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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.02.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-02-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192302143
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230214
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230214
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-02
- Tag 1923-02-14
-
Monat
1923-02
-
Jahr
1923
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Lllttvock, äev 14. kedruar I^sprlger uvS H»o6eI»»Ettaay «r s» SckthE r I^LKesberickt Nur noch Gefangnir für Wucher Sirre Forderung der sächsische» Berbreucherschast Die Verbraucherkammer für den Freistaat Lachsen befaßt« sich in ihrer letzten Dorstandssitzung ein gehend mit den Teuerungsverhältniffen; dabei wurde scharf betont, wie aufreizend das Gebaren gewisser, wohlleberischer Leute wirken muß auf diejenigen, die sich nicht satt essen und nicht ausreichend kleiden können. Die Derbraucherkammer hat beschlossen, von der sächsischen Regierung zu fordern, daß diese un- vrrzüglich an die Reichsregierung herantritt, damit weit schärfere Maßnahmen gegen den Wucher ergriffen werden, der sich trotz den jetzt be stehenden Gesetzen nicht vermindert, sondern ver mehrt hat. Die Kammer fordert ferner, daß in Zukunft bei derartigen Pergehen keine Geldstrafen, sondern ausschließlich Freiheitsstrafen verhängt werden; sie ist der Meinung, daß mit der Verhängung von Geldstrafen der gewollte Zweck nicht erreicht wird. Vor allem soll aber die Regierung dahin wirken, daß bei der steigenden Preistendenz wenigsten» die Brotvreisbildung auf der gegenwärtigen Basis erhalten bleibt. Mehr Barfreimachung! Da das Verfahren der Darfreimachung durch Stempelmaschinen noch nicht die wünschenswerte Ausdehnung erfahren hat, macht die Postverwaltung darauf aufmerksam, daß eine regere Beteiligung von Behörden und Firmen mit lebhaftem Drlefverkehr dringend erwünscht ist. Die Vorteile für den Absender bestehen in einer Ersparnis an Arbeitskräften und Bereitstellung der Mittel für die Freimachung erst bei Einlieferung der Sendungen. Postalisch« Schwierigkeiten wegen der Ruhr- desctzuug. Infolge von Störungen des Eisenbahnver- kehrs in den Bezirken Köln und Aachen muß der Auslandspostverkehr nach dem Westen großenteils auf andere Wege geleitet werden. Die Briefpost aus Nord- und Mitteldeutschland nach Bel gien und England muß den Weg über die Nieder lande, die von Eüddeutschland über Elsaß-Lothrin- gen nehmen. Ueber Elsaß-Lothringen muß auch die Briefpost für Frankreich und darüber hinaus geleitet werden. Soweit Briefpost nach Uebersee über Köln geleitet wurde, wird sie jetzt über Hamburg, zu den Dampferabgängen von Genua und Lissabon über Frankfurt (Main) befördert. Der Postpakrtverkehr mit Belgien und der Postfrachtstückverkehr mit England hat vorläufig eingestellt werden müssen. Der Postpakrtverkehr nach England und darüber hinaus wird, soweit nicht unmittelbare Schiffsverbindungen in Frage kommen, über die Niederlande, derjenige nach Frankreich und darüber hinaus über Karlsruhe (Baden) aufrechterhalten. b. Gütersperre mit der Schweiz. Wegen Der- kehrsunterbrechung durch die Franzosen ist der Eil- gut- und Ladungsverkehr nach der Schweiz über Karlsruhe—Basel eingestellt. Frachtstückgüter wer- den umgeleitet. Weiter ist der Gesamtverkehr (auch Gepäck- und Expreßgut) nach den badischen Sta tionen Kehl, Offenburg, Appenweier, Kork, Zoffen- Hofen, Lauterbach, Oberkirch, Oppenau eingestellt. * Wohuungszunahme in Sachs«. Im Dezember war in Sachsen ein Zuwachs von 452 Wohnungen zu verzeichnen, im, ganzen Jahre IVA ein solcher von 5428 Wohnungen. — Tropf« auf einen heißen Steinl * Was kostet eine Bierpaschei Die Glashütten haben die Teuerungszuschläge für Fensterglas um 5020 Prozent auf 7800 Prozent erhöht. Die Zu- schlage für Farbglas wurden von 818 auf 1180 Prozent erhöht, Rohgla» von 22 000 auf 3SV00 Prozent, Ornamentglas von 32 000 auf 58000 Prozent, Salinenala» von 5000 auf 8000 Prozent. Nach diesen Preisen wird sich eine Bierflasche mit Verschluß auf 475 Mark, eine Sauerbrunuenflasche auf 400 Max? stellen. Mill ton« uspend« Nir et» fUwttsche» Kruukenhun». Zwei dänische Schriftstellerinnen, die im vorig« Sommer im Schandauer Stadtkrankenhause gepflegt worden find, haben in Anerkmnung der ihyen dort zuteil geworden« guten Behandlung dem Stadt krankenhause den Betrag von 1 Million Mark über wiesen. Kostenlos« Totenkxstattung. Nach einem Orts- gesetz ist die kostenlose Totenbestattung in Limbach vom 8. Februar ab eingeführt worden. Ein Gpeicheretnsturz. In dem der Firma Schramm 8 Steinmana gehörend« Speicher in Altona brachen anscheinend infolge Ueberlastuna sämt liche Böden durch. Die dort lagernden Güter, meist Weine und Spirituosen, stürzt« durch di» Stockwerke in das Erdgeschoß. Mensch« sind nicht zu Schad« gekommen. ——— Ein internationaler Scheckschrvindler Die Leichtgläubigkeit ausländischer Banken Wie leicht es bei den heutigen schlechten Wah- rungsverhältnisscn und bei dem Spekulationsfieder, das auch im Ausland herrscht, einem Betrüger ge macht wird, große Summen zu echvngen, zeigte eine Verhandlung vor der 5. Strafkammer des Dresdner Landgerichts. Die Anklage richtete sich gegen den 18V8 zu Neu-Liebichau geborenen Handlungsgehilfen Gerhard Martin Brendler, der sich wegen Urkundenfälschung und Betrugs zu verantworten hatte. Während eines Aufenthaltes in Leipzig zahlt« Brendler bei der Filiale der Deutschen Dank einen kleinen Betrag ein und eröffnete damit ein Scheck konto. Bald batte er das geringe Guthaben wieder aufgehoben, aber die unbenutzten Scheckformu lare zurückbehalten. In Dresden ließ sich Brendler dann einen Stempel der Aktien gesellschaft »Augsburg-Nürnberger-Maschinenfabrik* Herstellen. Mit den Scheckformularen und dem ge fälschten Firmenstempel reiste er zunächst nach Bagern. In München verstand er es, unter dem Namen Georg Lange einen rechtsgültigen Auslands paß zu erschleichen. Ausgerüstet mit Scheckbuch, falschem Firmen stempel und falschem Paß fuhr Brendler zunächst nach Wien, von dort nach Graz und weiter nach Triest. Er habe sich in diesen Städten um Stellung bemüht — gab der Angeklagte in der Verhandlung laut Dresdn. R. N. an —, nirgends aber habe er etwas Passende» gefunden. In Fiume endlich seien ihm di« Geldmittel völlig ausgeganaen, und hier sei er auf den Gedanken gekommen, sich durch Scheck betrügereien zu helfen. Brendler stellte ein« Scheck über eine sehr hohe Summe au», drückte d« gefälschten Stempel drauf und setzte die Unterschrift« zweier Herren darunter, die in Bautzen bei der Waggonfabrik Busch eine ver antwortliche Stelle innehatten. Mit diesem gefälsch ten Scheck ging er zu einem der größten Bankhäuser in Fiume. Da auch in Fiume in deutscher Marl- Währung gern spekuliert wird, erhielt er ohne be sondere Nachprüfung 10 000 Lire als Gegenwert aus- gehändigt. Unmittelbar darauf verschwand Brendler, der als Kaufmann Georg Lang« quittiert hatte, aus Fiume und reiste nach Temesvar, wo er wieder- um einen Scheck fälschte und sofort ausbezahlt er hielt. Zn jener Bank wurde ihm zu verstehen gegeben, man würd« gern noch weitere derartige Geschäfte machen. Brendler stelle daraufhin im Hotel sofort einen neuen Scheck aus, legte diesen der Bank vor und bekam insgesamt 137 000 Lei dafür ausgehändigt. Der Direktor jener Dank ließ sich in denkbar leichtester Weise täusch«, händigte seinem »vermögenden Kunden* noch ein Empfehlungs schreiben für eine befreundete Dank in Szegedin au». Mit dem Empfehlungsschreiben reiste Brendler so- fort nach Szegedin, um dort gleichen Betrug zu begeh«. Auch die Dankfirma in Szegedin fiä auf den Schwindel herein, Brendler bekam für den gefälschten Scheck 300 000 ungarische Kronen aus bezahlt und trat sofort die Rückreise nach der Heimat an. In Zittau suchte er die Oberlaufitzer Dank auf, um sein erbeutetes Geld umzuwechseln. Hier endlich schöpfte man Verdacht und ließ ihn verhaften. Es gelang Brendler dann spater, zu entweichen, er entkam zwar über die Grenz«, wurde aber in Deutsch-Gabel erneut verhaftet und nach Dres den ausgeliefert. Das Gericht verurteilt« Brendler, der wegen anderer Straftaten auch von Kamenz, Bautzen, Leipzig usw. gesucht wird, zu zwei Jahren sechs Monaten Gefängnis und drei Jahren Ehrrn- rechtsverlust. Lasset die Armen zu mir kommen! Oeffmiliche Speisung auf -em Lin-euaver Marktplätze Inmitten der unbeschreiblichen Not, di« besonders die alten arbeitsunfähigen Leute zwingt, ihr letztes Hab und Gut zu verkauf«, um überhaupt leb« zu können, hat di« Heilsarmee beschlossen, kosten- los an die Armen Leipzigs warm« Speisen zu ver teilen. Vorläufig beschränkt sie allerdings ihr Hilfswerk auf Lindenau. Ueber die erst« öffentliche Speisung auf dem Ltndenauer Markt am Dienstag mittag entwirft unser seb.-Berichterstatter folgende» Bild: Ratternd fährt die »Gulasch-Kanone* auf de« Marktplatz des westlichen Vorortes. Ei« wird be reits sehnlich erwartet. Aus den Straßen und den Haustoren kommen alte, zitternd« Frauen und humpeln zu der fahrenden Küche, auf der die Fahne der Heilsarmee weht. . Es dauert ziemlich lange, bis die Frauen in einer Reihe stehen und die Verteilung beginnen kann. End- lich ist es so weit, mit einem großen Kochlöffel werden die Graupen und die angenehm nach gutem Fett riechenden Kartoffeln in die mitgebrachten Gefäße ge- schüttet. Und es werden sehr reichliche Portionen verteile. Sorgfältig werden sie mit dem Deckel ge schlossen. Eine über den Rand geeilte Graupe wird wieder in das Innere de» Behälters befördert. Boll Dankbarkeit eilen die Leute nach Hause, glücklich, endlich wieder einmal etwas Warmes essen zu können. Ergreifend sind die einzelnen Gespräche, die au» den Reihen der Wartenden laut werden. Aus allen klingt die Not, die bitterste Not. Vor Hunger ist da» Töchterchen einer armen Frau am selben Morgen um gefall«, und ein« andere Frau erzählt, daß auch sie manchmal die Schwache übermannt. Wie gut, daß sie jetzt ein warme» Mittagessen nach Haus« bringen! XI Uhr ist die Verteilung zu Ende. Man gibt mir Auskunft. »Spenden für die Speisung*, sagt mir ein Begleiter der fahrbaren Küche, »sind bis heute noch nicht eingelaufen', so haben wir aus eigenen Mitteln für ungefähr X Million Mark Nahrungsmittel eingekauft, mit den« wir zwölf Speisungen für je 100 Mensch« ausführ« käme«. Unsere Absicht ist es, täglich warmes Essen « ver- teil«; aber solange uns die OeffentlichkeÜ nicht unterstützt, ist die« leider nicht möglich. Vorläufig bleiben wir in Lindenau, weil wir hier die Leut« am besten kennen. Dann kommen die anderen Stadt teile an die Reihe * .Welche Leute werden gespeist?* »Alle, die sich bei uns melden. Wir kontrollier« dann, ob sie wirklich bedürftig find. Trifft die» zu, so erhalten sie eine Karte, die nicht übertragbar ist und den Inhaber znr Entgegennahme eine» warmen Mittagessens berechtigt. Das Datinn de« betreffen den Tages wird am unteren Rande notiert. . . .* Der Platz ist leer; nur ein an-enehmer Dust er zählt noch von dem Hilfswerk. Am Nachmittag geht eine Schwester der Heils armee, um Gaben bittend, durch da» Kaffeehaus. Manche der bei ihrem Mokka fitzend« Gäste lächeln vielleicht und schütteln die Köpfe. . . . Sie hab« di« hungrigen Augen auf dem Markte in Linden« nicht gesehen. ist Da die Unkosten für die Einrichtung und Fort führung dieses ne, en Hilfswerke« ganz außerordent lich hoch sind - 'ne Füllung der Feldküche mit 100 Portionen kostet etwa 35 000 Mark —, so bittet di« Heilsarmee um freundliche Unterstützung. Gaben an Geld wolle man der Dresdner Dank in Leipzig, Wechselstube und Depositenkasse v, Zeitzer Straße M, unter Heilsarmee, Männerheim, für »Gulasch kanone*, oder auf das Postscheckkonto Nr. 55 358 der Dresdner Bank unter der gleichen Bezeichnung ein senden. Gaben in Geld und Natura können auch direkt an den Leiter de« Männerheim«, Körner straße 43, Stabskapitän Albert Tebb«, gerichtet wer- den: sie werden auch gern auf Wunsch äbgeholt (Tel. 31754). Tagung des Bunde« entschiedener Schulreform«« Don unserem nach Riesa entsandten Sonderberichterstatter. II. Am Nachmittag begann Dr. Kawerau (Berlin) mit einem Dorttag«: »Schule und Völker- Versöhnung.* Dr. Kawerau, der »soziologisch« Pädagoge*, trat in schlichtem Wanderanzug mit violettem Schiller kragen vor seine Hörer und sprach mit koscher Herz- ltchkeit, mit s» tiefer Menschlichkeit, daß er auch die begeisterte Zustimmung derer Katt«, die der Be wegung ferner stehen. Er erzählte mit schonender Ironie vom alten Geschichtsunterricht, erzählte von einem sächsischen Entwurf zum Geschichtsunterricht von 1921, der beinahe »amtlich* geworden wäre, und verlangte endgültige Beseitigung alle» Wort- kults, aller Suggestion durch den Lehrer, aller ästhetischen Verzierungen. Nicht Kenntnisse, sondern Erkenntnisse muß der Geschichtsunterricht bringen. Das Kind muß Gelegenheit zu eigener Forschung haben, soll vor allem die wahren, wirkenden Kräfte kennenlernen, was aber nur möglich ist, wenn das Kind praktisch« Erkenntnis durch produktive Arbeit hat. Also auch hier wieder der Ruf nach Produktionsschule. Di« Soziologie, dte Lehre vom Gesetzmäßigen, ist dabet von größter Bedeutung. Geschichte in Verbindung mit gemeinsamer Arbeit bringt Selbstverantwortung und starke. Gemein- schaftsgefühl. Derartige Menschen in allen Ländern werden sich dereinst zu wahrer Dölkerversöhnung ohne Klauseln und Schiedsgerichte zusammenfinden können. Deshalb Bereinigung aller Lehrer in allen Ländern. Und nun Prof. Oestreich. .Erziehung»- politlk und Kulturgewissen' hieß sein Thema. Aber Oestreich hatte so viel zu sagen, «ar von so überschießender, oft reckt drastischer Bered samkeit, daß er nur strichweise die angekündigte Frage besprach. Erklärlich, denn nach seinen eige nen Worten Hot der neue Lehrer »Predigeramt und Tätertum* in sich zu vereinen. Hier abermals: Nicht Dekrete, sondern gewaltige» Wagen und unerschüt terlicher Glaube werden die neue Schule schaffen. Noch vor einem Jahre waren er und seine Schar^' als verrückt gewordene Schulmeister verlacht wordey, jetzt seien sie ein Stück Kulturinitanz. Auch weiter- hin werde er als Propagandist seiner Ueberzevgrmg durchs Land ziehen, werd«, wenn es sein muh. anch die Märtyrertzrone za tragen wissen. Hinwag mtk der altem Herrschafkskultur, di« auch vom Prole tariat benutzt wurde, zu einer Position, zu Geld, ins „OberstAxhen" sich zu drängeln. Wissen bringt Ver pflichtung, ist oft faustisches Schicksal. Wissens- tzultur ist nötig. Sie wird aus der Gesellschaft eine Gemeinschaft, auS -em Gehorsam Gewissen, aus der Hierarchie Führertum, aus dem Staat ein Volk machen. Ais praktische Forderung: Fort mtt de« Gehaltsunterschled für die mit Wissen Ausaesiotte- ten! Er schändet den demokratischen Gedanke», entehrt -aS Wissen. DewilsenSkultur als Vervoll kommnung um der Gesamtheit willen »lrd Weik- rechtSgefühl, WeltsttkllchkeitSgefühi bringen. Unnötig zu sagen, daß stärkster Beifall -em «Red ner zuteil wird. Ün der Debatte wnrd« Klärung dieser und jener Etnzelpuntzt« versucht. Amok Kortners Othello Llei»e« Theater Kortner spielt den Rassenunterschied. Nicht etwa als Minderwertigkeitsmerkmal, sondern al» Merkmal eine» reineren Wertes: »Wir Wilden sind doch bessere Menschen.* 'In diesem Sinne. Pom Personal de« Kleinen Theaters wurde er darin etwas zu ausgiebig unterstützt. Die weiße Rasse war gleich gar zu mißgeschaffen. Nur der Eassio de» Herrn Walther trat für Europa eia. Konnte Shakespeare Verse sprechen und schien al» tumber Jüngling, schön und adelig, der zweite Gast zu sein. Da» andere war Elsterstraßen-Shake- speare. Fräulein Hoffmann, eine hin und wieder er trägliche, nur recht fade Desdemona. Den Jago mar kierte für den krank gemeldeten Lindegg der Spiel wart Pirk. Seine Emilia spielte sich auf die komisch« Alte hinaus. Der Rest war leider nicht Schweigen. Der Hafen von Lypern gab sich al» «tße Flimmer wand. Der Doge tagt« hinter eine« Bretterzaun. Auch sonst ging e» röcht prächtig zu. Stellen wir'» ohne Tücke fest: da» Kleine Theater ist keine ideale Shakespearebühne. Bleibt also Othello und der Rassenunterschied. Der käme auch ohne akuten Begadungsmangrl der wcißen Raffe wohl heraus. Fritz Kortner» Othello ist die Verkörperung de» Degrtffsunterschiedes, der zwischen den beiden Worten Kultur und Zivilisation besteht. In den Fallstricken der venezianischen givili- sation geht ein Raturkind zugrunde, dessen fürstliche» Blut von einer langen Reihe adeliger Naturkinder abstammt. In der Kultur seine» Herzen» ist er Vene dig und dem stolzen Senat überlegen. In der Kultur seine» Herzen» ist er an gemeiner Schläue dem Zago unterlegen, dem Schuft der Zivilisation. Bei Wegner etwa wundert man sich doch immer, daß der große dunkle Feldherr auf so plumpen Schwindel hinetnfällt. Bei Kortner denkt man an drn Negerhäuptling, der irgendwo im tiefsten Afrika sein Sold wohl heute noch für bunten Glasfluß her- gibt, weil er nur echte Dinge kennt, und darum nicht begreift, wie unecht etwa» sein kann. Mit sanftem Kinderlachen steht der dunkle Krieger vor den Venezianern, dem in oka Augen der schönsten weißen Frau der Himmel seiner Heimat wieder aus ging. Al» er dann glauben muß, daß dies« Augen auch nur ein Schwtndelprodukt der Zivilisation waren, die er so lange geduldig mitgemacht hat, kehrt seine arme Seele in stürmischer Verzweiflung zurück ins Mohrenland. Er verneigt sich wie die dienenden Sklaven seiner Heimt vielmals vor dem Boten des Senat». Zn Ka»kaden unartikulierter Laute stimmt er den wilden Klagegesang der schwarzen Männer an. Und er tötet die unschuloige Sünderin nicht in Wut, er opfert sie tieftraurig den Göttern seiner Heimat. Er tötet sie nicht ander», al» er sich selber tüten würde, und tötet gleich darauf sich selbst nicht ander», al» er sie eben getötet hat, löscht sich in ihren Armen auf dem weichen, weißen Altar seiner Liebe aus. Er läßt Desdemona» Leiche nicht mehr au» den Armen, und versucht nicht, den Zago zu verwunden. Ueber alle Vorurteile der Zivilisation, auch über die Roch«, ist er mit einem Male weit hinaus. Mit der toten Liebsten im Arm zieht sich der sterbend« Sohn der Wildnis still aus der minderwertigen Zivilisation zurück, die ihn so boshaft zum Narren gemacht hat. Gegen diesen Othello Hot die weiße Rasse auch in weniger unvorteilhaften Vertretern, al» sie der Shake- spearebühn« in der Elsterstrabe zur Verfügung stehen, keinen leichten Stand. tinn» vgor» NleMme Präs, vncke», dessen Berufung nach München schon früher mitgeteilt wurde, ist nunmehr vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus zum ordentlichen Profrssor an dar Universität München ernannt worden. Ein Ailnnmrk um» Mazkn Gorki. Au» Berlin wird uns gedrahtet: Mari« Gorki, der jetzt ständig in Deutschland lebt und sich wieder ganz literarischer Tätigkeit zugewendet hat, arbeitet Mrzeit an der Geschichte de» russischen abenteuerlichen scattonal- Helden Stenka Razin aus dem 17. Jahrhundert. Ueber dies« romantisch« Gestatt, di« einmal «ine der populärsten ganz Rußland» war, gibt «» nur zer streut« Ueb«rli«ferungen, di« Gor« in jahrelanger Arbeit gesammelt hat. Er wird nicht al« Buch er- schein«», sondern al» Film vor die Oeffentlichkeit treten. Dte Aufnahmen sollen auf der Wolga und auf der Krim gemacht werden. voecaceio in Gstungarn Die vertauschten Hosen Richt alltäglich «st «tn FlM, d«r in der Räh« von MarmarvS-SSget tn Akna Slatina vorgekom men ist. Eine Frau konnte dt« Langweile und das Alleinsein zu Haufe nicht ertragen. Während der Mann aus Geschäftsreisen war, tröstete sie sich mit einem Liebhaber. Einmal, als sich die Liebenden gerade im Schlafzimmer aushielten, vernahm sie vor -er Dür -en bekannten Schritt des hetmkehrenden Mannes. Der Freund war gezwungen, unter dos Bett zu kriechen. Die Fra» empfing den zu so un gewohnter Zelt hoimkehrenden Mann, der sich mit ein paar zärtlichen Worten neben seiner Fra» nie- derlegte, dte in ihrer Herzensangst die Bemerkung machte, daß sie an heftigen Zahnschmerzen leide. Dem Hausfreund war dte Situation sehr unan genehm, dach war er gezwungen, unter dem Bett zuzobvren, uste der versiebt« Mann fetn« mit Iahn- schnckrzen behaftet« Frau trösten wollt«. Erst nach Stunden gelang es lhr, den Mann zu überreden, tn di« Apotheke M gehen, um schmerz lindernd« Tropsen zu holen. Er kleidete sich rasch an, ging und weckte den Apotheker. Als er zahlen wollt«, bemerkte er zu seiner größten Ueberraschuna, baß die Hosentasche« voll Dollarnoten waren. Ec verstand tas um so wentaer, nachdem er doch franzö sisch« Franken gekauft halt«. Er «Nt« nach Haas« und verlangte von feiner Fra» «in« Erklärung da für. Sie erzählte ihm darauf, daß man dte Hose zum FAcken gebracht Heck« und beruhigt« ihn damit. Der Freund, der »ährend der Abwesenheit des Mannes tn des Mannes Hosen nach Haus« geokN »ar, blieb aber nicht f» ruhig. Und schon am näch sten Tag war er wöder Kavalier noch diskret. Frth «m Morgen meldete er sich bet« betrogenen Gatten am seine Dollars. Er berichtete ihm alles mck vee langt« bann energisch sei« Geld. „Meine Fr« «st «Gleicht et» paar hundert Vettar wert!* antwortete bar Gatte dem herern- gefasienen Verehrer. Di« Angelegenheit kam vor bas Rabcktnatsgertcht und der Rabbiner fällte fol genbas Urteil: Der Mann konnte seine Fra» «acht in flagranti ertappen, folglich ist «tn« rituell« Sch«- -W»g ousgaschlosstn. Rachckem nun doch aber er wiesen ist, daß -le Frau den Mann betrogen hat, gebührt dem Mann -i« Hälfte der Doikrrs als Schmerzensgeld, dl« andere Hälfte muß «r ober zu rückerstatten. Das Urteil wurde von beiden Par teien angenommen. 3n Karpathorußland wird Wer diese Angelegenheit sehr viel gelacht und man fragt, wie wohl das Urteil -es Rabbiners gelautet hätte, wenn sich in der Tasche des Liebhabers Sfierreichtsche Kronen gesund en hätten. Zutervie» urtt Siegfried ANmner. Au» Lan don wird gemeldet: Der Korrespondent de» Ob server hat Siegfried Wagner über die Zu kunft von Bayreuth interviewt. Di« Zukunft von Bayreuth, so erklärte ihm dieser, hängt von Amerika ab, d. b. von einer Reih« von Kon zerten, dt« ich hoffe in diesem Jahr« dort geben m» können. Ich glaube, daß wir tn Amerika ««« Freunde haben, al» sonst überall. Ich hatte die Absicht, meine Gastspielreise im März zu be ginnen, aber di« Trupvenbewegunaen der Fran zosen haben mich zu sehr beunruhigt, und ich will meine alte Mutter und meine Kinder nicht allein in Bayern zurücklassen. Sie leben in der Angst, daß dte Franzosen eine» Tage» gegen un» «ar- schieren werden. Die« ist viel gefährlicher, »I» jeder andere Gedanke de» Imperialismu», eia Gedanke, der mir übrigen» vollkommen lächerlich erscheint. Da» einzig«, wa» eintreten könnte, wär« der Tran» der bayrischen Katholiken, ein katholische» Kaiserreich, da» dte Rheinland« und Oester reich umfassen würde. Kleine Theater» oti^ Max Mohr, der erfolg reich« Verfasser der Komödie »Improvisationen tm Juni*, hat ein neue« Drama -Da» gelb« Zelt* geschrieben, da» in Braunschweig seine Uraufführung erleben wird. Da» »ulgartsch, Nntionattheater obgwrannt. Im Nattonaltheater fand, wie un» au» Sofia ge meldet wird, ein« Vorstellung der .Genoveva* statt. Dte an« Regtegründen verwendete» offen« Kerzen und Lampen steckten den Vorhang »ad einig« Kulissen in Brand. Da» Feuer breitet« sich gewaltig au», so daß da» Theater bald in Flammen stand. Da» Inner« de« Theater» ist vollständig ausgebrannt. Man berichtet, daß auch Menschen leben zugrunde gegangen sind, doch fehle« bisher jede näheren Angaben. «
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