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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.02.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192302010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230201
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-02
- Tag 1923-02-01
-
Monat
1923-02
-
Jahr
1923
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^ttt^ LrütlLL^iü^Ll^un^ — ... - — - .,NM. 's.» Widerstand gegen den Belagerungszustand Eigener Dra h, brr ich tdrS Leipzig er Tageblattes «ZNLlhcim, 31. Januar. Der gestern tu Greift getretene verschärfte Be- lagerungs zustand, der übrigens, wie In Düsseldorf ausdrücklich erklärt wird, nur für das »eubefctzte Gebiet mit. begegnet in Ruhrorl großcm Wider stand. An Bochum und Oberbauicn erklärten die Gewerkschaften, dab sie Ler Verordnung nicht Folge leisten würden, und die Polizei steht auf dem Standpunkt, dost es unmöglich sei, jemanden festzunehmen. der zwischen 10 Uhr abends und 6 Uhr morgens auf der Straße aetrofsen wird, weil Tau leiche von Bergleuten nachts zur Schicht gehen mühten. Man ist daher beim General Degoutte vorstellig geworden und erwartet sehr bald eine Min derung dieser Borschrift. Der Eisenbahnverkehr im Ruhrbezirk wir- immer schwieriaer. Die Franzosen haben gestern nachmittag die Eisenbahndirektion Essen vollständig beseht. Die Linie Duisburg. Oberhausen, Reckling hausen, Buer, Li« den Nordteil des neubesetsten Gebietes durchquert, ist französisch militarisiert. Hier haben die deutschen Arbeiter besehlsqeinäß alle Anlagen verlassen. Die Franzosen haben sich in ver schiedenen Orten nicht damit beqnüqt, die Eisen bahner aus den Betrieben und Anlagen zu jagen, sondern sie haben auch die Beamlcnwohnurigen be schlagnahmt und die Familien -er Beamten hinaus- geworfen. Der Ehef der französischen Feldeisen bahn will, wie von maßgebender Seite erklärt wird, versucht haben, erneut mit den Cisenbahngewerk- schatten in Verbindung zu treten, und er soll den Eisenbahnern vollkommene Handlungsfreiheit zu gesichert haben, wenn sie die französische Arbeit nicht weiter behindern. In diesem Falle würde ihnen di« Versorgung mit Lebensmitteln verbärgt. Die Verpflegung deS Bezirks macht natürlich sehr große Schwierigkeiten. Auf einer Besprechung der Leiter der Konsumverein« im Essener Rathaus« i-st gestern erklärt worden, dak die groben Konsum vereine und die Konsumanstalten der Zechen für drei Wochen Lebensmittel für ihtL Mitglieder haben. Streik im Lmser 5lusfuhramt Ems, 31. Januar "" RegierungSrak Bertsch, der an Stelle deS OberregierungSrats Beyer die Leitung deS Ausfuhr- amls übernommen hatte, ist gestern verhaftet und auSgewiesen worden. Ferner sind oosgewiesen wonden Zollsekretär Bröse, Zollsekretär Schäler und Referent Wenderle. Sämtliche Angestell ten, etwa 600, habe» die Arbeit nieder gelegt. Alle wurden beim Verlosten des Amts genau untersucht; auch waren Maschinengewehre aufgesahren. Dine große Menschenmenge hatte sich In der Nähe des Ausfuhramts angesammelt und empfing die Angestellten mit stürmischem Beifall. Nur zwei weibliche Angestellte haben sich bereit er klärt, weilerzuarbeiten. Beschlagnahme von Privateigentum Etg euer Draht bericht deSLeivzigerTagcb la ttr» Duisburg, 31. Zanuar Gestern sind in "Duisburg zahlreiche Perso nen- und Lastautomobile vom Militär auf der Straße angehalten und beschlagnahmt worden. Acht erläßt die BesotzungSbehörde auch ein« Be kanntmachung, daß kein Automobil ohne besondere Genehmigung der Besaßungsbehörde Duisburg ver lassen darf. Es ist daher wohl mit einer weiteren Beschlagnahme von Kraftwagen zu rechnen. Wie französischerseils verlautet, sehen sich die BesatzungS- truppen zu diesem Vorgehen veranlaßt, weit es ihren Eisenbahntruppen immer noch nicht gelungen ist, auf den besetzten Eisenbahnlinien den Betrieb in Gang zu bringen, und well die Besatzungsbehörden ange sichts des Widerstandes des deutschen Eiisenbahnper- sonals für ihren Nachschub Schwierigkeiten be fürchten. Stinnes hat die Sachiieferungen aus dem be- Kanuten Abkommen mit Ludersac seit dem Einrücker, der Besahungstruppen i» -aS Ruhrgebiet emslellen laste». Der ursprüngliche plan gescheitert Paris, 31. Januar Dos Journal Industrielle glaubt di« ^Verzögerun gen in der völligen Abschnürung Les Ruhrgebiets damit erklären zu können, daß der ursprüng. liche Plan gescheitert sei. Es sei nicht zu leugnen, daß das Unternehmen bisher unter dem Mangel an Weitblick, Entschlossenheit und Energie gelitten Hai. Di« Regierung sollte sich bemühen, dieses Gefühl in der OeffenÜichkeit zu oeseitigrn; sie sollte es umsomehr, als eLn Lerarstges Empfinden nicht nur den Widerstand der Deutschen, sonder» auch einen gewissen, zunächst noch diskreten Wider stand Frankreichs selbst ermutigen würde. Nuhr-Uun-gebungen in Japan Hamburg, 31. Januar. Nach einem hier eingetrosfcnen Kabeltelegramm aus Tokio versuchten am 27. Januar Delegationen von über 30 japanischen Gewerkschoßen, vor der französischen Botschaft in Tokio gegen di« Besetzung des Ruhrgebteles zu demonstrieren. Die Ansammlungen wurden von der Polizei zerstreut. K Die holländische Presse ist fast einstimmig der Auffassung, daß das Vorgehen Frankreichs gegen das Ruhrgebiet unzweckmäßig gewesen ist. Selbst der deutschfeindlich« Telegraaf meint, Frankreich habe sich entschieden verrechnet, do es einen Streik Kommunistischer Parieitag (Schluß des Berichtes über den 2. Sitzungstag.) Wahrend des Berichtes der Frau Klara Zet kin über den 4. Kongreß der Kommunistischen Internationale in Moskau traf die Nachricht vom Rücktritt Ler sächsischen Regierung ein und löste einen minutenlangen stürmischen Beifall aus. Der Vorsitzende brachte ein Hoch auf de sächsischen Kommunisten aus, u» das die Verfcunm- lung stehend einstimmte. Klara Zetkin fuhr dann in ihrem Bericht fort: Di« Partei dürfe keine Sonderbildungen, weder rechts noch links, dulden. Die Rechtsgerichteten seien be reits abgestoßen; aber links bilde sich eine neue Gruppe, deren Gefahr gerade in der Unklarheit ihrer Zielsetzung bestände. Um das Ziel der Weltrevolution zu erreichen, müsse jeder einzelne von seiner Pflicht durchdrungen sein, sich mit ganzer Kraft für seine Auf- gaben einzusehen. Die Rednerin schloß mit den Wor ten: .Genug des Amboß-seins, seien wir Hämmert' (Stürmischer, lang anhaltender Beifall.) In der Debatte vertrat Ruth F > s ch e r - Berlin zum zweitenmal ihren scharf ausgeprägten Radikalis mus. Sie warf der Partei .Schaukelpolitik' und .Verjöhnungärummel' vor, erfuhr damit aber spöt tisch« Ablehnung. 3m Schlußwort bekämpfte Klara Zetkin sehr scharf Ruth Fischer und deren Ossensivthcorie. Be merkenswert ist das Geständnis der Rednerin, daß die Weltrevolution völlig ins Stocken gekommen sei. Ihre scharfen Angriffe gegen die Berliner Gruppe und namentlich gegen Ruth Fischer veranlaßt« diese zu einer persönlichen Bemerkung gegen Frau Zetkin. Schon hier erhob sich starker Lärm, un erregte Zwischenrufe ertönten. Schlimmer ober wurde es, als M a ß low-Berlin gegen die Ge schäftsführung Stolzenburgs Protest erhob und sich der zweite Vorsitzende Pieck mit Stolzenburg solidarisch erklärte. In minutenlangem Lärm ging alles Weitere ver loren. Die Abspaltung der Berliner wurde angedroht. Schließlich gelang es die erregten Gemüter etwas zu besänftigen, so daß die Sitzung lL9 Uhr (statt um 7 Uhr) geschlossen werden konnte. * Zu Beginn -es 3. SihungskageS fand zunächst di« Diskussion über Gewerkschaftsfragen statt. Sodann spricht Brandler über das Thema .Einheitsfront und Arbeiterregierung'. Er dringt in die unter -en monotonen Reden der ganz temperamentlosen Diskussionsredner immer lauer gewordene Stimmung neuen Schwung. Brandler führt aus: Der Sieg des Faschismus ist die größte Niederlage, di« das deutsche Proletariat erlitten hak; denn er ist Ler Sieg der Gegenrevolution. Die Sozialdemokraten Haden seit 1918 keine Arbeiter-, sondern vielmehr ängstliche Kleinbürgerpolitik ge trieben und so das Erbe einer öOjährdzen Arbeiter politik vergeudet. Alber auch di« Bourgeoisie bricht jetzt zusammen. Heute steht der Dollar auf 48 000 Mark; das bedeutet. Laß die kapita listische Wirtschaft sich nicht mehr halten kann. Die Ruhr Politik ist die Folge davon, daß sich 1918 die deutschen Volksbeauftragten dem Entente-Kapi talismus beugten. Die Regierung Rußlands ist d e einzüge, die sich durchsetzt; sie ist heute stärker als je. Darum muß das Proletariat heute— unter größeren Opfer» als vor vier Jahren — Anschluß an Rußland suchen. Nur die organisierte revolutionäre Arbeiter schaft kann aus der Sackgasse führen. Das gefähr liche ist, daß die heutige Not nicht als Unterdrückung durch die Großkapitalisten, sondern als solche durch die Entente, also national, empfunden wird. Nur Kampf auf allen Gebieten kann hier wirkungsvoll sein; das ist die Taktik der Einheitsfront, durch die di« Arbeiter gewonnen werden müssen. Einheitsfront ist Kampfkaktik. Ebenso wichtig ist aber die ideologische Seite. Man darf nicht die Augen verschließen vor dem ideologischem Momente auf der sozialdemokratischen Seit«. Sonst müßte man sich überhaupt in den G as- kastem sehen. Die demokratischen Illusionen haben noch sehr starke Wirkung; sie zu igiwrieren, wäre falsch. Di« opportunistischen Gefahren müssen be- kämpft werden; man darf ober auch nicht überall solche sehen wollen, das würde nur zur Zersplitterung der Partei führen. So darf das Zustandekommen der Arbeiterregierung nicht solange hinausgezögert worden, bis die Arbeiterschaft bewaffnet ist. Ebensowenig dürfen die Kommunisten die Herrschaft erst dann anlreteu, wena sie die Sozialdemokratie vernichtet hoben. In Sachsen ist jetzt di« Lage so, daß die Kom munisten bereit sein müssen, mit der VSPD. die Macht zn ergreifen, und zwar mit den Mitteln, die jetzt vorhanden sind. Einheitlich muß das Proletariat mobilisiert wer den, so daß es zu einer aktiven Arbeiter bewegung kommt. Die Autorität der Zentrale muß so gestärkt werden. Laß der einzelne ferne per sönliche Meinung der straffen Leitung unter allen Umständen unterordnet. Nur so hat die Einheits front Sinn. (Starker Beifall.) Als Korreferent spricht M a ß l o w - Berlin: Die Kommunisten weiden sich auf dem Parteitag streiten, draußen aber einig sein und die Bourgeoisie aufs Haupt schlagen. Aber die Pa riet hat jetzt keine alten populären Führer; diese muß sie sich erst schaffen. Das Bürgertum und die Sozialdemokratie sind heute wieder erstarkt. Anter den Faschisten stehen heute ehemalige Genossen, die sich enttäuscht fühlen. Das Wesen der Einheitsfront ist, daß die KPD. di« Massen in den Kampf führt; denn sie allein kann es. Einzeln« Sozialdemokraten mögen schon Kämpfen; aber zugestchen, daß die sozialdemokra tische Partei Kämpfen kann, heißt die KPD. liqui dieren. An allen Kämpfen haben die Kommu nisten mit aller Kraft teilgenommen. Die Sozial demokraten haben nicht nur nicht teilgenommen, sondern sogar von PutschismuS gesprochen. ES handelt sich nicht um die Diktatur des Proletariats, sondern nur darum, daß Ler Arbeiter etwas zu essen hat and nicht verreckt. Di« KPD. Hot in -er Rath ena ud r is e versagt. Dieses war nicht ein Aikeniat gegen den Minister, sondern gegen di« Arbeiter, statt den Arbeitern dieses sofort in einem Aufruf ktarzumachen, hat die Parteileitang ge schwiegen. Die württembergische Gruppe der KPD. yat sogar einen Aufruf erlassen .Für Demokratie und Freiheit'. (Zurufe.) Das soll kein Vorwarf sein, «ten-w das hätte überall passieren können. Demo kratie und Freiheit sind konterrevolutionäre Parolen. (Die Sitzung dauert fort.) Ski und Scham Von Vvl« vsisr» Wir waren auf einer Skitour draußen in -en Bergen. Vier Männer und das Mädel, von dein ich erzählen will. Ich muß bemerken, daß sie überhaupt nur halb ein Mädel war. Nur nach Geschlecht sozusagen, nach Denkungs art überhaupt nicht. Schon als Kind unter Buben ausgewachsen, später als Studentin un angehende Aerztin gebärdete sie sich vollends wie ein schneidiger, junger Mann und besaß, weiß Gott, nicht die Spur von .weiblicher Scheu' und Prüderie. An diesem Tage aber besonders gut gelaunt, trieb sie es toller als wir ÄNänner. Don früh an in Breeches und festen Gamaschen, tummelte sie sich im Schnee wie ein junger Hund, machte yöchst ausgelassene Witze, und hatte ihre größte Freude daran, wenn ihre schlanke Figur manche Frau für einen Moment täuschte. Als wird am Abend in die Stadt zurück kamen, kehrten wir zum Abendbrot m ein kleines Restaurant ein, wo wir fünf Burschen sofort unseren Glühwein bestellten. Da nahm Berta, so hieß der fünfte Bursche, aus ihrem Rucksack einen Ro« heraus (einen, der zmn Anknvpfen war) und knöpfte sich ihn um die Taille. .Wir sind -och in der Stadt,' sagte sie schmollend. .Es gibt doch nichts Blöderes, als diese Röcke. Wozu auch nur diese Fetzen noch. Ich fühle so einen Rock immer als lächer lichen und überflüssigen Plunder, als wenn ich mir ein« Kokarde angesteckt hätte.' Da beob achtete ich aber überrascht die Wandlung, die n dem Gesicht Bertas in diesem Moment vor ich ging, wie sie in diesem Moment aufgehört >at, ein Bursche unter Burschen zu sein. Der weiche Rock, der über ihre harten Waden fiel, veränderte den Ausdruck ihres Gesichtes, den Blick ihrer Augen, ihre Bewegungen, die ganze Atmosphäre um sie herum. Sie war plötzlich ein Weid gewowen. Ihre klugen, schwarzen Augen schaute» ändert alt etae Minute vor her, ihre schmalen Lippen lächelten anders als eine Minute vorher, und wir vier Burschen konnten nicht mehr ganz genau wissen, was Lächeln und Blick bedeuten. Wir waren am anderen Afer. Der Rock fiel vor ihre Beine wie ein Vorhang. .Ich glaube nicht, Berta, daß du -en Rock bloß als überflüssigen Plunder empfindest. Der Rock an dir scheint auch mehr als bloß ver hüttendes Gewand zu sein. Es ist das Ab zeichen eines Geheimbundes.' .Blödsinn,' lachte Berta; aber siehe, ihr Lachen klang auch nicht mchr so einfach, silber scharf, wie am Nachmittage, und als sie sich dann im Rock zu Tisch setzte, war sie in jeder Bewegung die Dame gepolsterter Salons. .Du glaubst, das ist Blödsinn? Also ich sag' dir elwas. Bitte, steh' auf.' Sie stand auf und stellte sich vor mich hin. .So, und was nun?' .Bitte, hebe deinen Rock auf.' .Was sott ich machen?" fragte sie betroffen und wurde ein wenig rot. .Wir haben -och alle vier den ganzen Tag die Hose gesehen, die darunter ist. Du verrätst gar kein Geheimnis.' Berta wurde ganz rot, biß sich etn wenig in die Lippen. .Dumme Ide«. Aber warum sollte ich es eigentlich nicht tun? Du glaubst natürlich, weil ich letzt einen Rock anhabe. Aber eine Minute vorhin stand ich noch in Hosen da!' Berta wurde ganz rot, beugte sich nieder, ergriff den Saum ihres Rockes und fing ihn an zu heben, langsam, als wenn sie einen Zentner stein heben mühte, und kam bis zu den Knien. Dann lieh sie ihn fallen. Berta stampfte mit dem Fuh. .Aber das ist -och lächerlichl' rief sie aus und bückte sich wieder. Tine Minute lang stand sie gebückt, ohne den Rock za heben, da richtete sie sich wieder auf. .Nein, jetzt geht es nicht mehr, sagte sie verwirrt. .Aber wonn du willst, kann ich -en Rock abknöpfeu.' .Das weiß ich, das würdest -u ohne weiteres tun. Las ist etwas ganz anderes. Das interessiert mich auch nicht. So, und jetzt komm', seh' dich zum Tisch und essen wir. Warum bist du so wütend, das »st doch keine Schande? Das ist halt so! Die Scham ist ein sehr sonderbares Ding. Du weißt ja, dah Modelle, die splitter nackt vor zwanzig jungen Leuten ruhig dastehen, hinter den Paravent gehen, um sich anzukleiden, und sich im Hemd nicht blicken lassen würden. Du kennst ja die mysteriöse Bedeutung der Farben. Wenn du beim Rodeln schwarze oder nur dunkelfarbige Hosen anhast, macht es dir gar nichts, wenn -er Rock fliegt. Hast du aber weiße Hosen an, dann wirst du sehr darauf be dacht sein, dah keiner sie sieht. Bei den Klei dern kommt es nämlich gar nicht auf ->as Ver hütten an, und nicht der nackte Körper ist es, -essen man sich schämt. Der Rock aber ist rin Fetisch und ein mysteriöses Symbol.'.,., ... Tanzabend Magdalene Schick. Wer mit -er Erwartung gekommen war, von diesem jugendlichen Mitglied Ler Budapester Oper Offenbarung«» eines naiven und urfprünolichen Kunstschaffens zu sehen» wurde enttäuscht. W>r verkennen die Vorteile, die der Drill des alten Balletts dem Tänzer verschafft, gewiß nicht (haben wir sie doch oft genug an den Russen bewundert), aber cs batte etwas Peinliches, zu beobachten, wie hier alles Natürlich« und Unbe wußte Lurch vorzeitige Routin« verdrängt war. Dl« Reichhaltigkeit LeS Programms und Gewandheft -er Ausführung konnten für die Armut der Erfindung und d«n Mangel an echter Leidenschaft nicht ent- schädiqen. Noch in den beiden interessantesten Stücken (Grotesk-Tanz und Sterbender Strom) lieh sich erkennen, daß hier nicht musikalisch-rhythmisches Empfinden, sondern «in frühreifer Intellekt am Werke ist. Meister der Einbandkuust. In der Deutschen Bücherei zu Leipzig wurde am 28. Januar 1923 unter reger Beteiligung von Meistern der Aandbindekunst ganz Deutschlands und Freunden LeS Buchgewerbes der Bund .Meister der Einband kunst' gegründet. In für doS gesamte Buchgewerbe der Arbeiter und Etfe-nbahnbeamle» nicht für mög lich hielt. Tschechische Nüstungen Dr. Benesch, der Außenminister der tschecho slowakischen Republik, hat kürzich einer Abordnung des Bundes der Landwirte erklärt, dah die Regie rung keinen Anlaß hab«, dm Gedanken einer Mobilisierung aus Anlaß der jüngsten Ereignisse in den Bereich politischer und diplomatischer Ec- wägungen zu ziehen. Hierzu bemerkt die Zittauer Morgenzeitung, die dank ihrer Nachbarschaft zur Tschechoslowakei dort besondere Informationsquellen zu haben scheint: .Herr Benesch stellt zwar die Ab sicht einer militärischen Mobilisierung energisch in Abrede, aber wir wissen bestimmt, daß den Zeitungen in der Tschechoslowakei, die sich ja immer noch der Aufsicht einer mittelalterlichen Zensur erfreuen, bereits Anweisungen zugrgangen sind, alle in der nächsten Zett etwa bekannt werdenden Tatsachen über ein« wirtschaftliche Mobilmachung zu unterdrücken. Nach alten Erfahrungen zeigt eine solche Verfügung an, daß die in ihr erwähnten Maßnahmen ins Auge gefaßt sind, uird beweist somit, daß man in -er Tschechoslowakei immerhin allerhand Vorbereitungen in Erwägung zieht, um sür allsallsige Gelegenheiten gerüstet zu sein... Nimmt man dazu die weitere Tatsache, daß nach zuverlässig n Informationen die sächsischen Grenzzeviele seit einiger Zeit von tschechoslowakischen Spitzeln förmlich überschwemmt sind, die mit dienstlichen Ausweisen die Grenze überschreiten, so e_- gibt sich das getreue Bild eines mit höchster Ver schlagenheit arbeitenden Systems.' Die Reform des Rechtswesenr Berlin, 3K Januar. Im HauptauSschuh des Reichstages gab dec ReichSjustiMüuster Heinze ein« Uebersicht über den Stand der Arbeiten in seinem Ressort. Es se« bedauerlich^ so führte er auS, daß die Rechts- und Kultursragen angesichts der großen politischen Fra gen zurücktret«» müssen. Di« Iusiizgesetze dürften keine GelcgenheitSgesetzr sein, sie würde» eS aber, wenn man sie auf die außergewöhnlichen Verhält nisse zufchneide. ES müsse zugegeben werden, daß der Zivilprozeß zu langsam arbeite; daS habe «in Äbstreben zu Schiedsgerichten zur Folge. Das Güteverifahren muss« ausgedehnt werden. Der Ge setzentwurf über die Zuständigkeit LeS Reichsgerichts und L«r Amtsgerichte sei ausgearbeitet. Die Land gerichte unid Oberlandesgerichte solle man ober nicht entvölkern. Eine Novell« zur Strafprozeß ordnung befinde sich bereits beim ReichSrat. DaS Strafvollzugs!echt könne nur gemeinsam mit dein Strafgesetzbuch, das jetzt neu auSgearbeitet >m ReichS- kabinet lloge, bearbeitet werben. Di« Verhandlung«» mit den Ländern über «inen gemeinsamen Straf vollzug für daS ganze Reich ständen vor dem Ab schluß' DaS AuÄiefernngSgesetz liege den Länder» zur Begutachtung vor. Di« Reform LeS Bür gerlichen Gesetzbuches sei noch nicht zum Abschluß gelangt, weil das Arbeitsrecht besonders geregelt werden soll«. Der Gesetzentwurf betreffend uneheliche Kinder wär« »och nicht zum Abschluß ge kommen. Eine Reform deS Ehefcherdungs-rechtä sei nötig, doch müsse di« Frag« bei des, getreustes Äo- sichte» schonend behandelt werde». Der schwedische Gesandte tu Berk» Freiherr Esse» ist im Alte-, von 50 Jahren t« der vev- gangen en Pacht »ach täugexe, HkoqßchM st»* storbei^ Wege» Mangels an Kohle find <a» Dterrstzrg tz» Keht der Pariser Orteatezorek »wd Ler Schwellzug Paris—Prag deukfcherseitS »af? gehalten worden. Aach Patts tpupd» daoqy Mitteilung gemacht. * < Za -em gegenüber vier Beamte« -er Hombonrer Schutzpolizei wegen Ermordung deS Leutnants Graff ausgesprochenen Todesurteil deS belgisch«» Militärgerichts in Aachen verlautet von zu ständiger Seite, daß die Reichsregtcrung alles dm wird, um noch Möglichkeit einen Justizmord zu ver hindern and die wahre» Schuldig«» der Strafe zu- zuführen. schwierigen Verhältnissen will der Bund die gegen wärtig hochentwickelte» Leistungen der Hand- btndekunst in ihrer Höhe zu erhalten suchen und einem zu befürchtenden Rückgänge Vorbeugen. Durch Ausstellungen sollen Arbeiten einzelner Mei- ster des edlen Handwerkes, die »m stillen schaffen, einem breiteren Publikum dekanntgemajcht werden, durch gute fachliche Erziehung ein möglichst ge diegener Nachwuchs gewährleistet werden. Auf be sonders gute und gedeihliche Zusammenarbeit mit allen Beteiligten deS Buchgewerbes, vor ollem mit den Bo chkü nst l er a, wird der Bund arößten Wett lege». Als ordentliche Mitglieder können persönlich« Meister un- Handbindewerk- stätten. als Förderer alle Freund« deS Buchgewerbes ausgenommen werden. Zum Alterspräsidenten wurde Paul Adam (Düsseldorf), zum 1. Vorsitzenden HanS Dannhorn (Leipzig), zum L. Vorsitzenden Franz Weiße (Hamburg) gewählt. Helurtch Lerch las tu der Alte» Börse Verse von Spitteler, Werfel und Kasack. So wenig wie das Programm vnt«r einem Gesichtspunkt konzen triert war, hatte der Vortragende di« Mittel der Vorlvagskunst einer einheitlichen Wirkung ange messen: über der lleberbetonung einzelner Worte versäumte er, den Sinn der Sätze und ganzen Ge dichte fühlbar zu machen. Neben dem Geist dieser dilettantischen Deklamation erfreute sich der Vor tragende, in Gulturalien und dialektisch befangen, deS naiven Mutes, so der stimmlichen Technik bar vor ein Publikum zu treten; welche Kühnheit daä Publikum mit Applaus belohnte. O. K. ES gibt ein Reich . . . Air Absetzung de« .Car men' vom Spietplcrn deS .Deutschen Opernhauses' in Berlin bemvrkt die Wcltbühu«: .ES gibt ein Reich, «S muß ein Re-ich geben, wo Geldfragen un gar Geldfragen .auf nationaler Grundlage' kein« Rolle spielen. Und tu diesem Reich ist .Carmen' Königin.' Vom Reichsadler, der kr dem gestrigen Referat Über GebraochSgraphlk erwähnt war, sollte eS heißen, daß er durch Sigmond von Weech eine etwas klassizistisch« Würde «r-alten habe — daS ist ungefähr -aS Gegenteil von .rundlich'. Außerdem war (im folgenden Absatz) gemeint. daß jede Att von Geschmackskuttor sich auszasprechen vermag.
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