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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.03.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-03-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192403298
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19240329
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19240329
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-03
- Tag 1924-03-29
-
Monat
1924-03
-
Jahr
1924
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Sette 3 Loaaedeack, 6« SS. Litt, Dr. Ieigner in eigener Sache Urteilsverkündung Sonnabend mittag ^2 Uhr yl. u Leipzig, 28. März. Zu Beginn der Verhandlung am Freirag erhält der Angeklagte Dr. Zeigner das Wort. In etwa ll-stündiger Rede führt er aus: Meine Herren! Ich möchte zuerst auf die Frage antworten, die der Oberstaatsanwalt bei seiner Replik aufgeworfen hat und die meine gegen- wprtigen Einkünfte betrifft. Ich bin am 2. November zum Landgerichtsdirektor er nannt worden und befinde mich auch heute noch tu der Klasse 12, Sttrfc 1. Die Höhe der Bezüge ist mir nicht gegenwärtig. Ich bin noch meiner Verhaftung meines Amte« enthoben worden und beziehe seitdem die Hälfte meines Gehalts. Außerdem beziehe ich die übliche, für einen Minister, der ans einer Beamten stellung .kommt, vorgeschri'bene Minister pension. Eie beträgt zurzeit 4920 Mark jährlich. Jur Sache selbst möchte ich kurz Nachträgen, was meiner Auffassung nach in den Plädoyers nicht be rücksichtigt worden ist. Im Fall Trommel ist non dem Oberstaatsanwalt geltend gemacht worden, es sei so, daß Gnadcnakte, welche mir vorgelegt wur den, ohne Sachakten vorgelegt worden seien. Dem gegenüber kann ich fcststcllcn, daß dies stets von dem Stand der Sache obhängig war. Beim schriftlichen Vortrag wurden mir die Akten mit vorgelegt. Auf meinem Aktenpult in meinem Zimmer haben oft großeStöße von Akten gelegen. Ob sich unter ihnen gerade die Sachakten zum Fall Tro mm er befauden. bei dem die Akten zur Ab fertigung dem zuständigen Dezernenten des Mini steriums vorgelegt morden sind, weiß ich nicht. Es wäre dies wohl möglich. Würde sich dieses feststcllen lassen, so mußten auch dir Gnadrnakten beim Mini sterium gelegen haben. Haben sie sich aber dort be funden, dann können sie niemals mir vorgelegt wor den sein. Im Fall . Schmerler hat die Anklogebehörde die Auffassung vertreten, meine Verfehlung habe darin bestanden, daß ich Mitte Mai mit dem damaligen Hilfsreferenten Dr. Thier bach über die Sache gesprochen hätte und mit ge wissen Maßnahmen einverstanden gewesen wäre. Darin erblickt ihrerseits die Anklogebehörde eine Amtshandlung, die unter 8 -ll fasten soll. Zn der Hauptverhandlnng hat die Anklagebehörde ihren Standpunkt korrigiert. Sie legt nunmehr das Haupt gewicht auf das Tetep Hongespräch zwischen dem Minister des Innern und mir. Eie meint, in diesem Telephongespräch habe eine Instruk tion gelegen, die ich seinerzeit dem Ministerium des Innerm auf Grund des Artikels 20 der sächsischen Verfassung, Absatz 1, gegeben habe. Da hätte ich auf Grund eines vermeintlichen Aufsichtsrechts dieses für den einzelnen Fall angewiesen, die Richtlinien für die Politik, die ich seinerzeit zu bestimmen hatte, auch in diesesm Fall zu beachten. Der dritte Standpunkt war dann der, der sich aus den Ausführungen des Staatsanwalts Haugk er gab, es komme nicht darauf an, ob eine Amtshand lung erfolgt sei, sondern ob damals eine Geschenk- an nähme vorgeschwcbt habe. Me drei Stand- vnnkte sind meiner Auffassung nach nicht geeignet, irgendwie eine Verurteilung zu ermöglichen. Denn das Entscheidende ist folgendes: Es kommt nicht darauf an, ob es au sich denkbar gewesen wäre, daß das, was ich vornehme, eine Amtshandlung dorstellt. Nach der ständigen Praxis der sächsischen Regierung war dies nicht denkbar. Sämtliche Beteiligte und Personen, di« im Falle Schmerler eine Rolle spielen (Schmctler selbst, der Angeklagte Möbius, Ministerialrat Dr. Becker, die Zeugen Lipinski und Genossen) haben bekundet: Was von mir erbeten wurde und was ich seinerzeit zugesagt habe, war nie- mals eine Amtshandlung, sondern lediglich eine Be fürwortung eines Gesuches. Das ist das Maßgebende. Es ist durchaus irrelevant, ob etwa in der Zeit nach dem Ostermontag Herr Schmerler oder eine ander« Person der Auffassung gewesen wäre, Dr. Ieigner könnt« an sich in dieser Sache ein« amt liche Handlung vorgenommen haben. Das ist schon deshalb abwegig, weil Herr Schmerler sich nienrals über die Kompetenzen, die dem üstinister des Inneren noch Artikel 2S zustehen konnten, den Kopf zerbrochen haben wird. Der Mann hat die Verfass ungs- urkunde niemalsin den Händen gehabt, wie hunderttausend andere auch. Ich sah den Pelz am zweiten Ostcrfeicrtag, das war am 2. April. Am 4. April trat der neue Mi nister des Innern sein Amt an. Der 3. April war auch noch Feiertag. Ich kann irgendeine Amtshand- lung an diesem Tage gar nicht vorgenommen haben. Am 4. April früh führte ich den neuen Minister ein. Wann wollte ich da Amtshandlungen als derzeitiger Minister des Innern vornehmen? Und das etwa später in irgendeinem Stadium von mir als stellver» tretender Minister des Innern irgend etwas unter nommen worden wäre, dafür hat sich in der Haupt verhandlung kein Anhaltspunkt ergeben. Meine Frau hat, soviel ich unterrichtet bin, überhaupt nicht gewußt, was es mit dem Herrn Schmerler sür eine Bewandtnis hat. Sie hatte keine Ahnung davon, daß Herr Schmerler ein derartige« Gesuch laufen hatte. Die Situation war so: Ich hatte mich an einen Schulfreund Wiborsky gewandt, damit er mir für den Einkaufspreis, den er zu zahlen hatte, einen Pelz besorge. Ich war dann an irgendeinem Tage mit einem Angestellten meines Freundes in Leipziger Geschäften, nm mir Futter auszusuchcn. Zu jener Zeit habe ich vier Ministerien verwaltet. Ich bin in vier verschiedenen Amtszimmern gleichzeitig tätg gewesen. Da habe ich selbstverständlich gar nicht die Zeit gehabt, mich darum zu kümmern, ob sich irgend jemand, wie hundert andere, mit einer Privatangelegenheit an mich gewandt habe. Nicht nur als Minister, sondern auch in meiner Eigenschaft als Abgeordneter bin ich viel von privaten Leuten in Anspruch genommen worden. Ich möchte sagen, daß mich kein Fall so hat er bittern können, wie der Fall Tromm er. Was sind denn die Argumente der Staatsanwaltschaft! Das wichtigste Argument, das ich zu meiner Dertei- diaung anführte, und wofür ich Zeugen benannte, ist nicht berücksichtigt worden. Dos Gericht hat die Zeugen nicht vernehmen lassen, weil es die Beweis hauptung als wahr unterstellte. Sie wurde abgefertigt mit einer Geste, indem man sagte, das Gespräch, von welchem ich den Reichstagsabgcordnc- ten Meyer Kenntnis gegeben hätte, sei eine Maske gewesen. Denkbar ist so etwas. Aber es trifft nicht zu. Der. Beamte", den ich im Verdacht hatte, daß er Gnadcnsachen unsicher behandelt, Hot mich dreimal beschäftigt. * Ich will beweise», durch Zeugen und durch Benennung des Beamten selbst, daß diesem Be amten schließlich verboten worden ist, sich mit Gnadeusachen zu beschäftigen. Ich habe mich nicht gescheut, die Beamtenschaft ge wissermaßen bloßzustellen und die Wachmcister än- znweisen, diesem Beamten keine Gnadenakten mehr vorzulcgen und keine Personen, die wegen Gnaden- gesucheu vorsprcchen, zu ihm zu führen. Wäre es nicht eine Schuftigkeit von mir gewesen, wenn ich eine Person, mit der ich politische Verbindungen hatte, als den denkbaren Macher bezeichnete. (Mit tränenersticktcr Stimme): Ich bin der Auffassung, daß man mir auch bei oller Schärfe, die man bei der Beurteilung der Anklage walten läßt, etwas gerecht werden muß. ' Dann wird mir vorgeworseu, daß ich keine Anzeige erstattet Hütte. Ja, wen» ich de« Brief Trommers bekanu»gegeben Hütte, dann wäre die Sache mit Möbius zurExptoftou gekommen und di« Milttürsache wäre bekannt geworden. Daß ich de» Trommers che» Dries spöter verbräunte, da» darf mir doch nicht vorgeworfen werden. Ich habe manchen Tag über 4« Briefe bekommen. Daß eine. Tage» diese Priese, die zum größten Teil wegen ihres Tone» gar nicht in die Akten kommen konnten, ncr- nichtet werden mußten, ist doch selbstverständlich. Und daß dann schließlich mit diese» Briefen auch eiy Brief vernichtet worden ist, der vielleicht besser aüsbewahrt worden wäre, daraus bars man mir beim besten Willen keinen Strick drehen. Im Falle Friedrichfen und priborsfi unterstellt die Staatsanwaltschaft, daß ich Schmuck sachen und Geld Möbius mit dem Auftrage llber- geben habe, dies« Sachen den Eigentümern wieder zuzustellcn, und zwar nach wenigen Tagen. Und trotz dem hält der Oberstaatsanwalt di« Anklage aufrecht. Der Oberstaatsanwalt hat in der Replik gesagt: statt die Sachen sofort am nächsten Tage mit der Post zurückzngeben oder durch eine zuverlässige Person zuzustellen, die später als Zeuge hätte auftretcn - können, hätte ich mir am nächsten Tage die Akten Vorlagen lassen. Wo ist das einmal gesagt worden? Als weiteres Argument gegen mich wird daraus hingewicsen, daß ich meine Wirtin hercingerufen und nicht gesagt hätte: .Sehen Sie diese Unverschämtheit, man hat mir Dinge ins Haus gebracht und will mich bestechen." Statt dessen soll ich mich erkundigt haben, cvas die Wirtin bei dem Besinh von Friedrichfen und Möbius beobachtet habe. Es ist möglich, datz ein anderer Mensch anders als ich so gehandelt hätte. Aber ist das ein Beweis dafür, daß ich diese Gegen stände auch nur einen Airgenblick hätte behalten wollen. Ich bitte zu bedenken, was der Sachver ständige Dr. Schütz hier gesagt hat. (Weinend): Mir ist ein Gutachten nicht lieb. Mir ist nicht lieb, hier in öffentlicher Verhand lung zu hören, datz ich ein Psychopath sei, datz man sagt, dieser Mann sei niemals eine Persön lichkeit gewesen. Dr. Schütz hat ausgesagt: Bei alle» Handluugen seheu wir bei Dr. Zeiguer eine gewisse Aengstlichkett, die seiner Veran lagung entspricht. Wenn ich dies« Aengstlichkeit bei mir al» richtig unterstell« und au» dem Ge fühl heraus, meine Wirtin könnte mich kompro mittieren, es unterließ, ihr meine Empörung über die zurückgelassenen Geschenke auszudrücken, ist dann die« al« ein Beweis z« verwenden? Weiter wird von der Anklagebehördc gesagt, ich sei ruhig gewesen, als ich erfahren hätte, die Frau hätte nichts von dem Schmuck gesehen. Ich bin gar nicht beruhigt gewesen. Nichts rechtfertigt diese Be hauptung. Der Oberstaatsanwalt sagt weiter, nicht mal einen Brief an Priborsky hat Zeigner geschrieben. Ich gebe zu, ein solcher Brief an Friedrichfen und Priborsky wäre denkbar. Aber auch tu dieser Be ziehung beruf« ich mich auf das an sich durchaus nicht angenehme Gutachten des Sachverständigen, der von mir sagt, daß Staturen wie ich nicht die Dinge bis zur äußersten Konsequenz verfolgen. Ich wünsche nur, daß das Gericht diesem Gesichtspunkt Rechnung trägt und sich sagt, wenn dem so einmal ist, dann hat es Zeigner sehr oft an der erforderlichen Zeit gefehlt, die Dinge so zu verfolgen. Im Falle Friedrichfen hoben wir in der Haupt verhandlung erlebt, daß nicht nur Möbius eine voll- ständig neu« Darstellung gegeben hat darüber, für wen Schmucksachen und Geld bestimmt gewesen seien, sondern auch Priborsky. Nun soll meine Frau dix beiden beeinflußt haben. Ich hotte zunächst die Ab- sicht, meine Frau als Zeugin vernehmen zu lassen. Aber es ist ja ganz undenkbar, daß meine Frau in dem Falle Friedrichfen. in der vom Staatsanwalt angenommenen Weise irgendwelchen Einfluß aus Möbius oder Priborsky genommen hätte. Was sollte mir dies auch nüssen! Der Umstand, ob Möbius die Sachen geschenkt erhalten hat oder nicht, ändert nichts an der Tatsache, daß der Schmuck in mein Zimmer gelegt worden war und keine Aussage von Möbius nnd Priborsky könnte an dieser Tatsache etwas ändern. Auch beim Fall Brandt muß ich mich aus die Psychologie von Zeugenaus- sagen berufen. Ich bin der Auffassung, daß alle Aussagen, di« hier über Vorgänge, di« nun über zwei Jahre zurücklieyen, erstattet worden find, mit größter Vorsicht ausgenommen werden müssen. Wer ist denn Brandt? Er ist ein alter Mann von 67 oder 68 Jahren, der am Grabe steht. Ein Mann, dem der Herr Vorsitzende bei der maßgebenden letzten Ver nehmung > in Probstheida so und so oft vorhalten mußte: Herr Brandt, bitt« halten Sie auseinander, was Sie beobachtet haben und was Sie folgern. Ich weiß au« eigener Erfahrung, ich habe vier Monate in der Zell« gesessen und muß di« äußerste Energie austvendcn, um dasjenige auseinandcrzuhalten, was ich weiß, von dem, was ich daraus folger« oder was ich gehört habe. Meine Herren, der Zeuge Brandt ist «in Mann, mit einer gewissen Bauernschlauhett. Aber wenn auch keine Animosität bei ihm besteht, so kann ich nicht zugebeu, daß seine Aussage» absolut exakt sind. Sie find nicht so exakt (der Angeklagte bricht in Schluchzen au»), daß man einen Menschen daraufhin zwei Jahre in» Zucht haus schicken kann. Brandt war zunächst der unrichtigen Auffassung, ich hätte schon 2000 Mark von ihm bekommen. Daraus erklärt sich der Ton, den der Zeuge angeschlagen bat. Später war er wieder der Auffassung, ich hätte nicht nur 5000 sondern auch die 22 006 bekommen, dann auch noch dos Mehl usw. Zwei Jahre lang hat dieser Zeuge so von mir gedacht, und dann hat sich Brandt zunächst vor dem Amtsrichter Böhme nnd später vor dem Untersuchungsrichter auf ganz be stimmte Dinge fcstgeleqt. Er legte sich auch fest gegenüber dem Zeugen Melzer. Da Hot er charakte- riftischerweise zwei Dinge behauptet, die sich später als unrichtig erwiesen. Der Mann täuscht sich noto risch, aber das nur deshalb, iveil er an sich kein klassischer Zeuge ist, der jedes Wort sorgfältig aus die Goldwaac zu legen imstande ist. Das zwingt zur Vorsicht in der Wertung seiner Anssage. Nament lich hier, wo cs sich um schwere Amtsvcrbrechcn handeln soll, wo es um die Vernichtung der Existenz eines Menschen gehl (weinend), da muß man doch die Aussagen dieses Zeugen gründlich prüfen. Mein« Herren, bei manchen Vorgängen finden wir «inen fünf- oder sechsmaligen Stellungswechsel de» Möbius. (Mit bewegter Stimme): Wollen Sie mich verurteilen aus Aussagen, di« fünf- bis sechsmal gewechselt worden sind, wo sich einer der Aussaqenden erst fünf Minuten vor zwölf, al« ihm gesagt wird, die Boruotersuchung wird abgeschlossen, es wird Anklage erhoben, erst bereit findet, seine bisherigen Aussagen zu revt- vieren, wollen Sie mich auf Grund solcher Ans- sagen in» Zuchthavs schicken? Mit wahrem Entsetzen habe ich festgestellt, daß wesentliche Punkte meiner Darstellung im Falle Brandt von der Staatsanwaltschaft überhaupt nicht beachtet worden sind. Der Staatsanwalt hat sich täuscht, wenn er annimmt, ich hätte 2000 -fi dem Möbius gegeben, um später zu sagen, es wären 10 000 gewesen. Ich l>abe bei meiner ersten Verneh mung ausgesagt, daß ich blindlings in das Kuvert hineinariff, Papiergeld herausnahm und es Möbius als Schweigegeld gab. Wieviel es gewesen ist, weiß ich nicht, ich weiß es heute noch nicht. Ursprünglich hat Brandt beschwören wollen, der mir -arqereichte Umschlag habe 5000 .ll enthalten und sei offen ae- rvesen. Brandt ist auch in dieser Beziehung um gefallen. Nicht aus dem Umfang des Kuverts, sondern aus dem Benehmen des Brandt fühlte ich im Cafe, daß die Situation schwül war. Ich wurde nervös und schob das Kuvert zurück. Ich hatte das Gefühl, es sei Geld darin. Brandt sagte: ,.9krhme„ Sie es", und schob es mir wieder zu. Nun erscheint die Besitzerin des Lokales. Da steckte ich in meiner Unentschloffenheit das Kuvert zu mir. In nervöser Hast brach ich das Gespräch mit Brandt ab, um zu nächst einmal Klarheit zu gewinnen. Vor dem Lokal öffnete ich das Kurert. Auf meinen Wink folgte mir Möbius. Er sagte: .Es ist Geld darin." Ich machte ihm scharfe Vorwürfe und sagte ihm: Was ist das für eine Schweinerei? Ich ging mit Möbius zu Brandt und sagte ihm: .Ich werde die Sache in Ordnung bringen, nehmen Sic aber das Geld zu rück." Brandt lehnte cs ab. Daraufhin griff ich in das Kuvert und gab Möbius Geld, nm ihn znm Schweigen zu bewegen. Nun der Vorgang am Hauptbahnho f. Möbius sagt mir: .Brandt will Sie sprechen." Ich denke, Brandt will mich in seiner Gnadcnsache sprechen, und warte, bis er rammt. Ich steh« auf einer Verkehrsinsel und sage zu ihm: „Was haben Sie für Geschichten gemacht, lassen Sie das doch." In dieser Situation drückt mir Brandt eine Gans in den Arm. Daß ich frappiert war, das ist aus den Umständen heraus schließlich nicht ganz unbegreiflich. Brandt soll sich nach diesen wenigen Worten entfernt haben. Da sagt« ich zu Möbius: „Lassen Sie mich nun endlich in Ruhe; ich lehne jede Beziehung mit Ihnen ab!" Ich hatte niemals den Willen gehabt, die Gans ernstlich zn behalten. Sic können sagen, meine Herren, so verhält sich kein normaler Mensch. Er findet eben den richtigen Weg- Ich habe mich auch immer für einen »or- malen Menschen gehalten (der Angeklagte bricht aufs neue in Träne» aus); aber der Sach verständige hat mir bescheinigt, ich bin nicht nor mal, ich bin Psychopath. Aber dann, meine Herren, müssen Sie mir auch gestatten, daß ich an» diesem für mich wenig schmeichelhaften Gutachten einigen Honig für mich heraussauge und Dinge berühre, die da» Verhaften des Psycho- pathen Ieigner bis zu efnem gewisse« Grade be- greiflich machen. . Ich war bei Beginn der Voruntersuchung uicht beherrscht von dem Gefühl, daß mir irgendeine strafbare Handlung aus meiner Ministertätiqkeit nachgewiesen oder auch nur mit einiger Wahrschein lichkeit vorgehalten werden könnte. Die einzige Furcht, die mich sahrelaug deherrscht hat, war die Milttarsach«. Und deshalb habe ich den Fall Brandt nicht in extenso behandelt. Wenn ich den Fall Brandt darstellte, dann hätte ich zur Sprach? bringen müssen, daß Möbius bei mir aus und ein ging, bei mir wohnte usw. Der Fall Brandt explodierte am 23. Dezember vor dem Hauptbahnhof. Und bei dieser Auseinander- setzunq mit Möbius spielte nicht nur die Gans eine Rolle, sondern auch der Militärfall. Er war der Beherrschende. . Daß ich schließlich mit einigem Bangen der Be sprechung des Falles Brandt mit seinen Einzelheiten entgcgcnsah, das können Sie mir nicht verübeln. In dem Augestblick, wo ich glaubte, freie Hand zu haben, nachdem die Verjährungsfrist in der Militärsache vcr- strichen war. habe ich die Karten vollständig aufgedeckt, iind zwar nicht nur den Fall, sonder, ich habe auch das persönliche Verhältnis zwischen mi nnd Möbius in meiner Eingabe vom 28. Januar ausführlich dargestrllt. Am 22. November bin ich zum ersten Male über den Fall Brandt vernommen worden. Die erste Frage des nächsten Tages war, es muß irgendwie gelingen, die Militärsache ans der Welt zu schaffen, und am 23. November habe ich dann ein Gesuch um Niederschlagung an da« Ministerium gesandt. Daß ich also nicht unter dem Eindruck stand, daß ein Fall Friedrichfen oder Trommer oder irgend- ein anderer Fall mir Schwierigkeiten bereiten konnte, wie es der Oberstaatsanwalt darstellt, da» meine Herren können Sie mir glauben. Es wird ungeheuer schwer sein, auch für das Gericht, sich frcizumachen von dem Alpdruck, der auf dieser Verhandlung last-t, infolge des Wahnsinnes, der in den Akten steht. In den Akten steht so viel Entsetzliche«, daß, als ich es zum ersten Role horte, uuig«. worfen worden bi». Es ist die Pflicht des Gerichts — verzeihen Sie, wenn ich es hier betone — sich frei zu haltn von dem Inhalt der Akten und nur nachwirken zu lassen, was hier in der Hauptverhandlnng sestgestellt worden ist. Meine Herren, da bitte ich noch etwas zu berück sichtigen. Ls ist für mich nicht gerade angenehm, ans diese Dinge zu sprechen zu kommcn. Es sind Zeugen darüber vernommen: „Was ist Zeigner als Mensch?" De eine Zeuge hat mit größerer Zurück haltung ausgesagt, eine Zeugin aber hat einiges be- kündet, was .ch zum mindesten für wesentlich halten muß. Andere Zeugen sind nicht gehört worden, weil das Gericht insoweit die Behairptung der, Ver teidigung als wahr unterstellt hat. Die Gefahr liegt nun meiner Ansicht nach darin, daß diese Behauptung meiner Verteidigung verhältnismäßig schnell an den Organen des Gesichtes vorübcrgchen wird. Es be steht die Gefahr, daß sic nicht so lebendig dem Ge hirne vorschwebt, als wenn die Behauptungen durch Zeugenvernehmung erhärtet worden wären. Deshalb hätte ich Interesse daran gehabt, daß Zeugen darüber vernommen worden wären: (Unter starkem Schluchzen): Bin ick? ei» habgic- rige» Subjekt, da« sich die Taschen füllt oder nicht ? Das ist nicht geschehen. Gut. Ich bescheide mich. Alxr die Tatsache, meine Herren, die Sie als wahr unterstellt haben, bttte, vergessen Sie sie nicht! Ich bitte Sie dringend, berücksichtigen Sie sie, denken Sie bei Ihrer Beratung an diesen Menschen, bei dem sie al, wahr unterstellen: Er ist nicht ein habgierige» Subjekt! Di« Urteilsverkündung erfolgt Sonn abend, mittags 12 Uhr. Vor der Münchner LlrteilsfMung München, 28. Mürz. (E i g. T e l.) Die „D entsche Presse", das Orggagn Ses v ö l k i s ch c n Rechts blocks in Bayern, schreibt an der Spitze ihrer heutigen Ausgabe: „Welches ist Misere Ausgabe, wenn die Angeklagten verurteilt werden?" und ant wortet darauf: „Bei einer etwaigen, aberkaumzn erwartenden Berirrteilung würden wir daraus hinarbciten, daß eine solche dem deutschen Rechtssinn unverständliche Tat mit leidenschaft licher Kraft zurück gewiesen würde. Keine Gefahr würde uns ab Hal ten können, diese Pflicht zu erfüllen, deren Erfüllung letzten Endes führen wird zur Befreiung unseres Volkes und Landes." Diese Drshuyg mit einem Putsch für den Fall, daß Hitler und Genossen verurteilt werden, nimmt man in Regierungskrisen nicht (eicht. Nia!: ist aber überzeugt, daß es der Staatsgewalt ohne Schwierigkeiten möglich sein wird, jede Ausschrei tung schon im Keime zn ersticken. Alle Vorsichts maßregeln sind zunächst einmal für Dienstag ge troffen. Auch die Ludendorff bei seiner Abfahrt aus dem Gericht dargcbrachten Ovationen halbwüchsige Burschen, Schüler, die unbekümmert um das be stehende Verbot ihre „Oberland", oder national-' sozialistischen Abzeichen au der Kappe tragen, ändern nichts an der Tatsache, daß non einer eigentliche,? Gefahr nicht die Rede sein kann. Dennoch w:r^ täc Entwicklung der nationalsozialistischen Propa ganda mit Sorgfalt beobachtet. Die Schwäche der Prozcßführnng hat Wasser auf die völkischen Mühlen gebracht. Der Ltraßenver kauf eines der Haupthetzblätter hat am Tage dreißig- bis fünfzigtausend Exem plare betragen. An die kommenden Wahlen geht namentlich die Bayrische Dolkspartei de>.'- halb nicht ohne Sorgen heran. Hitlers Hairptargu ment in seiner gestrigen Schlußrede, daß das deutsche Volk auch dieser Republik treu geblieben wäre unn.l sie nach dem Zusammenbruch die zurllckkehrendcn Bataillone zusanunengcfaßt und zn einem letzt.,i Stoß gegen den Feind angcsetzt hätte, ist bei dem ganz urteilslosen Mitläufertum nicht ohne Mrkin.g geblieben. Wie das Polksqericht entscheiden wird, ist natürlich noch nicht zu übersehen. Bermutlich wird es doch zn einer Verurteilung kommen. Das Straßmaß dürfte hinter dem von dem Staatsanwalt beantragten vielleicht etwas Zurückbleiben. Eüm Freisprechung Lndendorfks erscheint nicht ganz ausgeschlossen. Wie man soeben hört, werden Kahr, Losson» und Seißer mit ihren Familien demnächst di« schon kürzlich von einer hiesigen Zeitung ,»n- geköndiqtc Erholungsreise nach Korfu ge meinsam antretcn. Das Ermittlungsver fahren gegen sie ist npch nicht endgültig nieder geschlagen, jedoch besteht nach Auffassung der Staars- anwaltschaft keine Veranlassung, das Verbleiben der Genannten im Lande zn fordern. Regierung und Parlament in Südslawien Frankfurt a. M., 28. März. (Ei g. T c l.l lieber die Beendigung der Regierungskrise in Südslawicn wird aus Belgrad gemeldet: Paschitsch unter breitete gestern nachmittag dem König die Minister- liste seines neuen mit dem demokratischen Dissidcn,en Pributschewitsch gebildeten Kabinetts, in de!L er selber das Präsidium und Nint schitsch da?» Ministerium des Aeußern behält. Die Gruppe der Regierungsparteien verfügt im Parlament über 155, die vereinigte Opposition übe? 127 Stimmen-, hierbei sind jedoch nicht eingerechnet die 42 Stimmen der bereits hier anwesender, kroati schen Abgeordneten, die ans die Br-- stättgnng ihrer Mandate warten. v«r Typ «I« woacklloe» Lounlnnedrikl LrneLelat ckeranllckdnt VIL 6DO88L SM DU»
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