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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.02.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192302154
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230215
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230215
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-02
- Tag 1923-02-15
-
Monat
1923-02
-
Jahr
1923
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2 ITr. «S l-elprlger 1'sgedlLtt ua6 UsackelsLeituag vonoerstsg, 6en 18. kedrnnr Gleichzeitig mit dem Unterhaus tagte gestern auch das Oberhaus, wo der kürzlich aus Lau sanne zurückgekehrte Außenminister Lord Curzon ebenfalls auf die Ruhraktion zu sprechen kam. Er tat dies im Zusammenhang mit einer Er örterung des Orientproblems, besten Llbhängtg- Leit von den Ereignissen an der Ruhr er an- deutete. Hierbei sagte Curzon Uber die MSg - Nchkeit einer englischen Vermitte ln ng zwischen Berlin und Paris: »Wenn man jetzt eine Intervention anböte, würde Deutschland sagen, es könne ihr nur zu stimmen, wenn die Besetzung de» Ruhrgebiete» aufgehoben würde. Unter derartigen Bedingungen würde aber wieder Frankreich keiner Intervention zustimmen. Die Zeit kann aber kommen, wo viel leicht eine andere Antwort erfolgen wird. Der Versuch, der vor zwei Wochen tnPari» unternommen wurde, um eine Intervention de» Völkerbunde» zu ermöglichen, ist mißglückt, da nach dem Statut de» Völkerbundes eine solch« Frage nur durch hie betreffend« Regierung oder Nation beim Völkerbund anhängig gemacht werden kann. E» braucht ober nicht betont zu werden, daß di« britische Regierung warme Sympathie für eine Intervention de« Völkerbünde« hegt." Lord Grey erklärte, die Aufrechterhaltung herzlicher Beziehungen zu Frankreich werde nicht» mit ihm zu tun haben will. Ich bin sicher, daß die» die Haltung Frankreich» sein würde. Möglicherweise wird Frankreich in einigen Monaten die» al» möglich betrachten. Dann wird der Augenblick da sein, einen Versuch zu machen." Zum Schluß gab Bonar Law folgende treffende Charakteristik des französischen Dor- gehens: .Das Auftreten Frankreich» ist meines Gr achten« auf die Furcht vor Deutschland zurückzuführen. — Zweifellos besteht eine Gefahr bei Deutschland, da« ein« Bevölkerung besttzt, die in SV Jahren zweimal so groß wie die Bevölkerung Frankreich» sein wird. Diese Desahr ist aber nickt unmittelbar, sondern liegt noch in der Zukunst. Was unsere französischen Freunde taten, hat in Deutschland größere Einigkeit hervorgerufen, al» dort zuvor bestand. Die langdauernde Besetzung de» Ruhrgebiete» würde das deutsche National gefühl lichterloh aufbrennen lasten. Da» kann kein Vorteil für Frankreich sein!" In der weiteren Aussprache ging der Führer der Arbeiterpartei, Ramsay Macdonald, auf das Chaos ein, das die unglückselige Sieger- Politik Frankreichs geschaffen habe. Alles, was getan worden sei, sei unmöglich gewesen. Zu- nächst seien unmögliche Reparationen gefordert worden, sodann seien unmögliche Sanktionen an- gewandt worden, dann eine verstärkte Sanktion, die die Fähigkeit des gestraften Landes, die ur sprünglichen Reparationen zu zahlen, verhindert »ibe; inzwischen werde durch Sanktionen der Neparationsbetrag vermehrt, und schließlich sei man aus der Politik der Bestrafung eines unab hängigen Staates hinausgetrieben und unbewußt m eine Politik des Imperialismus und der Annexionen hineingetrieben worden. Zum Schluß sprach noch Asquith, der er- Harte, er sei nicht erstaunt darüber, daß Frank- reich wegen seiner Sicherheit in der Zukunft be- sorgt sei. Aber es gebe kaum einen schlechteren Weg, Sicherheiten zu erhalten, als das Dor- gehen Frankreichs an seiner Ostgrenze, wo es möglicherweise für eine Reihe von Jahren ein zweites Elsaß-Lothringen in Besitz nehme. Am besten wäre es, wenn die britische Regierung der französischen und der deutschen Regierung den Vorschlag machte, daß da» Prärlem vom Völkerbünde behandelt werde. jeden Tag notwendiger. Vom Standpunkte der nationalen Sicherheit als auch vom Standpunkte Europa» gesehen, müßte die Trennung zwischen der französischen Regierung und England »u einer Katastrophe führen. Dom rÄrtschaft- lichcn und finanziellen Standpunkt gesehen, sei Frankreichs Aktion in das Ruhrgebiet nicht nur nicht klug, sondern werde verhängnisvoll sein. (Hört! HSrtk) Das Ende dieser Attton sei noch nicht abzusehen. Vielleicht sei es möglich, durch das von der französischen Regierung angenom- mne Verfahren in Deutschland den Willen zum Zahlen hervorzurufen. Aber die deutsche Zah lungsfähigkeit würde sehr vermindert werden. Oec Völkerbund sei das einzig mögliche Mittel für eine dauernd« Lösung. Der Völkerbund müsse die Frage der Reparationen als eine finanzielle und wirtschaftlich« Frage behandeln und auf diese Weise zustande bringen, daß Deut-chiand wieder auf die Beine gestellt werde, um zahlungsfähig zu werden. Venn Deutsch, land Mitglied des Völkerbundes werde, werd« sowohl die Reparationsfrage al» auch die der französi-chen Sicherheit gelöst sein. Weltlage und Arbeiterschaft Leipzig, 14. Februar. Einer Einladung deutscher Ortskartelle de» All- gemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunde» folgend, sprach am Dienstag abend im Leipziger Bolkshau» der Sekretär de» Internationalen Gewerkschaftsbun- des Fimmen (Amsterdam) über das Thema: „Die Weltlage und die Aufgaben der internationalen Ar beiterschaft". Durch dos Scheitern der Lausanner Konferenz, so führte er au», bestehe die Möglichkeit, daß binnen kurzem die Kanonen wieder donnern. Infolge der infamen Ruhrbesetzung sei innerhalb Deutschland» ein neuer Brandherd entstanden. Die Parole des internationalen Gewerkschaftsbunde» sei angesichts dieser Lage Kampfaegen denMili- tari » mus unter Einsetzung der gesamten Organi- satton, um diese Gefahren zu bannen. Trage der Gewerkschaftsbund gewissermaßen mit Schuld am Weltkriege, weil seinerzeit der Militarismus nicht bis aufs Messer bekämpft wurde, so wolle er jetzt auf dem Posten sein. Bei der Rubrbesetzung habe — entgegen dem Erfolge beim Boykott gegen Ungarn und bei dem verhinderten Waffentransport für Polen — da» internationale Proletariat versagt. Er stelle die» mit Bedauern fest. Die Londoner internationale Gewerkschaftskonferenz habe im No vember 1920 erstmalig gegen die Ruhrbesetzung Stellung genommen. Dieser Beschluß sei im Avril 1922 in Rom erneuert worden, und 1922 sei auf dem Weltfriedenskongreß im Haag einstimmig beschlossen worden, die Rnhrbesetzuna unter allen Umständen zu verhindern. Die Amsterdamer Führer konnten ihr Versprechen nicht einlösen, weil die Arbeiterschaft nicht bereit war. England hat 2 Millionen Arbeits lose; in Holland, in der Schweiz und in Skandina vien seien 28 Prozent der Arbeiterschaft arbeitslo». Konnte man angesichts dieser Sachlage auf einen Erfolg hoffen? Wäre der arbeitende Teil in Würdi gung dieser Gesichtspunkte au» den Betrieben ge gangen? Die für eine direkte Aktion in erster Linie m Frage kommende französische Arbeiterschaft sei gänzlich macht!»«, da ein französi'chea Gericht den französischen Gewerkschaftsbund für ungesetzluh er- klärt« und dessen Auflösung verfügte. Hab« da» international« Proletariat ine Besetzung nickt ver hindert, so sei e» doch noch nicht zu spät, die Arbei ter aller Länder wachzurütteln. Machtvolle Protest kundgebungen würden veranstaltet, finanzielle Unter- stützuna in weitestem Maße gewährt. So habe der Holländische Gewerkschaftsbund be schlossen, 2)4 Prozent seines Gesamtver mögen» Deutschland zur Verfügung zu stellen. Die» seien über 2 Milliarden Mark; andere Länder wurden veranlaßt, diesem Beispiel zu folgen. Der Kampf im Ruhrgebiet sei kern Kampf zwischen Deutschland und Frankreich, vielmehr ein solcher zwischen französischen und deutschen Kapitalisten, ja darüber hinaus werde gekämpft gegen da» deutsche und internationale Proletariat. Bei der nächsten Revolution müßten nicht nur die diplomatischen, sondern auch die ökonomischen Geheimarchive geöff net werden, und diese würden zeigen, daß hier ein abgekartetes Spiel zwischen französischen und deut schen Kapitalisten vorliege. Die deutschen Arbeiter sollen zu Kuli» de» internationalen Kapital» herab- gedrückt werden. Gelingt die», würden die anderen folgen. Man habe da» in Holland erkannt. Hollän dische Transportarbeiter und Eisenbahner übten Solidarität, indem sie keine Wagen übernehmen. — Schließlich werde jedoch di« Ruhr- und die gesamte Reparationsfrage auf irgendeine Art gelöst werden. Dann folge die Markstabilisierung und damit eine grauenhafte Arbeitslosigkeit. Deutschland werde dies nicht tragen wollen. Da» Ende werd« eine neue Revolution in Deutschland sein. Zum Schluß der mit starkem Beifall aufgenom menen Ausführungen warnte der Redner, der die deutsche Sprach« ausgezeichnet beherrscht, vor Aus peitschung nationaler Instinkte und betonte, daß be reits eine Propaganda gegen die Ruhrbesetzung in allen Ländern eingesetzt habe und weiterhin ein setzen werd«. Drei Panzerwagen — und eine Verhaftung aigoner Dr«tzt»ericht de» Leipziger Lageblstte» Esse», 14. Februar. Heut« vormittag wurde Direktor Buß mann von den Rheinisch-westfälischen Elektrizitätswerke» au» dem Betrieb herau» von einem starken Militär aufgebot verhaftet Die Franzosen verwandten für diese Heldentat unter Führung eine» höheren Offi ziers drei Panzerwagen, drei Lastkraftwagen mit Soldaten und 2K Mann zu Fuß. Die Angestellten und Arbeiter liefen zusammen, brachten dem Direktor Ovationen dar und stießen Drohrufe gegen die Franzosen au«. Es wurde „Deutschland, Deutschland über alles" angestimmt. Die erregten Arbeiter riefen: „Haut die Schänzels!" Die Verhaftung ist vermutlich darauf zuruckzuführen, daß das Hotel Kaiserhof, der Sitz der ftanzösischen Ingenieur kommission, seit gestern ohne Licht ist. Ferner wurde heute im gleichen Zusammenhang der stellvertretende Oberbürgermeister von Essen, Dr. Schäfer, von den Franzosen in seiner Wohnung verhaftet und nach Bredeney, dem Wohnsitz de» Kommandierenden General«, gebracht. Der Bei- geordnet» Kunz, der jetzt die Geschäfte des Ober bürgermeister» übernommen hat, ist nach Bredeney gefahren, um sich über da» Schicksal des Bürger meister» zu informieren. Sollte Bürgermeister Dr. Schäfte verhaftet bleiben, so ist zu erwarten, daß die gesamte Beamten- und Arbeiter schaft der Stadt Essen geschlossen die Arbeit sofort atederlegen werden. * Da» Postamt kn H erbebe wurde gestern mit tag von vier Offizieren und etwa 24 Mann um stellt. Die Offiziere drohten Strafmaßnahmen an, wenn nicht geöffnet werde. Schließlich gingen die Soldaten vor. Lin Offizier schlug ein« Fenster scheibe «in, ließ die schwerbewaffnete Mannschaft eindringen und wies das Personal aus den Räumen. vrutale Gewalt Si,euer »r«»t»er»»t»«4 reip»»>erra»e»I»«tr» Hern«, 14. Februar. Durch di« Ausmessung de» Oberbürgermeister» und di« Verhaftung seines Stellvertreter» ist die Stelle eines Leiter» der städtisch« Verwaltung»- geschiffte vollständig verwaist. Auf eine Anfrage der Franzosen an die Beamten de» Rathouse», wer denn jetzt für die Leitung der Stadt verantwortlich sei, wurde ihnen geantwortet, daß zurzeit niemand mehr verantwortlich für die Stadt zeichne. Daraufhin haben die Franzosen der Stadtverwaltung mit geteilt, daß st« diesen Angaben keine» Glauben schenkten. Wenn der Widerstand gegen französisch« Anordnungen fortdauere, würden die schärfsten Maßnahmen ergriffen werde»:. Die Franzosen würden dann keine Rücksicht «ehr nehmen und auf eigene Faust in den ihnen dienlich erscheinenden Wohnungen der Stadt «in starke» Lruppenaufgebot einquartteren. Außerdem würden führende Persönlichkeiten der Stadt al» Geisel festgenommen, vor ein Kriegsgericht gestellt und bi» zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt werden. Selsenkirche», 14. Februar. Nach einer genauen Feststellung sind gestern von den Franzosen, die die Strafexpedttton gegen di« Stadt äusführten, insgesamt 42 Personen ver haftet worden. Darunter befinden sich 38 Schutzpolizisten mit ihrem Kommandanten. In einer gestern abgehaltenen Sitzung haben die Stadtver ordneten die Zahlung von 100 Millionen Mark Buße abgelehnt. Daraufhin ist der Bürger meister verhaftet worden. Mit der heutigen Ver haftung des stellvertretenden Bürgermeisters von Essen sind nunmehr Essen, Oberhausen, Gelsen kirchen, Duisburg und Herne ihrer Etädteober- Häupter beraubt. Vie belgischen Neichsschatzwechsel fällig Berlin, 14. Februar Die ersten von der Reichsbank garantierten soge nannten belgischen Reichsschatzwechsel sind am IS. Februar fällig. Die Wechsel werden von schweizer Banken diskontiert und sind bei der Dank von Eng- land zahlbar. Die Reichsbank hat eine Valuta in Höh« von rund 46 Millionen Doldmark in London für die Einlösung bereitgestellt. Ihre Metall reserven, besonder» ihr Gold, hat sie hierzu in keiner Weise angegriffen. ZranzSslsche lO-MMarben-Knleche Si»«««r Dr«ht»erich«de» LetpztOerragedlatte» Pari», 14. Februar. Der Finanzminister d« Lafieyrie hat gestern der Kammer einen Gesetzentwurf über die Ausgabe einer Anleihe von 10 Milliarden Fran ken vorgelegt. L» handelt sich um Obligationen auf kurze Sicht, sowie um Schatzscheine verschiedener Art. De Lasteyrie wird heute vormittag über diese Anleihe von der Finanzkommission der Kammer ge hört werde». Die Anleihe soll dazu dienen, die Be dürfnisse des ftanzösischen Staate» im Jahr« 1028 z« decken. Der braunschweigische Minister, Reichetagsabge ordneter Vogtherr ist m» Dienstag nachmittag im Reichstagsgebäude an einem Herzschlag ge storben. Vogtherr, fest 1893 Reichstagsabgeord- neter, war seit dem 28. November 1922 Mitglied de» braunschweigischen Ministerium«, in dem er die Ressort» sür Justiz und Inneres verwaltete. Vogt herr ist in weiten Kreisen durch die bekannte Kieler Motrosenaffäre bekannt geworden, die im Sommer 1917 eine lebhafte Debatte auslöste. Unmittelbar nach der Revolution war er Staatssekretär. In den letzten Monaten vor seiner Dahl -um Minister war er in Braunschweig al» Redakteur eine» sozialdemo kratischen Blatte» tätig. Vas Wunder des Schneeschuhes Don »ftm Ak»«» (Dresden) Des Film« 3. TeNrCrzgebirgische Fauna. Nur der lernt sein« Heimat richtig lieben, der für sie leiden mußt Da« steht jetzt in vielen Leitartikeln »nd es ist gewißlich wahr, und nicht allein zu be- Htehen auf die Besetzung de» Ruhrgebietes. Warum Mn» Beispiel liebe» wir da« verschneit«, kalte Erz- oebirge? Well wir bet seinem Besuche hungern und sickeren und un» die Knochen brechen müssen! Müde, ausgehungert, blaugefroren, mit wundgelaufenen Fußen und geisterbleuhen Gesichtern, au» denen große blaue Augenrtnge al» Zeichen der Ueberanstrengung drohen, kehren wir Sonntag abend« heim — und doch Linnen wir kaum den nächsten Sonntagmorgen er- «arten, um Schlag 4 Uhr wieder auf den Beine» M sein. Leute, die a» keine» Patriotismus glauben, sagen, wir taten e» au» Sport fanatismu». Haben di« «ine Ahnung von Svort und gar vom Schaeeschuksporti Früher, vor zehn Jahren, al» Vereinzelt« mit den Brettern in die verschneiten Berg« zogen, und nn» andere in Aeitungsaufsatzen belogen (e» wurden zum Glück sebr wenig solcher Artikel gebracht), wie wun dervoll Vie winterlich« Natur sei, wie der Mensch in d«r Einsamkeit der verschneiten Höhen erschauere, ganz Nein werd« »nd sein« Winzigkeit spüre, wie dann aber seine schönheithunarlqe Seele den Körper immer höher hinaufzieh« — früher, da mag Sport- fanatismu» die Triebkraft de« Handeln» gewesen sein. Heute ist da» ganz ander«! Unser Nationaldichter Friedrich Schiller hat un« den Weg gewiesen mit seinem herrlichen, bi» vor Jahren leider völlig miß verstandenen Dort von den Brettern, die di« Welt bedeuten! Nun wissen alle Pädagogen, alle Partei sekretäre, Iugendgruppenleiter und alle großen und kleinen Leute, die trotz der schweren Zeit e» zu etwa« gebracht haben, wie sie es anfangen müssen, um ihre Anschauungen und Bestrebungen in der Wett etwa» bedeuten zu lassen: sie müssen sie auf die Bretter Kellen! Ein« Massenbewegung ist entstanden: Dank v« opferwilligen Tätigkeit vou Studienräten, Sport schriftstellern, Zugendgruppenleitern, Shimmn-Prei«- koxern und Berggastwirte« hat heut« jede Schüler umbindung, jeder Skaiklub, jeder Gesangverein, jede Wahlvereinigung ihre Ski-Abteilung. Die Bearbei tung der Frauenwelt besorgten die Illustrierten Zeit- schriften durch Bilderserien in jeder Nummer: „Der Filmstar Kola Basta in ihren neuartigen Breache»" (manche schreiben auch Bridge», weil sie annehmen, der Name käme von einer Brücke über einschnittrerche Gegenden); .die fesch« Operettendiva Fidschi Blitzt in ihrem neuen Ski-Anzug, Architektur Professor Peter Behren», Farbengebung Emil Orlik, Ausführung Stinnes-Wcrke, Regie Mar Reinhardt, Kritik Alfred Kerr"; .Fest de» Damen-Wintersportverein» Kallipy- gos in seinem Klubheim, Prämiierung der Dame, di« dem Namen de« Verein» die meiste Ehr« macht". Durch solche Aufklärung», und Werbearbeit unter Mannern und Knaben und der Erziehung der Frauenwelt zu Geschmack und zur Erreichung schöner Formen find wir heut« dahin gekommen, oaß jede Bürgerin und jeder Bürger Sonntag» seinen Ski im Kopse hat. E« rede keiner von Sportfanatismus; mit Sport hat die Angelegenheit Gottseidank gar nicht» zu tun. Nein, e» ist di« Liebe zur Natur, zur Heimat, die sich in dieser Bewegung bemerkbar macht. Man will seine Heimat lieben, und da man das am besten da durch erreicht, daß man für sie leidet (sieh« di« patrio- tischen Leitartikel!), leidet man eben. Tausende und ober Tausende nutzen den einen Ruhetag der Woche dazu, morgens um 4 Uhr zum Bahnhof zu rennen, eine Stunde weit zu rennen, im Zuge drei Stunden zusammengepreßt zu stehen, ungenügend bekleidet, sich zu erkälten, tauftndmal zu stürzen, patschnaß von Schweiß und Schnee in ein Gasthau« zu schlei chen, keinen Stuhl zu kriegen und keine Tasse Kaffee, frierend im Schneegestöber wieder nach der Bahn zu laufen, gegenseitig sich halbtot zu drücken, drei Stunden lang abend» draußen, auf der offenen Platt form de» Wagen», zu stehen, gegenseitig sich anzn- husten, andern Tag» die Groschen -um Ärtt zu tra- gen, tage- und wochenlang an Grippe zu liegen. H«, da» will einer Sportfanattsmn» nennen? In den Dienst der heiligen Sach« hat sich nun auch da» Kino gestellt. Nach dem Erfolg de« Film» .Da» Wunder de» Schneeschuhs" ziehen ehe mals so beliebt« Dramen, wie .Di« 1200 Eheirrun gen der Anna Boleyn" nicht »ehr: die Leut« »rollen Schneeschuh-Film» sehe»! Unter Leitung de» sackst- schen Kultnsministeriüm« und Mitwirkung aller ski fahrenden Oberlehrer und Parteisekretäre Ist deshalb der dritte Teil de» Wunder« de» Schneeschuh» ge- kurbelt worden, und, damit er nicht wieder in Bayern spiele, in Sachsea. Er heißt .Di« arktische Fauna de« Erzgebirges" und ist ein Kultur- und Lehrfilm. Nach diese« Film, dessen Presse-Vorfüh rung ich beiwohnte, zerfällt die Fauna des winter lichen Erzgebirge» in drei Gruppen: I. Renntiere und Schneehasen. E« find da» di« Urbewohner de« winterlichen Ge- birg«. Heute gibt e» davon nur noch wenige. Man trifft sie fast nur auf abseitigen Wegen und Höhen, einzeln oder zu zweien und dreien an. Sie sind ent weder schwarz, bla« oder grau, fast immer aber ein farbig und unauffällig. Die öffentlichen Futterplätze meiden sie, haben in der Regel auch eigene Höklen -um Wohnen. Da» Verhältnis der Renntier« zu den Schneehasen ist «eisten» rein kameradschaftlich, e» soll aber auch vorkommen, daß zwischen dem sehnigen Renntier und dem graziösen Schneehasen zärtlich« Beziehungen bestehen. (Dann rennt da» Renntier nicht mehr, sondern hält fein Schritt mit dem Hasen.) Sind mal viel« dieser Gruppe beieinander, berate« sie über neue Möglichkeiten, ungestörte Schleichwege zu entdecken. Um sie vor dem Aussterben zu be wahren, ist geplant, sie im bayerischen Hochgebirge anzufiedeln. Kultusminister Fleißner billigt diesen Plan, denn er hält sie nicht mit Unrecht für reaktio näre, vorsintflutliche Erscheinungen. n. MoschusochsenundEchneehühner. Diese Gruop«, zu der noch die Schneegänse und Blaufüchse gehören, sind erst in den letzten zehn Jah ren im Wintergebirge bemerkt worden. Jetzt aller ding» treten sie in großen Scharen auf, leben immer in dichten Rudeln an eigen» angelegten Plätzen, zu denen sich selten andere» Wintergetter verirrt. Ihr« Ernährung ist nämlich so kompliziert, und ihre Eigenarten sind so sonderbar, daß andere Tier« sich in ihrer Gesellschaft nicht wohl fühle«. In den Wald oder auf die Berg« gehen sie fast nie, sie leben auf den Wiesen vor großen Hotels und in Speisesälen und Bar». Eie sind bunt wie Stieglitz«, kommen au» fernen Gegenden meist paarweise an, oder finden sich rasch zusammen, wobei di« Schnregönse und Sckneehübner, di« nach Brehm hauptsächlich nur nacht» fressen, besonder« Zuneigung zu jenen Moschus- ochsen und Blaufüchsen an de» Tag legen sollen, die aus der Brust dicke Leder!aschen tragen. Zu ihnen gesellt sich außer dem Fuchs gern auch der Bär, Dolf, Hirsch Im Erzgebirge findet man sie hauptsächlich in Oberwiesenthal, im Harz in Schierke, im Riesen gebirge in Krummhübel, t» Thüringer Wald in Ober hof. Die Hälfte soll au» dem Auslande eingewan dert sein. M. SchneeflSheund Schneewürmer. Nack Brehm erscheint diese Gruppe im Winter massenhaft auf dem Schnee, ist sehr fruchtbar, ent- wickelt sich jedoch nur langsam. In Deutschland sieht man sie in dieser Menge erst nach dem Kriege. Die Flöhe sind mit derben Fühlern ausgerüstet, haben derbe Beine «nd ewig kauende Mundwerkzeuge. Wenn diese Werkzeuge nicht kauen, macken sie Lärm. Die Flöhe Übervölkern alle Wege und Hänge, nisten in den Gastwirtschaften, kriechen aber mit Einbruch der Dunkelheit in endlosen Zügen zu Tal. Sie tragen die groteskeste Gewandung, besonder» die weiblichen Tiere, die ein bemerkbare» Interesse an den Tag legen, nicht mit den einfachen Schneehasen, sondern mit den Schneehühnern und Gänsen verwechselt zu werden. Die männlichen Gier« dampfe« von morgens bi» abend» au» dem Rüssel. Noch ungeheurer an Zahl sind die Schneewümer. In Kälte, Feuchtigkeit und schlechter Ernährung sollen ihrer viele zugrunde gehen; e« kehren aber immer mehr wieder. Das sie au« schneefreien Gegenden in« Gebirge zieht, weiß man nicht. Sie sind jedenfalls da und bilden heute den HauptbeKand der erzgebirgischen Fauna. Fühlen sie sich meist auch totunglücklich, so fühlen sie sich doch klassenbewußt, mal rot, mal schwarweiß- rot, wie ihre Genossen, die Schneeflöhe. * Ich hoffe mit den Iugendgruppenleiter«, Ober lehrern und Sportschriststellern, daß der Kultur- und Lehrfilm da» Heimatgefühl stärken und auch die letz ten S Prozent Sachsen, die noch nicht Ski fahren, endlich veranlassen wird, die Nachahmung veralteter Natnrschwärmerei aufzugeben und die Heimat da durch liebzugewinnen suchen, daß sie für sie leiden. Für alle, denen die Bretter nicht di« Welt bedeuten, ist, da» sag« ich aus ffibegeistertt« Herze», die Welt mit Brettern vernagelt. OaäLerttrm »»b VerflhmnH. Ueber diese» Thema spricht i« Akademisch-sozialen Verein am Schlutz. ab«nd der Vortragsreihe .Deltkrist» und Welt gewisse»" John Fletcher, Vorsitzender oer Quäkerkommission in Berlin, am Freitag, den 16. Februar, abend« 8 Uhr, im Hörsaol 16. Fletcher wird u. a. auf Grund seiner Beobachtungen in Frankreich Wer di« Stellung der Gebildeten zur Politik PoinearL» berichte», ..
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