfte sich etwas Staub vom Aermel und ging direkt ans Fenster. Ich sprang auf. »Halt!' donnerte ich. »Sehen Sie in Gottes Namen wieder zum Fenster hinaus, lehnen Sie sich meinelweoen mit Ihrem ganzen Seelenkörper Uber die Brüstung, aber erst erklären Sie mir: wie und wo kommen Sie her?' Er blieb stehen und lächelte freundlich. »Dom Trittbrett draußen. Direkt vom Trittbrett. Ich war nämlich früher Parterreakrobat. Mit einiger Gewandtheit ist das keine besondere Leistung. Dersucken Sie es auch einmal. Als ich herausffel, griff ich so- fort nach etwas und es war glücklicherweise da» Türgeländer. Ick bin draußen eine Weile mit- gefahren.' Damit schritt er ans Fenster und lehnte sich bis -um untersten Westenknopf hinaus. Ha»» Reimcam los am Mittwoch im wohl- durchfrorenen Kauihau»faal au» eigenen Werken. Nein, cr la« nicht, sondern «r trug vor. Da» in die Welt hineingegangea« HLnachen hat sich ü» Rampe». Bergbaues stundenlang Wn 1L Rovemb« v. 8- dem schlimmsten Terror ausgesetzt worden, nur w«U sie sich an die tariflichen Abmachungen hielten. Die Polizei hat nicht etngegriffen. Hier muß der Reichs- Minister de» Innern nach dem Rechten sehen. Er darf sich nicht hinter dem Föderalismus verstecken, da ja die Landespolizei vom Reiche subventioniert ist. Die famosen Regierungskommissare sind nicht eingesetzt zum Schutze der öffent lichen Ordnung, sondern zur Verhinderung dieses Schutze». Di« Landespolizei wirv systematisch unterminiert. Im Unterricht wird da» marxistische Programm gelehrt und die Männer der Revolution verherrlicht. (Härt, Hört, rechts, Unruh« link».) D«r Regierungskommissar Werner hat die Polizisten sogar aufgrfordert, mit ihm die kommu- nisiische International« anzustimmen. Lu» diesen Gründen ist der Leiter der sächsischen Landespoltzet bereit» zurückgetreten, und der sächsischen Industrie werden wegen der unsicheren Zustände die Aufträge entzogen. Bei Verhandlungen zwischen Amerikanern und sächsischen Industriellen haben die ersteren er klärt, das Geld in Deutschland anzulegen sei an und für sich schon faul, aber niemals könne man überhaupt daran denken, in Sachsen Geld anzulcgen^ D«r Redner fordert zum Schluß den Minister des Inbern dringend auf, hier einzuschreiten, ehe es zu spät sei. (Gelächter und Pfui-Rufe link», lebhafte Zustimmung rechts.) Der sächsische Minister Lipinski trat diesen Aus führungen des Vorredners sofort entgegen. Er erklärte, daß der Vorredner, trotzdem er ein Sachs« sei, die sächsischen Verhältnisse nicht kenne, wenn er derartige Behauptungen hier aufstelle. Es sei un wahr, daß die sächsischen Feiertage einer nach dein andern wegdrkretiert würden. Lediglich zwei säch sische Feiertage seien durch Londtagsbeschluß aufge- hoben worden. Di« Erlasse de« sächsischen Kultusminister« habe der Vorredner der Into leranz geziehen. „Tatsächlich stelle ich fest' — sagte der Minister — »daß, al» der Frühjahrs- Bußtag in Sachsen gesetzlich aufgehoben wurde, Vertreter der Schule und Kirche offen aufgefordert haben, an jenen Feiertagen die Schüler nicht zur Schule zu schicken.' Gegen solche Maßnahmen mußte die Regierung einschreiten, wenn sie nicht die Erfahr heraufbeschwören wollte, den Schulunterricht unter die Botmäßigkeit der Religionsgesellschaften zu stellen. (Sehr richtig! link»; Widerspruch recht«) Die E ch u l d i s z i p l i n darf nicht unter- Kunden werden. Bei der Neubildung der säch sischen Regierung ist übrigens auch im Kabinett dar über gesprochen worden, daß diese Falle der Be strafungen wegen Verletzung der Disziplin annulliert werden sollen Eine entsprechende Anweisung ist an da« Kultusmiuisierium ergangen. Wer wie ich in die Tätigkeit der einzelnen Beamten genauen Ein blick hat, muß anerkennen, daß der größte Teil der sächsischen Beamten sich restlos in den Dienst der Ne- publik gestellt hat. Daß aber einzelne Beamte er heblich ihre Rechte überschritten haben und zu Schmähungen der Regierung übergegangen sind, darf nicht geduldet werden. L» hat dazu geführt, daß einer dieser Beamten zu 180 000 Mark Geldstrafe von einem Zwickauer Ge richt verurteilt worden ist. Gegen eine Reihe anderer Beamter schweben Strafverfahren. Es wär« ver fehlt, wenn die Regierung dulden würde, daß die Beamten sich in dieser Weise gegen sie auflehnen. Es war Pflicht der Regierung, solche Beamte von ihrem Posten zu entfernen. Al« Grundsatz für alle ist aufgestellt, daß der einzelne Beamte zuverlässig und fähig fein muß. Nach die- sem Grundsatz wrrd gehandelt. Unrichtig ist es, wenn der Vorredner behauptet, daß Hunderte von Beamten aus dem Dienste entfernt worden sind. Den Beweis dafür hat er nicht erbracht. Soweit eine Entfernung aus dem Dienste erfolgt ist, geschah es auf gesetzlichem Wege. Da» Verzeichnis der poli- tischen Beamten, da» der Vorredner erwähnt hat. licht der größten Kabaretts Deutschlands zu einem Routinier entwickelt, der auch gegen die baum wollenste Sonntaasgemeinde fertig wird. Früher, vor vier Iabren, da entzückte Reimann durch die un verschämte Lustigkeit seiner Dichtungen und durch die unrrhLrtc Wurschtigkeit seine» Vortrages, jetzt, da Reimann-Literatur in jedem besser geleiteten Haus halt vorrätig ist, jetzt gilt der stürmische Beifall aus- schließlia) dem Dortragsmeister Reimann. Groteske und morgensternige Gedichte hat er fahren lasten, was er da in den Saal rollert, sind handgestrickte, stramm- Geschichten nnd Bilder aus dem Sachsen lande und dem Leben Friedrichs, des August von Sachsen. Die Leute tobten. Und selbst oer alt ägyptische Armstuhl, in dem sich der Sachse H. R. ganz allerliebst ausnnhm, krachte mit Applomb zu sammen, als der Vortragende die Kurzschluß-Mahler nachflötete. Der Frühlingssong und »Der Unter- gang des Abendlandes', von Herrn Szendrei am Klavier lächelnd illustriert, Nnd, glattweg gesagt, da» Beste, aws R. für da» Kabarett geschrieben hat. Namentlich die Spengler-Parodie. Walter MrhringS Flammenwerfer, aber nicht mit giftigen Höllengasen, sondern mit sächsischen Boshaftigkeiten gefüllt. Ukd deren Wirkung ist bekanntlich auch nicht ohne... krn»1 <Zottn Maz Martersteig bitttet uns, für die ihm anläßlich seine» 7 0. Geburtstages in so über reichem Maß« zugekommenen Begrüßungen und Glückwünsche zunächst Vermittler seines herzlichsten Danke» zu sein. Gerd von Vafiewttz s. Rach einer Meldung au» Gera ist im Alter von 45 Iabren Gerd von Vaste- witz, der Dichter von »Peterchen« Mond fahrt', gestorben. Das Märchenspiel »Peterchen« Mondfohrt' ist m tnn letzten Jahren an mehr al» hundert deutschen Bühnen aufgeführt worden (darunter auch im Alten Theater, Leipzig). E» hat Tausende von Ausführungen erlebt. Bassemitz hinterläßt mehrere noch nicht aufgeführte Tragödien. Rücktritt de» Rektors d«r deutsch«» UaioerfiliU i» Prag. Wie verlautet wird, wt« uns au« Prag gedrahtet wird der Rektor der deutschen UnivrrsitLl in Prag, Professor Samuel Steinherz, dessen Rücktritt bekantlich vor einiger Zeit die deutsch national» Studentenschaft erzwingen wollte, au» Gesuadhritsrückstchte» freiwillig zurück- trete» 1 krettag, Sea 16. keLnr« ist dem Landtage zur Nachprüfung unterbreitet wor den. Es kann nicht bestritten werden, daß die im Verzeichnis aufgenommenen Beamten tatsächlich zu den politischen Organen der Regierung gehören, und diese Beamten muffen sich auch restlos auf den Geist der Republik einstellen. Die Angriffe de» Vorredner» gegen die Regte- rungskommissare find ungerechtfertigt. Die Kommissare besorgen jetzt den Nachrichtendienst der Poli-ei und haben zur Beruhigung der Bevölkerung beigetragea. Eie find sogar von den Industriellen al» unparteiische Schiedsrichter bet Streitigkeiten mit den Arbeitern angerufen worden. Nach dem Rathenau-Mord haben die Industriellen meine Maß nahmen in einer Besprechung vollkommen gebilligt (Hört, hört! linke). Die Feststellungen der Zwickauer Polizei über die Vorgänge am 10. November stehen in. vollkommenem Widerspruch zu den Behauptungen lie» Vorredner«, Die Polizei hotte bereit» am 8. November die Bergverwaltung gewarnt. Diese glaubte aber offenbar, selbst die Ordnung aufrecht erhalten zu können. Erst im letzten Augenblick wurde die Polizei telephonisch herbeigerufen, dann allerding» wieder zurückgezogen, weil die Betriebs räte versicherten, für Ordnung sorgen zu können. Wenn der Vorredner sich über den Unterricht der jungen Polizisten beschwert, so frage ich: Sollen wir Unterricht über die Demokratie von Monarchisten ab halten lassen? (Heiterkeit). Dieser Unterricht der Polizeibeamten wird auch fortgesetzt werde». (Lcd- Hafter Beifall.) (Die Sitzung dauert fort.) Sächsischer Landtag Si»e artige Sitzung LraytSerlcht unserer Dresdner SchrtfUettung Dresdeu, 15. Februar. Die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Re gierung sind in Fluß gekommen. Die D e u ts ch n a t i o- na len haben dabet indirekt mitgeholfen, indem sie ihre Drohung wahrmachten und gestern den Antra g auf Auflösung des Landtages einbrachten. Hoffentlich kommt man aber in acht Tagen zu einem Resultat, denn das Land hat genug von dem Possen spiel. Heut« ging es im Lantage artig zu. Auf der Tagesordnung standen zunächst Dahlprülungen. Der Prüfungsausschuß beantragte, die Wahlen zum Landtage sämtlich für ungültig zu erklären, und das Hau» beschloß demgemäß. Dann stand zur Beratung di« Vorlage über die vom Gesamtministerium in der Zett -wischen der Auflösung dr» alten und dem Zu- sammentritt de» neuen Landtage» erlassenen Not- Verordnungen. Die Mebrbeit de» Ausschusses beantragte, diese Notverordnungen zu genehmigen. Die Kommunisten hatten zur Beamtenbesoldung einen Minderheitsantrag eingebracht, der darauf hinaus lief, die Spannung zwischen den Gehältern der'oberen und unteren Gruppen zu vermindern. Der Mehr- hcitsantrag wurde unter Ablehnung des Minderheits- antrage» angenommen. Ls folgte die Beratung über den Entwurf einer Aenderung des Gesetze» über die Hundesteuer. Da» Gesetz fand Annahme nach der Regierungsvorlage. Dasselbe geschah mit dem Entwurf einer Aenderung des Ztegenbockkör- gesetz es. Den letzten Punkt der Tagesordnung bildete der Entwurf über die Abänderung des Ge setzes über die Altersrente für Kleinrentner. Abg. giller (Dnatl.) beantragte als Bericht erstatter di« Verweisung der Vorlage an den Haus- Haltausschuß da die Angelegenheit zurzeit der reichsrechtlichen Erledigung unterliege. Da» Haus beschloß entsprechend. Damit war di« Tagesordnung erledigt. Der Präsident beraumte die nächste Sitzung an auf Dien», tag, den 20. Februar, mittag« 12 Uhr, mit der Tagesordnung: Wahl de» Ministerpräsi denten und Antrag Deutler (Dnatl.) auf Auf. lösung des Landtage«. Abg. Dehne (Dem.) beantragte, die Wahl de« Ministerpräsidenten am Dienstag noch nicht vorzunehmen, da nicht anz»- nehmen sei, daß diese schwierig, Frage bis dahtn geklärt sei. (Zuruf rechts: Unerhört!) Das Haus beschloß gegen die Stimmen der Deutschnatio nalen und der Kommunisten, am Dienstag die Wahl des Ministerpräsidenten noch nicht stattfinden zu lassen. Vas Töpfchen auf dem Köpfchen Eine heitere Episode aus dem Aerzte- leben Don SanlkSttrat 0r. «I« Rlott Die nacdtotgende Schilderung wurde in dem «erzt»«eM'-»vcrb der Beniner Morgenpost .Mein tnierrssantester BrrutStag- mit einem Preise aus gezeichnet: Kommt da eines Nachmittags vor ein paar Jahren eine Frau zu mir auf die Rettungswache am Zoo unter h.-rzerschütterndem Jammern und Wehklagen. Auf dem rechten Arm trägt sie ein Daket, das in «inen großen Schal eingewickelt ist und dessen Umrisse, ob wohl sich nichts rührt, auf ein menschliches Lebewesen schließen lassen. Ich versuche vor allem, die fassungs- lose Frau zu beruhigen und aus ihr herausrubringcn, was es mit dem Paket auf sich habe. Hemmungslos weint und jammert sie weiter, vor Schluchzen kann sie nicht sprechen, und da sich da« schon minutenlang kinzieht, verliere ich endlich die Geduld und ziehe den Schal von dem Paket auf ihrem Arm weg. Der Anblick, der sich mir bietet, löst meinerseits eine Lach salve aus. Auf dem Arm der Frau sitzt ein etwa einjähriges Kind mit einem — Nachtgeschirr über d-n Kopf gestülpt. Mein Lachen hat der Frau anscheinend gezeigt, daß es nicht um Kopf und Kragen geht, sie wird ruhiger und erzählt mir jetzt, daß das Kind, wahrend sie in der Küche zu tun gehabt habe, im Zimmer mit dem „Pott' gespielt, ihn sich über den Kopf gestülpt babe und ihn nun nicht mehr herunter- bringe. Ich begncke mir die Sache näher; dos Kleine isi kreuzveranügt unter seinem Nachttopp, aber tat sächlich mißlingt ein erster, vorsichtiger Versuch, da» Gefäß zu heben. Der Rand des Nachttopfe« stößt sich am Unterkiefer de» Kinde». Was nun tun? Das Gefäß ist w-der au« Porzellan noch au» Steingut, sonst könnte man es mit einem Holzhammer zer schlagen, es ist an« Emaille. Ich beruhige die Mutter, die wieder ängstlich zu werben beginnt, indem ich ihr sage: „Wenn da, Gefäß durch die Kraft de, Kinde, über den Kopk gezog-n werd-n konnte, muß «, sich auch aus demselben Wege wieder entfernen lassen.' Ein« kleine schraubenförmige Bewegung mit dem Topf, und da» befreite lachende Gesicht de« Kleinen kommt zum Vorschein. Freudestrahlend ver läßt die dankbare Mutter mit ibrem befreiten Kinde di« Wacke. nickt ohne von mir die Warnung mit auf den Weg bekommen zu haben: Spiele nicht mit Rach» tüpfeZU
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