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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.02.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192302087
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230208
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230208
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-02
- Tag 1923-02-08
-
Monat
1923-02
-
Jahr
1923
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vormerstsg, 6ea S. kedr«Lr Oke Postgebühren ab 1. März Der DerkehrSbelrat der RetchSpostverwaltung beriet am Dienstag die neue Vorlage Über die Post., Postscheck-. Telegramm- und Fernsprechgebühren, die am 1. März in Kraft treten sollen. Dl« neuen ZeilungSgebühren gellen erst vom 1. April ob. Dl« wirtschaftliche Lage der Post hat sich so ver schlechtert, bah für da» kommende Rechnungsjahr 1923 mit einem Fehtbelrag von KOO Milliarden zu rechnen ist. Der VerkehrSbelrat erkannte an. bah die von der Post vorgeschlagenen neuen Gebühren notwendig und angemessen sind, und erklärte sich mit -er Gebüyrenvorlage einverstanden. Danach werden, sofern nicht ReichSrat and ReichstagSauSschuß «ine Ermäßigung beschließen, ab 1. März u. a. folgende Sätze gelten: Postkarte» ») im Ortsverkehr 20 Mk, lm F«ra- verkehr SO Mk., Briefe o) im Ortsverkehr dlS 20 - 40 Mk., über 20 bis 100 g 60 Mk- d) im Fern verkehr 20 g 100 Mk.. über 20 dlS 100 « 120 Mk. Drucksachen dis 25 g 20 Mk.. GeschäftSpaplere bis 250 kl 100 Mk- über 250 bl« 500 - 120 Mk. Warenprobe» bis 250 e 100 Mk- über 250 btt 500 - ISO Mk. Pakete Nahzoae bis S Ke ZOO Mk- über - btt 5 k- 1000 Mk. AuStandSgebührea: Brief« btt 20 g 300 Mk. Die Postscheckgebühre» steigen vo» A Mk. für 1000 Mk. dis zu 500 Mk. für «ehr att 1 Million (unbeschränkt). Für Telegramme werde» erhöbe«: lm Fernver kehr eine Grundgebühr vou 160 Mk. und eine Wort- gebühr von 80 Mk., im Ortsverkehr «ine Grund- gcdühr von SO Mk. und ein« Wortgebühr vo» 40 Mk. Im Fernsprechverkehr bleibt die IahreSgruudae- bühr unverändert. Die OrlSgesprächaebühr beträgt 30 Mk. für fedeS Gespräch. Di« FerugesprächS- gebühr belrägt für «ln Gespräch von 3 Miaute» Dvuer bis zu 5 km einschtiehiich SO Mk. steigend bis 450 Mk- von 50 bis 100 Km. Für jede ange- fangeneu weiteren 100 km ISO Mk. mehr. Personalwechsel lm LandeSkonsiflorium? Zu -en in der Presse verbreiteten Gerüchten über be vorstehende bedeutsame Personalveränderungen im Evangelisch-lutherischen Landeskonsistortum in Dres den. die ihren Grund angeblich auf ktrchenfinanztellem wie auf kirchenpolitischem Gebiete haben sollen, wird vom Evangelischen LandeSpresseverdand milgetellk. dah diese Meldungen von den matzgebenden kirch lichen Stellen nicht bestätig! worden sink * Steuerermätzlguug für Kriegsbeschädigte. DaS Landesfinanzamt keilt zu der Nachricht über Steuer ermäßigung für Kriegsbeschädigte mit. datz nach neuerer Bestimmung deS RelchSmlnisterS der Finan zen die Anträge auf Zubilligung erhöhter WeroungS- kosten nicht nur bis zum 31. Januar, sondern auch weiterhin eingereicht werden können, sowie datz di« SonderwerbunaSkosten für Kriegsblinde nicht nur 16 000 Mark, sondern 86 000 Mark jährlich betragen. * Wegfall der Osterprüfungea. D:4 Kultus ministerium will geschahen lassen, daß auch die dies jährigen mündlichen Osterprüfuugen Wegfällen. * Sorge des Vormunds für den Beruf des Müu. bett. Im Hinblick auf -le bevorstehende Entlassung von Mündeln aus der Schul« werden di« Vormünder darauf hingewiesen, -aß es ihnen obliegt, rechtzelk g für ihr Mündel einen Beruf zu wählen, der ihren Anlagen und ihrer Neigung entspricht. Die Vor münder werden dabei für hie Stadt Leipzig auf die städtische BerufSberakungSstelle, Rudolphstraße 2, II. aufmerksam gemacht. Lehrverträge, di« für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, bedürfen der vormundschasiSgerichklichen Genehmigung. DaS Mün- del Ist vorher vom Amtsgericht selbst zu hören und deshalb sein Erscheinen an Gerlchksstclle — AmkS- gerichtsgebäude IohanniSgesse Nr. 8 — zu veran lassen. Der Lehrvertrag ist dem Amtsgericht vorzu legen, auch eine 2lbschrlft davon für die Akten beizu fügen. Das macht nichts Von K«rl ettllnstsr (München) Lieber Freund, du schreibst mir: .Niemals halbe ich bisher deine Bekanntschaft mißbraucht, niemals -ix Gedichte von mir zur Prüfung vorgclegt, niemals dir Roononbruchstücke vorgelesen, heute aber mutz ich dein Urteil anrufen. Ich habe nämlich einen Film geschrieben. Meinen ersten Film. Und ich hab« die Empfindung, er ist mir prächtig gelungen. Aber ich möchte dios« Empfindung gern von dir bestätigt haben." Also gut. lch bestätige dir -eine Empfindung. Ist das nicht nett von mir? Ich habe noch nie einen so eigenartigen Film kennen gelernt. BefonderS der Graf Hal mir imponiert. Ich habe noch keinen Film gesehen, ln dem ein Graf vorkommt. Und wie goldig ist es von dem Grafen, daß er so edel ist! Aber sag' mal: wenn der Graf die Leinwand betritt, ist er 23 Jahre alt: dann heißt eS .Vier Monate später", dann beißt eS .Drei Iabre darauf", dann heißt «S „Am selben Abend", und dann ist der Graf Groß papa. Ich meine. daS heißt den Edelmut za weit getrieben. Ich habe die Lebensjahr« deS Grafen zu ¬ sammen gezählt, ich habe die Kubikwurzel daraus ge zogen. lch habe sie inS Quadrat erhoben, die Rechnung stimmt nicht. Aber das macht nichts. DaS merkt daS Publikum nicht. In deinem vortrefflichen Film kommt auch «in Waisenkind vor. Seinen Vater kennt «S n'cht, und eine Mutier hat e- überbaust nicht gehabt. Die grausamen Besitzer eines Flohzirkus ziehen daS Findelmädchen auf Eines TageS besucht «in Kunst maler den Flohzirkus, um Studie« für ein Monn- mentalgemätde zu machen, und verliedl sich in die Kleine. Nnn, so etwas kommt auch außerhalb von Flohzirkussan vor. Der bucklige Sohn des ZirkuS- direktorS aber v«rg!ftet in eitersüchstger Wat de» Ltebltn^Sflol» Auroras ik>» steht ma» wieder einmal, wohl» die L»«b« führt. Aber ganz obgesehe» vo» di«l«r «chischen Seite der Angelegenheit: wie ver giftet man einen Floh? Ich kann mir vorstesten, daß man ihn knickt, ersäuft, verbrennt, erwürgt, aber einem Floh Strychnin einzugeben, das stelle ich mir krchtdor schwierig vor. Aber das «acht »lchtt. Das «skt tu» VstMst» nickt. ?! v - I^lprlger ^sgedlstt rmck HanüelüreltuvI «L. SS Sette S Ket» fürstlicher Driefmarkeusässchrr i» Leipzig verhaftet! In der gestrige« Morgenausgabe einer hiesigen Tageszeitung wird unter d«r auffallenden Ueberschrlst: .Ein Fürst als Briefmarkenfalscher verhastek!" über ein« in Leipzq «folgte Verhaftung eines armenisch«» Fürsten, der -öS Haupt einer weitverzwe aten internationalen Brtefmarken- sälscherbande s«in sollke. berichtet. Dies entspricht durchaus nicht d«n Tatsachen, und die Polizei selbst stellt die MeDung wie folgt richtig: .Im November 1822 wurde die Krim'nalpollzet auf «ine« hier wohnhaften Studenten aufmerksam gemacht, der im Verdacht stand, Briefmarkensälschunge« vor genommen zu bsben. Die Erörterungen ergaben, -ah ein Beweis für die Behauptung nicht zu er bringen war. Als ein« zweite Anzeige «inging. wurde der Student, dessen angebliche Ehefrau und ein Aandelshochschüler, sämtlich armenisch« Staats angehörige. der Staatsanwaltschaft zugesührt, je doch von dieser sofort wieder entlassen. Im übrigen ist der Kriminalpolizei von -er Darstellung in dem Zeitungsbericht nichts bekannt, besonders bandelt «s sich bei den Personen um keinen Fürsten, sondern um einen Studenten bürgerlichen NamenS." — So welk die amtlichen Feststellungen. Bei der ganzen Angelegenheit handelt «S sich um die setzt in Wien aulgedeckten Briefmarkenfälschungen. Dort ist ein Fälscher, namens Fertig, festgenommen wor- -en, der hauptsächlich Briefmarken von allen mög lichen russischen Staaten fälschte. Wir haben schon vor einigen Tagen über die Sache berichtet. Nutzland auf -er Leipziger Messe Wie auf -er Herbstmesse deS letzten Jahres wird man auch auf der kommenden Frühjahrsmesse in Leipzig ein« umfangreiche Ausstellung russischer Roh stoffe und Fertlgfavrikate vvrfinden. Die Rohstoffe, vor allem Holzmaterialien, Hanf, Flachs. Wolle, Borsten, Rauchwaren. Felle. Häute. Därme. Oel- Kuchen, Arzneikräuter, Tabak usw.. werden im Alten Rathaus am Markt untergedracht sein. Zur Aufnahme der Erzeugnisse der russischen Volks kunst ist dagegen daS Grassimuseum vorgesehen. Hier werden Handarbeiten. Spitzen, Stickereien. Flecht arbeiten. Gewebe, Teppiche, feine Holzschnitzereien, Lackarbeiten, Zigarettenetuis und Papiermache, ferner auch Kunstgegenstände -er Halbedelstein- Industrie ausgestellt, die von den allen großen Fabri ken in der Näh« von Petersburg angefertigt werden. Veranstalter -er Meßausstellung sind -le Handels vertretung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik, ferner die Ukrainische Handels vertretung, sodann der Allrussische Zenkralverband -er Konsumverelae .LentrosojuS", weiterhin verschie dene Verbände von Moskau und Petersburg, und zwar die halbstaatliche» Trusts, von denen in der letzten Zeit wie-erholt l» der Presse die Rede ge- wesen ist. . Lin Neichsivehrsoldat alr MSrver Dresden, 7. Februar. Der Mädchenmord, über den wir gestern berichteten, hat rasch Aufklärung ge funden. Die Tote ist eine Verkäuferin Johanna B. aus Großenhain, die nach Dresden gekommen war, um hier «la Tanzvergnügen mlkzumachen. AlS Täter wurde ein Reichswehrsoldat F. er mittelt, der die Nacht ohne Urlaub weggcdlicben war. Man fand an seinen Kleidern Blukspuren und Frauenhaare. Er hakte daS Mädchen beim Tanzen kennen gelernt und et in die Anlagen ge- lockt, wo er eS vergewaltigte and furchtbar zurlchtete > schließlich lökele. Er leugnet noch, daS Verbrechen begangen za habe», ist aber überführt. Jagd auf Schmuggler. Der Polizei von Dippol diswalde waren fünf Schmuggler signalisiert worden, die im Abendzuge von Dresden ankommen sollten. Die Schmuggler wurden im Eisenbahnwagen erkannt und nach ihren Papieren gefragt. Im Packwagen deS ZugeS fanden sich die gesuchten Schmuggler waren. Obwohl die Bande leugnete, das Gepäck aufgegeben zu haben, wurde sie verhaftet. Als man zwei der Verhafteten nach d.m Gefängnis bringen wollte, entsprang -er eine. Als er auf die Haltrufe nicht stehen blieb, schoß ein Beamter «ach ihm an traf ihn. Er fetzte aber trotz seiner Verwundung die Flucht fort uud entkam. Der Wert d«S be schlagnahmten PoscherguteS geht in die Millionen. Raffiniert« Schwindelei. Ein auS Magdebarg nach Halt« zugereistes Ehepaar wurd« verhaftet, weil «S «ine grandiose Schwindelet d«gangen hat. Das Ehepaar hatte «in HauS ln Magdeburg, -essen Vesitzer eS gar nicht kannte, drelmat verkauft und dadurch eine Anzahlung von 600000 Mark in di« Hände bekommen. Ei» Schurkenstreich. Auf -er Bahnstreck« t» -er Näh« von Jena wurden vo» Verdrecherhänd«» die Schienen gelockert und schwere Steine auf -en Bahnkörper gelegt. Zum Glück bemerkt« «in Str«ckenwärt«r den Schurkenstreich, «h« et» Zug zum Entgleisen kam. Der Psarrwald als Retter aa« Kirchlicher Rot Im Pfarrwald von LoSwig soll demnächst ein größerer Holzschlag vorgenommen werden, dessen Erlös man auf 6—7 Millionen Mark schätzt. Dieldegehrter Posten. Für di« neu zu besetzend« Bürgerinelslerstelle in Hünfeld (Hess«»-Nassau) Haden sich nicht weniger als 111 Kandidat«» gemeldet. Eine Thyssen. Strotze l« Aschaffenburg. Di« Stadt Aschaffenburg beschloß, aoj Dankbar ¬ keit für dl« tapfer» Haltung Friß ThyssenS gegen über d»rn Franzose» di« Industrie-Straße tu Frih - Thyssen-Straß« «mzudeneanea. Wertvoll« Gemälde vernichtet. Bet einer große« Feuersbrunst, dt« in Eastbur» aittbrach. rourcxn unter anderen» Gemälde von Earreagip im Werte von 100000 Pfund Sterling veraschtet. verhaftete MrchenrLrrber 3m Lübecker Dom Ist zum Metten Male et» grober Vandalismus uerüdt worden. Nachdem vor einiger Zeit eine» -ort hängenden mächtigen Kruzifix, das zu Ehre» -er tm Kriege Gefallenen anoedrachk worden war. von Verbrechern daS Haupt abgeschlagen und fortgeschleppt wurde, ist neuerdings et» altes, sehr wertvolles Gemälde, -te Grablegung Christi, gestohlen worden. Das Original dieses Gemäldes befindet sich im Vatikan in Rom. Die Täter schnitte» daS große Bild auS dem Rahmen und entkamen. Der Kriminalpolizei ist «S jetzt gelungen, die Bilder, räuber zu verhaften. ES find ein Drogist und «ln Maler, die anscheinend auch ander« Diebstähle ver- Ldt Haden. Sie behaupten. daS Gemälde an einen Hamburger Goldoofkäufer verkauft zu haben. DaS Gemälde repräsentiert einen sehr hohen Wert und soll wahrscheinlich nach dem Auslande verschöbe« werben. Wiens populärster Mann »Wir brauchen kau' Mussolini, wir hab'n de» Breitbart" Der Eisenkönig Breilbarl, der bet seiaem Auf treten in Leipzig in'-er Alberthalle berechljgteS Aufsehen erregte und Anlaß zu vielen Herausforde- rungen gab, ist jetzt zu «cner der populärsten Er scheinungen Wiens geworden. Eajetan schreibt darüber im Prager Tagblatt: Wien hat weder einen König, freilich «inen, der nicht in der Hofburg, sondern tm Ronajchertheater residiert. Seit Jahrzehnten, seit den Tagen LnegerS und SchuhmayerS, war in Wien kein Mensch so populär, wie der merkwürdige Cisrnkönig Sigmond Breitbart, der nun seit Wochen schon Phantasie und Interesse Wiens gefangen hält. Dieser zierliche Riese, der allabendlich vor einem gedrängten Par terre Eisenstangen wie Rohrstaberln bärgt und Ketten wie Nüsse knockt, hat's den Wienern ange tan. Seit jener denkwürdigen Schlacht im Ronacher- thcaker, da zum erstenmal einige Skeptiker di« Echt heit von Breikbarts Experimenten anzuzwelfe'n ge wagt batten uild a scht nu von ihm, sondern auch von den Fäusten seiner Bewunderer eines Besseren be lehrt wurden, seit diesem Tage scheint «S in Wien überhaupt nur mehr eine große Partei zu gebe«, die Partei Breilbarts, die alle bisherigen Gliederungen und Gegensätze der Stadt über den Hausen geworfen hat. Die kleine Partei von Skeptikern, di« anfangs allerlei unzufriedene Elemnte vereinigte, abgebaute UniversitätSprosessoren, zurückgesetzte Schriftsteller, durchgefallene NationalratSkandidaten, die aus diesem Wege als Opposition zur Geltung kommen wollten, kommt heut« kaum mehr in Betracht. Die Breit- bartiancr sind in so großer Ueberzahl, -aß die Oppo sition sich nicht mehr hervorwagt. Auw die alten Scheidungen der Menschen, Iud und Christ, Mon- archist und Sozialist hören allmählich auf: die offene Parteinahme der «Relhspost" für Breilbart und die Forderung deS Präsidenke« der christlichen FallstkämpferverelndMng, dir Kommune Wien möge Breitbart daS Ehrenvürgerrecht verleihen, diese zwei Tatsachen zeigen daß der Antisemitismus vor jüdischen Muskeln nicht standhält: er war, wie man -em Leitartikel des Ringer, einem Organ der Faust kämpfer, entnimmt, stets nur eine Abwehr der unan- genehmen Intellektuellen, die sich meist durch ein Plus an Gohirn und Nase auszeichnen, aber senkt vor Breitbarts Muskeln den streitbare Degen und nimmt den geschmekdlyen Athleten aus dem Osten willig auf. Sigmund Breitbart entstammt nämlich einer allen jüdischen Schmiedemeistersfamilte auS Lod»: sein Vater volltübrt, wie die eben erschienene auSsüi'^rliche Lebensbeschreibung deS populärsten Mannes erzählt, heute noch tn der Schmiedewerk. stäkke bewundernswerte Kraftleistungen als tägliches Metier, biegt Hufeisen mit der Hand zurecht, bricht Eisenstangen entzwei und hebt ein ausgewachsenes Roß, als ob es ein Spielzeug wäre. Breilbark selbst berichtet, er habe schon als Junge unnatürliche Kräfte besessen. Der wohlgewachsene sympathisch« A-Hlet sprickk von sich, als ob er sich selbst ein Rätsel wäre: er ist tn seinen gewöhnlichen Bewegungen zu einem Minimum an Muskelauffang verurteilt und gewisser, »naßen ein Gefangener seiner ungeheuren Kräfte. Dabei wirkt -er Kontrast zwischen seinem Wesen und seiner Muskelkraft ganz egenSLmlich: er ist sehr zart, undrutal und liebenswürdig. Wenn er abendS vor der Vorstellung bei Ronacher tn feinem Mer- cvdeswagen vorsährt, wird er alltäglich von einer Rieseirmenge erwartet, darunter sehr viele Framen und Jünglinge, aber auch zahlreiche Bettler, die mit dem Namen deS Eisenkönigs Vorstellungen phantasti schen Reichtums verbinde»». Selk der Soiree bet Rothschild, bei der Drell- bart als Gast seine Künste zeigte, ist er unter de« Armen der Leopoldstadt erst recht als ein wahrer König bekannt. Breitbart kommt nie. ohne ansehn liche Summen unter dl« harrenden Bettler rn ver teilen. Darnach ist der Enthusiasmus der Straß« verständlich. Der Menge haben immer zwei Eigenschaften am besten gefallen: Kraft und Frei- gedigkeit. Frauen geraten in Entzücken beim An- blick einer Kraft, die sich in einem graziösen Körper verbirgt. .Nur einen Tag möchte ich der Breit bart fein", sagte neulich ein junger Bursch bet Breikbarts Empfang. .Herr Gott, wie bi« Wat schen fliegen täten!" Der Wiener ist im allgemein«» nicht grob, ab'r rauflustig und hat einen große« Respekt vor Muskeln. Erst jetzt, da sich Wien um Breitbart schart, wird allgemein bekannt, wie viel« Athlekenvereine die Stadt aufweist: der .starke Mann' ist daS Ideal der Wiener Peripherie, und jeder Bezirk, jedes VorstadkcafS hat viele Exem- p^are von Riesen, b e der Menge bekannter sind, als die populärsten Namen deS ersten Bezirkes. DreiSbart. dem sichtbarsten Symbol dieser West, auffasiung, ist eS gelungen, das wirkliche Gesicht ber Wiener Menge zu entschleiern. Als neulich Graf Ezernin in einer Dezicksversammlung von Mussolini und den starken Männern sprach, dl« daS Volk herbeisehne, rief ihm eine Stimm« entgegen: .Wir brauchen Kan' Mussolini, wir hab'n den Breitbart!" Der volkslrem.be Aristokrat war humorvoll genug, den Zwischenruf aulzufangen, aber der stark besetzte Saal bewies, daß Wien -em Zwischenrufer recht gibt. Ich komme nun zu der Mörderin in deinem herr lich:« Film. Dah eine Nähnadel zu ihrer Enk- larvung führt, halt« ich für eln«n feinen psycholo gischen Zug. EiSkalt betrachtet daS unsympathisch« Weib ihr am Boden hingesireckkeS Opfer. Plötzlich bemerkt sie, -aß dem Ermordeten an seiner West« ein Knopf fehlt. Da erwacht -er weibliche Instinkt tn ihr, blitzschnell zückt sie Nähzeug und Nadel und näht der Leiche den fehlenden Westenknopf an. ES ist ergreifend, daß gerade dieser menschenfreundliche Zug ihr später zum Verhängnis wird. Lege eS nicht als leere Neugier auS. wenn ich dich frage: Nehmen Mörderinnen immer Nähzeug mit? Und haben sie immer gerade den Knopf bei sich, der ihrem Opfer an ber Weste fehlt? Aber daS macht nichts. DaS merkt daS Publikum nicht. DieS wären fo einige Kleinigkeiten, di« mir beim ersten, flücbtioen Lesen deines prachtvollen FllmS auffielen. Soll ich mein Urteil kurz zulammenfassen, so möchtr ich meinen: dein eigenartiger, vortreff, sicher, herrlicher, hervorragender, prachtvoller Film ist — daS kann ick ohne Neid sagen — ein geradezu kap't-ler Bockmist. Aber das macht nichts. DaS merkt das Publikum nicht. Vas deutsche Schauspfelerparlament in Leipzig Die Vertrekerversammkung der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehörige» wird ihre diesjährige Tagung la der Zelt vom 21.—24. März in Leipzig abhalten. Abgesehen von -er IubiläumSvsrsamm- lang t« Frankfurt a. M. (GründungSort), anläßlich de« 50jährige» Bestehen« der Genossenschaft, ist «S da« erst« Mal, dah da« Schausptelerparlament außer halb Berlin« tagt. Karl-Kraus-Pre«'««. Aus Wie» wirb ge meldet: Der Versuch -er »Neuen Wiener Bühne", Kart Kraus' G»Uog zu den »Letzten Lagen ber Menschheit". „Dl, letzt« Nacht" auf d«r Bühne z« gestalte», hat das unerwartet« Schicksal aehabt. in der Generalprob« Sonnabend nachts und v«i -er Premier« am letzten Sonntag att Sensation mtt großem Beifall ausgenommen za werde«. Es war nicht leicht, dieses g««ia1e Pumphlet -«gen -«« Krieg und die kriegSbegeistert« Geste dramatisch lebendig zu machen. DaS Experiment ist aber dar stellerisch wie technisch vollkommen geglückt. Den Beifall deS Parterre« quittierte zuerst Regisseur Wimmer mit dem Satze, er danke im Namen der Mitwirkenden. Danach erschien aber Karl KrauS selbst und bankte noch etwa jünfzehnmai für die Ovationen deS Publikums. Hugo Witlmann tz. Hugo Wittman«, der durch Jahrzehnte einer der hervorragendsten Feuilletonisten und seit dem Tode seines Freundes Ludwig Speidel ber Burgtheaterkritiker der Neuen Freien Presse gewesen ist, ist tm 84. Lebensjahre gestor- den. Auch al« Lustspirldlchter hat sich Hugo Witt man« hervorgetan. Mit Theodor Hartleden schrieb er da« oft aufgesübrle Lustspiel „Die Dame in Schwarz" und die Wilddiebe. Mit Julius Bauer den „Armen Jonathan" und „Die Sieben Schwaben." Diskreter Fragebogen über bas «helich« Glück. Frau Dr. Katharina DavtS vom New Park« Institut für soziale Hygiene hat «S sich angelegen sein lasten, ihre Forschungen auch auf da« Gebiet der Ehe auszudehnen. Za diesem Zweck hat sie «inen „diskreten Frogedogan" an eine große Zahl verheirateter Frauen mit der Bitte übersandt, tn Beantwortung ber Frag« freimütig unter Angabe der Gründe zu «rk ären, ob fl« sich tn -er Ehe glücklich oder unglücklich fühlen, und ob sie tn ihrer Mädchenzeit bereit« ein« Liebelei gehabt hätten. Rund 1000 Fraueo, von denen 60 Prozent den gebildeten Kreisen angehören, Haden den Frage bogen beantwortet, 872 bekannten sich ohne Eia- fchlänkuna al« glücklich, während NS erklärten, datz sie sich meyr oder weniger unglücklich fühle», 20 Proz. der gefragten Frauen hatten -eine Kinder, aber nur vier von ihnen machte« für ihr Unglück in -« Ehe die Kinderlosigkeit verantwortUch. Vierzehn maßen di« Schuld an ihrem Unglück wirtschastUcheu Verhältnisse» bei, schoben ft« auf Krankh«tt«n, die st« stch tn -er Ehe aus Unkenntnis dar mit der Er füllung -« eheliche» Pflicht«« verbanden«»» Unzu- trüzUchkette» «worbe» hatten. Was da» „Flirt" an betrifft, so bekannt«» -72 von den 1000 Frauen, datz st» tn ihrer Mädch«nzelt diesem 1» mehr »-« wenig« staik«» Grad« gehuldigt Hütten. Trotz diese« Bekenntnisse» ist Fra» Dr. DavtS mit dem praktisch«» ErgedatS ihr« Untersuchungen nicht zufrieden. Un beschadet de« statistischen Material« hält st« an -« Ueberz«»g,n- fest, -atz -a« eheliche Glück »an -re» Grundelemenken abhängt: Der Vorstellung beS Gotten vom Glück, ber Vorstellung, die er sich von der Frau macht, vnd das Maß, tn dem dieje beiden Vorstel lungen stch harmonisch zusammenfinden. Druckfehler«Berich Nguag. In unser« gestrige» Bücherscha» Ist das Referat üder die NevauSgada -er gesammelten Werk» Boccaccio« (tm Verlag» Müller L Lo., Potsdam) durch einig« Lruckfrhi« entstell. Es ist von ^Origtnalordaange» und Rätselzeichnungen" Lodwig KainerS anstatt von Orlaiaalradieruaoen und Rötdelzeichnongen di« Red«. ... I» -am Aussatz „Büch« d« Kunst" ist versahenlltch -er Nam« -es Verfassers Dr. M«rL» Wl»kl»r fortg«-Ueda», Zleischertirade . Don e. X. KoottlnzttoN .So, sunger Mann — ein Viertel Speck! . .. Frau Kommerzienrat? ... Bedaure: die Lung» iS unS ausjegangen!... Vielleicht waS anderes?... Tja. dle Politik! Die Franzosen» Immer mehr Leut« fchicken sie uns ins Ruhrgebiet! Noch und noch! . . . Gestern sind wieder zehn ganz« Schwein« reingekommen, Herr Doktor! Eine Karbonade? Sofort! . . . Tja, was sollen »vir mit den Franzosen machen? .. . Soll lch sie Ihne» gleich «ln wenig breitschlagea, Herr Doktor, die Koteletts? Di« wollen uns piojackeu. bi« nischt mehr übrig bleibt, al« ein halbes Pfund Knochen, meine Dam«? Jawoll! . . . Gewitz jibt bet ne schöne Suppe, meine Dame! Der Polngkareh kommt mir immer vor wl« — — eia Viertel Gehackte« für die Frau Baumeister? Tja — kleene SticHchen sind nich jretzer, junge Frau! . . . Der Lloyd George iS ja no ooch jesongen wovden... Ist «tujewickelt, gnädije Frau? Ieht'S so? . . . Und der Herr Benesch tu Prag — -aS Stickchen je- ick Ihnen jratts za! .. . Na und wa« sage» S>« zu di« Hitlerschen Hakeickreozler tu München? .. . Wir Ham noch jenlejead Ochsen da. Sie brauchen Ihne» »ich »ff^lresea. jnüdije Frau! Dl« Versorgung ts »ich jefährdet! . .. Tja, und « Mem «ll ... Ne«, Frau Doktor — da KL»»' wa »Ischl von ab trenn«» ..."
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